Die Weigerung, ‘zum Schwert zu greifen’ — ein Schutz
„STECKE dein Schwert wieder an seinen Platz!“ Diesen Befehl gab Jesus zu einer Zeit, als es logisch erschien, Gewalt zu gebrauchen. Vor Jesus stand „eine große Volksmenge mit Schwertern und Knüppeln“, die ihn gefangennehmen und ihm zum Schein den Prozeß machen wollte. Einer der Jünger Jesu zog das Schwert in der Absicht, Jesus durch Gewaltanwendung zu schützen. Sollte man ihm deswegen Vorwürfe machen?
Jesus wollte jedoch mit Gewaltanwendung nichts zu tun haben. Er befahl Petrus, seine Waffe wegzustecken, und erklärte: „Alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen. Oder denkst du, ich könne nicht meinen Vater anrufen, daß er mir in diesem Augenblick mehr als zwölf Legionen Engel sende?“ (Matthäus 26:47, 52, 53).
Ebenso verlassen sich Christen heute nicht auf Waffen wie Schußwaffen oder Messer — selbst nicht in unseren gefährlichen, ‘kritischen Zeiten, mit denen man schwer fertig wird’ (2. Timotheus 3:1). Sie nehmen das biblische Gebot, ‘Schwerter zu Pflugscharen zu schmieden’, ernst, und sie versuchen nicht, ihren Mitmenschen Schaden zuzufügen (Jesaja 2:4). Da sie keine Waffen zur Selbstverteidigung tragen, nehmen sie nicht zu Gewalt Zuflucht, sondern sie neigen eher dazu, mit Personen, die ihnen etwas antun wollen, vernünftig zu reden. „Wenn möglich, haltet, soweit es von euch abhängt, mit allen Menschen Frieden“ ist der Rat, dem sie folgen (Römer 12:18). Trotzdem ist es nicht immer einfach, sich zu weigern, ‘zum Schwert zu greifen’. Situationen können entstehen, in denen der Vorsatz eines Christen, ‘mit allen Menschen Frieden zu halten’, auf eine harte Probe gestellt wird.
Das geschah vor einigen Jahren in einem afrikanischen Land. In dem Land entspann sich ein Machtkampf. Ein Bürgerkrieg tobte, und es kam zu ausgedehnten Guerillaangriffen. Die Bürger wurden daher genötigt, sich den Sicherheitsstreitkräften anzuschließen. Einige wurden von ihren Landsleuten stark unter Druck gesetzt, um sie dazu zu bewegen, sich den Guerillas anzuschließen. Die Bürger gerieten zeitweise in das Spannungsfeld zwischen Anwerbern der Guerillas und Regierungssoldaten, die gegen jeden, der die Guerillas unterstützte, brutal vorgingen.
Gewalttätigkeit fegte über das Land. Ein Pionierehepaar berichtete, daß die Gefahr eines Angriffs so allgegenwärtig war, daß beide, wenn sie in den Predigtdienst fuhren, ihre Büchertaschen auf Brusthöhe zwischen sich und die Autotür klemmten, um sich irgendwie vor Geschossen zu schützen. Aber während sie entkommen konnten, ohne Schaden zu nehmen, erging es einem älteren Ehepaar, das sie besuchten, nicht so gut. Der Mann wurde erschossen. Eine andere Familie, die sie besuchten, mußte erleben, wie die Guerillas eines Abends ihr Haus mit allem, was darin war, niederbrannten. (Diese Familie schrieb später an die Wachtturm-Gesellschaft und bat um das Buch mit dem passenden Titel Wahrer Friede und Sicherheit — woher zu erwarten?)
In einer solch spannungsgeladenen Atmosphäre war es kein Wunder, daß viele rücksichtslos Schritte zur Selbstverteidigung unternehmen wollten. „Soll man tatenlos zusehen und sich und seine Familie umbringen lassen?“ fragten sie sich. Viele begannen Waffen zu tragen. So machten sich Zeugen Jehovas in diesem vom Krieg erschütterten Land Gedanken darüber, was sie tun sollten.
Mit Haftstrafen bedroht
Im großen und ganzen kamen Jehovas Zeugen zu einem einheitlichen Schluß: Sie wollten in dem Bürgerkrieg völlig neutral bleiben und davon abstehen, Waffen zu tragen. Aber hatte diese Entscheidung überhaupt einen praktischen Wert, ja war sie nicht sogar gefährlich? Ihre Erfahrungen unterstreichen die Richtigkeit ihrer Entscheidung.
Tony, ein junger Mann, hatte früher in den Streitkräften gedient. Während er ein Christ wurde, erkannte er jedoch, daß er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte, ‘zum Schwert zu greifen’ und einem Mitmenschen Schaden zuzufügen. Als er daher wieder für eine gewisse Zeit einberufen wurde, weigerte er sich und mußte eine Geldstrafe bezahlen. Kurz danach wurde er nochmals einberufen, und diesmal wurde er zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Er wurde noch ein drittes Mal einberufen und erhielt eine zehnmonatige Gefängnisstrafe. Er legte jedoch bei einem höheren Gericht gegen dieses Urteil Berufung ein. In den nächsten beiden Jahren mußte er immer wieder vor Gericht erscheinen, und seine Frau und er bereiteten sich stets auf eine 10monatige Trennung vor. „Ich sagte meiner Frau während der zwei Jahre vielleicht 13mal Lebewohl, aber jedesmal geschah etwas, was die Vollstreckung des Urteils verzögerte“, sagte er.
In der Zwischenzeit wurden er und seine Frau Sonderpioniere, und man erkannte ihn als Geistlichen an. Aber nach dem Gesetz mußte er immer noch seine 10monatige Strafe verbüßen. Schließlich erhielt er einen Brief, mit dem ihm in Aussicht gestellt wurde, daß die Strafe ausgesetzt würde, sofern er sich für schuldig erkläre. „Ich teilte ihnen mit, daß ich das nicht tun könne, weil ich unschuldig sei“, erklärte Tony. Er bereitete sich darauf vor, ins Gefängnis zu gehen. Zu seiner Überraschung erhielt er einen Brief, in dem es hieß, daß die Richter des Hohen Gerichtshofs den Fall untersucht und das Verfahren wegen eines Verfahrensfehlers eingestellt hatten. Tony betrachtete das als eine Belohnung dafür, daß er sich geweigert hatte, ‘zum Schwert zu greifen’.
Viele Christen wurden jedoch zu einer endlos erscheinenden Reihe von Gefängnisstrafen verurteilt. Sobald sie entlassen worden waren, wurden sie erneut zum Wehrdienst einberufen, und die Folge von Gerichtsfällen und Gefängnisstrafen fing wieder an. Denke nur einmal daran, welche Härte das für Familienväter mit Kindern war! Trotzdem gereichte es denen, die ihre Neutralität bewahrten, nicht nur zum Schutz vor der Gewalttätigkeit, die mit dem brutalen Bürgerkrieg einherging, sondern sie konnten auch vor Jehova ‘ein gutes Gewissen behalten’ (1. Petrus 3:16).
Schutz der eigenen Familie — ohne Waffen!
Für einen Familienvater namens Will erwies es sich auch als ein Segen, daß er sich nicht an Gewalttätigkeit beteiligte. Er besaß etwa 60 km außerhalb der Stadt eine Farm, wo er mit seiner Frau und seinen fünf Kindern lebte. Die Familie war großen Gefahren ausgesetzt, wenn sie zu den Zusammenkünften fuhr und wenn sie wegen anderer Angelegenheiten unterwegs war. So war die Versuchung groß, sich auf den Schutz von Schußwaffen zu verlassen. Aber Will hatte bereits in der Vergangenheit den Segen Jehovas verspürt, weil er sich auf ihn verlassen hatte. Vor Jahren war er ein erfolgreicher Tabakfarmer gewesen. Als er durch die Spalten des Wachtturms lernte, daß eine solche Tätigkeit für einen Christen unangebracht ist, unternahm er mutig den Schritt, etwas anderes anzubauen. Die Nachbarn waren über diese anscheinend törichte Entscheidung schockiert. Doch trug gutes Wetter — selbst in ungünstigen Jahreszeiten — dazu bei, sein neues Unternehmen zu einem Erfolg zu machen. Die Nachbarn waren erstaunt, und Will und seine Familie verspürten aus erster Hand, wie sich die Zusage Gottes bewahrheitete, daß er seine Diener nicht ‘im Stich läßt’ oder ‘verläßt’ (Hebräer 13:5).
Jetzt, als der Krieg begann, stand Will einer weiteren Prüfung seiner christlichen Lauterkeit gegenüber. Aber gestärkt durch seine vorausgegangene Erfahrung, entschied er sich, keine Schußwaffe zu tragen. Er beschloß vielmehr, für seine Frau und seine Kinder ein Haus in der Stadt zu mieten, so daß während der Woche die Schule und christliche Zusammenkünfte leicht zu erreichen waren und sie nicht täglich etwa 180 km durch gefährliches Gebiet fahren mußten.
Eines Nachts — sie waren nicht zu Hause — brach eine Guerillagruppe in ihr Farmhaus ein und stahl einige ihrer persönlichen Dinge. Aber überraschenderweise brannte sie das Haus nicht nieder und beschädigte das Anwesen nicht ernstlich. Warum das? Die Guerillas sagten den Arbeitern auf Wills Farm, sie wüßten, daß „Boß Will“ ein Zeuge Jehovas sei und daß er ein guter Mann sei, der seine Arbeiter fair behandle. Wie machtvoll erwies sich doch sein christlicher Ruf, verglichen mit dem Vertrauen auf gefährliche Waffen!
Was wirklich Schutz bietet
Erfahrungen wie diese heben hervor, daß Jehova diejenigen segnet, die ihre christliche Neutralität bewahren und sich weigern, ‘zum Schwert zu greifen’. Es stimmt, manchmal läßt Jehova zu, daß einer seiner Diener stirbt, so, wie in jenem Land ein Kreisaufseher umgebracht wurde. Dessenungeachtet ist es besser, im vollen Vertrauen auf Jehova zu sterben, als sich von Menschenfurcht beherrschen zu lassen (Matthäus 10:28). Unsere Zeit der Gewalttat sollte uns nicht dazu veranlassen, ‘zum Schwert zu greifen’ und uns in irgendeiner Weise auf eine Befreiung durch gefährliche Waffen zu verlassen. In der Bibel wird uns versichert: „Vor Menschen zu zittern ist das, was eine Schlinge legt, wer aber auf Jehova vertraut, wird beschützt werden“ (Sprüche 29:25).
[Herausgestellter Text auf Seite 14]
Christen nehmen das biblische Gebot, ‘Schwerter zu Pflugscharen zu schmieden’, ernst.
[Herausgestellter Text auf Seite 15]
„Wenn möglich, haltet, soweit es von euch abhängt, mit allen Menschen Frieden.“