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Erwachet! 1971
g71 8. 9. S. 20-23

Berlin — zehn Jahre später

Vom „Awake!“-Korrespondenten in Deutschland

ALS die Nase unserer Düsenmaschine sich senkte und wir plötzlich ein Lichtermeer vor Augen hatten, drückte Karin ihr Gesicht gegen die Fensterscheibe und rief aus: „Das ist Berlin!“

Während das Flugzeug in einen langsamen Gleitflug überging, folgten Karins Augen einer hellen Lichterreihe, die sich durch die Stadt zog. „Das muß die Mauer sein!“ Sie gab sich gar keine Mühe, ihre Gefühle zu verbergen.

Nun flog unsere Maschine die Landebahn des Zentralflughafens Tempelhof an, des einzigen europäischen Flughafens, der inmitten einer Stadt liegt. Auch ich war aufgeregt. Das war mein erster Besuch in dieser geteilten Stadt, die in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren immer wieder Schlagzeilen gemacht hat. Und Karin freute sich, Berlin, das sie vor zehn Jahren verlassen hatte, wiederzusehen und Vergleiche zwischen dem damaligen und dem heutigen Berlin zu ziehen.

Vier Sektoren — vier Flughäfen

„Es hat sich gar nicht viel verändert“, sagte Karin, als wir auf dem Flughafen ankamen, „schau, dort drüben haben wir gewartet, bis wir aufgerufen wurden.“ Vor zehn Jahren gehörte Karin zu den anderthalb Millionen Flüchtlingen, die aus Ostdeutschland nach West-Berlin flüchteten. Von hier wurden sie dann nach Westdeutschland ausgeflogen.

Von Tempelhof aus, dem verkehrsreichsten Flughafen Berlins, wird ein Pendelverkehr durch die drei etwa dreißig Kilometer breiten Luftkorridore unterhalten: in nordwestlicher Richtung nach Hamburg, in westlicher Richtung nach Hannover und in südwestlicher Richtung nach Frankfurt.

Der Flughafen Tegel, der im französischen Sektor im Norden der Stadt liegt, wurde während der Blockade in zweiundneunzig Tagen gebaut. Da, wo heute dieser Flughafen liegt, hat Wernher von Braun seine ersten Raketenversuche gemacht. Dieser Flughafen, der gegenwärtig vergrößert wird, dient auch dem internationalen Flugverkehr; ferner starten und landen die Flugzeuge, mit denen die Berliner ihre Urlaubsreisen in den sonnigen Süden unternehmen, auf diesem Flughafen.

Der Flughafen Gatow im britischen Sektor wird ausschließlich für militärische Zwecke benutzt. Vom Flughafen Schönefeld im sowjetischen Sektor kann man nach Osteuropa und nach asiatischen Städten fliegen; die Preise für solche Flüge sind im allgemeinen niedriger als die Flugpreise der westlichen Luftfahrtgesellschaften.

„Komm, wir wollen uns das Luftbrückendenkmal ansehen“, sagte Karin. Dieses große Steindenkmal steht vor dem Flughafen. Es wurde am 12. Mai 1959 zur Erinnerung an die achtundsiebzig Personen errichtet, die während der Blockade vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 im Dienste der Luftbrücke ihr Leben verloren. Innerhalb dieser knapp elf Monate wurden in rund 200 000 Flügen mehr als zwei Millionen Tonnen Lebensmittel, Kohlen und sonstige Güter nach West-Berlin gebracht. Am 300. Tag der Blockade zählte man nicht weniger als 927 Flugzeugstarte und -landungen.

In Karin, die aus einem kleinen Dorf außerhalb Berlins stammt, wurden jetzt Erinnerungen wach „Damals war überall in und außerhalb von Berlin Schmalhans Küchenmeister.“ Während wir uns in einem Straßencafé das Abendbrot schmecken ließen und Pläne für den nächsten Tag schmiedeten, bemerkten wir, wie sehr sich das geändert hatte!

Eine einzigartige politische Vergangenheit

Die warmen Strahlen der Morgensonne begrüßten uns am nächsten Morgen, als wir die berühmte Straße des 17. Juni entlangbummelten. „Ich erinnere mich noch an den 17. Juni 1953, als wäre es erst gestern gewesen“, sagte Karin. „Wir waren gerade auf einem Schulausflug, als in Ostdeutschland als Folge eines Aufstandes in vielen Städten, besonders hier in dieser Stadt, der Ausnahmezustand verhängt wurde.“ Diese Straße ist zur Erinnerung an jene Demonstration der Unzufriedenheit des Volkes umbenannt worden.

In dieser Parkanlage, Tiergarten genannt, gibt es manche Touristenattraktionen, die einiges über die politischen Systeme aussagen, die Berlin in den vergangenen hundert Jahren erlebt hat. Sie waren offenbar so wechselhaft wie die Mode.

Die 67 Meter hohe Siegessäule mitten auf dieser Prachtstraße erinnert an den Sieg der Deutschen über die Franzosen im Jahre 1871 und an die Kaiserzeit.

Nicht weit davon liegt das Reichstagsgebäude, das sowohl während der Kaiserzeit als auch während der Weimarer Republik Sitz des Parlaments war. Im Jahre 1933 wurde dieses Gebäude von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt, doch der Brand wurde den Kommunisten zur Last gelegt. Hitler benutzte ihn, um den Erlaß einer Notverordnung zu erreichen, die die wichtigsten Grundrechte außer Kraft setzte.

Das russische Ehrendenkmal — eine gewaltige Statue eines Soldaten, vor der zwei Tanks stehen und die immer noch von russischen Soldaten bewacht wird — erinnert daran, welche Armee im Jahre 1945 Berlin eigentlich erobert hat.

Das Brandenburger Tor, das internationale Symbol Berlins, liegt nicht auf dem Gebiet West-Berlins, sondern schon jenseits der Grenze, in Ost-Berlin. Bevor die Kommunisten die Mauer bauten, bildete das Brandenburger Tor den Hauptdurchgang für den Ost-West-Verkehr.

Alle diese verschiedenen Regierungssysteme, das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Dritte Reich und auch das heutige Regierungssystem, unter dem Berlin eine geteilte Stadt in einem geteilten Land in einer geteilten Welt ist, kann man auf einen Nenner bringen: Sie haben sich alle als unbefriedigend erwiesen!

„Als wir noch hier wohnten“, erzählte Karin, „war die Stadt in vier Sektoren aufgeteilt, aber wir konnten ohne weiteres von einem Sektor in den anderen gelangen, häufig sogar ohne Personalausweiskontrolle. Sogar die U-Bahn und die S-Bahn verkehrten uneingeschränkt zwischen den Sektoren. Wer dem kommunistischen Regime entfliehen wollte, fuhr einfach von Ostdeutschland nach dem Ostsektor Berlins, ging zu Fuß oder fuhr in einen der Sektoren der westlichen Alliierten und ließ sich dann im Notaufnahmelager Marienfelde registrieren. Darauf wurde er in ein Durchgangslager oder in eine Schule weitergeleitet und schließlich nach Westdeutschland ausgeflogen.“

Am Sonntagmorgen, dem 13. August 1961, richtete die ostdeutsche Polizei ein Stacheldrahtverhau auf, um den anschwellenden Flüchtlingsstrom aus Ostdeutschland abzustoppen. Um zu verhindern, daß einzelne doch noch flüchten konnten, wurde dann noch eine drei bis vier Meter hohe Mauer gebaut, ferner wurden Wachtposten in regelmäßigen Abständen aufgestellt, die mit Wachhunden ausgerüstet waren, auch Wachttürme wurden gebaut, und Minen wurden gelegt. Durch die Mauer wurden etwa 60 000 Ostberliner und Ostdeutsche von ihrem Arbeitsplatz in den drei Westsektoren abgeschnitten.

Jetzt ist die Berliner Mauer, die Berlin in zwei Teile teilt, 48 Kilometer lang, außerdem ist entlang der ostdeutschen Grenze eine 115 Kilometer lange Absperrung, Stacheldrahtverhau und Mauer, errichtet worden. Nach Ost-Berlin gibt es sieben Übergänge; der bekannteste ist der für die Ausländer, Checkpoint Charlie genannt. Zwei weitere Übergänge sind für Besucher aus Westdeutschland und vier Übergänge für Westberliner, die einen Passierschein haben. Entlang der Grenze gibt es Übergänge, die zu den Fernverkehrsstraßen führen. Diese Straßen, die im großen und ganzen in der gleichen Richtung wie die Luftkorridore verlaufen, verbinden Berlin mit der Bundesrepublik, die ungefähr hundertsiebzig Kilometer davon entfernt liegt.

Von einer Stadt der Ruinen und Flüchtlinge zu einer Stadt der Prosperität

„Komm, wir wollen doch einmal zu dem Durchgangslager gehen, in dem wir untergebracht waren“, sagte nun Karin. „Es muß irgendwo an der Mauer sein; ich kann mich noch gut erinnern, daß Mutter immer Angst hatte, meine Brüder könnten versehentlich in den Ostsektor geraten.“

Karin erkannte sofort das riesige Fabrikgebäude an der Flottenstraße wieder; aber sie war überrascht, als sie erfuhr, daß jetzt Ausländer darin wohnten, die nach Berlin gekommen waren, um in dieser Stadt zu arbeiten. Die Anwesenheit so vieler Türken, Griechen, Jugoslawen und Italiener läßt erkennen, wie es gegenwärtig um die Wirtschaft Berlins und Deutschlands bestellt ist: In den vergangenen zehn Jahren hat sie einen ungeheuren Aufschwung genommen. Karin meinte: „Und dabei soll Deutschland den Krieg verloren haben!“

Wir sahen nicht viel von den „achtzig Millionen Kubikmetern Schutt“, die es, wie die deutschen Geschichtsschreiber berichten, im Nachkriegs-Berlin gegeben haben soll. Die berühmteste Ruine ist an der bekanntesten Straße Berlins zu sehen. Man hat die Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche als Mahnmal für den Krieg stehenlassen, doch ist rechts und links davon ein moderner Neubau aus blauem Glas errichtet worden.

Gegenüber der Kirche befindet sich das berühmte Europa-Center mit seiner 1,8 Kilometer langen Schaufensterfront; es ist eine Stadt für sich, in der es alles gibt, angefangen vom chinesischen Restaurant bis zur Eisbahn unter freiem Himmel, die das ganze Jahr offen ist. Bei diesem Zentrum beginnt die berühmteste Straße West-Berlins, der Kurfürstendamm, an dem es eine Reihe Straßencafés gibt und dazwischen Geschäfte, in denen alle möglichen Luxusartikel angeboten werden. Die vielen Nachtclubs, Bars und Kinos sind ein Beweis dafür, daß es der Bevölkerung gegenwärtig wirtschaftlich sehr gutgeht, aber sie verraten auch, daß sie das Vergnügen liebt.

„Laß dich aber durch die Fassade nicht täuschen“, mahnte Karin. „Wir wollen einmal sehen, ob etwas getan worden ist, um die Häuser hinter diesen Geschäften zu modernisieren.“ Doch das war ein Teil Berlins, der sich in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert hatte.

Der Wohnungsbau

Karin wußte auch allerhand über die Geschichte Berlins. So erzählte sie, daß man im Jahre 1920 beschloß, den Stadtkern mit sieben umliegenden Städten, neunundfünfzig Landgemeinden und siebenundzwanzig Gutsbezirken zu einer „einheitlichen Gemeinde Berlin“ zu verschmelzen. Das führte natürlich dazu, daß Berlin recht vielgestaltig wurde. Vor dem Krieg hatte die Stadt viereinhalb Millionen Einwohner. Das Stadtgebiet Berlins umfaßte 883 Quadratkilometer; es war also größer als München, Stuttgart und Frankfurt zusammen.

Heute hat West-Berlin zweieinviertel Millionen Einwohner, ist aber nur gut halb so groß wie das ursprüngliche Stadtgebiet; das bedeutet, daß jetzt auf dem Quadratkilometer etwa 4 600 Einwohner leben, im Vergleich zu 232 je Quadratkilometer in Westdeutschland.

Der Wohnungsbau ist in Berlin ganz unterschiedlich. In älteren Stadtteilen wie Wedding gibt es hinter einem Haus, das an der Straße steht, bis fünf Hinterhäuser, die nur durch einen kleinen Hof voneinander getrennt sind. Die Villen in Zehlendorf, in den Wäldern am Ufer der Havel, bilden einen wohltuenden Gegensatz. Wenn man den Fluß in nördlicher Richtung entlanggeht, werden die Villen allmählich kleiner bis zu einfachen Gartenhäuschen, wie zum Beispiel in Heiligensee zwischen dem Tegelersee und der Havel.

Da West-Berlin sich nur himmelwärts ausdehnen kann, sind große Wohnviertel aus dem Boden geschossen. Das berühmteste ist das Märkische Viertel, in dem 50 000 Personen wohnen können. Etwa zwanzig Architekten aus verschiedenen Ländern arbeiteten die Baupläne dafür aus. Das Ergebnis: fast zweiunddreißig Kilometer neue Straßen, an denen links und rechts bunte drei bis achtzehn Stockwerke hohe Wohnblocks stehen samt Einkaufszentrum, Schulen und Spielplätzen.

Aber West-Berlin besteht nicht nur aus Häusern und Läden. Fast 17 Prozent des Stadtgebietes sind Waldungen, 7 Prozent Parks und, so merkwürdig es klingen mag, weitere 17 Prozent werden landwirtschaftlich genutzt, hauptsächlich von Kleingärtnern. Karin und ich mieteten uns Pferde und unternahmen einen Ritt in das Gebiet, wo die Berliner im Winter Schi fahren.

Die Verkehrsmittel

„Wie wäre es mit einer Bootsfahrt?“ fragte Karin. „Wir sind oft mit der Fähre nach Berlin gefahren.“

Die vier Seen West-Berlins, die Havel und die Spree sowie eine Anzahl von Kanälen ergeben ein Wasserstraßennetz von hundertvierzehn Kilometern. Es gibt dort so viele private Segel- und Motorboote, daß behauptet worden ist, man könne die Havel trockenen Fußes überqueren, indem man von einem Boot ins andere steige.

Berlin hat ein vorzügliches U-Bahn-Netz; ferner gibt es dort eine S-Bahn und Busse. Die Straßenbahn verkehrt in West-Berlin nicht mehr, in Ost-Berlin dagegen spielt sie noch eine wichtige Rolle. Auf der hundert Kilometer langen U-Bahn-Strecke in West-Berlin werden täglich durchschnittlich 600 000 Personen befördert; eine Fahrt kostet vierzig Pfennig. Zwei dieser Linien führen durch den Ostsektor, aber alle Ost-Stationen an der Strecke sind geschlossen außer einer, die als Übergang in den sowjetischen Sektor benutzt und von ostzonalem Personal bedient wird. Die S-Bahn, die auch in den westlichen Sektoren von sowjetzonalem Personal bedient wird, ergänzt das U-Bahn-Netz und führt bis in die entlegensten Teile der Stadt.

Wir besuchten auch einige der Museen und alten Schlösser Berlins. Ferner waren wir gerngesehene Gäste in dem größten zoologischen Garten Europas, in dem 13 500 Tiere leben und wo sich auch das größte Aquarium des westeuropäischen Kontinents befindet. Zum Abschluß unserer Tour bestiegen wir den 150 Meter hohen Funkturm, um Berlin aus der Vogelschau zu sehen. Als Karin den Fernsehturm im Ostsektor betrachtete, sagte sie nachdenklich, wer wohl von dort zu ihr herüberschaue.

Westdeutschland pumpt Geld in die drei westlichen Sektoren von Berlin, um seinem Anspruch Nachdruck zu verleihen, daß West-Berlin das elfte Land der Bundesrepublik sei. Die Kommunisten behaupten jedoch, West-Berlin sei eine selbständige politische Einheit, Ost-Berlin dagegen sei die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Die Vier-Mächte-Gespräche scheinen sich endlos hinzuziehen, und immer, wenn wichtige europäische Probleme behandelt werden, ist die „Berlinfrage“ gewöhnlich dabei. Es ist eine Frage, für die die Nationen noch keine Lösung gefunden haben, die für alle befriedigend ist.

Viel zu schnell mußten wir den Rückflug antreten. Aber wir hatten so vieles gesehen, worüber wir uns unterhalten konnten. Nach Karins Urteil hat sich in den vergangenen zehn Jahren vieles verändert, und für mich war es interessant, zuzuhören, wenn sie das heutige Berlin mit dem Berlin vor zehn Jahren verglich.

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