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Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1992
w92 1. 5. S. 26-29

Jehova sorgte für uns unter Verbot (2. Teil)

DAS Koppelschloß der Uniform, die ich als Soldat während des Zweiten Weltkriegs trug, hatte die Aufschrift „Gott mit uns“. In meinen Augen war dies nur ein weiteres Beispiel für die Einmischung der Kirchen in Kriege und ihre Beteiligung am Blutvergießen. Das alles widerte mich an. Zu dem Zeitpunkt, als mich in Limbach-Oberfrohna (Ostdeutschland) zwei Zeugen Jehovas in eine Unterhaltung verwickelten, wollte ich mit Religion nichts zu tun haben. Ich war ein Atheist geworden und glaubte an die Evolution.

Den Zeugen sagte ich: „Bilden Sie sich ja nicht ein, daß ich ein Christ werde.“ Aber sie überzeugten mich davon, daß Gott existiert. Neugierig geworden, kaufte ich mir eine Bibel, und kurz darauf wurde ein Bibelstudium bei mir eingerichtet. Das war im Frühjahr 1953, als die Zeugen schon fast drei Jahre unter kommunistischem Verbot tätig waren.

Der Wachtturm vom 15. Oktober 1953 beschreibt die damalige Situation der Zeugen Jehovas wie folgt: „Obwohl man ihnen beständig nachspioniert und sie bedroht, obwohl sie nicht in der Lage sind, sich gegenseitig zu besuchen, ohne sich vorher zu vergewissern, ob man ihnen folgt, obwohl das Entdecken von Wachtturm-Schriften bei ihnen zwei oder drei Jahre Gefängnis wegen ‚Verteilung von Hetzliteratur‘ bedeutet, und obwohl Hunderte der reiferen Brüder, jene, die die Führung hatten, im Gefängnis sind, predigen Jehovas Diener in Ostdeutschland weiter.“

Im Jahre 1955 besuchten Regina, meine Frau, und ich den internationalen Kongreß der Zeugen Jehovas in Nürnberg, und im darauffolgenden Jahr ließen wir uns in West-Berlin taufen. Das war natürlich vor dem Bau der Berliner Mauer 1961, wodurch Ostdeutschland von West-Berlin abgeschnitten wurde. Meine Lauterkeit gegenüber Jehova Gott wurde allerdings schon vor der Taufe auf die Probe gestellt.

Verantwortung übernehmen

Die Versammlung der Zeugen Jehovas in Limbach-Oberfrohna, der wir uns anschlossen, benötigte jemanden, der biblische Literatur aus West-Berlin abholte. Wir hatten ein Geschäft und zwei kleine Kinder, doch in unserem Leben drehte sich bereits alles um den Dienst für Jehova. Zum Beispiel bauten wir unser altes Auto so um, daß man 60 Bücher darin verstecken konnte. Kurier zu sein war nicht ungefährlich, aber ich lernte dadurch, mich auf Jehova zu verlassen.

Mit dem Auto von Ost-Berlin in den Westsektor zu gelangen war ein gewagtes Unternehmen, und ich frage mich oft, wie wir das damals schafften. Sobald wir im freien Sektor waren, holten wir die Literatur und versteckten sie im Auto, bevor wir über die Grenze nach Ostdeutschland zurückfuhren.

Einmal — wir hatten gerade die Bücher versteckt — kam ein Fremder aus einem Wohnhaus und rief: „Hallo, Sie da!“ Mein Herz blieb fast stehen. Hatte er uns beobachtet? „Nächstes Mal stellen Sie sich besser woandershin. Der Funkstreifenwagen der Volkspolizei parkt immer an dieser Ecke, und man könnte Sie erwischen.“ Ich atmete erleichtert auf. Die Fahrt über den Grenzübergang verlief problemlos, und wir vier Kuriere sangen auf der ganzen Rückfahrt.

Vorbereitung auf die Isolation

In den 50er Jahren verließen sich die Brüder in Ostdeutschland in bezug auf Literatur und Leitung auf den Westen. Doch 1960 wurden Veränderungen vorgenommen, die den Zeugen in Ostdeutschland halfen, mit Glaubensbrüdern in ihrer Umgebung engeren Kontakt zu pflegen. Im Jahre 1961 besuchten dann Älteste die erste Klasse der Königreichsdienstschule in Berlin. Ich nahm an diesem ersten 4wöchigen Kurs teil. Kaum 6 Wochen später wurden wir plötzlich durch den Bau der Berliner Mauer vom Westen abgeschnitten. Zu der Untergrundtätigkeit kam nun noch die Isolation hinzu.

Einige befürchteten, die Tätigkeit der Zeugen Jehovas würde allmählich zum Stillstand kommen. Die organisatorischen Änderungen jedoch, die weniger als ein Jahr zuvor vorgenommen worden waren, halfen uns, die Einheit im Glauben zu bewahren und geistig stark zu bleiben. Außerdem konnten die Ältesten die Schulung, die sie in der ersten Klasse der Königreichsdienstschule erhalten hatten, an andere Älteste weitergeben. Jehova hatte uns also auf die Isolation vorbereitet, so wie er uns durch die Bezirkskongresse 1949 auf das Verbot im Jahre 1950 vorbereitet hatte.

Nun waren wir vom Westen abgeschnitten und mußten die Initiative ergreifen, damit es mit der Organisation weiter voranging. Wir schrieben unseren christlichen Brüdern in West-Berlin und schlugen einen Treffpunkt an der Autobahn im Osten vor, der von Reisenden aus dem Westen erreichbar war. Wir täuschten an der verabredeten Stelle eine Autoreparatur vor. Wenige Minuten später fuhren Brüder vor und übergaben uns biblische Literatur. Glücklicherweise hatten sie auch das Lehrbuch der Königreichsdienstschule, meine Notizen sowie meine Bibel mitgebracht, die ich aus Sicherheitsgründen in Berlin zurückgelassen hatte. Wie froh ich war, alles wieder in Händen zu haben! Ich hatte keine Ahnung, wie sehr ich diese Dinge in den nächsten Jahren benötigen würde.

Eine Schule im Untergrund

Einige Tage später wurden wir angewiesen, in allen Teilen Ostdeutschlands Königreichsdienstschulklassen zu organisieren. Vier Unterweiser wurden ernannt, einer davon war ich. Mir erschien es geradezu unmöglich, alle Ältesten zu schulen, solange unser Werk verboten war. Um unser Vorhaben zu verheimlichen, entschloß ich mich dazu, die Schule im Rahmen eines Campingurlaubs durchzuführen.

Jede Klasse bestand aus vier Schülern, und ich war der Unterweiser. Ein sechster Bruder diente als Koch. Frauen und Kinder waren ebenfalls anwesend. Gewöhnlich gehörten 15 bis 20 Personen zur Gruppe. Ein regulärer Campingplatz kam nicht in Frage, daher machte ich mich mit meiner Familie auf die Suche nach einem geeigneten Ort.

Auf unserer Fahrt durch ein Dorf bemerkten wir einen Feldweg, der zu einem Wäldchen führte — abgelegen von der Straße. Die Lage schien äußerst günstig zu sein, und so wandte ich mich an den Bürgermeister. „Wir suchen nach einem geeigneten Campingplatz, um mit einigen Familien ein paar Wochen Urlaub zu machen“, erklärte ich ihm. „Wir wären gern für uns, so daß die Kinder ungestört herumtollen können. Dürfen wir uns da drüben in dem Wäldchen niederlassen?“ Er hatte nichts dagegen, und wir trafen Vorbereitungen.

Auf dem Platz ordneten wir die Zelte und meinen Wohnwagen so an, daß eine Art viereckiger Hof entstand, der von außen nicht einsehbar war. Der Wohnwagen diente als Klassenraum. Dort fand 14 Tage lang täglich 8 Stunden intensiver Unterricht statt. Im sogenannten Hof stellten wir Tische und Stühle auf, falls ungebetene Gäste auftauchen würden. Und sie kamen tatsächlich. In solchen Momenten schätzten wir die liebevolle Unterstützung unserer Familien sehr.

Während des Unterrichts standen unsere Frauen und Kinder jeweils Wache. Einmal erspähten sie den Bürgermeister, der auch der örtliche Parteisekretär war. Er näherte sich auf dem Feldweg unserem Wäldchen. Die Wache betätigte einen Schalter, der über ein Kabel im Wohnwagen Alarm auslöste. Augenblicklich sprangen wir aus dem Wohnwagen und setzten uns auf die zuvor zugewiesenen Plätze rund um den Tisch und spielten Karten. Um die Szene realistisch erscheinen zu lassen, stand sogar eine Flasche Schnaps auf dem Tisch. Der Bürgermeister machte einen freundlichen Besuch und ging wieder nach Hause, ohne den geringsten Verdacht geschöpft zu haben.

Vom Frühjahr des Jahres 1962 bis Ende 1965 fanden im ganzen Land Königreichsdienstschulkurse statt. Durch die intensive Schulung wurden die Ältesten für die Aufsicht über das Predigtwerk ausgerüstet. Zusätzlich wurde Aufschluß darüber vermittelt, wie wir der besonderen Lage in Ostdeutschland begegnen könnten. Für den Besuch der Schule opferten die Ältesten nicht nur ihren Urlaub, sondern riskierten auch einen Gefängnisaufenthalt.

Nutzen der Schule

Die Behörden überwachten aufmerksam unsere Tätigkeit. Und dann, Ende 1965, als die meisten Ältesten an der Schule teilgenommen hatten, versuchten sie, unserer Organisation einen tödlichen Schlag zu versetzen. Man verhaftete 15 verantwortliche Brüder. Die Aktion war gut vorbereitet und erstreckte sich über das ganze Land. Wiederum dachten nicht wenige, daß die Tätigkeit der Zeugen zum Stillstand kommen würde. Aber mit Jehovas Hilfe stellten wir uns auf die Situation ein und machten so weiter wie zuvor.

Dies war insbesondere auf die Schulung zurückzuführen, die die Ältesten in der Königreichsdienstschule erhalten hatten. Außerdem verband sie ein Vertrauensverhältnis, das durch die enge Gemeinschaft in der Schule entstanden war. Auf diese Weise zeigte die Organisation, was in ihr steckte. Von welcher Bedeutung es doch war, daß wir den Anweisungen der Organisation genau nachgekommen waren! (Jesaja 48:17).

In den darauffolgenden Monaten wurde offenbar, daß sich das massive Vorgehen der staatlichen Behörden auf unsere Tätigkeit kaum nachteilig ausgewirkt hatte. Nach kurzer Zeit konnten wir erneut Königreichsdienstschulkurse durchführen. Sobald die Behörden bemerkten, daß wir nicht so schnell kleinzukriegen waren, sahen sie sich gezwungen, ihre Taktik zu ändern. Welch ein Triumph für Jehova!

Rege im Predigtdienst tätig

Zu unseren Versammlungsbuchstudien gehörten jeweils etwa 5 Personen. Jeder erhielt seine biblische Literatur durch das Buchstudium, und die Predigttätigkeit wurde auch von diesen kleinen Studiengruppen aus geplant. Von Anfang an segnete Jehova Regina und mich mit vielen Bibelstudien.

Der Haus-zu-Haus-Dienst wurde etwas abgewandelt, um zu verhindern, daß man uns aufspürte und verhaftete. Wir gingen beispielsweise in ein Haus, dann ließen wir einige Häuser aus und gingen ins nächste. In einer Wohnung wurden Regina und ich von einer Dame hereingebeten. Wir sprachen gerade über ein biblisches Thema, als ihr Sohn ins Zimmer kam. Er war ziemlich schroff.

„Haben Sie Ihren Gott schon einmal gesehen?“ fragte er. „Damit Sie es wissen, ich glaube nur, was ich sehe. Alles andere ist Spinnerei.“

„Das glaube ich Ihnen nicht“, gab ich spontan zurück. „Oder haben Sie schon einmal Ihren Verstand gesehen? Alles, was Sie tun, zeigt doch, daß Sie Verstand haben.“

Regina und ich erwähnten Dinge, die jeder akzeptieren muß, auch wenn er sie nicht sieht, wie z. B. Elektrizität. Der junge Mann hörte aufmerksam zu, und bei ihm und seiner Mutter konnte ein Bibelstudium eingerichtet werden. Beide wurden Zeugen Jehovas. Tatsächlich nahmen 14 Personen, mit denen wir die Bibel studierten, die Wahrheit an. Etwa die Hälfte fanden wir im Haus-zu-Haus-Dienst, die andere Hälfte konnten wir durch informelles Zeugnisgeben mit der Wahrheit bekannt machen.

Wenn ein Bibelstudium regelmäßig durchgeführt wurde und der Betreffende uns vertrauenswürdig erschien, luden wir ihn zu den Zusammenkünften ein. Unsere Hauptsorge galt jedoch der Sicherheit des Volkes Gottes, die durch einen Neuinteressierten nicht aufs Spiel gesetzt werden durfte. Meist verging sogar ein Jahr, bevor wir einen Interessierten zu einer Zusammenkunft einluden, und hin und wieder verstrich wesentlich mehr Zeit. Ich erinnere mich beispielsweise an einen prominenten Mann, der sich mit Funktionären der kommunistischen Partei duzte. Mit ihm wurde 9 Jahre die Bibel studiert, bevor ihm gestattet wurde, den Zusammenkünften beizuwohnen. Heute ist dieser Mann unser Glaubensbruder.

Behörden immer noch hinter uns her

Nach 1965 gab es zwar keine weiteren Masseninhaftierungen, doch wir wurden auch nicht in Ruhe gelassen. Die Behörden überwachten uns ständig. Zu jenem Zeitpunkt war ich mit organisatorischen Aufgaben sehr beschäftigt, so daß mir besondere Aufmerksamkeit von seiten der Beamten zuteil wurde. Unzählige Male wurde ich mit dem Auto zur Polizeiwache gebracht, wo man mich dann verhörte. „Jetzt können Sie Ihrer Freiheit ade sagen“, bekam ich gewöhnlich zu hören. „Ab in den Knast!“ Aber man ließ mich schließlich immer wieder gehen.

Im Jahre 1972 besuchten mich zwei Beamte und machten unserer Organisation ungewollt ein ausgezeichnetes Kompliment. Sie hatten das Wachtturm-Studium der Versammlung abgehört. „Was in dem Artikel stand, war eine Frechheit“, protestierten sie. Die Beamten machten sich offensichtlich darüber Sorgen, was andere von der kommunistischen Ideologie hielten, wenn sie den betreffenden Artikel lesen würden. „Immerhin“, so erklärte einer von ihnen, „hat Der Wachtturm eine Auflage von 5 bis 6 Millionen und wird in Entwicklungsländern gelesen. Es ist ja kein Wurstblatt.“ Ich dachte bei mir: „Wie recht er doch hat!“

Zweiundzwanzig Jahre Verbot lagen 1972 hinter uns, und Jehova hatte uns liebevoll und weise geführt. Wir hatten seine Anweisungen genau befolgt, doch es sollten noch 18 Jahre vergehen, bis die Zeugen in Ostdeutschland gesetzlich anerkannt wurden. Wie dankbar sind wir für die großartige Freiheit, die es uns nun ermöglicht, unserem Gott, Jehova, ohne Einschränkungen zu dienen! (Von Helmut Martin erzählt.)

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