Wie der Strom erzeugt wird
HEUTE haben viele Familien einen ungeheuren Stromverbrauch. Die Energie, die eine elektrische Bratpfanne und ein Fernsehgerät verbrauchen, entspricht zum Beispiel der Leistung zweier Zugpferde. Und die Leistungsfähigkeit eines Pferdes ist groß. Ein durchschnittliches Arbeitspferd leistet 0,8 PS, wenn es an einem Wagen zieht.
Elektrische Energie wird in Watt und Kilowatt gemessen. Ein Fernsehgerät verbraucht 300 Watt und eine elektrische Bratpfanne 1 200 Watt. Andere Geräte verbrauchen noch mehr Energie — ein Trockenautomat verbraucht zum Beispiel fast 5 000 Watt und ein elektrischer Kochherd über 12 000 Watt. Der Stromverbrauch wird in Kilowattstunden gemessen. Eine Kilowattstunde stellt die Leistung dar, die ein Kilowatt Elektrizität während einer Stunde vollbringt. Aber wieviel leistet ein Kilowatt in einer Stunde?
Es leistet sehr viel. Man hat errechnet, daß man, um die Leistung eines Pferdes zu vollbringen, ein Gewicht von ca. 270 000 kg innerhalb einer Stunde um einen Meter hochheben muß. Ein Kilowatt leistet in einer Stunde noch etwa ein Drittel mehr.
Verbrauch und Kosten
In New York verbraucht eine Durchschnittsfamilie täglich im Mittel 17 Kilowatt Strom oder beinahe 23 PS-Stunden. Das bedeutet, daß eine Durchschnittsfamilie eine Energiemenge verbraucht, die fast der Leistung eines Pferdes entspricht, das 24 Stunden unaufhörlich arbeitet, ohne müde zu werden.
In einigen Vierteln der Stadt New York kostet der Strom für eine Kilowattstunde etwas weniger als drei Cent oder nicht ganz 50 Cent täglich für 17 Kilowattstunden. In anderen Teilen des Landes dagegen kostet der Strom viel weniger — die Kilowattstunde nur etwa einen Penny. Auch wird die Kilowattstunde billiger, je größer der Stromverbrauch ist. Industriebetriebe, die viel Strom verbrauchen, bezahlen somit nur einen Bruchteil von dem, was der gewöhnliche Verbraucher zahlt.
Der Bedarf an dieser verhältnismäßig billigen und leicht zu nutzenden Energie ist astronomisch. Im Jahre 1970 haben die Vereinigten Staaten rund 1 550 000 000 000 Kilowattstunden verbraucht — das ist etwa das Fünffache des Stromverbrauchs vom Jahre 1950! Von 1969 bis 1970 stieg der Verbrauch um 9,2 Prozent. Die Vereinigten Staaten erzeugen etwa 35 Prozent des Stromes, der auf der ganzen Welt erzeugt wird, und die Sowjetunion 15 Prozent.
In den Vereinigten Staaten ist die Industrie der größte Verbraucher. Nach Angaben des Edison Electric Institute verbraucht die Industrie etwa 41 Prozent des erzeugten Stromes, 32 Prozent entfallen auf die Haushalte und 23 Prozent auf Handel und Gewerbe sowie öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser. Die letzten 4 Prozent entfallen auf den Verkehr, die Straßenbeleuchtung, die U-Bahn usw.
Wie wird diese ungeheure Menge elektrischer Energie erzeugt?
Wie der Strom erzeugt wird
Der größte Teil des elektrischen Stromes wird mit Hilfe von „fossilen Brennstoffen“ wie Erdöl, Kohle und Erdgas erzeugt. Diese Brennstoffe werden in den riesigen Feuerungsanlagen der Kraftwerke verbrannt. Die Feuerungsanlage beheizt einen Dampfkessel, um Heißdampf zu erzeugen. Der Dampf strömt mit einer Geschwindigkeit von über 1 600 km/st in eine riesige Turbine ein und dreht ihre Schaufelräder. Bei Wasserkraftwerken wird die Fallhöhe von Wasser ausgenutzt, um die Turbinen anzutreiben. Die Turbinen treiben dann die Generatoren an, in denen der Strom erzeugt wird.
In den Vereinigten Staaten werden über 80 Prozent des elektrischen Stromes von Dampfkraftwerken erzeugt, der größte Teil des restlichen Stromes von Wasserkraftwerken. Vor neunzig Jahren wurde in der Stadt New York das erste Dampfkraftwerk in Betrieb genommen. Heute gibt es im ganzen Land rund 3 400 Kraftwerke.
Die Erzeugung von elektrischer Energie mit Hilfe von Dampfturbinen ist relativ unrationell. Beim Umwandlungsvorgang wird nur etwa ein Drittel der Energie der Kohlen, des Erdöls oder des Erdgases in elektrische Energie umgewandelt. Die beiden anderen Drittel der Energie entweichen in Form von umweltverschmutzender Wärme und Bewegungsenergie der Abgase und Flugasche. Ferner gehen bis zu 20 Prozent der erzeugten Energie bei der Beförderung vom Kraftwerk zum Verbraucher verloren.
Was die Kraftwerke an Brennstoffen organischen Ursprungs verbrauchen, übersteigt unser Begriffsvermögen. Ein großes Kraftwerk, das als Brennstoff Kohle verwendet, mag stündlich über 500 Tonnen Kohle verbrennen! In den Vereinigten Staaten wird fast die Hälfte der elektrischen Energie aus Kohle gewonnen, der größte Teil der anderen Hälfte mit Hilfe von zu Tal fließendem Wasser sowie aus Erdgas und Erdöl.
Die elektrische Energie ist natürlich nur eine Energieform. Für den Kraftfahrzeugverkehr, den Flugverkehr, die Beheizung von Wohnungen usw. werden ebenfalls immer größere Energiemengen benötigt. Die für diese Zwecke hauptsächlich benutzten Energiequellen sind Erdöl und Erdgas.
Schädigung der Umwelt
Von den verschiedenen Brennstoffen schädigt die Kohle die Umwelt am meisten. In dem Kraftwerk der Virginia Electric and Power Company, wo täglich etwa 9 000 Tonnen Kohlen verfeuert werden, fallen stündlich fast 55 Tonnen Flugasche und etwa 18 Tonnen Schwefeldioxyd an, und der größte Teil davon wird in die Luft abgegeben! Zu Beginn dieses Jahres wurde angekündigt, daß gegen die Delmarva Power and Light Company in Delaware City gerichtlich vorgegangen werde, weil sie die Luft jedes Jahr mit fast 68 000 Tonnen Schwefeldioxyd verunreinigt.
James R. Schlesinger, Vorsitzender der Atomenergiekommission, sagte vor kurzem über das Luftverschmutzungsproblem: „Die große Masse der Schwefeloxyde in der Luft und ein großer Teil der Stickstoffoxyde — von den Feststoffpartikeln ganz zu schweigen — stammen von den Kraftwerken, in denen fossile Brennstoffe verfeuert werden.“
Auch die Methode der Kohlenförderung trägt zur Schädigung der Umwelt bei. Im vergangenen Jahr wurden etwa 44 Prozent der Kohle im Tagebau abgebaut, dabei sind Tausende Hektar des schönsten Berglandes in den Vereinigten Staaten verwüstet worden. Charakteristisch für die Proteste, die gegen diese Abbaumethode erhoben werden, sind folgende Ausführungen des Kongreßabgeordneten Ken Hechler:
„Die Kohlen- und Strombarone sowie gewisse Gesetzgeber von der Westküste versuchen, die Bevölkerung der Appalachenstaaten zu unterjochen, die Pflanzendecke unserer Hügel zu zerstören und unsere Flüsse zu verschmutzen, um den Bedarf der stromhungrigen Großstädte zu decken. Wir sind heute so weit, daß wir uns gegen diese Methoden zur Wehr setzen.“
Die Stadt New York hat in diesem Jahr mit beträchtlichem Aufwand an Kosten die Kraftwerke von Kohle auf Öl und Erdgas umgestellt, doch damit ist das Problem nicht gelöst. Denn Öl und Erdgas verschmutzen die Luft auch. Wird Öl und Erdgas verbrannt, so gelangen der Schwefel, den das Öl enthält, und die Stickstoffoxyde des Erdgases ebenfalls in die Luft. Außerdem besteht noch das Problem der Aufheizung von Flüssen und Seen durch das Kühlwasser der Kraftwerke; diese Aufheizung erreicht manchmal einen gefährlichen Grad.
Ist die gegenwärtige Energieversorgungskrise eine Folge dieser Gefahr für die Umwelt, oder gibt es andere Faktoren, die noch schwerer ins Gewicht fallen?