Ist die Akupunktur ernst zu nehmen?
„DAS ist barer Unsinn“, sagte ein englischer Nervenspezialist. „Die Orientalen sind für Hypnose besonders empfänglich“, erklärte ein amerikanischer Arzt. „Das paßt gar nicht zu meinem anatomischen Wissen“, erklärte ein Professor der Medizinischen Fakultät der Universität von Texas.
Ein Biologe der Yale-Universität dagegen, der selbst zusah, wie Kranke mit diesem Verfahren behandelt wurden, berichtete: „Ich war tief beeindruckt.“ Ein Herzspezialist der Medizinischen Fakultät der Universität von Missouri, der seine Anwendung ebenfalls mit eigenen Augen beobachten konnte, sagte: „Ich bin überzeugt, daß es kein Schwindel ist.“ Und ein New Yorker Ohrenchirurg, der chinesische Ärzte diese Technik anwenden sah, berichtete: „Es funktioniert.“ „Wir wären töricht, dieses Verfahren nicht näher zu prüfen.“
Diese Äußerungen, die teils ganz negativ, teils sehr positiv waren, betrafen die Akupunktur, ein uraltes chinesisches Heilverfahren. Aber warum plötzlich dieses große Interesse an dieser Heilmethode? Hat sie wirklich Erfolge aufzuweisen? Wenn ja, wieso? Geht es dabei um die „geistige Beherrschung des Körpers“, oder hat sie gar etwas mit Spiritismus zu tun?
Was ist Akupunktur?
Mit dem Wort Akupunktur wird eine Heilmethode bezeichnet, bei der man an bestimmten Körperstellen feine Nadeln einführt. Jetzt wird sie auch als Narkosemittel angewandt. Akupunktur kommt von den lateinischen Wörtern acus („Nadel“) und punctura („Stich“). Die haarfeinen Nadeln sind gewöhnlich aus rostfreiem Stahl, gelegentlich auch aus Gold. Die Nadeln, die in der Therapie verwendet werden, sind etwa 25 bis 75 mm lang; noch etwas länger sind die Nadeln, die in der Anästhesie zur Anwendung kommen. Wie viele Nadeln eingeführt werden, wo, wie tief und in welchem Winkel sie eingeführt werden und wie lange sie darin bleiben müssen, hängt von der Krankheit oder der Operation ab. Die Zahl der Punkte oder Stellen, an denen Nadeln eingeführt werden, ist ganz verschieden. Auf den heutigen Karten sind 500 bis über 800 verschiedene Stichstellen verzeichnet.
Wie ist die Akupunktur entstanden? Sie ist schon uralt. Nach der Überlieferung jedoch haben die Chinesen vor mehreren tausend Jahren beobachtet, daß Pfeilschüsse in bestimmte Körperstellen Krankheiten an anderen heilen konnten. Im Laufe der Jahrhunderte sammelte man viele Erfahrungen mit dieser Heilmethode, und so erreichte sie schließlich den heutigen Stand.
Die Akupunktur ist in der Volksrepublik China am höchsten entwickelt. Als Narkosemittel wird sie dort allerdings erst ungefähr seit 1957 angewandt. Da der staatliche Gesundheitsdienst eine große Zahl von Ärzten verlangte, es aber nur wenige in der westlichen Medizin ausgebildete Ärzte gab, befahl die Regierung, daß auch die Akupunkteure und Kräuterheilpraktiker als Ärzte anerkannt würden. So kam es, daß die westliche Medizin mit der traditionellen chinesischen Medizin verbunden wurde. Die westliche Medizin konnte von der chinesischen und die chinesische von der westlichen lernen.
Die Ärzte arbeiteten daher mit den Akupunkteuren zusammen. Es wird berichtet, daß Ärzte, die mit der Akupunktur nicht vertraut waren, dieses Verfahren ein ganzes Jahr lang an sich selbst geübt haben, ehe sie es wagten, Patienten damit zu behandeln. Da nun plötzlich so viele weitere Personen diese Technik erlernten, begnügte man sich nicht mehr damit, sie therapeutisch anzuwenden, sondern versuchte, sie als Narkosemittel zu benutzen.
Die Anwendung von Nadeln in der Anästhesie war von Anfang an erfolgreich. Seit dem Jahre 1966 sind schon 500 000 Operationen durchgeführt worden, bei denen man Akupunkturanästhesie angewandt hat. Die Chinesen sagen allerdings, diese Methode befinde sich immer noch im Versuchsstadium. Sie wird daher nur auf Wunsch der Patienten angewandt. Doch heute wird die Akupunkturanästhesie den anderen Methoden vorgezogen. Die Schmerzbetäubung durch Akupunktur soll acht Stunden und länger anhalten; danach können die Nadeln erneut eingeführt werden, um die Schmerzen zu lindern.
Warum plötzlich das große Interesse?
Das erneute Interesse an der Akupunktur im Westen steht in Verbindung mit anderen Vorgängen der jüngsten Vergangenheit, besonders des vorigen Jahres. In dieser Zeit hat China Besuchern aus dem Westen die Einreise erlaubt. Unter diesen Chinareisenden befanden sich Wissenschaftler und Ärzte, die chinesische Krankenhäuser besichtigten und chinesische Heilmethoden aus erster Hand kennenlernten. Was sie erlebten, war hoch interessant.
Englische Ärzte besuchten Krankenhäuser in Peking, Schanghai, Kanton und Nanking. Sie berichteten, wie erfolgreich dort mit Hilfe der Akupunktur schwierige Operationen ausgeführt würden, sogar Hirnoperationen. In der Londoner Times konnte man einmal lesen: „Es wird behauptet, daß niemand die Schmerzen dieser Behandlung aushalten könnte ohne Schmerzbetäubung.“ Doch wurde nur die Akupunktur angewandt.
Die ersten Amerikaner, die die Anwendung der Akupunktur in China beobachten konnten, waren zwei Biologen. Im Mai 1971 durften Dr. Ethan Signer vom Massachusetts Institute of Technology und Dr. Arthur Galston von der Yale-Universität bei vier Operationen dabeisein. Die Patienten waren nur durch Akupunktur betäubt.
Die beiden Amerikaner kehrten in ihre Heimat zurück, begeistert von der Akupunkturanästhesie. Dr. Galston erklärte: „Bis dahin hatte ich — wie die meisten Amerikaner — die Akupunktur als eine reine Scharlatanerie betrachtet.“ Doch seine Erlebnisse bewirkten einen Meinungsumschwung. Die beiden Biologen empfahlen, die Akupunktur genauer zu studieren, und erwähnten auch, daß ihre anästhetische Wirkung viele Stunden anhalte.
Kurz danach, nämlich im Juli, erregte James Reston, Kolumnist der New York Times, durch sein eigenes Erlebnis weiteres Interesse. Während seiner Chinareise erkrankte er an einer Blinddarmentzündung. Er mußte sich operieren lassen und bekam die übliche Narkose. Nach der Operation hatte er als Folge des gasförmigen Narkosemittels starke Schmerzen, so daß er sich äußerst unbehaglich fühlte. Da es ihn wundernahm, ob man mit Akupunktur tatsächlich Krankheiten heilen könne, erklärte er sich bereit, sich damit behandeln zu lassen, anstatt Medikamente zu nehmen.
Reston schildert, was dann geschah, wie folgt: „Li Chang-yuan, Arzt für Akupunktur am Pekinger Krankenhaus, führte dann mit meiner Einwilligung an der Außenseite meines rechten Ellbogens drei lange feine Nadeln in den Arm und unterhalb des Knies in das Bein ein und bewegte sie, um den Darm anzuregen und den Druck im aufgetriebenen Magen herabzusetzen ... schon nach einer Stunde trat eine merkliche Erleichterung ein, und danach trat diese Störung nicht mehr auf.
Signer, Galston und Reston waren aber keine Ärzte. Ihre Berichte wurden daher skeptisch aufgenommen. Doch das änderte sich im Herbst des Jahres 1971.
Ärzte als Augenzeugen
Im September 1971 befanden sich unter den amerikanischen Chinareisenden auch einige angesehene Ärzte, so zum Beispiel Dr. Paul Dudley White aus Boston, international bekannter Herzspezialist und Gesundheitswächter des verstorbenen US-Präsidenten Eisenhower. White war in Begleitung von Dr. E. Grey Dimond, Vorsteher der Medizinischen Fakultät der Universität von Missouri, Dr. Samuel Rosen, Spezialist für Ohrenchirurgie, und Dr. Victor Sidel aus New York, Leiter der Abteilung für Sozialmedizin am Montefiore-Krankenhaus und Professor für Volksgesundheit am Albert Einstein College of Medicine.
Diese vier Ärzte waren Zeuge davon, wie chinesische Ärzte die Akupunktur, besonders die Akupunkturanästhesie, anwandten. Sie staunten, als sie sahen, daß die Ärzte schwierige Operationen ausführten, bei denen als Narkosemittel nur die Akupunktur angewandt wurde.
In der Fachschrift Medical Tribune konnte man darüber lesen: „Dr. White und Dr. Dimond, beides Herzspezialisten, konnten in Peking zusehen, wie Operationen am offenen Herzen ausgeführt wurden, bei denen die Patienten durch Akupunktur lokal betäubt wurden. Sie berichteten, die Patienten seien während der Operation hellwach und ganz entspannt gewesen und die Operationen seien ebenso gut ausgeführt worden wie die Operationen in anderen Ländern, bei denen sie schon zugegen gewesen wären.“
Dr. Rosen erzählte, er habe bei fünfzehn Operationen zugeschaut, z. B. bei einer Zahnextraktion, einer Mandeloperation, einer Blinddarmoperation, einer Bruchoperation, der Entfernung eines Gehirntumors, eines Lungenflügels, einer Eierstockzyste und bei einem Kaiserschnitt. Er sagte: „Wenn man den OP verläßt, nachdem man diese Operationen miterlebt hat, kneift man sich in den Arm. Man fragt sich, ob man auch nicht träume. Nachdem man eine Operation nach der anderen gesehen hat, muß man seine Vorurteile über Bord werfen.“
Er berichtete auch, daß der chinesische Chirurg entscheide, ob sich ein Patient für die Akupunkturanästhesie eigne oder nicht. Glaubt der Arzt, daß ein Patient sich dafür eigne, so legt er ihm dar, warum diese Art der Anästhesie gut ist — sie schließt die Gefahren aus, die mit der Verwendung von gasförmigen Narkosemitteln verbunden sind, und bei dieser Methode treten nach der Operation keine Übelkeit und kein Erbrechen auf, auch ist die Genesungszeit kürzer. Einem Patienten aber, der sehr nervös, verkrampft und empfindlich ist, mag der Chirurg die herkömmliche Anästhesie empfehlen. Für den Fall, daß trotz der Akupunkturanästhesie herkömmliche Narkosemittel benötigt werden, stehen in jedem Operationssaal solche Mittel zur Verfügung.
Dr. Rosen filmte, was er in chinesischen Operationssälen erlebt hat. Dieser 30 Minuten dauernde Film zeigte unter anderem, wie bei einer Patientin, die hellwach war und lächelte, eine Operation am Rückgrat ausgeführt wurde. Außerdem zeigte er, wie ein Patient den Operationstisch verließ, nachdem man ihm den Wurmfortsatz weggeschnitten hatte, und wie er dem Chirurgen die Hand schüttelte. Ein anderer Patient trank durch einen Strohhalm Tee, während die Chirurgen eine Herzoperation bei ihm ausführten. Und eine Frau, die kurz zuvor durch Kaiserschnitt entbunden worden war, lächelte stolz auf ihr Söhnchen herab. In allen diesen Fällen hatte man die Akupunktur als Narkosemittel angewandt.
Chinareise des Präsidenten
Im Februar 1972 reiste dann Präsident Nixon nach China. Er wurde von Reportern und seinen medizinischen Betreuern begleitet.
Robert Martin, Korrespondent der Zeitschrift U.S. News & World Report, wurde eingeladen, mehrere Stunden in den Operationssälen eines großen Pekinger Krankenhauses zu verbringen. Er wurde Zeuge einer Lungenlappenexstirpation bei einem 28jährigen Mann, der Entfernung eines Schilddrüsentumors bei einer 45 Jahre alten Frau und eines Kaiserschnitts bei einer 36jährigen.
Martin schrieb: „Die Patienten waren während dieser Operation völlig bei Bewußtsein, konnten sprechen und kauten gelegentlich an einer Orange oder tranken Fruchtsaft. Sie waren etwas nervös, aber nicht wegen Schmerzen oder Unbehagens, sondern weil Ausländer zusahen.“ Er schloß seinen Bericht mit den Worten: „Wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat, zweifelt man nicht mehr daran, daß die Akupunktur sich vorzüglich als Narkosemittel eignet.“
Auch der Leibarzt Präsident Nixons, Dr. Walter Tkach, erhielt mehrmals Gelegenheit, Operationen mitzuerleben, bei denen Akupunkturanästhesie angewandt wurde. Er war Augenzeuge einer Staroperation, der Entfernung einer Schilddrüsengeschwulst und einer Eierstockzyste. Alle drei Patienten wurden durch Akupunktur betäubt. Jede Nadel nahm der Akupunkteur zwischen Daumen und Zeigefinger und führte sie mit einer geschickten Drehbewegung ein. Die Nadeln wurden dann an ein Vibrationsgerät angeschlossen, durch das die Nadeln, anstatt mit der Hand, ständig in Bewegung gehalten wurden.
Dr. Tkach berichtet über sein Erlebnis folgendes: „Ich war von Anfang an tief beeindruckt. Und ehrlich gesagt, ich staunte nicht wenig, als die Patienten mit wenig oder gar keiner fremden Hilfe den Operationstisch verließen und ohne Begleitung zum Rollstuhl gingen, in dem sie ins Zimmer zurückgebracht wurden; ich bin seit fünfundzwanzig Jahren in der Chirurgie tätig, doch bis dahin hatte ich noch nichts dergleichen gesehen. Der Höhepunkt kam aber, als wir eine knappe Stunde später den Operationssaal verließen. Wir saßen in einem Zimmer, als die Tür aufging und alle drei Patienten hereingeführt wurden. Sie fühlten sich wohl und konnten mit uns Tee trinken und unsere Fragen beantworten.“
Dr. Tkach erklärte abschließend: „Diese Technik ist von Bedeutung, wir sollten uns damit vertraut machen.“ Er sagte auch: „Ich weiß, daß ich mich ohne Zögern auf diese Weise anästhesieren ließe.“
Wie verbreitet in anderen Ländern?
Die Akupunktur ist in China am weitesten verbreitet, aber auch in anderen Ländern, vorwiegend in asiatischen, doch auch in europäischen, wird diese Heilmethode angewandt. In Frankreich soll es etwa 700 Ärzte geben, die davon Gebrauch machen. Ein Berichterstatter der Saturday Review schrieb: „Die Akupunktur gehörte beinahe zu der taubengrauen Pariser Luft. Tagtäglich begegnete ich jemandem, der entweder zu einer Nadelbehandlung ging oder davon kam.“
In den Vereinigten Staaten gibt es nur wenige einheimische Ärzte, die die Akupunktur anwenden. Zu den wenigen, die das tun, gehört Dr. William Gutman von New York; er sagte, daß mit dieser Heilmethode eine Vielzahl von Krankheiten erfolgreich behandelt werden könnte: Arthritis, Neuralgie, Sinusinfektionen, Rheumatismus, Bursitis und andere. Er erklärte: „Es gibt Patienten, bei denen man mit der gewöhnlichen Behandlung nichts erreicht, die aber auf die Akupunktur ansprechen.“ Einschränkend sagte er indessen: „Krebs, Tuberkulose und auch Geschlechtskrankheiten kann man allerdings durch Akupunktur nicht beeinflussen.“
Dr. Jean-Claude Darras von Paris, Leiter eines französischen Akupunkturinstituts, macht seine Studenten jeweils darauf aufmerksam, daß die Akupunktur kein Allheilmittel ist. Er sagt, verbrauchte Organe könne man damit nicht erneuern; allerdings behauptet er, man könne sie damit beeinflussen, so daß sie besser arbeiten würden; ferner sagt er, durch Akupunktur könne man keine Verletzungen heilen und keine Krebsgeschwülste entfernen, aber man könne damit der Entstehung solcher Geschwülste vorbeugen. Außerdem vertritt er die Meinung, daß ein Arzt, der diese Heilmethode anwende — sofern er gut ausgebildet sei und Erfahrung besitze —, damit rechnen dürfe, bei 60 Prozent der Fälle, bei denen es sich um eine Funktionskrankheit handele, erfolgreich zu sein. Der größte Teil der Krankheiten, die der praktische Arzt zu behandeln hat, sind Funktionskrankheiten.
In der St. John’s University von New York demonstrierte Dr. C. C. Ting, ehemals Leiter des Chinese Medical College in Hongkong, dieses Behandlungsverfahren vor 550 staunenden Zuschauern. Dieser chinesische Akupunkteur behandelte drei Versuchspersonen, alles Laien. Eine davon war Barbara Grimaldi, die zum Personal der St. John’s University gehört. Vorsichtig führte Ting eine Nadel etwa 40 mm tief in ihre rechte Schulter ein. Wie die New York Times berichtete, „entfernte Dr. Ting die Nadel aus der Schulter Fräulein Grimaldis nach etwa zwei Minuten. Sie sagte: ,Es war, als hätte ich beim Zahnarzt Novocain bekommen.‘“ Später erklärte Dr. Ting, die Akupunktur sei kein Allheilmittel für jegliche Krankheit und jeder Fall müsse sorgfältig aufgrund der westlichen Medizin und der Erfahrungen der chinesischen Akupunkteure beurteilt werden.
„Geistige Beherrschung des Körpers“?
Die wichtigste Frage, die immer wieder über Akupunktur gestellt wird, lautet: Wie funktioniert sie? Ist dieses Verfahren wirklich „wissenschaftlich“, oder geht es dabei um die „geistige Beherrschung des Körpers“? Ist es sogar möglich, daß diese Heilmethode etwas mit Spiritismus zu tun hat?
Bis heute weiß niemand genau, wie die Akupunktur funktioniert. Selbst ihre eifrigsten Verfechter geben zu, daß es keine genaue wissenschaftliche Erklärung dafür gibt.
Einige haben deshalb die Vermutung geäußert, die Akupunktur habe etwas mit Hypnose zu tun. Der amerikanische Orthopäde Dr. Robert Kerland sagte, die Akupunktur sei dasselbe, wie wenn man Wasser von Lourdes trinke oder wie die Methode Oral Roberts [amerik. Gesundbeter], der die Menschen berühre, worauf diese ausriefen: „Ich bin geheilt.“ Andere behaupten, die Chinesen seien Mao Tse-tungs Gehirnwäsche ausgesetzt.
Doch gibt es viele, die anderer Meinung sind. Dr. Rosen berichtet, daß die Chinesen bei Tieren mit Hilfe der Akupunktur Vollnarkose herbeigeführt haben. „Ich glaube nicht, daß Katzen und Hunde Worte des Vorsitzenden Mao lesen können“, sagte ein chinesischer Akupunkteur. Dr. Darras erklärte, die Franzosen hätten ebenfalls mit Tieren experimentiert, um zu zeigen, daß man den Erfolg der Akupunktur weder der Suggestion noch der Hypnose zuschreiben könne.
Dr. Gutman von New York antwortete, als man ihn darüber befragte: „Bei jeder medizinischen Behandlung spielt der psychologische Faktor eine gewisse Rolle. Deshalb macht man klinische Versuche mit Placebos [chemisch unwirksame Tabletten]. Da man, besonders in China, die Akupunktur erfolgreich auf dem Gebiet der Kinderheilkunde und Tierheilkunde angewandt hat, ... kann der psychologische Faktor nur eine geringe, wenn überhaupt eine Rolle spielen, ähnlich wie bei anderen Heilmethoden.“
Dr. Rosen, der beobachtete, wie skeptisch man der Akupunktur gegenübersteht, sagte: „Viele äußern auch Bedenken gegenüber der Wirkungsweise des Aspirins, dennoch nehmen die Leute Aspirin, wenn sie Kopfschmerzen haben.“ „Unsere chinesischen Kollegen waren auch skeptisch, aber schließlich mußten sie sich dem beugen, was sie mit eigenen Augen sahen“, sagte Dr. Rosen.
Die Zeitschrift Medical World News schrieb: „Die Forschungen, die in der Sowjetunion und in anderen Ländern betrieben werden, lassen erkennen, daß man von der Haut aus auf die inneren Organe einwirken kann.“ Dr. Ting erklärte einem Journalisten der New York Times: Wir glauben, daß die Nadelspitze gewisse Nervenzentren unempfindlich macht und den Energiefluß anregt, wodurch der Patient seine Gesundheit zurückerlangt.“ Andere Erklärungen betreffen Nervenverbindungen und elektrische Impulse.
In einem Artikel, der in der Zeitung Express (Easton, Pennsylvanien) veröffentlicht wurde, schrieb Dr. Lawrence Lamb über die Akupunktur: „Wir lernen ständig Neues über den menschlichen Körper und sogar Neues darüber, wie das Nervensystem Reize weiterleitet. Es gibt viele Feedbackmechanismen von der Haut selbst, die alle möglichen Probleme schaffen. Ein gutes Beispiel ist das steife Genick als Folge von Hautabkühlung.“
Mehr Wissen erforderlich
Gegenwärtig besteht keine Übereinstimmung darüber, wie und warum die Akupunktur funktioniert oder in welchem Maße sie das tut. Nach übereinstimmender Meinung sollte man im Westen, insbesondere in den Vereinigten Staaten, diese Heilmethode gründlicher erforschen.
Das wird in der Zeitschrift Prevention wie folgt formuliert: „Mit Recht fordert die Öffentlichkeit unter anderem von der Ärzteschaft, daß sie die Anwendungsmöglichkeiten der Akupunktur untersuche, und zwar sorgfältig und vorurteilslos. In einer Welt, in der es so viele Kranke gibt, dürfen wir keine vielversprechende Therapie außer acht lassen, nur weil der AMA [amerikanische Ärzteverband] nicht versteht, wie sie funktioniert.“
Dr. Gutman sagt: „Jeder, der sich als Wissenschaftler ausgibt, sollte in erster Linie aufgeschlossen sein. Es sei darauf hingewiesen, daß einer der wenigen großen Ärzte — Semmelweis, Entdecker der Ursache des Kindbettfiebers und Vater der modernen Antisepsis — von der Ärzteschaft seiner Zeit verdammt und verfolgt wurde.“
Abgesehen von China befindet sich die Akupunktur somit in den meisten Ländern erst im Versuchsstadium. Bis jetzt gibt es offenbar keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie auf dem Grundsatz der „geistigen Beherrschung des Körpers“ beruht oder daß sie etwas mit Hypnotismus oder Spiritismus zu tun hat. Es gilt jedoch, noch vieles darüber zu erforschen.