Zuckerzeit in Quebec
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Kanada
WIR laden dich zum Zuckersieden ein. Wenn der Winterschnee dem Tauwetter des Frühlings weicht, kann man an den Ahornbäumen glänzende Blecheimer hängen sehen. In baufälligen Zuckerhütten werden Bottiche aufgestellt und wird Feuer geschürt, damit der Saft zu Ahornsirup, einem beliebten Pfannkuchenaufstrich, gekocht werden kann. Aus den Städten und von den Farmen Quebecs strömen die Menschen scharenweise zu den Zuckerfarmen. Möchtest du mitkommen?
Auf vielen Farmen in Quebec ist das Zuckersieden mit einer organisierten Festlichkeit verbunden, zu der Leute aus der Nachbarschaft oder aus den Städten für einen ganzen Tag kommen. Als erstes wird dein Geruchssinn seine Freude haben. Der süße Geruch des kochenden Saftes verbindet sich mit dem würzigen Aroma des brennenden Holzes, und dieser unvergeßliche Wohlgeruch erfüllt die ganze Luft.
Die ersten Siedler aus Europa lernten von den Indianern, wie man aus Ahornsaft Zucker herstellt. Im Jahre 1851, dem ersten Jahr, aus dem Statistiken vorhanden sind, wurden in Nordamerika 6 120 Tonnen Ahornzucker und -sirup hergestellt. Heute ist die Produktion etwa doppelt so hoch. Die Vereinigten Staaten und Kanada sind die einzigen Länder der Welt, in denen Ahornzucker hergestellt wird.
Das Abzapfen und Einsammeln
Die Zuckerahornbäume selbst werden dir gleich ins Auge fallen — sie haben gerade Stämme und sind zu mindestens zwei Drittel ihrer Höhe frei von Zweigen. Eine der größten kanadischen Ahornarten erreicht gewöhnlich eine Höhe von 25 bis 30 Metern und einen Durchmesser von 60 bis 90 Zentimetern.
Während du dir den Baumbestand ansiehst, fällt dir auf, daß an den Bäumen Safteimer hängen. Zu Anfang der Saison hat der Zuckerhersteller eine Stelle am Stamm des Baumes ausgesucht und ein zweieinhalb bis fünf Zentimeter tiefes Loch schräg aufwärts in den Stamm gebohrt, damit der Saft leicht herauströpfeln kann. Als nächstes hat er ein Metallröhrchen in das gebohrte Loch gesteckt, durch das der Saft aus dem Zapfloch in den Eimer fließen kann. Über den Eimer hat er dann einen Deckel gestülpt, der wie ein Hüttendach aussieht.
Du wirst feststellen, daß Bäume, die weniger als 30 Zentimeter Durchmesser haben, nicht angezapft werden. An einem Baum mit 30 Zentimeter Durchmesser hängt gewöhnlich ein Eimer, an einem Baum mit 45 Zentimeter Durchmesser hängen zwei Eimer, an einem Baum mit 60 Zentimetern drei Eimer und an einem Baum mit 75 Zentimetern vier Eimer. Ein Baum kann in einer Saison bis zu 150 Liter Saft abgeben. Am besten fließt der Saft an schönen, sonnigen Tagen mit warmen Temperaturen (etwa 4 bis 7 °C) und frostigen Nächten.
Es wird oft gefragt, ob das Anbohren und Abzapfen den Bäumen irgendwie schadet. Sie werden zwar dadurch ihrer Nahrung beraubt, aber sie versuchen um so mehr, den Verlust auszugleichen. Außerdem säubert der Farmer gewöhnlich den Boden um die Stämme herum, so daß er mehr Feuchtigkeit und Nährstoffe für die Bäume aufnehmen kann. So werden die Bäume in jeder Saison erneut angebohrt und angezapft, manchmal länger als ein Jahrhundert, ohne daß ein Schaden festzustellen ist.
Während du tiefer in den Zuckerahornwald gehst, dessen Boden noch mit Schnee bedeckt ist, kannst du sehen, wie der Saft aus den Eimern eingesammelt wird. Der Saft wird in einem Metallbehälter auf einem Pferdeschlitten zum Zuckerhaus transportiert. Den Pferden scheint es nicht schwerzufallen, sich durch die Schneeverwehungen und zwischen den Bäumen hindurch ihren Weg zu bahnen. Die moderneren Metallbehälter sind oben mit einem Sieb und unten mit einem Anschlußstutzen versehen, durch den im Zuckerhaus der Saft in einen Vorratsbehälter laufen kann.
Im Zuckerhaus
Hier geht der schwierigste und wichtigste Teil der Zuckerherstellung vor sich: das Kochen des Saftes zu Sirup. Man läßt aus den Vorratsbehältern soviel Saft, wie nötig ist, durch ein Rohr in den Verdampfer fließen, der im Zuckerhaus steht. Das ist eine riesige längliche Stahlpfanne. Unter dem Verdampfer brennt in einem Ofen ein Holzfeuer. Der Saft läuft ständig aus den Vorratsbehältern in das eine Ende des Verdampfers, und während er durch ein langes Labyrinth von Zellen fließt, wird durch die Hitze von unten die überschüssige Flüssigkeit verdampft, bis aus dem Ablaßhahn schließlich der konzentrierte Ahornsirup kommt. Der Sirup wird gefiltert und dann, während er noch heiß ist (80 °C), in Flaschen oder Dosen gefüllt, damit er nicht schimmelig wird und nicht seine Farbe oder seinen Geschmack verliert.
Dreißig bis vierzig Liter Saft ergeben nur einen Liter Ahornsirup!
Diesen ganzen Vorgang muß der Zuckerfarmer schnell und sauber abwickeln. Der an einem Tag gewonnene Saft wird noch am gleichen Tag zu Sirup verarbeitet.
Ein Festschmaus für die Besucher
Nachdem die Besucher die Ahornhaine und das Zuckerhaus besichtigt haben, scharen sie sich um Holztröge, die mit sauberem, festem Schnee gefüllt sind. Unser Zuckerhersteller kommt mit einem Eimer kochendheißem Sirup aus dem Haus und gießt ihn über den Schnee. Der Sirup wird sofort fest, und die Besucher können ihn mit Holzstäben herausholen und den köstlichen „Sirup auf Schnee“ genießen.
Als nächstes gibt es für die Gruppe das traditionelle Festmahl. Dazu gehören gebackene Bohnen, Schinken und kleine Stücke gebratenes Pökelfleisch mit heißem Brot; und als Nachtisch werden in Ahornsirup gekochte Rühreier serviert. Nach dem Essen wird musiziert und getanzt.
Die Verwendung der Ahornprodukte
Ahornsirup ist zwar das bekannteste Ahornprodukt, doch wir sollten auch Ahornzucker, Ahornbutter und Ahornkaramellen nicht vergessen. Ahornzucker wird gewonnen, indem der Saft bei größerer Hitze gekocht wird als bei der Herstellung von Sirup. Danach wird er in Formen gegossen. Ahornbutter wird hergestellt, indem der Saft bei einer etwas niedrigeren Temperatur als bei der Herstellung von Zucker gekocht und so lange umgerührt wird, bis er ziemlich dick ist, und dann wird er in Behälter gegossen. Zur Herstellung von Ahornkaramellen, die es gewöhnlich nur während der Zuckerzeit gibt, wird der Saft gekocht, bis er eine sirupähnliche Dickflüssigkeit erreicht hat, und dann wird er in Behälter gegossen.
Vielleicht möchtest du einmal Ahornreispudding probieren. Die Zutaten sind: 2/3 Tassen ungekochter Reis, 2 leicht geschlagene Eier, 2/3 Tassen Ahornsirup, 1 1/2 Tassen Milch, ein paar Körner Muskat, 1/4 Teelöffel Salz und 1/2 Tasse kernlose Rosinen. Koche den Reis in siedendem Salzwasser, bis er weich ist. Gieße das Wasser ab. Gib die Eier in den Ahornsirup, und verrühre sie gut. Rühre Milch, Muskat und den 1/4 Teelöffel Salz hinein, zum Schluß den Reis und die Rosinen. Gieße die Masse in eine eingefettete Kasserolle, und backe sie bei mittlerer Hitze (180 °C) 60 bis 70 Minuten, bis sie fest ist. (Der Pudding reicht für 6 bis 8 Personen.)
Oder vielleicht würden dir mit Ahornsirup überzogene Apfelscheiben gut schmecken. Eine Tasse Ahornsirup und eine halbe Tasse Wasser sollten in einem tiefen Topf zum Kochen gebracht werden. Fülle dann den Topf mit ungeschälten Apfelscheiben. Rühre so lange um, bis alle Scheiben mit Sirup bedeckt sind. Koche nur so lange, bis die Äpfel weich sind. Die Scheiben zerfallen nicht und werden von einer Glasur aus süßem Ahornsirup überzogen.
Die kurze Zeit der Zuckerernte ist schon nach vier bis sechs Wochen vorüber, aber jedes Jahr ist sie ein großartiges Erlebnis. Wir haben uns gefreut, daß du während der Zuckerzeit in Quebec unser Gast warst.