Wie zwei UNO-Entschließungen „umgedreht“ wurden
DIE Kreise, die die Erklärung über die Religionsfreiheit ändern möchten, fingen mit dem Titel an. Er wurde auf eine Weise verändert, daß man ihn auf zweierlei Weise auslegen kann.
Als die Vollversammlung eine „Erklärung über die Beseitigung jeder Form von religiöser Intoleranz“ forderte, lag der Nachdruck auf dem Schutz der individuellen Überzeugung vor der Unduldsamkeit von Behörden und anderen. Aber jetzt lautet der Titel: „Erklärung über die Beseitigung jeder Form von Intoleranz, die mit einer Religion oder einer Überzeugung zusammenhängt“2a. Einige mögen ihn dahingehend auslegen, daß „eine Religion oder eine Überzeugung“ die Ursache der „Intoleranz“ ist und daher beseitigt werden sollte!
Ein weiteres Beispiel ist folgendes: Im dritten „Kompromiß“abschnitt der Präambel wird einer der Gründe für das Ergreifen von Maßnahmen gegen die Intoleranz wie folgt dargelegt:
„... die Mißachtung und Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, vor allem der Gedankenfreiheit, der Freiheit in bezug auf Gewissen, Religion oder Glauben, haben mittelbar oder unmittelbar Kriege und große Leiden über die Menschheit gebracht, besonders da, wo SIE als Mittel ausländischer Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten dienen und zum Haß zwischen den Völkern und Staaten führen“3 (Versalien und Kursivschrift von uns).
Wenn der Ausdruck „SIE“ den Leser verwirrt, wenn er nicht weiß, wer mit „SIE“, die „Kriege und große Leiden über die Menschheit gebracht [haben] ... als Mittel ausländischer Einmischung ... dienen und zum Haß zwischen den Völkern und Staaten führen“, gemeint ist, passiert ihm genau das, was die Diplomaten mit dieser Formulierung beabsichtigt haben. Es steht jedem frei, unter dem Ausdruck „SIE“ die „Mißachtung und Verletzung der Menschenrechte“ zu verstehen oder auch „Religion oder Glauben“.
Das diplomatische Manöver, das angewandt wurde, um die Annahme dieses vagen Wortlauts zu erreichen, war beinahe komisch. Der Vertreter eines europäischen Landes fragte, was mit dem Ausdruck „SIE“ gemeint sei. Darauf entgegnete ein afrikanischer Delegierter, sie würden ihre Auslegung vor der Abstimmung nicht bekanntgeben. Danach empfahl ein Delegierter einer der Sowjetrepubliken, daß „der Kompromiß angenommen und die Auslegung später gegeben“ werde, ohne zu verraten, was sie unter dem Ausdruck „SIE“ verstanden. Er erklärte, es sei die Sache jedes Staates, die Definition zu interpretieren. So unglaublich es klingt, doch der Kompromiß wurde angenommen.
Während der letzten Sitzungsperiode (1976) wurden nur zwei weitere Abschnitte behandelt. Der fünfte Abschnitt wurde ebenso vage formuliert und dann angenommen. Eine heftige Debatte entwickelte sich, als es um den neunten und letzten Abschnitt der Präambel ging. Abschließend hieß es im UN-Bericht: „Es gelang der Arbeitsgruppe nicht, sich auf einen Text zu einigen.“4
Der letzte der zahlreichen „Kompromiß“abschnitte, die unterbreitet wurden, war indessen ein harter Schlag gegen die Religion. Es heißt darin: „Die Religions- und Glaubensfreiheit sollten nicht als Mittel mißbraucht werden, um eine Ideologie oder eine Praxis, die im Widerspruch zu dem Weltfrieden, der sozialen Gerechtigkeit und der Freundschaft zwischen den Völkern und Staaten steht, zu fördern“5 (Kursivschrift von uns).
In anderen Worten: Wenn ein Staat erklären will, daß die Religionsfreiheit „mißbraucht“ und dadurch eine Gefahr für den „Weltfrieden“ heraufbeschworen wird, könnte er sich auf diesen Abschnitt berufen, um seine Beschränkung der Religionsfreiheit zu rechtfertigen.
Inzwischen hat die Menschenrechtskommission noch eine weitere Entschließung angenommen, die sich ähnlich auf die Religionsfreiheit und andere Rechte auswirken kann — die Entschließung über das „Recht auf Leben“.
Geht das „Recht auf Leben“ über alles?
Diese Resolution ist sorgfältig formuliert, um harmlos zu erscheinen. Der Ausdruck „Frieden und Sicherheit“ kommt beispielsweise achtmal in Verbindung mit Texten wie dem folgenden vor (erster Abschnitt): „Jeder Mensch hat das Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben und sich voll der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen sowie bürgerlichen und politischen Rechte zu erfreuen.“
Aber gleich der nächste Abschnitt enthält etwas, was man als „Zeitbomben“-Klausel bezeichnen könnte. Darin wird nämlich erklärt, es sei die Überzeugung der Menschenrechtskommission, daß „das Vorhandensein des Weltfrieden und der internationalen Sicherheit die Voraussetzung für eine unbedingte Respektierung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie für deren Förderung ist“6 (Kursivschrift von uns).
Aber wie steht es mit der Respektierung der Menschenrechte, wenn Frieden und Sicherheit nicht vorhanden sind? Ein lateinamerikanischer Delegierter stellte diese Frage und fügte hinzu: „Es ist zu hoffen, daß sich tyrannische Regierungen nicht auf diesen Abschnitt berufen, um fortfahren zu können, die Menschenrechte und Grundfreiheiten unter dem Vorwand zu verletzen, daß kein Weltfrieden und keine internationale Sicherheit bestünden.“
Der französische Delegierte hatte ähnliche Befürchtungen. Er sagte: „Würden die Menschenrechte denn unbedingt überall respektiert, wenn in der ganzen Welt Frieden herrschen würde? ... Würden dadurch automatisch tyrannische Regierungen gestürzt? ... Würde automatisch jede Diskriminierung beseitigt ...?“7
Die Entschließung scheint somit das „Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben“, für wichtiger zu halten als alle anderen Menschenrechte (auch als die Religionsfreiheit), so daß diese sogar zu suspendieren wären, wenn jenes Recht in Gefahr stünde. Es ist bezeichnend, daß der Delegierte eines Landes, in dem es üblich ist, die Menschenrechte zu beschränken, sagte, seine Delegation habe für den Entschließungsentwurf gestimmt, weil er ihren Standpunkt vollkommen wiedergebe8.
Der amerikanische Vertreter sagte nach seiner Rückkehr aus Genf über diese jüngsten UN-Aktionen:
„Diese Vorfälle sind absolut nichts Ungewöhnliches. Sie sind charakteristisch. ... Ähnliches geht überall vor, wo internationale Tagungen stattfinden. Es passiert überall immer häufiger und immer ausgeprägter. Es ist ein gefährlicher Trend.“
Ist darin eine Botschaft für die Zukunft der Religion enthalten? Ist es wirklich ein „gefährlicher Trend“? Oder sind diese Entschließungen lediglich leere politische Erklärungen, die völlig unwirksam sind? Wie bereits erwähnt, wird die Zukunft es zeigen.
Die Debatten der Menschenrechtskommission ließen jedoch eine tief wurzelnde Abneigung gegen die Religion erkennen, so daß es sich lohnt, sich damit zu befassen. Wegen der gegenwärtigen Geschehnisse werden die Kirchen immer häufiger scharf kritisiert, selbst im demokratischen Westen. Im folgenden Artikel wird dieser Trend behandelt und gezeigt, was er für die Zukunft der Religion bedeutet.
[Fußnote]
a Quellen auf Seite 10, 11.