Was mich bewog, mich zu ändern
ICH bin in Liège (Lüttich), einer Stadt im Osten Belgiens, aufgewachsen. Als kleines Mädchen war ich alles andere als glücklich, denn meine Eltern hatten sich Anfang der 1960er Jahre getrennt. Ich war damals noch nicht ganz 10 Jahre alt.
Mein Vater war nie sehr arbeitsam gewesen, und das brachte alle möglichen Probleme mit sich. Da er auch an mir nicht besonders interessiert war, ging ich oft fort und kam nach Hause, wann ich wollte. Er machte sich nicht viel daraus, denn sehr oft schlief er woanders und kam tagelang nicht heim.
Mit 14 Jahren kam ich aus der Schule und fing an zu arbeiten. Nun fühlte ich mich erwachsen und begann deshalb zu rauchen, zu trinken und mit Jungen auszugehen. Ich hatte keinen guten Umgang, und nach und nach nahm ich den Lebensstil meiner Freunde an. Am Anfang tat ich natürlich nichts, was wirklich schlecht gewesen wäre, doch allmählich geriet ich zwangsläufig auf die schiefe Bahn. Ich sah aber nicht ein, warum ich hätte anders handeln sollen, weil das Leben in meinen Augen keinen Sinn hatte.
Ich sank immer tiefer
Mit 15 Jahren erhielt ich in einem Hotel in der Nähe der Stadt Spa eine Stelle als Kellnerin, und dort hatte ich zum erstenmal mit einem jungen Mann intime Beziehungen.
Als ich 16 war, machte ich falsche Angaben über mein Alter und erhielt eine Stelle als Bardame. Hier schloß ich Freundschaft mit einem Sohn des Barbesitzers und verbrachte bald jede Nacht mit ihm. Später ließ ich ihn sitzen und begann, mit seinem jüngeren Bruder zu gehen.
Als einer meiner „Liebhaber“ mich mit Praktiken bekannt machte, wie sie Homosexuelle anwenden, sank ich immer tiefer. Ich ließ mich immer mehr auf perverse Handlungen ein.
Um diese Zeit war ich gezwungen, eine andere Beschäftigung zu suchen. Der Mann, mit dem ich zusammen lebte, wollte mich heiraten und nach Marokko mitnehmen. Als ich jedoch einmal ein Gespräch hörte, das er mit einem marokkanischen Freund führte, wurde ich mißtrauisch. Ich schloß daraus, daß ich für sie als Prostituierte arbeiten sollte.
Jetzt nahm sich die Polizei meines Falles an, und als mein Vater schließlich erkannte, was geschehen war, übergab er mich der Obhut meiner älteren Schwester. Um jedoch allen Leuten zu zeigen, daß ich dennoch tun würde, was ich wollte, fing ich mit einem jungen Mann ein Verhältnis an und beging mit ihm verschiedene perverse Handlungen. Das alles tat ich ohne die geringsten Gewissensbisse. Doch dieses unmoralische Leben befriedigte mich innerlich nicht und machte mich nicht glücklich. Ich wurde eher immer unzufriedener und deprimierter.
Ein hoffnungsvoller Weg tut sich auf
Ende 1971, als ich bei meiner Schwester und ihrem Mann in Liège wohnte, steckte eines Tages ein Handzettel in unserem Briefkasten, auf dem ein öffentlicher Vortrag der Zeugen Jehovas angekündigt wurde. Als ich den Handzettel sah, erinnerte ich mich an die erste Verbindung, die ich mit den Zeugen hatte. Das war drei Jahre zuvor gewesen, als ich 14 war. Ich hatte damals das Angebot einer Frau, mit mir ein Heimbibelstudium durchzuführen, angenommen. Doch da mein Vater sehr dagegen war, mußte es schon nach kurzer Zeit eingestellt werden. Später erfuhr ich, daß diese Zeugin mich oft besuchen wollte, mich aber nie zu Hause antraf, weil ich soviel unterwegs war.
Während ich den Handzettel las, dachte ich an jene biblischen Gespräche, und ich nahm mir vor, den Vortrag zu besuchen. Ich ging aber nicht hin, da ich die zwei kleinen Kinder meiner Schwester hüten mußte und befürchtete, sie könnten stören, wenn ich sie mitnehmen würde. Einige Tage später sprachen jedoch zwei Zeugen bei uns vor, und das, was sie über Gottes Interesse an uns und unserem Wohl sagten, hinterließ bei mir einen tiefen Eindruck.
Diese Zeugen merkten, daß ich interessiert war, und gaben meine Adresse weiter. Als mich schließlich eine Zeugin besuchte und sagte, sie sei bereit, mit mir regelmäßig die Bibel zu studieren, war ich sofort einverstanden. Meine Schwester und ihr Mann nahmen ebenfalls an den Studien teil.
Als der Same der biblischen Wahrheit in mein Herz zu dringen begann, änderte sich meine Einstellung gründlich. Mit Schrecken stellte ich fest, daß das Leben, das ich in den vorangegangenen drei Jahren geführt hatte, vollständig im Widerspruch stand zu der Lebensführung, die unser Schöpfer von uns erwartet. Ich erkannte, daß Gottes Gesetz, das Hurerei, Homosexualität und andere unsittliche Handlungen verurteilt, vernünftig ist. Es leuchtete mir ein, daß diese Praktiken keine echte Befriedigung und kein wahres Glück bringen.
Was mochte aber Gott von mir denken, einem Menschen, der ein solch unmoralisches Leben geführt hatte? Wie herzerquickend war es doch, zu erfahren, daß sich seine Liebe auf alle Arten von Menschen, auch auf schlimme Sünder, erstreckt! Die Worte aus Römer 5:8 haben mich sehr ermutigt, da sie mir gezeigt haben, daß auch mir eine glückliche Zukunft in Gottes Gunst in Aussicht steht. Dieser Text lautet: „Gott aber empfiehlt seine eigene Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns starb, während wir noch Sünder waren.“
Stellen wir uns das vor! Gott erweist den Menschen seine Liebe zuerst, und das sogar solchen, die noch tief in der Sünde stecken. Ich verspürte in meinem Herzen den Wunsch, diesem barmherzigen Gott, der in der Bibel Jehova genannt wird, zu dienen. Dieser Wunsch wurde noch stärker, als ich Jehovas wunderbaren Vorsatz kennenlernte, der darin besteht, das gegenwärtige böse System der Dinge zu beseitigen und ein gerechtes neues System zu schaffen. Ich begann, an die biblischen Prophezeiungen zu glauben, zum Beispiel an die Worte:
„Doch gibt es neue Himmel und eine neue Erde, die wir gemäß seiner Verheißung erwarten, und in diesen wird Gerechtigkeit wohnen. Deshalb, Geliebte, da ihr diese Dinge erwartet, tut euer Äußerstes, um schließlich von ihm fleckenlos und makellos und in Frieden erfunden zu werden“ (2. Petr. 3:13, 14).
Da ich nun Gottes herannahendes neues System ernsthaft erwartete, war ich entschlossen, mich entsprechend zu ändern, um Gott zu gefallen und „fleckenlos und makellos“ zu sein. Ich wollte das Ende dieser Welt überstehen und in Gottes neuer Ordnung leben — eine Hoffnung, die in der Bibel durch folgende Worte zum Ausdruck gebracht wird: „Die Welt vergeht und ebenso ihre Begierde, wer aber den Willen Gottes tut, bleibt immerdar“ (1. Joh. 2:17).
Es fiel mir jedoch nicht leicht, mich zu ändern. Wenn man so vieles getan hat, was mit Gottes Willen nicht im Einklang ist, fällt es einem schwer, seinen Lebensstil zu ändern. Wie sehr wünschte ich doch, ich hätte kein solch unmoralisches Leben geführt! Durch das regelmäßige Studium des Wortes Gottes und die inbrünstigen Gebete zu Jehova Gott erhielt ich jedoch die Kraft, die mir half, mich zu ändern, und es dauerte nicht einmal so sehr lange. Ich brach meine Verbindung zu meinen früheren Freunden ab, und das half mir, Trunkenheit und jede Art von Unsittlichkeit zu meiden. Doch das schwierigste war für mich, das Rauchen aufzugeben. Aber auch das gelang mir. Das heißt indes nicht, daß von da an alles glattgegangen wäre.
Schwierige Entscheidungen
Leider waren meine Schwester und ihr Mann von dem, was wir lernten, nicht so begeistert wie ich. Sie hätten sich in moralischer Hinsicht nicht so gründlich ändern müssen wie ich, um den Gesetzen Gottes zu entsprechen. Sie konnten jedoch das Rauchen nicht lassen. Auch gefiel es meinem Schwager nicht, daß ich soviel Zeit für das Bibelstudium verwendete. Was sollte ich nun tun? Ich beschloß, auszuziehen und mir eine Arbeitsstelle und eine Wohnung zu suchen.
Von nun an sprach ich auch mit anderen über die biblischen Wahrheiten, die ich kennengelernt hatte, und verkündigte sogar die gute Botschaft von Gottes Königreich von Haus zu Haus. Im Oktober 1972 ließ ich mich dann von Jehovas Zeugen taufen, um meine Hingabe an unseren liebevollen Schöpfer zu symbolisieren. Da mich meine Beschäftigung daran hinderte, alle Zusammenkünfte der Christenversammlung zu besuchen, mußte ich nun eine weitere Entscheidung treffen. Ich beschloß, meine Stelle zu wechseln. Ich legte die Sache Jehova im Gebet dar, und ich glaube, daß er mir half, eine andere Stelle zu finden.
Nun begann ich zu überlegen, wie ich meinem Vater und meinem jüngeren Bruder helfen könnte, Gottes Vorsätze kennenzulernen. Ich lud sie daher Ende 1972 ein, bei mir zu wohnen, in der Hoffnung, daß mein christliches Beispiel und das, was ich ihnen anhand der Bibel erklären würde, sie veranlassen werde, Jehova Gott zu dienen. Sie nahmen meine Einladung an, aber ich war bald enttäuscht, denn anstatt die biblischen Wahrheiten anzunehmen, kehrte mein Vater zu seiner früheren Lebensweise zurück. Er wollte, daß ich ihn unterstützte, und zeigte nicht im geringsten den Wunsch, sich an gerechte Grundsätze zu halten. Mein Bruder war genauso eingestellt. Daher suchte ich mir eine andere Wohnung und zog aus.
Nun betete ich wieder inbrünstig zu Jehova. Diesmal bat ich ihn darum, mir zu helfen, eine Beschäftigung zu finden, die es mir ermöglichen würde, meine Zeit hauptsächlich der Verkündigung der „guten Botschaft“ zu widmen. Jehova segnete mein Bemühen, und ich erhielt sehr bald eine passende Teilzeitbeschäftigung. So trat ich im März 1973 als Pionier in den Vollzeitpredigtdienst ein, und im Dezember 1973 wurde ich zum Sonderpionier ernannt.
Nachdem ich drei Jahre in diesem Dienst tätig gewesen war, heiratete ich im November 1976. Ich hatte nun zwar nur noch beschränkte Möglichkeiten, mich an der Predigttätigkeit zu beteiligen, aber ich hegte stets den Wunsch, eines Tages erneut den Vollzeitpredigtdienst aufzunehmen. Heute bin ich in der glücklichen Lage, mich wieder an dieser dankbaren Tätigkeit zu beteiligen.
Ein glückliches, befriedigendes Leben
Wenn ich auf die paar letzten Jahre meines Lebens zurückblicke, so bin ich froh, daß ich veranlaßt wurde, Gottes Liebe anzunehmen, und daß ich mich dazu entschloß, ihm von ganzem Herzen zu dienen. Wie grundverschieden ist doch mein jetziges Leben von meinem früheren! Jetzt bin ich innerlich ausgeglichen und befriedigt und habe ein reines Gewissen. Ich hätte nie gedacht, daß ich eines Tages so glücklich sein könnte. Jehova ist wirklich sehr gütig und barmherzig, denn er hat es mir ermöglicht, ihn kennenzulernen und ihm zu dienen. Selbst Entscheidungen, die mir einen gewissen Kummer bereiteten, erwiesen sich schließlich als eine Ursache zur Freude.
Als ich zum Beispiel bei meiner Schwester auszog, um Jehova ungehinderter dienen zu können, machte sie mir Vorwürfe. Sie sagte, ich würde sie im Stich lassen, denn nun müsse sie ihre ganze Arbeit allein machen und sich allein um die Kinder kümmern. Doch da ich meine Entscheidung gebetsvoll erwogen hatte, war ich überzeugt, daß ich das Richtige getan hatte. Wie glücklich war ich daher, als meine Schwester sich eines Tages mit mir in Verbindung setzte und mich fragte, ob wir nicht wieder zusammen die Bibel studieren könnten! Dieses Mal gab sie das Rauchen auf, und am 11. Mai 1974 symbolisierte sie ihre Hingabe an Jehova durch die Taufe. Welche Freude für mich!
Das bewog mich, zu versuchen, das Interesse anderer Familienangehöriger wieder zu entfachen. Schließlich nahm auch mein jüngerer Bruder die biblische Wahrheit an und gab sich Jehova hin. Außerdem erlebte ich die große Freude, zu sehen, wie zwei junge Mädchen, mit denen ich die Bibel studierte, so weit Fortschritte machten, daß sie sich Jehova hingaben. Darüber hinaus hat mir meine Ehe eine solidere Grundlage für das tägliche Leben gegeben, und ich bin glücklich, Jehova zusammen mit meinem Mann dienen zu können.
Wie glaubensstärkend und befriedigend ist es doch, anderen behilflich sein zu können, Gott zu dienen! Ich bin überzeugt, daß es jedem ehrlichgesinnten Menschen — er mag moralisch noch so tief gesunken sein — gelingt, sich zu ändern, wenn er Jehova, unseren barmherzigen und liebevollen Gott, um Hilfe bittet. (Eingesandt.)