Frieden, Einheit und Liebe inmitten von Unruhen
IN DER Republik Südafrika, dem Land der Apartheid, erfreuten sich Schwarze, Weiße, Inder, Mischlinge und Besucher aus dem Ausland christlicher Gemeinschaft. Nicht nur für wenige Stunden, nein, vier Tage lang. Versammelt waren nicht nur ein paar hundert Menschen. Nein! Über 77 000! Wo? Auf zwei besonderen Kongressen, die vom 26. bis 29. Dezember 1985 in Johannesburg und in Durban stattfanden. Es war für die Anwesenden ein begeisterndes, unvergeßliches Erlebnis.
Die Kongresse gehörten zu einer weltweiten Serie von Kongressen der Zeugen Jehovas, die unter dem Motto „Bewahrer der Lauterkeit“ standen. Aus allen Teilen Südafrikas, aus Lesotho, Swasiland, Namibia, Botsuana, Sambia und Simbabwe, ja selbst aus dem in Kämpfe verwickelten Moçambique strömten sie zu Zehntausenden herbei — mit der Bahn, mit Bussen, mit dem Auto und per Flugzeug.
Hunderte kamen aus insgesamt 24 Ländern, aus den Vereinigten Staaten, aus Japan, Europa und sogar von St. Helena, einer kleinen Insel im Atlantik. Die einheimischen Zeugen — Schwarze, Weiße und Braune — hießen sie herzlich willkommen und begleiteten sie zu ihrer Unterkunft.
In Johannesburg diente das Nationale Ausstellungszentrum als Kongreßgelände. Das ist ein riesiger, moderner Komplex von Ausstellungshallen mit einladenden Grünanlagen und Promenadenwegen im Südwesten der Stadt — ideal geeignet für einen großen, vielsprachigen Kongreß. Den Delegiertengruppen, die Zulu, Sutho, Tschwana, Englisch und Afrikaans sprachen, stand jeweils eine große Halle zur Verfügung. Portugiesisch und griechisch sprechende Zeugen benutzten kleinere Hallen. Alle verfolgten das gleiche Programm. Während des Programms waren die Sprachengruppen natürlich meist unter sich, aber vor Programmbeginn, in den Pausen und nach Schluß erfreuten sich die Anwesenden aller Rassen und Nationalitäten herzlicher Gemeinschaft.
Viele ausländische Besucher, die in den Gebieten der Weißen untergebracht waren, sahen zu ihrer Überraschung keine Unruhen. Ein Delegierter aus Deutschland sagte: „Es ist genau das Gegenteil dessen, was wir erwartet hatten.“ Alle waren besonders erfreut, auf den Kongressen solch einen Frieden und solch eine Einheit vorzufinden. „Sieh nur, Angehörige aller Rassen sind beieinander!“ sagte ein Delegierter aus den USA auf dem Kongreß in Johannesburg. „Man müßte einen Film drehen und ihn im amerikanischen Fernsehen zeigen können.“
Der andere Kongreß wurde in dem Seebad Durban, der bekannten Hafenstadt, abgehalten. Durban ist eine überwiegend englische Stadt, in der auch viele Inder wohnen. Der Kongreß fand im Sportgelände King’s Park statt, das in der Nähe des Strandes liegt. Es wurden zwei benachbarte Stadien benutzt: eines für die Zulu sprechenden Zeugen Jehovas und das andere für diejenigen, die Xhosa (einschließlich der Pondos) oder Englisch (einschließlich Hunderter von Indern und Mischlingen) sprachen.
Herrschten auch dort Frieden und Einheit? Eine Xhosa-Frau, die keine Zeugin Jehovas ist und aus 600 Kilometer Entfernung zum Kongreß anreiste, sagte: „Erstaunlich, daß hier in Südafrika Menschen aller Rassen so vereint sein können! Es ist so anders als das, was ich von den Kirchen gewohnt bin.“ „Das ist wunderbar“, bemerkte eine junge Inderin. „Mischlinge, Inder, Weiße und Schwarze zusammen zu sehen hat meine Lebensauffassung von Grund auf geändert.“
Probleme überwinden
Weiße Besucher in Hotels und in Gebieten unterzubringen, die Weißen vorbehalten sind, war recht einfach. Alles andere als einfach war es aber, für viele Tausende Schwarze Unterkünfte in Soweto zu finden, dem riesigen Schwarzenviertel von Johannesburg, wo die Lage explosiv ist. Die in Soweto lebenden Zeugen reagierten auf großzügige Weise. In einigen Wohnungen waren während des Kongresses 20 Besucher untergebracht. Am Abend des ersten Kongreßtages weigerten sich jedoch einige Busfahrer, die von weit her gekommen waren, nach Soweto hineinzufahren (während der Unruhen wurden viele Busse in Brand gesteckt). Daher mußten viele diese Nacht im Bus verbringen. Sie nahmen die Situation hin, ohne zu klagen. Bis zum nächsten Abend waren andere Vorkehrungen getroffen worden, und alle wurden angemessen untergebracht.
Die Zeugen von Johannesburg freuten sich sehr, so viele Glaubensbrüder aus Kapstadt zu sehen. Diese mußten hin und zurück über 2 860 Kilometer zurücklegen. Manche Schwarze und Mischlinge haben ein sehr geringes Einkommen. Wie konnten sie sich eine solche Reise leisten? Ein gemischtrassiges Busreise-Komitee konnte 26 Busse unter Vertrag nehmen und den Fahrpreis um mehr als die Hälfte reduzieren. Dennoch brachten einige, zum Beispiel Witwen mit Kindern, erstaunliche Opfer, um den Kongreß besuchen zu können. Mit Bezug auf die Einheit sagte der Vorsitzende des Busreise-Komitees: „In den letzten Wochen wurde das Kap von Unruhen geschüttelt. Aber bei uns Zeugen Jehovas saßen Schwarze, Mischlinge und Weiße in ein und demselben Bus, in voller Harmonie.“
Dieser Kontrast zwischen Frieden und Unruhen wurde auch in Durban deutlich. Am Tag vor Kongreßbeginn war es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Zulus und Pondos gekommen, nur wenige Kilometer vom Kongreßgelände in Durban entfernt. In den Zeitungen stand: „In den Weihnachtstagen starben mindestens 58 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen 2 000 Zulus und 3 000 Pondos.“ Unweit des Kongreßgeländes kam es zu einem Vorfall während des Kongresses. Eine mit Knüppeln bewaffnete Horde von Schwarzen griff Inder an, die am Strand lagen, und löste unter ihnen eine Panik aus.
Kongreßfreuden und Kongreßbegeisterung
Gleich von Anfang an übertrafen die Besucherzahlen in Johannesburg alle Erwartungen. In der Halle, wo das Programm in Englisch abgehalten wurde, standen 6 000 Stühle, aber 8 942 Anwesende wurden gezählt. Viele hatten Klappstühle mitgebracht. Am ersten Tag waren auf beiden Kongressen insgesamt 59 996 Personen anwesend. Am letzten Tag waren es 77 830 — eine erstaunliche Zahl! Die Verpflegungsabteilung konnte zunächst den Bedarf nicht decken, und die Bestände gingen aus.
Aber an geistiger Speise herrschte kein Mangel. Die vortrefflichen biblischen Vorträge, die ernste und zu Herzen gehende Ermahnung, in diesen bösen Zeiten die Lauterkeit zu bewahren, der besondere Rat für junge Leute, die begeisternden Dramen, die viele zu Tränen rührten — alles wurde sehr geschätzt.
Für alle Gruppen der verschiedenen Rassen war es begeisternd, mit Delegierten aus anderen Ländern zusammenzukommen und ihnen zuzuhören. Die Grüße, die die Brüder aus ihrem Heimatland übermittelten, wurden mit stürmischem Beifall entgegengenommen. Glieder der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas, die auf beiden Kongressen zugegen waren, hielten geistsprühende Ansprachen, und es war für alle eine Freude zuzuhören. Und welch eine Begeisterung die Freigabe neuer Veröffentlichungen auslöste! Ein Höhepunkt folgte dem anderen.
Ein herausragendes Ereignis war die Taufe. Erfahrungsgemäß war zu erwarten, daß sich in Johannesburg etwa 400 Personen taufen lassen würden. Doch statt dessen symbolisierten 921 neue Zeugen Jehovas ihre Hingabe an Jehova durch die Wassertaufe. Für sie und die vielen anderen, die bei der Taufe zugegen waren, war diese gemeinsame Taufe von Menschen vieler Rassen ein unvergeßliches Erlebnis. Eine große Schar schwarzer Zeugen stimmte spontan Königreichslieder an, was dem Anlaß eine noch größere Ausstrahlung verlieh. Insgesamt wurden auf beiden Kongressen 1 363 Personen getauft.
Wertschätzung und Dankbarkeit
Die Kongresse boten den Zeugen die seltene Gelegenheit, sich ohne Rücksicht auf ihre Rasse ungehindert zusammenzufinden. In Johannesburg kam es beispielsweise wegen der großen Besucherzahl gelegentlich vor, daß Kinder ihre Eltern nicht mehr wiederfanden. An einem Abend wurden einige schwarze Kinder nicht abgeholt. Man brachte sie zu weißen Zeugen, die in der Nähe in Wohnwagen übernachteten. Dort umsorgte man die Kinder liebevoll, badete sie, gab ihnen etwas zu essen und brachte sie ins Bett. Am nächsten Morgen wurden sie den dankbaren Eltern übergeben.
Weiße Zeugen halfen fünf schwarzen Versammlungen von East London, indem sie einen Sonderzug nach Durban und zurück organisierten. Der Zug wurde auf einem Nebengleis in der Nähe des Kongreßgeländes abgestellt. Er konnte dort stehenbleiben, und die Waggons dienten die ganze Zeit über als Unterkunft — das war sehr bequem und wurde überaus geschätzt.
Eine Bombendrohung auf dem Kongreßgelände in Durban veranlaßte einen Sicherheitsbeamten, Nachforschungen anzustellen. Es war falscher Alarm. Später sagte der Beamte zu einem weißen Zeugen: „Was mich außerordentlich beeindruckt, ist, wie Sie den Frieden fördern. Ich habe gehört, daß Sie den schwarzen Herrn mit ‚Bruder‘ angesprochen haben. Sie wissen, wie man an die Sache herangehen muß.“ Nach dem Kongreß äußerte sich der Verwalter des King’s Park gegenüber dem Kongreßaufseher wie folgt: „Die Gründlichkeit Ihrer Organisation hat mich beeindruckt. Keine andere Organisation hat das Stadion so saubergehalten wie Sie. Ich zweifle nicht daran, daß Sie das Stadion blitzsauber übergeben werden.“
In Johannesburg waren schwarze Sicherheitsbeamte von der friedlichen Atmosphäre sehr angetan. Einer sagte: „Noch nie haben wir bei einer Großveranstaltung so wenig zu tun gehabt.“
Für viele Schwarze war der Kongreß in Johannesburg der erste überhaupt, auf dem sie mit weißen Zeugen Jehovas zusammen waren. Ein schwarzer Ältester bemerkte: „Es war ein einmaliges Gefühl.“ „Ich bin sehr, sehr glücklich“, sagte ein schwarzer Zeuge aus Sambia. „Noch nie in meinem Leben habe ich einen solchen Kongreß besucht.“ Alles war ein lebendiges Beispiel für die Worte Jesu: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter euch habt“ (Johannes 13:35).
Der Kontrast zwischen den Unruhen und dem christlichen Frieden und der Einheit war auffallend. Um öffentlich Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen und auch die Entschlossenheit, sich in Zukunft noch zu verbessern, wurde auf beiden Kongressen folgende Resolution vorgelesen und angenommen:
„Wir, Jehovas Zeugen, die wir auf den Kongressen ‚Bewahrer der Lauterkeit‘ in Johannesburg und Durban (Südafrika) vom 26. bis 29. Dezember 1985 zugegen sind, möchten gegenüber Jehova, unserem himmlischen Vater, unsere tiefe Dankbarkeit für ein solch reichliches geistiges Festmahl der Belehrung und Ermunterung zum Ausdruck bringen. Wir schätzen von Herzen die Anwesenheit der Delegierten aus 24 Ländern: ein deutlicher Beweis für die Liebe und Einheit der weltweiten Bruderschaft des Volkes Jehovas. Wir sind dankbar, daß angesichts ernster Probleme und Unruhen in diesem Land wie auch in anderen Ländern unsere Kongresse friedlich verlaufen sind, und es freut uns, mit unseren Brüdern und Schwestern aller größeren Rassen- und Sprachengruppen Südafrikas Gemeinschaft zu pflegen. Wir sind entschlossen, die Bande der Liebe und Gemeinschaft ungeachtet der Rasse und Hautfarbe zu stärken und die Verkündigung der guten Botschaft in diesem von Unruhen geplagten Land noch eifriger voranzutreiben und unsere Lauterkeit zur Ehre des Namens Jehovas zu bewahren.“
Für die meisten sieht die Zukunft heute düster und hoffnungslos aus. Aber nicht für Jehovas Zeugen! Dank des immer heller leuchtenden Lichts biblischer Prophetie sehen sie das Ende des bösen Systems der Dinge eilends näher rücken. Diese Katastrophe zu überleben und in das neue System unter Gottes Königreich hineinzugelangen wird ein noch größeres Vorrecht sein, als es Noah und seinen Angehörigen gewährt wurde, die die Sintflut überlebten (Zephanja 2:3). Wäre es nicht wünschenswert, zu den Überlebenden zu gehören? Der Wunsch geht in Erfüllung, wenn du dich der glücklichen internationalen Bruderschaft anschließt, die heute den allein wahren Gott, Jehova, anbetet.
„Es soll geschehen im Schlußteil der Tage, daß der Berg des Hauses Jehovas fest gegründet werden wird über dem Gipfel der Berge, und er wird gewißlich erhaben sein über die Hügel; und zu ihm sollen alle Nationen strömen. Und viele Völker werden gewißlich hingehen und sagen: ‚Kommt, und laßt uns hinaufziehen zum Berg Jehovas, zum Haus des Gottes Jakobs; und er wird uns über seine Wege unterweisen, und wir wollen auf seinen Pfaden wandeln‘“ (Jesaja 2:2, 3).
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Oben: Zwei Vollzeitprediger — der schwarze Zeuge ist 101 Jahre alt
Unten: Afrikanische Delegierte in farbenprächtigem Gewand
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Delegierte lauschen den Darbietungen beim Kongreß in Durban
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Oben: Anreisende mit Gepäck, nach Art der Afrikaner
Unten links: Kindertransport auf afrikanisch
Unten rechts: Einer „hilft“ dem anderen
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Gesamtzahl der Getauften: 1 363
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Zwei Kongreßbesucher aus Japan freuen sich mit ihren Mitzeugen