Was sagt die Bibel?
Das „Recht zu sterben“ — Wer entscheidet?
„LASST mich doch nicht so dahinvegetieren!“ rief die 88jährige Clara auf ihrem Bett im Krankenhaus. Nachdem man sie in einer Woche dreimal wiederbelebt hatte, wollte sie einfach in Frieden sterben. So geht es vielen unheilbar Kranken. Sie bitten flehentlich darum, sterben zu dürfen. Für Ärzte und Richter ist dies eine strittige Frage, für Angehörige eine schmerzliche Wahl. Doch wer entscheidet?
Warum das Dilemma?
In dem Buch Interaktion mit Sterbenden ist von der „scheinbar sinnlosen Lebensverlängerung in manchen technisch perfekten Krankenhäusern“ die Rede. Wenn der Tod durch außergewöhnliche medizinische Behandlungsmethoden hinausgeschoben werden kann, erheben sich Fragen bezüglich des Rechts, mit Würde zu sterben. Haben Patienten nicht ein gewisses Recht, zu entscheiden, wie sie sterben — qualvoll oder friedlich? In der New Encyclopædia Britannica heißt es: „Ein vieldiskutiertes moralisches Dilemma entsteht, wenn ein Patient durch eine Maschine künstlich am Leben erhalten wird. Es könnte sich dann die Frage erheben, ob die Maschine abgeschaltet werden sollte.“ Ein Chirurg eines großen amerikanischen Krankenhauses fragt: „Ist das Abschalten des Beatmungsgeräts Mord? Gibt es irgendeinen moralischen oder ethischen Unterschied zwischen dem Nichteinschalten des Beatmungsgeräts und dem Abschalten, nachdem man es eingeschaltet hat?“
Das Dilemma wird größer, weil es keine einheitliche Definition von Begriffen wie „lebendig“ und „tot“ und keine Garantie dafür gibt, daß Ausdrücke wie „unheilbar krank“ oder „todkrank“ zutreffend sind. Die „Außergewöhnlichkeit“ der Behandlungsmethoden hängt vom Ort, von der Zeit und von den Fähigkeiten des Spezialisten ab. Wenn die Interessen des Patienten, der Angehörigen und des medizinischen Personals unterschiedlich sind, können Konflikte entstehen. Des weiteren gab Dr. Oladapo Ashiru während eines Seminars über medizinische Ethik, das 1982 vom College of Medicine der Universität Lagos (Nigeria) durchgeführt wurde, zu, daß „es schwierig ist, das Bewußtsein des Todes objektiv zu studieren“.
Diese Probleme belasten das Gewissen von Ärzten, die sich verpflichtet fühlen, moralische, ethische und religiöse Ansichten zu berücksichtigen. Dr. Ashiru schloß mit den Worten: „Es erfordert ziemlich viel Aufmerksamkeit, Respekt, medizinisches Urteilsvermögen, Zurückhaltung und Entschlossenheit, mit jeder Situation fertig zu werden.“
Was die Bibel sagt
Das Leben ist eine heilige Gabe unseres Schöpfers (Psalm 36:9). Es sollte geschätzt werden. Aus Respekt vor Gottes Ansicht über das Leben, aus Achtung vor den weltlichen Gesetzen und um ein gutes Gewissen zu bewahren, würde ein Christ niemals absichtlich jemandes Tod verursachen (2. Mose 20:13; Römer 13:1, 5).
Ärzte geben zu, daß „intensive Bemühungen, das Leben zu erhalten, in Wirklichkeit zu einer Verlängerung des Sterbeprozesses statt zu einer Verlängerung des Lebens führen können“. Was also, wenn Ärzte sagen, das Beste, was sie tun könnten, sei, den Sterbeprozeß durch mechanische Apparaturen hinauszuzögern? Wenn der Tod eindeutig nahe bevorsteht oder unabwendbar ist, verlangt die Bibel nicht, den Sterbeprozeß künstlich zu verlängern. Unter solchen Umständen zuzulassen, daß er seinen Lauf nimmt, verletzt kein Gesetz Gottes.
Es wäre für einen Christen hilfreich, über folgende Bibelberichte nachzudenken: Sowohl Hiob als auch Hiskia schienen unheilbar krank zu sein, aber sie wurden wieder gesund (Hiob 7:5, 6; 42:16; 2. Könige 20:1-11). Man sollte also nicht vorschnell schlußfolgern, daß jemand im Sterben liegt. Bei Ben-Hadad ging die Sache jedoch anders aus (2. Könige 8:7-15). Der Waffenträger Sauls lehnte die Bitte des Königs ab, ihm zu helfen, mit Würde zu sterben, und David richtete einen anderen Mann hin, von dem er dachte, er sei blutschuldig, weil er behauptet hatte, diese „Sterbehilfe“ geleistet zu haben (1. Samuel 31:4; 2. Samuel 1:6-16). Die Bibel heißt somit das Beschleunigen des Todes nicht gut.
Diese Beispiele lassen erkennen, daß es wichtig ist, vorsichtig zu sein, wenn man heute mit solchen Fällen zu tun hat. Jeder Fall hat seine Besonderheiten und sollte gebetsvoll und unter genauer Berücksichtigung des Standpunktes Gottes über die Kostbarkeit des Lebens entschieden werden. Rebekka ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel, denn als sie um ihr Leben bangte, „ging sie hin, Jehova zu befragen“ (1. Mose 25:22).
Wer entscheidet?
Häufig wird die Frage gestellt: „Wem gehört das Leben eigentlich?“ Die Entscheidung liegt in erster Linie beim Patienten, weil er die Gabe des Schöpfers, das Leben, verwaltet (Apostelgeschichte 17:28). Sollte der Patient jedoch nicht mehr in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, könnte der nächste Verwandte oder eine vom Patienten beauftragte Person dies vertretungsweise tun. In jedem Fall sollte der Stellvertreter die Rechte des Patienten, nicht seine eigenen, respektieren und verteidigen. Ebenso haben im Fall minderjähriger Kinder Eltern die von Gott übertragene Pflicht und das gesetzliche Recht, für ihre Nachkommen zu entscheiden (Psalm 127:3).
Andererseits wird, wie aus der Columbia Law Review hervorgeht, „allgemein anerkannt, daß ein Gerichtssaal nicht das passende Forum ist, Entscheidungen über Behandlungsmethoden zu treffen. ... Gerichte eignen sich schlecht dafür, stellvertretend für eine Person Entscheidungen zu treffen.“ Würde ein Arzt nicht ethischen Grundsätzen zuwiderhandeln, wenn er seine eigenen religiösen Ansichten dem Patienten aufzwänge? Der Arzt sollte die religiöse Überzeugung des Patienten berücksichtigen oder die Behandlung nicht fortsetzen, wenn dessen religiöse Ansichten einen schweren Gewissenskonflikt hervorrufen. Oftmals ist es am besten, wenn sich der Arzt, der Prediger und die Familie gemeinsam mit dem Patienten beraten, damit eine Entscheidung zu dessen Wohl getroffen werden kann.
Ganz gleich, welche Folgen sich aus der Entscheidung ergeben, können Christen auf die Verheißung des Schöpfers vertrauen, daß es eine Zeit geben wird, in der keiner sagt: „Ich bin krank“ (Jesaja 33:24). Unheilbar Kranke tröstet Gottes wunderbare Verheißung, Menschen im Paradies auf der Erde aufzuerwecken und ihnen unter Gottes Königreich Gesundheit und Leben zu schenken (Apostelgeschichte 24:15; Offenbarung 21:1-4). Die Zeit ist nahe, wo Jehova Gott durch Jesus Christus gehorsamen Menschen das Recht zu leben gewähren wird — ewig zu leben (Johannes 3:36).
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Was wird verlängert — das Leben oder der Sterbeprozeß?