Die Frauenbewegung — Was ist damit geschehen?
DAS Streben nach der Befreiung der Frauen hat auch seine Schattenseiten, besonders für die Familie. Frauen, die dem Aufruf folgten, der häuslichen „Sklaverei“ zu entfliehen, haben zu einer kletternden Scheidungsrate beigetragen, die sich in einigen Ländern immerhin auf 50 Prozent der jungen Ehen beläuft. Zu diesem Problem kommt die wachsende Zahl der Mütter hinzu, die ganztags berufstätig sind und eine doppelte Belastung bewältigen müssen — den Beruf und die häuslichen Pflichten.
Eine Studie in den Vereinigten Staaten ergab, daß 1960 ein Viertel der Mütter berufstätig war; im Jahre 1986 waren es über die Hälfte. „Die meisten Mütter sind zwar berufstätig, doch zu Hause hat sich deswegen nichts verändert“, heißt es in einem Bericht. „Sie erledigen weiterhin den Großteil der Hausarbeit, und Hortplätze für die Kinder sind oft nicht ausreichend oder unerschwinglich.“
Feministinnen sagen, eine Frau müsse, um wirklich frei zu sein, ganz und gar über ihren eigenen Körper verfügen können, also auch das Recht haben, eine unerwünschte Schwangerschaft abzubrechen. Dieser Wunsch nach „reproduktiver Gleichheit“ mit den Männern hat zu der steigenden Zahl der Abtreibungen beigetragen — jährlich schätzungsweise 55 Millionen weltweit.
Auch vor der Bibel hat der feministische Zorn nicht haltgemacht. „Vertraue auf Gott. Sie wird für dich sorgen“, sagen Feministinnen und verhöhnen die Bibel als sexistisch in ihrer Darstellung eines „männlichen“ Gottes. „Einige [Feministinnen] ... beschuldigen die Bibel, nach wie vor die mächtigste Waffe zu sein, wenn es darum gehe, Frauen an ‚ihrem Platz‘ zu halten, und sie bezweifeln, daß etwas, was auf diese Weise eingesetzt wird, Gottes Wort ist“, berichtete das kanadische Magazin The United Church Observer. Einige Kirchen haben sich dem Druck feministischer Mitglieder gebeugt und gebrauchen in ihren Gottesdiensten eine „einschließende“ Sprache, indem sie männliche Begriffe für Gott durch Ausdrücke wie erhaltendes oder nährendes Wesen ersetzen.
Gleichzeitig ist die Frauenbewegung selbst, wie die feministische Gründermutter Betty Friedan sagte, in eine „tiefe Lähmung“ geraten. Feministische Truppen sind an einer Reihe von Fronten entzweit — der Kampf um gleiche gesetzliche Rechte, gleiche Bezahlung, liberalere Abtreibungsgesetze, Lesbierinnenrechte, um obligatorischen Mutterschaftsurlaub und eine bessere Tagesbetreuung der Kinder sowie der Krieg gegen die Pornographie.
Identitätskrise
Wie das Nachrichtenmagazin Newsweek schrieb, macht der Feminismus eine Identitätskrise durch. „Die Belastungen, eine Karriere aufzubauen, enge Freundschaften zu pflegen und sich um die Kinder zu kümmern, haben sich als schwerer erwiesen, als man es in den ersten, ungestümen Tagen des Feminismus hätte ahnen können.“
In dem Buch Woman on a Seesaw gibt der Autor Hilary Cosell die Klage einer aufgebrachten Karrierefrau wieder, die versucht hatte, die Rolle einer „Superfrau“ zu verkörpern. Sie erzählte: „Ich bin zur Zeit so ausgepumpt, daß ich glaube, in mir ist nichts mehr übrig, was ich irgendeiner anderen Sache widmen könnte. Ich bin eine überlastete Berufstätige, eine übermüdete Mutter, eine Schönwetterfreundin und eine Teilzeitehefrau. Superfrau? Ha! Supermüde Frau wäre besser ausgedrückt.“
Frauen, die die Gelegenheit, zu heiraten und Kinder zu bekommen, verstreichen ließen, um Karriere zu machen, werden oft von Reuegefühlen geplagt. Eine 38jährige Unternehmensberaterin sagte gegenüber dem kanadischen Magazin Chatelaine: „Es gibt eine ganze Generation von Frauen, die wie ich einsam sterben werden. ... Trotz unseres Erfolgs haben wir ein sehr unausgefülltes Leben.“ In dem Magazin Newsweek brachte eine 39jährige Direktorin einer Schuhfirma ihre Sorge wie folgt zum Ausdruck: „Mein Beruf ist aufregend und befriedigend, doch mich verfolgt die Angst, daß ich den bedeutungsvollsten Teil des Lebens versäume, weil ich keine Kinder habe. Manchmal male ich mir aus, daß auf meinem Grabstein, wenn ich jetzt sterben würde, zu lesen wäre: ‚Hier ruht ... Sie las viele Zeitschriften.‘“
Selbst führende Feministinnen scheinen nach reiflicher Überlegung Zweifel an der sexuellen Moral der Befreiung zu haben. Die australische Autorin Germaine Greer beschrieb in ihrem 1970 erschienenen Buch Der weibliche Eunuch die Ehe als „unbezahlte Arbeit, von Rechts wegen gefordert von einem Arbeitgeber im Besitz eines Vertrages auf Lebenszeit, der einseitig zu seinen Gunsten abgefaßt ist“. Sie schlug damals vor, der Wunsch einer Frau, ihre Situation zu verbessern, müßte „erst einmal durch ‚Promiskuität‘ unterstützt werden“. Germaine Greer wurde von vielen als führende Verfechterin der sexuellen Revolution betrachtet, doch 1984 versetzte sie Feministinnen in Erstaunen, als sie in einem Buch Keuschheit billigte und sexuelle Freizügigkeit verurteilte.
Wirtschaftliche Lage
Die amerikanische Autorin Sylvia Ann Hewlett behauptet, Frauen hätten durch die feministische Bewegung in mancher Hinsicht Nachteile. Sie argumentiert, die Frauenbewegung habe kaum dazu beigetragen, die wirtschaftliche Lage der Frauen im allgemeinen zu verbessern, da sie Unabhängigkeit und Gleichheit betone, statt Reformen zur Hilfe für berufstätige Mütter anzustreben. „Die gerühmte Unabhängigkeit der Befreiten und Geschiedenen ist oft auf bittere Einsamkeit und Armut hinausgelaufen.“
Eine Studie in den Vereinigten Staaten ergab, daß in Bundesstaaten mit ursprünglich von Feministinnen unterstützten Scheidungsgesetzen, bei denen die Schuldfrage keine Rolle spielt, geschiedene Frauen und ihre Kinder ein plötzliches Absinken ihres Lebensstandards um 73 Prozent erfahren, während sich der geschiedene Ehemann eines Anstiegs um 42 Prozent erfreut. Wohl kaum eine Verbesserung für die Frauen!
Tatsächlich verdienen Frauen in den Vereinigten Staaten nach wie vor nur 64 Prozent dessen, was Männer verdienen — fast dasselbe Verhältnis wie vor 50 Jahren. In europäischen Ländern, wo sich Feministinnen darauf konzentriert haben, bessere Bedingungen in bezug auf Mutterschaftsurlaub und Betreuung der Kinder zu erreichen, stieg das Einkommen der Frauen von 71 Prozent des Verdienstes der Männer im Jahre 1970 auf 81 Prozent zehn Jahre später.
Feministinnen sind nun hinsichtlich einer Frage tief gespalten: Was ist überhaupt Gleichheit? Frauen sind, wie Betty Friedan hervorhebt, keine Klone der Männer. „Die Zeit ist gekommen, anzuerkennen, daß Frauen anders sind als Männer. Es muß eine Auffassung von Gleichheit geben, bei der mit in Betracht gezogen wird, daß die Frauen diejenigen sind, die die Kinder bekommen“, sagt sie. Andere Feministinnen argumentieren, daß Frauen, wenn sie Gesetze akzeptieren, durch die ihnen gegenüber den Männern Sonderrechte eingeräumt werden — wie zum Beispiel obligatorischer Mutterschaftsurlaub —, zugeben, daß sie den Männern nicht gleich sind, was einer Diskriminierung Tür und Tor öffnen kann.
Das „Dilemma des heutigen Feminismus“ besteht, wie ein Gelehrter sagte, darin, festzustellen, ob die Unterschiede in den Ansichten und Wünschen der Geschlechter erblich oder ein Produkt sozialer Formung sind. Arbeitgeber behaupten, viele Frauen seien für bestimmte Verkaufsberufe nicht draufgängerisch und wettbewerbsfreudig genug. „Frauen werden von der Gesellschaft dahin gehend geformt, passiv zu sein“, argumentierte die Feministin Jody, Leiterin eines Amtes für Sozialforschung. „Es gehört zur Rolle der Nährenden, sich in Beziehung zu anderen zu setzen und nicht nach sich selbst zu fragen“, erklärte sie gegenüber Erwachet! Viele Feministinnen sind davon überzeugt, daß nur eine Änderung in der Art und Weise, wie Frauen durch die Erziehung geformt werden, echte Chancengleichheit ermöglicht.
Andere wenden ein, Frauen könnten die Gleichheit am besten erreichen, wenn sie anerkennen würden, daß sie anders als Männer sind. Betty Friedan verlangt nach einem „zweiten Stadium“ des Feminismus. „Es ist ein neues feministisches Denken erforderlich, wenn ... Frauen weiterhin in der Welt des Mannes vorwärtskommen ... und dennoch ‚nicht wie Männer werden‘ sollen“, sagt sie. Andere blicken auf diese sanftere Methode herab und sprechen davon, daß sie mit dem Feminismus „wieder auf die Straße gehen“ und für liberalere Abtreibungsgesetze und andere Reformen marschieren wollen.
Wird die Bewegung andauern?
Unterdessen fragen sich Feministinnen, wer in Zukunft das Banner vorantragen wird. „Junge Mädchen fühlen sich davon [vom Feminismus] eher bedroht als angezogen“, berichtete der Toronto Star. Manch eine jüngere Frau hat Angst vor der Unabhängigkeit, die die größere Gleichheit mit sich bringt. „Eine Menge Frauen sagen heute, daß sie genug haben“, erklärte die französische Feministin Benoite Groult. „Sie möchten wieder umsorgt werden; sie möchten von Männern beschützt werden.“
In einigen Ländern sind Feministinnen auf den erbitterten Widerstand anderer Frauengruppen gestoßen, die entschlossen sind, das zu bekämpfen, was sie als Angriff auf die Familie und auf andere „traditionelle“ Werte betrachten. Eine solche Gruppe in Kanada nennt sich REAL Women (echte Frauen) — eine Abkürzung für Realistic, Equal, Active for Life (realistisch, gleich, lebensaktiv). Sie bezeichnet sich als „organisiert und kampfbereit“.
Andernorts scheint sich die Frauenbewegung einfach in Nichts aufzulösen. Wie Peter H. Merkl sagte, geben immer mehr Frauen in der Bundesrepublik Deutschland den Feminismus auf. „Allgemein gutgeheißene Mutterschaft ist wieder in Mode. Arbeiterinnen und Angestellte fliehen wieder in die Familie ..., während sich radikale Feministinnen in eine isolierte Subkultur zurückgezogen haben.“
Neue wissenschaftliche Entdeckungen über die Beschaffenheit des menschlichen Gehirns mögen sich auf künftige Ansichten über die Rolle der Geschlechter auswirken. Der Neurologe Richard Restak sagte: „Beweise lassen erkennen, daß viele Verhaltensunterschiede bei Männern und Frauen auf Unterschieden in den Gehirnfunktionen beruhen, die erblich sind und sich kaum durch kulturelle Faktoren allein abändern lassen.“ Nein, Frauen sind keine Klone der Männer, sondern sie sind offensichtlich zu einem anderen Zweck geschaffen worden und mit anderen Wünschen und Bedürfnissen ausgestattet worden.
Sollten diese Entdeckungen aber überraschen? Die Wissenschaft hat einen Tatbestand aufgedeckt, der schon vor langer Zeit in dem biblischen Bericht über die Erschaffung Evas, der ersten Frau, erklärt wurde. In 1. Mose 2:18 heißt es über den Vorsatz des Schöpfers: „Es ist für den Menschen nicht gut, daß er weiterhin allein sei. Ich werde ihm eine Gehilfin machen als sein Gegenstück.“ Mann und Frau sollten also Eigenschaften besitzen, die sich gegenseitig ergänzen würden. Sie wurden nicht als Rivalen erschaffen. Jeder sollte sich für eine bestimmte ergänzende Rolle eignen.
Und die „Entdeckung“, daß Frauen keine Klone der Männer sind — daß Frauen tatsächlich „anders sind als Männer“, daß Frauen „die Kinder bekommen“ —, ist das etwas Neues? Wieder läßt die Bibel erkennen, daß Gott Mann und Frau unterschiedlich erschuf, „männlich und weiblich erschuf er sie“, und daß die Frau besonders zu dem Zweck gebildet wurde, Kinder zu bekommen (1. Mose 1:27, 28; 2:21-23).
Aber anders bedeutet nicht minderwertig. Es ist in keiner Weise gerechtfertigt, eine Frau erniedrigend zu behandeln. Sie ist „vom Manne“, und in der Christenversammlung liebt ein Mann seine Frau daher „so wie sich selbst“. In dieser Atmosphäre findet sie Achtung, Liebe und Geborgenheit (Epheser 5:28-33; 1. Timotheus 5:2, 3).
Männer und Frauen sind unterschiedlich, aber sie sind keine Konkurrenten. Einer ergänzt den anderen; einer vervollständigt den anderen. In der Eheeinrichtung, die Jehova geschaffen hat, wird aus den beiden eins. Millionen wahrer Christinnen finden heute die echte Befreiung darin, ihre in der Bibel dargelegte Rolle zu erfüllen.
[Bilder auf Seite 7]
Das Leben einer berufstätigen Frau ist hektisch und zerrissen