Junge Leute fragen sich:
Warum streiten meine Eltern ständig?
In unserer Familie gibt es viele Probleme, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Vater fängt bei jeder Kleinigkeit an herumzuschreien. Und bei meiner Mutter ist es genauso. Wenn mein Vater von der Arbeit nach Hause kommt und das Essen nicht auf dem Tisch steht, schreit er meine Mutter an (ein 12jähriges Mädchen).
Ich mache mir große Sorgen, daß sich meine Eltern scheiden lassen. Natürlich habe ich sie beide lieb und möchte immer mit beiden zusammensein, aber sie streiten dauernd über Geld und alles mögliche (ein 10jähriger Junge).
DEINER Meinung nach sollten sich Eltern lieben und füreinander dasein. Sie sollten allwissend, freundlich und rücksichtsvoll sein. Sie sollten möglichst in allem übereinstimmen. Und kleine Meinungsverschiedenheiten sollten sie ruhig und friedlich und außer Hörweite besprechen. Sie dürfen einfach nicht streiten.
Aber vielleicht hast du zu deinem Entsetzen festgestellt, daß Eltern nun doch manchmal Auseinandersetzungen haben — und daß es dabei nicht immer ruhig und friedlich zugeht. Die eigenen Eltern streiten zu sehen tut dir unbeschreiblich weh. Ein Jugendlicher erklärte, wie er empfand, wenn seine Eltern stritten: „Manchmal dachte ich, in meinem Innern würde etwas zerreißen.“
Warum Eltern streiten
Schön wäre es, wenn Mütter immer ‘das Gesetz liebender Güte auf ihrer Zunge’ hätten und nie ein barsches Wort hervorstießen (Sprüche 31:26). Noch schöner wäre es, wenn Väter sich nicht ‘gegen ihre Frau erbittern’ ließen (Kolosser 3:19). Doch die Bibel sagt: „Wir alle straucheln oft. Wer nicht im Wort strauchelt, der ist ein vollkommener Mann“ (Jakobus 3:2).
Ja, deine Eltern sind unvollkommen. Normalerweise mögen sie ‘einander in Liebe ertragen’ (Epheser 4:2). Aber es sollte dich nicht überraschen, wenn ab und zu Schwierigkeiten auftreten, die sich in Form eines Streites entladen.
Vergiß auch nicht, daß wir in „kritischen Zeiten“ leben, „mit denen man schwer fertig wird“ (2. Timotheus 3:1). Für den Unterhalt zu sorgen, die Rechnungen zu bezahlen und die Atmosphäre am Arbeitsplatz zu ertragen — all das kann eine Ehe stark belasten. Besonders groß ist der Druck, wenn beide Eltern berufstätig sind. Schon die Frage, wer kochen und putzen soll, kann zu Auseinandersetzungen führen.
Wie ihre Streitigkeiten dich berühren
Was immer auch die Meinungsverschiedenheiten zwischen deinen Eltern auslöst, du fühlst dich womöglich am Boden zerstört, wenn du sie streiten hörst. Die Autorin Linda Bird Francke erklärt, daß Kinder ihre Eltern oft „auf eine hohe Stufe stellen. Ein kleines Kind sieht seine Mutter oder seinen Vater nicht als mit Eigenarten und Schwächen behaftetes Individuum, sondern als unerschütterliche Institution, die einzig und allein dazu da ist, es zu umsorgen und zu beschützen.“ Deine Eltern streiten zu sehen macht dir schmerzlich bewußt, daß sie bei weitem nicht so „unerschütterlich“ sind, wie du dachtest. Dadurch können bei dir Gefühle der Unsicherheit und die verschiedensten Ängste entstehen.
Im Journal of Marriage and the Family wird berichtet: „Über die Hälfte aller Kinder im Grundschulalter, die bei der letzten landesweiten Umfrage interviewt wurden, sagten, daß sie Angst haben, wenn ihre Eltern sich streiten.“ Cindy, ein junges Mädchen, erzählte: „Von Zeit zu Zeit streiten sich meine Mutter und mein Vater heftig. Ich werde dann sehr ängstlich und gehe ins Bett. Ich frage mich, wann sie endlich damit aufhören.“
Auseinandersetzungen über Geld — ein übliches Streitobjekt unter Ehepartnern — können in dir die Angst wecken, daß die Familie vor dem finanziellen Ruin steht. Und falls sich der Streit um dich dreht („Wenn du nicht energischer durchgreifst, wird er/sie noch völlig verzogen!“), befürchtest du vielleicht sogar, du seist irgendwie an dem Streit schuld.
Beunruhigend sind auch heftige Streitigkeiten über scheinbare Lappalien. („Ich bin es leid, nach Hause zu kommen und das Essen ist nicht fertig!“) Solche ständigen Unstimmigkeiten entspringen oft einem tieferen Groll zwischen deinen Eltern. Verständlicherweise machst du dir Sorgen, daß ihre Ehe vor dem Scheidungsrichter endet. Die drohende Gefahr eines Zornausbruchs „führt dazu, daß du dich zu Hause unwohl fühlst und nicht riskieren willst, deine Freunde um dich herum zu haben“ (Trouble at Home von Sara Gilbert).
Die Streitigkeiten deiner Eltern können auch schmerzliche Loyalitätskonflikte verursachen. Wie das Journal of Marriage and the Family schreibt, „birgt die enge Verbindung zu einem Elternteil das Risiko in sich, von dem anderen abgelehnt zu werden“. Aus Angst, etwas zu sagen oder zu tun, was nach Parteilichkeit aussieht, bist du in Gegenwart deiner Eltern womöglich nervös und befürchtest, in den Konflikt mit hineingezogen zu werden.
„Werden sie sich scheiden lassen?“
Wahrscheinlich nicht. Aus der Bibel geht hervor, daß alle Ehen von einem gewissen Maß an Belastungen begleitet sind. Gemäß 1. Korinther 7:28 macht Paulus darauf aufmerksam, daß Verheiratete „Drangsal im Fleisch“ oder „mancherlei Not und Trübsal“ haben werden (Bruns). Die Unstimmigkeiten zwischen deinen Eltern, wenn sie auch ziemlich heftig sind, müssen nicht bedeuten, daß sie sich nicht mehr lieben oder daß eine Scheidung bevorsteht. Die Bibel zeigt, daß sogar Menschen, die sich sehr lieben, gelegentlich Auseinandersetzungen haben.
Sara, die Frau Abrahams, wird Christinnen als Beispiel für weibliche Unterwürfigkeit hingestellt (1. Petrus 3:6). Doch als sie spürte, daß Ismael, der Sohn Abrahams durch die Magd Hagar, eine Gefahr für das Wohlergehen Isaaks, des anderen Sohnes Abrahams, darstellte, machte sie ihren Gefühlen nachdrücklich Luft. „Treib diese Sklavin und ihren Sohn hinaus“, forderte Sara, „denn der Sohn dieser Sklavin wird nicht Erbe sein mit meinem Sohn, mit Isaak!“ (1. Mose 21:9, 10). Zweifellos wurde ihre Ehe dadurch Belastungen ausgesetzt. Aber es entstand kein langfristiger Schaden. Auf Gottes Drängen kam Abraham Saras Forderung nach.
Sehr wahrscheinlich erscheinen dir die Meinungsverschiedenheiten deiner Eltern viel schwerwiegender als ihnen. Margaret stellte das fest, als sie bei einer Auseinandersetzung ihrer Eltern schrie: „Hört endlich auf zu streiten!“, worauf sie die Antwort erhielt: „Wir diskutieren doch nur.“
Die meisten familiären Streitigkeiten sind also von kurzer Dauer und bald vergessen — besonders wenn deine Eltern gottesfürchtig sind und den Rat beachten: „Werdet ... gütig zueinander, voll zarten Erbarmens, einander bereitwillig vergebend, so wie auch Gott euch durch Christus bereitwillig vergeben hat“ (Epheser 4:32). Ja, deine Eltern werden ihre Unstimmigkeiten sicher ohne deine Hilfe beilegen.
„Erst streiten sie, dann schlagen sie sich“
Allerdings sind nicht alle Eheprobleme leicht zu lösen. Eine siebenjährige Studie unter 2 000 amerikanischen Familien ergab, daß „jährlich bei etwa jedem sechsten Ehepaar in den Vereinigten Staaten mindestens ein Gewaltakt gegen den Partner verübt wird. ... Das ist höchstwahrscheinlich eine grobe Unterschätzung.“ Ein Jugendlicher sagt über die Streitigkeiten seiner Eltern: „Erst streiten sie, dann schlagen sie sich.“
Wenn das bei dir zu Hause der Fall ist, ist die Ehe deiner Eltern tatsächlich mit ernsten Problemen belastet. Vielleicht besteht sogar für dich oder deine Eltern die Gefahr, körperlichen Schaden davonzutragen. Marie, ein junges Mädchen, dessen Mutter und alkoholkranker Vater sich regelmäßig stritten, erzählt: „Ich hatte Angst. Ich dachte, er würde auf meine Mutter losgehen oder sie auf ihn.“
Auch Eltern, die zwar nicht handgreiflich werden, sich aber gegenseitig mit ‘boshafter Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und lästerlichem Reden’ beschimpfen, erregen Besorgnis (Epheser 4:31). Wenn Eltern spitze Bemerkungen machen, die auf sexuelle Unzufriedenheit oder sogar Untreue anspielen, wird ebenfalls deutlich, daß ernste Eheprobleme bestehen.
In manchen Familien gibt es spezielle Problemherde, wie zum Beispiel Alkoholismus oder Drogenmißbrauch. Oder es kann sein, daß ein Elternteil ein Christ und der andere ein Ungläubiger ist. Jesus Christus sagte vorher, daß eine solche Situation die Familie „entzweien“ würde. Das kann eine Ehe stark belasten (Matthäus 10:35).
Wie solltest du dich verhalten, wenn die Ehe deiner Eltern ernstlich gefährdet zu sein scheint? Kannst du irgend etwas tun, außer hilflos zuzusehen? Das wird in einem künftigen Artikel behandelt.
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