Bekanntschaft mit einem ziemlich hitzigen Charakter
Von unserem Korrespondenten in Italien
MANCHMAL kommt mir der Gedanke, daß ich wirklich ein ungewöhnlicher Geselle bin: dünn, trocken und ein echter Hitzkopf. Kommt es zu Reibereien, gerate ich im Nu in Feuer. Andere wissen darüber Bescheid und nützen das aus. Die Eigenschaft, mich schnell zu erhitzen, gehört allerdings zu meiner Natur. Ja, man wird sogar ärgerlich, wenn ich nicht Feuer fange. Und das aus gutem Grund, denn ich bin ein Streichholz.
Ist es nicht so, daß du mich vielleicht manchmal als etwas Selbstverständliches betrachtest und mich nur beachtest, wenn ich mal nicht zünde oder wenn die Streichholzschachtel leer ist? Doch ich möchte dich einmal sehen, wie du versuchst, auf altertümliche Weise Feuer zu machen, indem du zwei Hölzer aneinanderreibst in dem Versuch, einen Haufen trockenes Laub zu entzünden, oder indem du Feuerstein gegen Stahl schlägst mit dem Risiko, dabei deine Finger zu treffen. In beiden Fällen wärst du wohl dankbar für ein unscheinbares Streichholz.
Erfindung des Streichholzes
Meine Familiengeschichte ist reich an Versuchen, einen praktischen Weg zum Feueranzünden zu finden. Selbst im 17. Jahrhundert, nachdem der deutsche Alchemist Hennig Brand den Phosphor entdeckt hatte, sann man auf eine Möglichkeit, auf einfache Weise Feuer anzuzünden. Doch es sollte mehr Zeit vergehen, als die Wissenschaftler angenommen hatten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfand der Franzose Jean Chancel eine entflammbare Masse, die aus Kaliumchlorat, Zucker und Gummiarabikum bestand. Um sie zu entzünden, wurde eine kleine Menge auf das Ende eines mit Schwefel imprägnierten Stabes aufgetragen und dann mit Asbest in Berührung gebracht, den man mit Schwefelsäure getränkt hatte. Das war nicht gerade das Richtige für die Jacken- oder Hosentasche.
Das erste echte Streichholz oder „Streich-Feuer“ wurde 1826 von dem englischen Drogisten John Walker erfunden. Dieses Streichholz wurde später als Lucifer-Zündholz oder Lucifer bekannt. Warum „Lucifer“? Weil das die lateinische Übersetzung des griechischen Wortes für „Lichtbringer“ — phosphorus — ist, von dem auch der Begriff Phosphor stammt. Das gleiche griechische Wort wird in 2. Petrus 1:19 für „Lichtträger“ oder „Tagesstern“ benutzt. In einigen Sprachen wie Spanisch und Portugiesisch werde ich immer noch fósforo genannt.
Etwa zur gleichen Zeit, als Walker sein Zündholz erfand, erschienen die „Prometheans“ auf der Bühne (in der griechischen Mythologie ist Prometheus ein Titan, der Feuer vom Olymp stahl und es den Menschen gab). Sie waren ein Mittelding zwischen Chancels Erfindung und den heutigen Streichhölzern. Kaliumchlorat, Zucker und Gummi wurden vermischt und in feines Papier eingerollt. An einem Ende befand sich eine kleine Glaskapsel, die mit Schwefelsäure gefüllt war. Wurde das Glas zerbrochen, kamen die Säure und die entflammbare Masse zusammen und entzündeten sich. Charles Darwin erregte bei den Reisen, die er auf der Beagle durch Südamerika machte, in Uruguay ziemliches Aufsehen, als er auf die Glaskapsel eines Prometheans biß, das sich darauf entzündete. Dies waren keine eigentlichen Streichhölzer, sondern Reaktions-Zündhölzer.
Ungefähr zu dieser Zeit war auch der italienische Chemiker Domenico Ghigliano an meiner Familie interessiert. Nach einer Reihe von Versuchen stellte er eine entflammbare Masse her, die auf Antimonsulfid und anderen Stoffen basierte und die man am Ende kleiner Hölzchen fest werden ließ. Wurden diese an einer rauhen Oberfläche entlanggestrichen, entzündeten sie sich sofort.
Das Kaliumchlorat und der weiße Phosphor, die später die Hauptkomponenten der Masse bildeten, waren gefährlich und giftig. Schließlich wurden sie durch Bleidioxyd (oder Mennige zusammen mit Braunstein) und roten Phosphor ersetzt. Dadurch wurden außerdem die Schwierigkeiten bei der Herstellung und beim Gebrauch beseitigt.
Vom Baumstamm zum Streichholz
Woraus werde ich nun heute hergestellt? Mein kurzer, schlanker, trockener Körper kann aus Tanne, Kiefer oder Silberpappel sein. Mein Kopf besteht hauptsächlich aus Phosphorsulfid, Chlorat, Eisen- oder Zinkoxyd, Glaspulver und Gummi oder Leim.
Wir Streichhölzer sind allerdings verschiedenartig und die Schachteln, in denen wir uns befinden, erst recht. Ich bin das gewöhnliche Küchenstreichholz, doch es gibt auch den cerino oder Wachszünder (ein typisch italienisches Produkt, bei dem das Stäbchen aus gerolltem Wachspapier besteht). Dann gibt es das Schwedenholz oder Sicherheitszündholz (sein Kopf enthält kein Phosphor und ist so konzipiert, daß es nur zündet, wenn es an einer phosphorhaltigen Fläche der Schachtel gerieben wird).
Einfach gesagt, besteht unsere Herstellung aus drei Schritten: Zuerst wird mein Körper hergestellt, das Stäbchen, dann muß die entflammbare Masse angerührt werden, und schließlich wird beides vereint.
Beim ersten Schritt werden Baumstämme entrindet und zu Millionen von dünnen Stäbchen mit quadratischem oder rechteckigem Querschnitt verarbeitet. Um Wachszünder herzustellen, wird maschinell ein langer Faden zusammengedrehtes Wachspapier ausgezogen und in zweieinhalb Zentimeter lange Stücke geschnitten.
Die Zündmasse besteht aus verschiedenen Substanzen, und die Köpfe können von einer Art zur anderen unterschiedlich sein. Der letzte Schritt besteht im Zusammenbringen der beiden Bestandteile. Wir Streichhölzer werden mit dem Kopf nach unten in einen Rahmen eingespannt, und dann bestreicht eine Rolle unsere Köpfe mit der Zündmasse. Danach können wir trocknen, und schließlich werden wir in die Schachteln verpackt. Die rauhe Fläche, an der du uns anzündest, besteht aus einer Schicht Leim, vermischt mit Glaspulver, die auf die Seiten der Schachteln aufgetragen wird. Es gab Zeiten, da wurden alle Arbeitsschritte von Hand ausgeführt, doch heute machen das natürlich Maschinen. Sie spucken uns zu Millionen aus.
Noch ein Wort zur Vorsicht: Laß uns nie irgendwo liegen, wo uns Kinder erreichen können! Kinder sind sehr neugierig und ahmen gern die Großen nach — eh du dich’s versiehst, reiben sie meinen Kopf an der Seite der Schachtel. Und bei meinem hitzigen Charakter kann eine kleine Flamme ein großes Feuer entfachen. Geh daher bitte vorsichtig mit mir um!