Ausländer — Wie man ihnen helfen kann
DER Autor Günter Wallraff hatte, als Türke verkleidet, bei einem Stahlkonzern in Deutschland gearbeitet. Als er seine Erkenntnisse darüber, wie die ausländischen Arbeiter oder Gastarbeiter behandelt werden, veröffentlichte, war die Öffentlichkeit schockiert und wütend. An einem Fall nach dem anderen zeigte er eklatante Diskriminierung auf und entwürdigende Vorurteile gegen ausländische Arbeiter. Einmal wurde er Zeuge davon, wie türkische Arbeiter angewiesen wurden, in einem gefährdeten Bereich trotz Alarmsirenen und rotem Blinklicht zu arbeiten. Als einer der Männer aus Angst den Bereich verlassen wollte, wurde ihm mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes gedroht.
Wallraffs Erlebnisse warfen grelles Licht auf die verzweifelte Lage, in der sich ausländische Arbeitnehmer oft befinden. Mitfühlende Bürger werden sich der Probleme der Ausländer immer mehr bewußt, und viele fragen sich, was sie tun können, um Zuwanderern und ihren Familien zu helfen.
„Nehmt uns, wie wir sind“
Als erstes gilt es, sich vor Vorurteilen zu hüten. Nichts errichtet schneller eine Mauer des Mißtrauens und der Intoleranz zwischen den Einheimischen und den Ausländern als pauschale Vorurteile. „[Unsere Kultur] verzerrt unsere Einstellung dazu, wie andere Menschen etwas tun, insbesondere wenn sich ihre Verhaltensweise ... von unseren akzeptierten Normen unterscheidet“, schreibt der Publizist Ben Levitas in seinem Buch Tribal Life Today. Diese Unterschiede würden „uns häufig veranlassen, gegenüber der Handlungsweise anderer kritisch zu sein“. Helen, eine koreanische Immigrantin in Kanada, erinnert sich noch gut an den Tag, an dem ihre Lehrerin sie wütend anschrie, weil sie eine Aufgabe, die der Klasse gestellt worden war, nicht erledigt hatte. „Sie erkannte nicht, daß ich ihr nicht folgen konnte“, erklärt Helen, der dieses Erlebnis damals sehr weh tat.
Mißverständnisse und vorgefaßte Meinungen über andere Nationalitäten beruhen größtenteils eher auf Erfindungen als auf Tatsachen. Mildred Sikkema und Agnes Niyekawa-Howard berichten in ihrem Buch Cross-Cultural Learning & Self-Growth von einem amerikanischen Professor, der seine neuen ausländischen Studenten testete, indem er ihnen einen Witz erzählte und dabei ihre Reaktion beobachtete. Wer nicht lachte, wurde sofort in einen Englischkurs geschickt. „[Der Professor] schien sich“, so die beiden Verfasserinnen, „nicht dessen bewußt zu sein, daß zum Verständnis eines amerikanischen Witzes die Vertrautheit mit der amerikanischen Kultur ebenso notwendig ist wie die Kenntnis der Sprache ... Was man in einer Gesellschaft als witzig betrachtet, wird in einer anderen möglicherweise als geschmacklos empfunden.“ Solche wohlgemeinten Handlungsweisen von Einheimischen verraten einen Mangel an Einsicht im Umgang mit Fremden.
Ausländer sind dankbar, wenn man sie ohne Vorurteile so akzeptiert, wie sie sind. Das zu tun ist in Übereinstimmung mit der Richtschnur, die uns Jesus gab: „Du sollst ... deinen Nächsten [lieben] wie dich selbst“ (Lukas 10:27). Yasushi Higashisawa, ein Rechtsanwalt in Tokio, der viel mit Ausländern zu tun hat, erklärt, daß „der enge Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturkreisen das beste Mittel gegen Vorurteile ist“. Solche Kontakte eröffnen auch viele weitere Möglichkeiten, Einwanderern zu helfen.
Praktische Hilfe
Es gibt vieles, was der Ausländer über das neue Land wissen möchte — wie er eine Wohnung bekommen, die Sprache erlernen, die Kinder in einer Schule unterbringen und die medizinischen und sozialen Einrichtungen nutzen kann. Als Einheimischer kann man ihm eine Menge unnötigen Ärger und Mühe ersparen, wenn man ihn von dem, was man selbst weiß, profitieren läßt.
Könnte man zum Beispiel einem Ausländer dabei behilflich sein, Behörden oder Organisationen ausfindig zu machen, die ihm beim Erlernen der Sprache und beim Kennenlernen der anderen Kultur helfen können? Vielleicht kann man eine Immigrantin bei ihren ersten Einkäufen begleiten und ihr helfen, Nahrungsmittel und Haushaltsartikel zu finden. Und wie sieht es mit all den oftmals komplizierten Formalitäten aus, mit denen sich Immigrantenfamilien herumschlagen müssen, wie z. B. in Verbindung mit der Aufenthaltsgenehmigung, der Arbeitssuche und Steuererklärungen? Könnten wir hierbei unseren Rat anbieten? (Siehe Fußnote im Kasten.)
Jemand, auf den man sich stützen kann
Es ist immer gut, sich zu fragen: „Wie würde ich in einem anderen Land behandelt werden wollen?“ Die berühmte Goldene Regel, die Jesus aufstellte, lautet: „Alles ..., was ihr wollt, daß euch die Menschen tun, sollt auch ihr ihnen ebenso tun“ (Matthäus 7:12). Viele Ausländer wären sehr dankbar, wenn sie sich mit jemandem anfreunden könnten, auf den sie sich stützen können, während sie die nervenaufreibende Erfahrung der Anpassung und Eingliederung durchmachen. Eine solche Gastfreundschaft auf seiten der Einheimischen ist für beide Seiten von Nutzen. Ein anderer biblischer Grundsatz lautet: „Beglückender ist Geben als Empfangen“ (Apostelgeschichte 20:35).
Das Beste, was man als Zeuge Jehovas einem Ausländer geben kann, ist die Aussicht, einmal in einer brüderlich geeinten Welt zu leben. Mit ziemlicher Sicherheit kann man dem Ausländer ermunternden Lesestoff in seiner Sprache besorgen.
Natürlich liegt die Verantwortung für eine erfolgreiche Einwanderung in erster Linie bei dem Ausländer. Doch wenn man etwas mitdenkt, kann man viel dazu beitragen, daß er sich zu Hause fühlt und daß so das Erlebnis der Auswanderung für ihn weniger traumatisch, sondern sogar befriedigend ist.
[Herausgestellter Text auf Seite 11]
„Wir gehen davon aus, daß Menschen aus anderen Kulturkreisen ... genauso wie wir sehen, fühlen und denken. ... Viele Mißverständnisse beruhen auf unserer Annahme, unsere Reaktionen seien universell“ (Cross-Cultural Learning & Self-Growth).
[Herausgestellter Text auf Seite 12]
Ein Student, nachdem er einige Zeit auf Guam zugebracht hatte: „Ich bin toleranter geworden gegenüber neuen oder anderen Möglichkeiten, wie man etwas tun kann“ (Cross-Cultural Learning & Self-Growth).
[Kasten auf Seite 12]
Man kann einem Ausländer helfen, ...
▶ sich einzuleben, indem man ein gastfreundlicher Nachbar ist.
▶ mit den Behörden zurechtzukommen, wenn es um die Aufenthaltsgenehmigung geht.a
▶ Steuererklärungen auszufüllen.b
▶ Verbindung zu Organisationen zu bekommen, die Unterricht in der Sprache und der Kultur des Landes geben.
▶ Unterkunft zu finden.
▶ medizinische und soziale Einrichtungen zu nutzen.
▶ die Kinder in einer Schule unterzubringen.
▶ benötigte Waren zu vernünftigen Preisen einzukaufen.
▶ Arbeit zu finden.
[Fußnoten]
a In einigen Ländern, wie z. B. in Deutschland, gibt es genaue gesetzliche Vorschriften darüber, wer anderen Rat in Rechts- oder Steuerfragen geben darf und in welchem Rahmen Einwanderungswilligen geholfen werden kann. Mit diesen Vorschriften sollte man sich vertraut machen, bevor man Ausländern anbietet, ihnen in irgendeiner Weise in Verbindung mit ihrem rechtlichen Status zu helfen.
b In einigen Ländern, wie z. B. in Deutschland, gibt es genaue gesetzliche Vorschriften darüber, wer anderen Rat in Rechts- oder Steuerfragen geben darf und in welchem Rahmen Einwanderungswilligen geholfen werden kann. Mit diesen Vorschriften sollte man sich vertraut machen, bevor man Ausländern anbietet, ihnen in irgendeiner Weise in Verbindung mit ihrem rechtlichen Status zu helfen.