Wenn ich abnehmen konnte, kann das jeder
IST uns die Badezimmerwaage ein Greuel? Ich jedenfalls haßte sie. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich angewidert mit ansehen mußte, wie der Zeiger eine neue Höchstmarke erreichte — fast 110 Kilo. Ich dachte bei mir: „Ich wiege mehr als der Boxweltmeister im Schwergewicht und mehr als eine ganze Anzahl Footballprofis. Das ist schlimmer als nur lächerlich. Das wird gefährlich!“
Wer kennt nicht Personen wie mich: männliche Büroangestellte im mittleren Alter, die in ihrer Jugend sportlich aktiv waren, jetzt aber zwischen ausgedehnter Zeitungslektüre kaum noch zu körperlicher Bewegung kommen? Der Blutdruck an der Obergrenze, der Cholesterinspiegel „ein bißchen“ hoch, 20 Kilo Übergewicht und immer noch in dem Glauben, das Problem sei ja gar nicht so schwerwiegend.
Doch das Problem ist wirklich schwerwiegend! Jeden Tag sterben Menschen wie ich an einem Herzinfarkt — und es sind viele, die einen Herzinfarkt bekommen. Ich könnte Statistiken über die Gefahren jedes zusätzlichen Pfundes anführen, aber das Problem sind nicht die Statistiken. Das Problem sind, unverblümt gesagt, Witwen und Waisen. Das Problem sind Kinder — wie meine beiden kleinen Mädchen —, die ohne ihren Vati aufwachsen müssen.
Darüber sollten die Vatis einmal nachdenken!
Als ich mich dazu durchgerungen hatte abzunehmen, fielen mir die hervorragenden Informationen im Erwachet! vom 22. Mai 1989 in der Serie „Ist der Kampf gegen die Pfunde vergebens?“ ein, und zwar insbesondere die „Vier Wege zum Sieg“ in der Schlacht gegen die Fettpolster. Die vier Wege sind: 1. die richtige Nahrung, 2. zur richtigen Zeit, 3. in der richtigen Menge, 4. mit dem richtigen Training.
Diese Richtlinien funktionieren. Ich habe so 60 Pfund verloren, und jeder kann auf diese Weise abnehmen. Dabei habe ich einiges gelernt, was vielleicht auch anderen hilft.
Abnehmen beginnt zwischen den Ohren
Die meisten von uns Übergewichtigen haben langsam Jahr um Jahr einige Pfunde zugelegt. Oft fängt das an, wenn man in den Dreißigern ist. Von Zeit zu Zeit machen wir eine Diät und verlieren einige Pfunde, nur um sie mit Zins und Zinseszins wiederzubekommen. Mir ging es ebenso, und es führte bei mir zu einer Art erlernter Hilflosigkeit — dem Gefühl: Nichts funktioniert, warum es daher versuchen?
Um diesen Kreis der erlernten Hilflosigkeit zu durchbrechen, muß man die Diät nicht an der Taille, sondern zwischen den Ohren beginnen, das heißt, man muß seine Einstellung zum Essen ändern. Das erfordert möglicherweise schonungslose Ehrlichkeit mit sich selbst, aber ohne sie ist die Diät wahrscheinlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Mir wurden die Augen geöffnet, als ich eine Woche lang genau festhielt, was ich aß und trank. Ich aß zwar nur leichte Mahlzeiten, doch das ständige Knabbern und Naschen am Abend machte alles wieder zunichte, was ich durch Selbstbeherrschung tagsüber erreicht hatte. Als ich die Kalorien von Käse, Nüssen, Erdnußbutter und Keksen, die ich nach dem Abendbrot verkonsumierte, zusammenzählte, war ich ganz baff. Schlimmer noch, diese Knabbereien enthielten unheimlich viel Fett und Zucker. Bei mir würde keine Diät funktionieren, solange nicht die abendliche Knabberei aufhörte. Klingt das vertraut?
Die nächste schmerzhafte Erkenntnis war, daß ich wohl nicht abnehmen und dann das Gewicht halten würde, wenn ich nicht alle alkoholischen Getränke von meinem Speiseplan absetzte. Alkohol hat nicht nur die Eigenschaft, sehr kalorienreich zu sein und leicht in Fett umgewandelt zu werden: Ein Glas Wein am Abend reicht auch aus, um meine Selbstbeherrschung und meine Entschlossenheit, nichts mehr zu essen, herabzusetzen. Ein Glas Wein ist nicht nur einfach ein Glas Wein. Für mich ist es gleichbedeutend mit sechs Keksen und einer Schüssel Nüsse. Kräutertees sind da, wie ich herausgefunden habe, ein exzellenter Ersatz. Selbst jetzt, nachdem ich mein Wunschgewicht erreicht habe, trinke ich weniger Alkohol als zuvor.
Die ehrliche Selbsteinschätzung überzeugte mich vom Wert zweier Richtlinien für die Zeit des Abnehmens:
1. keine Knabbereien am Abend,
2. keine alkoholischen Getränke.
Die Diätfeinde kennen
Man sagt, der Appetit komme beim Essen. Und für viele von uns ist das wirklich so. Wir setzen uns vielleicht ohne großen Hunger an den Tisch, auf dem unser Lieblingsgericht steht, sobald wir jedoch mit dem Essen anfangen, schnappt in uns etwas aus, und plötzlich haben wir einen Heißhunger. Nun stopfen wir uns voll, bis alles aufgegessen ist oder unser gequälter Magen nach dem dritten Nachschlag um Gnade winselt. Was ist passiert?
In meinem Fall war Brot das Problem, besonders das selbstgebackene. Meine geduldige Frau, die köstliches Brot backt, mußte das Backen für einige Zeit einstellen. Irgendwo hat auch die größte Standhaftigkeit ihre Grenzen! Andere mögen Probleme mit Schokolade oder mit etwas anderem haben. Wichtig ist, seinen Feind zu kennen. Man sollte alles auflisten, was einen beim Essen hungrig macht, und diese Dinge dann meiden. Es gibt so viel anderes. Ich fand heraus, daß Salate und gedämpftes Gemüse gut schmecken und mich sättigen, ohne in mir ein Verlangen nach mehr auszulösen.
Über den Berg kommen
Jo-Jo-Diäten — abzunehmen, nur um wieder zuzunehmen — sind etwas für Naive und bereichern nur die Vertreiber von Diäthilfsmitteln, mit denen in den meisten westlichen Industrienationen ein gutes Geschäft zu machen ist. Ich hatte meine eigenen Erfahrungen gesammelt und mir nun fest vorgenommen, es diesmal anders zu machen. Aber wie?
Man braucht sich nicht zu scheuen, andere um Hilfe zu bitten. Zum Beispiel sollte man mit seinem Arzt sprechen. Es wäre auch gut, jemand zu haben, der einen jede Woche lobt und belohnt, während die Pfunde schwinden. Das könnte ein Freund sein, der ebenfalls eine Diät macht, ein Familienmitglied oder Mitarbeiter einer angesehenen Klinik für Gewichtsreduzierung. Zusammenarbeit und Unterstützung helfen einem, über den Berg zu kommen, über den Punkt, an dem die Bemühungen bislang gescheitert sind. Mit der Zeit fühlt man sich besser, und die anderen fangen an, einem wegen des Aussehens Komplimente zu machen. Von nun an arbeiten die psychologischen Faktoren für und nicht mehr gegen einen.
Ein weiterer Schlüssel zur Überwindung des Berges besteht darin, eine vernünftige Diät einzuhalten, bei der man nicht Hunger leiden muß oder das Gefühl hat, es würde einem etwas entgehen. Wie ich feststellte, war der beste Diätrat, den ich bekommen konnte, lediglich eine ausführlichere Version dessen, was in der Erwachet!-Ausgabe vom 22. Mai 1989 über die richtige Ernährung gesagt wird. Meine Diät bestand aus fettarmen Getreideflocken oder einem Diätbrötchen und einer halben Grapefruit zum Frühstück, mittags aus einem reichlichen Salat mit Diätdressing und abends aus gedämpftem Gemüse und magerem Fleisch ohne Brot oder Nachtisch. Mit 1 200 bis 1 500 Kalorien pro Tag ist die Diät streng, aber nicht drakonisch. Ein Apfel ist ein praktischer Imbiß tagsüber, und für den seltenen Fall, daß sich das Hungergefühl nicht unterdrücken läßt, benutze ich immer eine meiner Geheimwaffen, ein wunderbares Erfolgsgeheimnis, das man kennen sollte.
Geheimwaffen
Worin besteht dieses Erfolgsgeheimnis? Es ist etwas, was gut für uns ist, fast sofort sättigt, absolut keine Kalorien enthält und billig ist: Wasser. Es ist erstaunlich, wie sechs bis acht Gläser Wasser am Tag zum Erfolg der Diät beitragen können. Sobald der Körper gelernt hat, daß ein Glas Wasser die entschiedene Antwort auf ein stechendes Gefühl im Magen ist, wird dieses Gefühl verschwinden. Mehr als alles andere hat mir Wasser geholfen, mit meiner lebenslangen Gewohnheit des abendlichen Knabberns zu brechen.
Eine weitere Geheimwaffe für die dauerhafte Gewichtskontrolle besteht in regelmäßiger körperlicher Betätigung. Natürlich hat schon jeder davon gehört, daß Sport beim Abnehmen hilft. Was ist somit das Geheimnis? In diesem Fall besteht es in dem enormen Auftrieb, den man bekommt, wenn man sich besser fühlt und besser aussieht. Diese Belohnung macht den Verzicht auf gewisse Speisen mehr als wett. Es hilft einem, weiterzumachen und noch nicht einmal neidisch zu werden, wenn alle um einen herum Schokoladencreme essen, während man selbst an seinen gefrorenen Weintrauben lutscht.
Diät und Bewegung ergänzen sich perfekt. Abnehmen bedeutet nicht, daß man dabei krank aussehen muß. Regelmäßiger Sport sorgt für eine gesunde Gesichtsfarbe und eine kräftige Muskulatur. Ja, eine verbesserte Muskulatur vermittelte anderen den Eindruck, ich würde schneller abnehmen, als das tatsächlich der Fall war. Für mich erwies sich eine Kombination von Gemeinschaftssportarten wie Tennis und Einzelsportarten, denen ich jederzeit allein nachgehen konnte, wie zum Beispiel Gewichtheben, als das beste. So, wie die körperliche Betätigung die Diät wirkungsvoller erscheinen ließ, so schien auch die Diät das Fitneßtraining effektiver zu machen, indem sie Muskeln zum Vorschein kommen ließ, die zehn Jahre lang unter dem Speck verborgen waren. Als sich mein Gewicht von 110 auf 80 Kilo reduziert hatte, freute ich mich schon darauf, mein Übungsprogramm mit einigen kräftig gebauten Jugendlichen aus der Umgebung zu absolvieren, um zu sehen, ob sie mithalten konnten.
Wer wie ich lange Zeit übergewichtig gewesen ist, hat sich vielleicht auch daran gewöhnt, sich jeden Morgen schon beim Aufstehen beladen und ausgebrannt zu fühlen, sich dann den ganzen Tag herumzuschleppen und schließlich abends im Lehnstuhl einzuschlafen. 50 oder 60 Pfund zusätzlich mit sich herumzuschleppen ist so, als würde man an eine Eisenkugel gekettet durchs Leben gehen. Ich konnte mich buchstäblich nicht mehr daran erinnern, wie es ist, wenn man morgens voller Tatendrang aus dem Bett springt und den ganzen Tag voller Energie ist. Jetzt weiß ich es wieder.
Der Krieg, der nie endet
Das Zielgewicht zu erreichen gleicht dem Sieg in einer länger andauernden Schlacht. Doch wenn auch die erste Schlacht gewonnen sein mag, so hat der wirkliche Krieg gerade erst begonnen. Wir, die wir in den mittleren Jahren sind und einer sitzenden Tätigkeit nachgehen, werden immer aufpassen müssen, was wir essen, wenn wir nicht die Pfunde wieder zulegen wollen, die wir uns so mühsam heruntergearbeitet haben. Der Trick dabei ist, die Diät als ein lebenslanges Projekt zu betrachten. Sie wird vielleicht vom Abnehmen auf das Halten des Gewichts umgestellt, aber sie hört nie wirklich auf. Wenn man zu seinen alten Eßgewohnheiten zurückkehrt, kommen auch die Pfunde wieder.
Warum nicht das Erreichen des Zielgewichts dadurch feiern, daß man sich einige neue Kleidungsstücke zulegt? Dann könnte man daran denken, die alten Kleidungsstücke loszuwerden. Hebt man diese alten, ausgebeulten Sachen für alle Fälle auf, plant man quasi schon das Versagen ein. Trägt man hingegen Kleidungsstücke, die nicht allzu weit sind, dann machen sie einen gegebenenfalls sofort auf die Rückkehr unerwünschter Zentimeter aufmerksam. Wenn auch die Diät zum Halten des Gewichts abwechslungsreicher sein wird als beim Abnehmen, so sollte man doch auf jeden Fall weiterhin zucker- und fettreiche Lebensmittel meiden. Auch die regelmäßige sportliche Betätigung sollte man nicht aufgeben. Das ist ein Schlüssel zum Wohlfühlen. (Eingesandt.)