Käufer, aufgepaßt! Fälschungen können das Leben kosten
DIE unerfahrenen und ahnungslosen Opfer können leicht getäuscht werden. Die teuer aussehende Uhr, die der Straßenhändler weit unter dem Normalpreis anbietet — ist sie echt oder gefälscht? Kaufen wir sie? In einer Seitenstraße bietet uns jemand aus dem Fenster eines Autos heraus einen edlen Pelzmantel an, und er behauptet, es sei ein Nerz. Werden der Reiz des Mantels und der günstige Preis unsere Urteilskraft schwächen? Der Diamantring am Finger der erst vor kurzem geschiedenen Frau, die jetzt arm und obdachlos ist und in einer New Yorker U-Bahn-Station auf den Zug wartet — für einen Spottpreis ist er unser. Sollen wir ein so sensationelles Angebot etwa ausschlagen? Da diese Fragen in einem Artikel gestellt werden, in dem es um Fälschungen geht, und auch unter Berücksichtigung der geschilderten Umstände werden wir wahrscheinlich entschieden „NIEMALS!“ antworten.
Gut, wechseln wir nun Ort und Umstände des Geschehens, und sehen wir, wie unsere Antwort jetzt lautet. Wie sieht es mit der begehrten, normalerweise teuren Designerhandtasche aus, die in einem Discountgeschäft zu einem attraktiven Preis angeboten wird? Oder was ist zu dem Whisky einer bekannten Marke zu sagen, den das Spirituosengeschäft an der Straßenecke anbietet? In diesen Fällen hätten wir bestimmt weniger Bedenken, genauso wie bei einem verbilligten Film mit einem bekannten Markennamen aus einem Fotogeschäft. Dieses Mal wird uns die Uhr, die normalerweise einige Tausender kostet, nicht von einem Straßenhändler angeboten, sondern in einem renommierten Geschäft, und das zu einem drastisch reduzierten Preis. Würden wir sie kaufen, wenn wir auf der Suche nach einer teuren Uhr wären? Nicht zu vergessen die Markenschuhe, die in einem bestimmten Geschäft zu Schleuderpreisen verkauft werden, wie uns Freunde erzählt haben. Sind wir sicher, daß es nicht minderwertige Falsifikate sind?
In der Welt der Kunst werden in modernen Gemäldegalerien oftmals Versteigerungen für die Sammler teurer Kunstwerke veranstaltet. „Seien Sie auf der Hut!“ warnte ein Experte. „Kunstkenner mit jahrelanger Erfahrung sind schon hereingefallen, auch Kunsthändler und Museumsdirektoren.“ Sind wir so erfahren, daß wir uns mit Fälschern messen könnten? Aufgepaßt! Jedes der aufgeführten Produkte könnte eine Fälschung sein. Das ist oft der Fall. Wenn es irgend etwas Wertvolles nur selten gibt, wird irgend jemand irgendwo versuchen, es zu fälschen — denken wir daran.
Die Markenpiraterie ist eine 200-Milliarden-Dollar-Branche internationalen Ausmaßes, die „schneller wächst als viele der Industriezweige, auf die sie es abgesehen hat“, schrieb die Zeitschrift Forbes. Weltweit gehen amerikanischen Automobilherstellern und -händlern auf Grund von gefälschten Autoersatzteilen jährlich 12 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren. „Nach Aussage der US-Automobilindustrie könnten weitere 210 000 Arbeiter eingestellt werden, wenn es gelänge, die Lieferanten der gefälschten Teile auszuschalten“ war in der Zeitschrift zu lesen. Wie es heißt, befindet sich etwa die Hälfte der Fälscherfabriken außerhalb der Vereinigten Staaten — sie sind praktisch überall zu finden.
Fälschungen mit tödlichen Folgen
Einige gefälschte Produkte sind alles andere als ungefährlich. Von den Schrauben, Muttern und Bolzen, mit denen in den Vereinigten Staaten ein Umsatz von 6 Milliarden Dollar gemacht wird, werden 87 Prozent importiert. Wie die bis jetzt vorliegenden Beweise jedoch erkennen lassen, tragen 62 Prozent all dieser Befestigungsmittel gefälschte Markennamen oder ein falsches Gütezeichen. In einem Bericht des General Accounting Office (GAO) von 1990 hieß es, daß in mindestens 72 amerikanischen „Atomkraftwerken unvorschriftsmäßige Befestigungsmittel verwandt worden waren, manche in Systemen, die im Fall eines Atomunfalls zur Abschaltung des Reaktors dienen. Das Problem verschlimmere sich, ließ die GAO verlauten. ... Die Schwere des Problems, die Kosten für den Steuerzahler sowie die potentiellen Gefahren, die von der Verwendung solch ... [minderwertiger] Produkte ausgehen, sind unbekannt“, berichtete die Zeitschrift Forbes.
Gefälschte Stahlbolzen, deren Stärke für den vorgesehenen Verwendungszweck unzureichend ist, sind von skrupellosen Bauunternehmern in die Vereinigten Staaten geschmuggelt worden. „Sie könnten die Sicherheit von Bürogebäuden, Kraftwerken, Brücken und von militärischer Ausrüstung gefährden“, schrieb die Zeitschrift American Way.
Nachgemachte Bremsbeläge galten als Ursache für einen Busunfall, der sich vor mehreren Jahren in Kanada ereignete und bei dem 15 Menschen ums Leben kamen. So unwahrscheinlich es auch klingt, doch selbst in Militärhubschraubern und amerikanischen Raumfähren sollen gefälschte Teile entdeckt worden sein. „Wenn es um eine unechte Cartier oder Rolex geht, ist der Durchschnittsverbraucher noch gelassen, aber wenn Sicherheit und Gesundheit gefährdet sind, sieht die Sache schon anders aus“, sagte ein bekannter Fälschungsermittler.
Auf der Liste der potentiell gefährlichen Fälschungen stehen unter anderem Herzschrittmacher, die an 266 amerikanische Krankenhäuser verkauft wurden; nachgemachte Antibabypillen, die 1984 auf dem amerikanischen Markt auftauchten; Fungizide, die hauptsächlich aus Kalk bestanden und 1979 die Kaffee-Ernte in Kenia ruinierten. Imitierte Pharmazeutika, die möglicherweise das Leben der Konsumenten gefährden, sind weit verbreitet. Die Zahl der auf gefälschte Arzneimittel zurückzuführenden Todesfälle könnte, weltweit gesehen, schwindelerregend sein.
Wachsende Besorgnis besteht auch über Fälschungen kleiner elektrischer Haushaltsgeräte. „Einige dieser Produkte tragen unrechtmäßigerweise bestimmte Markennamen oder Prüfzeichen, zum Beispiel des Underwriters Laboratory [ein Warentestinstitut]“, berichtete die Zeitschrift American Way. „Die Geräte wurden jedoch nicht nach den gleichen Sicherheitsnormen hergestellt, demzufolge explodieren sie, verursachen Wohnungsbrände oder stellen eine Gefahr für die gesamte Elektroinstallation dar“, sagte ein Sicherheitsingenieur.
Luftfahrtgesellschaften in den Vereinigten Staaten und in Europa sind ebenfalls alarmiert. In Deutschland haben Fluglinien in ihren Lagerbeständen gefälschte Motor- und Bremszubehörteile entdeckt. Untersuchungen werden „in Europa, in Kanada und im Vereinigten Königreich durchgeführt, wo nicht zugelassene Teile (Heckrotorwellenmuttern) mit einem Hubschrauberabsturz in Zusammenhang gebracht wurden, der sich kürzlich ereignete und bei dem Menschen ums Leben kamen“, sagten Verkehrsexperten. „Ermittler haben eine ganze Reihe gefälschter Bauteile von Düsentriebwerken sichergestellt, gefälschte Bremszubehörteile, Bolzen und andere Befestigungselemente von minderwertiger Qualität, unbrauchbare Teile von Kraftstoffanlagen und defekte Steuerungsteile sowie nicht zugelassene Cockpitinstrumente und Bordcomputerteile, die für die Flugsicherheit wichtig sind“, hieß es in Flight Safety Digest.
Im Jahre 1989 stürzte ein Charterflugzeug, das auf dem Weg von Norwegen nach Deutschland war, aus einer Reiseflughöhe von 6 600 Metern jäh ab. Das Heck war abgerissen, wodurch das Flugzeug mit einer solchen Wucht in die Tiefe gerissen wurde, daß beide Tragflächen abbrachen. Alle 55 Passagiere kamen ums Leben. Nach einer drei Jahre dauernden Untersuchung fanden norwegische Luftfahrtexperten heraus, daß der Absturz auf fehlerhafte Bolzen, Verschlußbolzen genannt, zurückzuführen war, die das Heck mit dem Flugzeugrumpf verbunden hatten. Ermüdungstests ergaben, daß die Bolzen aus einem Metall gefertigt waren, das viel zu weich war, um den Flatterschwingungen standzuhalten. Die fehlerhaften Verschlußbolzen waren eine Fälschung — dieses Wort ist jedem Flugsicherungsspezialisten nur allzu vertraut, denn Fälschungen sind ein wachsendes Problem, das eine Gefahr für das Leben von Flugpersonal und Passagieren darstellt.
In einem Interview des staatlichen Fernsehens sagte die Generalinspekteurin des amerikanischen Verkehrsministeriums: „Jede Fluggesellschaft hat gefälschte Teile erhalten. Aber auch jede. Und jede hat damit Probleme.“ Wie sie hinzufügte, habe die Flugzeugindustrie zugegeben, daß sie wahrscheinlich unbrauchbare Lagerbestände im Wert von schätzungsweise 2 bis 3 Milliarden Dollar habe.
In demselben Interview kam ein Flugsicherungsberater zu Wort, der das FBI bei verschiedenen Geheimoperationen in Verbindung mit gefälschten Bauteilen beraten hat; er wies warnend darauf hin, daß gefälschte Teile eine echte Gefahr sind. „Meiner Ansicht nach ist mit Sicherheit auf Grund dessen in der nächsten Zeit mit einer großen Flugzeugkatastrophe zu rechnen“, sagte er.
Der Tag ist nahe, wo mit denjenigen abgerechnet werden wird, deren Habgier dazu führt, daß sie ihre eigenen selbstsüchtigen Wünsche höher bewerten als das Leben anderer. Gottes inspiriertes Wort sagt ausdrücklich, daß Habgierige Gottes Königreich nicht erben werden (1. Korinther 6:9, 10).
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Kleidung, Schmuck, Gemälde, Pharmazeutika, Flugzeugbauteile — alles Wertvolle wird gefälscht und dann daraus Kapital geschlagen
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Minderwertige Bolzen, gefälschte Motorteile, Cockpitinstrumente und Computerteile sowie andere gefälschte Teile führen zu tödlichen Abstürzen