Maniokblätter — Die tägliche Kost von Millionen Menschen
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN DER ZENTRALAFRIKANISCHEN REPUBLIK
ALLES begann um das Jahr 1600, als die Portugiesen Cassava oder Maniok von Südamerika nach Afrika brachten. Man nimmt an, daß der Maniokstrauch in Brasilien beheimatet ist, denn das Wort Maniok stammt aus dem Wortschatz der Tupí, der im brasilianischen Amazonasbecken lebenden Indianerstämme.
Die Maniokwurzeln werden von Afrikanern überaus geschätzt, doch wie steht es mit den dunkelgrünen Blättern? Manche verwenden sie als Heilmittel bei offenen Wunden oder gegen Windpocken. Für Millionen von Menschen in der Zentralafrikanischen Republik und in verschiedenen anderen afrikanischen Ländern stellen die Blätter allerdings die tägliche Kost dar, denn aus ihnen läßt sich eine köstliche Mahlzeit zaubern. Tatsächlich ist eins der ersten Wörter, die ein neuer Missionar der Watch Tower Society hier lernt, das Wort ngunza. Hierbei handelt es sich um das leckere Nationalgericht in der Zentralafrikanischen Republik, das aus Maniokblättern zubereitet wird — ein Gericht, das ein Besucher in Zentralafrika unbedingt probieren sollte.
Die meisten Europäer, die in Afrika leben, werden ein Gericht aus diesen Blättern niemals anrühren, weil sie meinen, es sei nur etwas für Einheimische, nicht für Ausländer. Doch was zeigen die Fakten? In Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik, Sierra Leone und Zaire sind diese Blätter für viele Familien ein tägliches Grundnahrungsmittel.
Wenn man über die Zentralafrikanische Republik fliegt oder sie durchreist, sieht man ein herrlich grünes Land — Bäume, Sträucher, Weiden und, darin eingebettet, immer wieder kleine Felder mit Manioksträuchern, die so charakteristische dunkelgrüne Blätter haben. Jedes kleine Dorf ist von Maniokfeldern umgeben. Man pflanzt Maniok unmittelbar neben dem Haus an, und selbst in der Hauptstadt Bangui sieht man auch auf dem kleinsten Grundstück oder auf einem noch so schmalen Streifen Land neben einer Villa oder unweit der Hauptstraße Manioksträucher. In diesem Erdteil ist Maniok ohne Frage ein wichtiges Nahrungsmittel.
Eine kleine Kostprobe gefällig?
Wenn neue Missionare eintreffen, werden sie bald von ihren Freunden eingeladen, ngunza zu kosten — das berühmte Gericht aus Maniokblättern. Die einheimischen Frauen wissen, wie man es schmackhaft zubereitet. Jede Frau scheint ihr eigenes Rezept zu haben. Eins der ersten Dinge, die ein kleines Mädchen in Verbindung mit der Kochkunst von seiner Mutter lernt, ist die Zubereitung von ngunza.
Es erfüllt die Frauen mit Stolz, zu erklären, was ngunza ist und wie man es zubereitet. Sie freuen sich, wenn man sich für dieses einheimische Gericht interessiert. Zuallererst werden sie einem erklären, daß Maniokblätter preiswert und in großen Mengen vorhanden sind und daß man sie sowohl in der Regenzeit als auch in der Trockenzeit ernten kann. In Zeiten wirtschaftlicher Not und Inflation spielen Maniokblätter eine wichtige Rolle bei der Ernährung der Familie. Dabei darf man nicht vergessen, daß afrikanische Familien oftmals Großfamilien sind. Es gilt, viele hungrige Mäuler zu stopfen und viele leere Mägen zu füllen. Die Zubereitung von ngunza erfordert etliche Stunden. Bevor die Blätter verzehrt werden können, müssen sie erst ihren bitteren Geschmack verlieren. Durch die traditionelle Zubereitung, bei der die Blätter zerstoßen und lange gekocht werden, verlieren sie ihre Giftstoffe.
Am liebsten verwenden die afrikanischen Frauen Palmöl bei der Zubereitung von ngunza. Das dort hergestellte dunkelrote Öl ist ein Muß. Zusammen mit etwas Erdnußbutter und vielleicht ein paar Zwiebeln und etwas Knoblauch stellt ngunza die tägliche Mahlzeit einer Familie dar. Doch wie sieht es aus, wenn Gäste erwartet werden? Dann muß ngunza etwas Besonderes sein, etwas, woran die Gäste sich noch lange erinnern werden. Daher fügt die Gastgeberin ngunza ihre Lieblingszutaten — geräucherten Fisch oder geräuchertes Rindfleisch — und jede Menge Knoblauch und Zwiebeln sowie viel frische hausgemachte Erdnußbutter bei. Das Ganze kommt in einen großen Topf. Alles übrige erfordert etwas Geduld, da das Gericht eine Zeitlang kochen muß.
Heute wird unsere Gastgeberin ngunza mit Reis servieren. Etwas Reis, dazu ein oder zwei Schöpfkellen heißes ngunza — das mundet Afrikanern und Nichtafrikanern. Noch ein paar Chilies hinzu, und man weiß, wie ngunza schmeckt. Dazu ein Glas Rotwein, und der Geschmack kommt voll zur Geltung.
Wie wär’s mit etwas ngukassa oder kanda?
Wer quer durch das Land reist, wird feststellen, daß ngunza auf verschiedenerlei Weise zubereitet wird. Und was ist ngukassa? An einem kalten regnerischen Tag ist ngukassa — eine Brühe oder eine Art Eintopf, der mit allem gekocht wird, was der Garten oder das Feld hergibt — wahrscheinlich genau das richtige. Palmöl, Kochbananen, Erdnüsse, Süßkartoffeln, Mais und natürlich einige Maniokblätter werden zusammen gekocht, ohne daß auch nur ein Körnchen Salz hinzugefügt wird. Das ist das Geheimnis! Das Ergebnis ist eine köstliche, nahrhafte Mahlzeit. Und falls jemand lange unterwegs ist, kann er sich etwas kanda als Wegzehrung mitnehmen. Es wird aus Maniokblättern hergestellt, die zusammen mit geräuchertem Fisch oder Fleisch zerstoßen werden. Diese Mischung wird dann in Maniokblätter gewickelt, und das Ganze wird über einem Feuer mehrere Stunden lang geräuchert, bis es hart und trocken ist. kanda hält tagelang frisch und paßt gut zu Brot. Für Reisende ist es die ideale Mahlzeit.
Falls wir einmal nach Afrika kommen, wie wär’s, wenn wir uns dann ein Maniokgericht wünschten? Ein Versuch lohnt sich! Danach werden wir sicherlich ebenfalls zu den Millionen von Maniokliebhabern gehören.