Die falsche Religion „reitet“ ihrer Vernichtung entgegen
UM HERAUSZUFINDEN, ob die Tage der Religionen gezählt sind, wollen wir eine der dramatischsten biblischen Prophezeiungen untersuchen. Sie handelt von einer geheimnisvollen sinnbildlichen Frau, die in der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel, beschrieben wird.
Stellen wir uns im Geist eine Frau vor, die als Königin über die Nationen herrscht und während der gesamten Geschichte das Leben von Milliarden Menschen beeinflußt hat — eine wohlhabende Frau, die in Purpur und Scharlach gehüllt und mit Gold, Edelsteinen und Perlen geschmückt ist. Auf ihrer Stirn steht ein langer Name geschrieben, ein Geheimnis: „Babylon die Große, die Mutter der Huren und der abscheulichen Dinge der Erde.“ Sie ist unverkennbar von ihrem anrüchigen promiskuitiven Lebensstil gezeichnet, denn sie hat mit den Herrschern der Welt „Hurerei“ begangen. Ihre Sünden haben sich bis zum Himmel aufgehäuft. Sie reitet auf einem furchterregenden siebenköpfigen scharlachfarbenen wilden Tier, das zehn Hörner hat (Offenbarung 17:1-6; 18:5).
Dieses Bild vermittelt uns eine Vorstellung von der Hauptfigur des prophetischen Dramas, das Johannes, ein Apostel Jesu, in einer Vision sah, die ihm von einem Engel übermittelt wurde. Johannes beschreibt dieses Drama mit anschaulichen Worten, die wir in Offenbarung, Kapitel 17 und 18 lesen können. Wir laden unsere Leser ein, diese Kapitel in ihrer eigenen Bibel nachzulesen und die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse mitzuverfolgen — angefangen von der Enthüllung der Identität dieser mysteriösen Frau bis hin zu ihrem verhängnisvollen Ende.
Die Identifizierung der Hure
Das, worauf die Königin und Hure sinnbildlich sitzt, liefert einen zweifachen Anhaltspunkt für die Identität der Hure. In Offenbarung 17:18 wird sie als „die große Stadt, die ein Königtum hat über die Könige der Erde“, beschrieben. Deshalb kann sie auf „vielen Wassern“ sitzen, die gemäß Offenbarung 17:1, 15 „Völker und Volksmengen und Nationen und Zungen“ bedeuten. Nach Vers 3 desselben Kapitels sitzt sie auch auf einem siebenköpfigen wilden Tier — in der Bibel sind Tiere häufig ein Sinnbild für politische Mächte oder Organisationen der Welt.
Das deutet darauf hin, daß die Hure, Babylon die Große, ein Symbol für ein übergeordnetes Reich ist, das andere Mächte und deren Untertanen beherrscht. Dabei kann es sich nur um das Reich der falschen Religionen der Welt handeln.
Die Einflußnahme geistlicher Führer auf die Politik ist uns aus der Geschichte hinlänglich bekannt. In der World Book Encyclopedia heißt es: „Nach dem Untergang des Weströmischen Reichs [im 5. Jahrhundert] hatte der Papst mehr Macht als irgend jemand anders in Europa. ... Der Papst übte sowohl politische als auch geistliche Macht aus. Im Jahr 800 krönte Papst Leo III. den fränkischen Herrscher Karl den Großen zum römischen Kaiser. ... Leo III. hatte das Recht der Päpste eingeführt, die Machtstellung des Kaisers für rechtmäßig zu erklären.“
Der Einfluß, den die katholische Kirche und ihre „Fürsten“ auf Staatsmänner ausübten, wird auch an dem Beispiel von Kardinal Thomas Wolsey (1475 [?] bis 1530) deutlich. Von ihm heißt es, er sei „über viele Jahre hinweg der mächtigste Mann in England“ gewesen. Unter der Herrschaft von König Heinrich VIII. wurde er „bald die dominierende Figur in allen Staatsangelegenheiten. ... Er lebte in königlichem Prunk und schwelgte in seiner Macht.“ In der Enzyklopädie wird weiter gesagt: „Kardinal Wolsey setzte seine vorzüglichen Fähigkeiten als Staatsmann und Organisator hauptsächlich für die Außenpolitik Englands unter Heinrich VIII. ein.“
Ein anderes Paradebeispiel für die Macht der katholischen Kirche in nichtreligiösen Staatsangelegenheiten ist der französische Kardinal Richelieu (1585—1642), der „mehr als 18 Jahre lang ... der eigentliche Herrscher Frankreichs war“. In dem zuvor zitierten Werk kann man lesen: „Er war ungemein ehrgeizig und brannte darauf, ein höheres Amt zu bekleiden.“ 1622 wurde er Kardinal und „übernahm alsbald eine Führungsrolle in der französischen Regierung“. Offenbar war er ein Mann der Tat, denn „bei der Belagerung von La Rochelle führte er die königliche Armee höchstpersönlich an“. In der Abhandlung heißt es weiter: „Richelieus größtes Interesse galt der Außenpolitik.“
Die anhaltende Verbindung zwischen dem Vatikan und politischen Mächten ist daraus ersichtlich, daß in der vatikanischen Zeitung L’Osservatore Romano ständig über die Besuche ausländischer Diplomaten berichtet wird, die dem Papst als Staatsoberhaupt ihr Beglaubigungsschreiben überreichen. Offensichtlich verfügt der Vatikan über ein Netz treu ergebener Katholiken, die den Papst über politische und diplomatische Entwicklungen in der Welt auf dem laufenden halten können.
Viele weitere Beispiele könnten angeführt werden, um zu veranschaulichen, welchen gewaltigen Einfluß geistliche Führer — sowohl innerhalb als auch außerhalb der Christenheit — auf die politischen Angelegenheiten der Welt ausüben. Der Umstand, daß die sinnbildliche Hure auf „vielen Wassern“ sitzt (die „Völker und Volksmengen und Nationen“ darstellen) und das wilde Tier reitet (das die gesamten politischen Mächte versinnbildet), zeigt außerdem an, daß sich ihr Einfluß auf Völker, Nationen und Mächte nicht nur auf politische Herrschaftsgewalt beschränkt, sondern von einer anderen, höherrangigen Natur ist. Wir wollen sehen, worum es sich dabei handelt.
Ein Teil des langen Namens auf ihrer Stirn lautet: „Babylon die Große“. Hiermit wird auf das alte Babylon angespielt, das vor rund 4 000 Jahren von Nimrod gegründet wurde, der sich als ein Mann „im Widerstand gegen Jehova“, den wahren Gott, erwies (1. Mose 10:8-10). Der Name der Hure deutet somit darauf hin, daß sie ein vergrößertes Abbild des alten Babylon ist und ähnliche Merkmale aufweist. Welche Merkmale? Das alte Babylon war durchdrungen von mystischer Religion, verderbten Bräuchen, Götzendienst, Magie, Astrologie und Aberglauben — alles Dinge, die in Jehovas Wort verurteilt werden.
Im Theologischen Begriffslexikon zum Neuen Testament ist zu lesen, daß Hammurapi im 18. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung Marduk „zum Stadtgott von B. [Babylon] und zugleich zum Haupt des riesigen sumerisch-akkadischen Pantheons (ca 1300 Götter) erhob, unter dessen Königtum er die Fülle der religiösen Traditionen in ein System brachte ... [In] Gen 11,1-9 wird der Plan des babylonischen Riesentempels als Ausdruck himmelstürmender menschlicher Überheblichkeit gebrandmarkt.“
Babylon war somit die Hochburg der falschen Religion, die sich im Lauf der Zeit über die ganze Erde verbreitete. Babylonische religiöse Praktiken, Lehren, Bräuche und Symbole sind in alle Teile der Erde vorgedrungen und spiegeln sich in dem Mischmasch der vielen Tausende von Religionen wider. Politische Königreiche und Weltreiche sind aufgestiegen und wieder untergegangen, doch die babylonische Religion hat sie alle überlebt.
Inwiefern ist ihre Vernichtung nahe?
Wie schon oft in früheren Ausgaben dieser Zeitschrift erläutert wurde, weisen biblische Prophezeiungen sowie die welterschütternden Ereignisse seit 1914 unverkennbar darauf hin, daß wir heute in der Zeit des „Abschlusses des Systems der Dinge“ leben (Matthäus 24:3). Das bedeutet, daß das Ende des raubtierähnlichen Weltsystems und das Ende des zehnhörnigen ‘scharlachfarbenen wilden Tiers’, auf dem die Hure heute reitet, schnell herannaht (Offenbarung 17:3). Dieses Tier stellt unverkennbar das politische Konglomerat nahezu aller Nationen dar — die Vereinten Nationen. Das vorhergesagte Ende bedeutet die Beseitigung der entzweienden, unchristlichen politischen Herrschaft über die Menschheit. Doch was geschieht mit der Königin und Hure, die auf dem Tier reitet?
Gottes Engel erklärt: „Die zehn Hörner, die du sahst, und das wilde Tier, diese werden die Hure hassen und werden sie verwüsten und nackt machen und werden ihre Fleischteile auffressen und werden sie gänzlich mit Feuer verbrennen. Denn Gott hat es ihnen ins Herz gegeben, seinen Gedanken auszuführen, ja ihren e i n e n Gedanken auszuführen, indem sie ihr Königtum dem wilden Tier geben, bis die Worte Gottes vollbracht sein werden“ (Offenbarung 17:16, 17).
Die Prophezeiung zeigt somit, daß das politische wilde Tier kurz vor seiner Vernichtung seine Reiterin hassen und sich gegen sie wenden wird. Wieso? Machthaber und Regierungen werden die organisierte Religion in ihrem Herrschaftsbereich als eine Bedrohung für ihre Macht und Autorität empfinden. Von einer plötzlichen Kraft getrieben, werden sie Gottes „Gedanken“, seinen Beschluß, ausführen und sein Urteil an dem ehebrecherischen, blutbefleckten Weltreich der falschen Religion vollstrecken.a (Vergleiche Jeremia 7:8-11, 34.)
Das Ende der falschen Religionen wird kommen, während diese noch stark und einflußreich zu sein scheinen. Ja, gemäß der Prophezeiung sagt die Hure noch kurz vor ihrer Vernichtung in ihrem Herzen: „Ich sitze als Königin, und Witwe bin ich nicht, und ich werde niemals Trauer sehen“ (Offenbarung 18:7). Ihre Vernichtung wird die Milliarden Anhänger der falschen Religion überraschen. Sie wird völlig unvermutet kommen und eines der verheerendsten Ereignisse der Geschichte sein.
Seit der Entstehung des alten Babylon haben die falschen Religionen durch ihre geistlichen Führer und ihre Anhänger, durch ihre Lehren, ihre Traditionen, ihre Bräuche, ihre zahlreichen imposanten Kultstätten und ihren unglaublichen Reichtum einen gewaltigen Einfluß auf die Menschen ausgeübt. Zweifelsohne werden sie nun nicht einfach sang- und klanglos verschwinden. Der Engel, der mit der Verkündigung des Gerichtsurteils über die Hure betraut ist, erklärt deshalb unverhohlen: „An e i n e m Tag [werden] ihre Plagen kommen, Tod und Trauer und Hungersnot, und sie wird gänzlich mit Feuer verbrannt werden, denn Jehova Gott, der sie gerichtet hat, ist stark.“ Das Ende von Babylon der Großen wird also wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommen und schnell vorübergehen — wie „an e i n e m Tag“ (Offenbarung 18:8; Jesaja 47:8, 9, 11).
Die scharfen Worte des Engels lassen die Frage aufkommen: Wird überhaupt eine Religion übrigbleiben, und wenn ja, welche, und warum? Was läßt die Prophezeiung erkennen? Darauf wird im nächsten Artikel eingegangen.
[Fußnote]
a Eine ausführliche Abhandlung über diese Prophezeiungen findet man im Kapitel 33 des Buches Die Offenbarung — Ihr großartiger Höhepunkt ist nahe!, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft.
[Kasten auf Seite 6]
Die Blutschuld der Christenheit in Afrika
Aus Offenbarung 18:24 geht hervor, daß in Babylon der Großen das Blut „von all denen gefunden [wurde], die auf der Erde hingeschlachtet worden sind“. Dabei braucht man nur an die Kriege zu denken, die wegen religiöser Unstimmigkeiten geführt und von geistlichen Führern nicht abgewendet wurden. Ein jüngstes Beispiel dafür war der Völkermord in Ruanda, bei dem ungefähr 500 000 Menschen umgebracht wurden — ein Drittel davon waren Kinder.
Der kanadische Autor Hugh McCullum berichtet aus Ruanda: „Ein Hutu-Priester in Kigali [Ruanda] sagte, es sei unerklärlich, wieso die Kirche keine moralische Anleitung gebe. Die Stellung der Bischöfe in der ruandischen Gesellschaft wäre von enormer Bedeutung gewesen. Sie hätten von dem bevorstehenden Unheil gewußt, lange bevor es zu dem Gemetzel gekommen sei. Von den Kanzeln herab hätte man praktisch die ganze Bevölkerung mit einer deutlichen Botschaft erreichen und damit den Völkermord unter Umständen verhindern können. Statt dessen seien die Geistlichen stumm geblieben.“
Nach einem der furchtbarsten Massaker im Jahr 1994 sagte Justin Hakizimana, ein Kirchenältester, auf einer kleinen Zusammenkunft in einer presbyterianischen Kirche in Kigali: „Die Kirche arbeitete Hand in Hand mit der Politik von Habyarimana [dem Präsidenten von Ruanda]. Wir haben das, was geschah, nicht verurteilt, weil wir korrupt waren. Keine unserer Kirchen hat die Massaker verurteilt, insbesondere nicht die katholische Kirche.“
Aaron Mugemera, ein Pfarrer, sagte auf einer anderen Zusammenkunft in Ruanda nach dem Völkermord: „Es ist eine Schande für die Kirche. ... Seit 1959 ist hier immer wieder gemordet worden. Niemand hat diese Morde verurteilt. ... Wir haben unsere Stimme nicht erhoben, weil wir Angst hatten und weil es so bequemer war.“
[Bild auf Seite 7]
Diese „Hure“ hat Einfluß auf die ganze Welt
[Bildnachweis]
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