Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • g97 8. 10. S. 12-15
  • Die Kreuzzüge — Eine „tragische Illusion“

Kein Video für diese Auswahl verfügbar.

Beim Laden des Videos ist ein Fehler aufgetreten.

  • Die Kreuzzüge — Eine „tragische Illusion“
  • Erwachet! 1997
  • Zwischentitel
  • Ähnliches Material
  • Die Ursachen
  • Der Appell von Clermont
  • Die zwei Aufbrüche
  • Eroberung und weitere Gemetzel
  • Das Ende einer Illusion
  • Keine Lehre daraus gezogen
  • Teil 15: 1095—1453 u.Z. — Mit gezücktem Schwert
    Erwachet! 1989
  • Die Rolle der Religion in den Kriegen vergangener Jahrhunderte
    Erwachet! 1972
  • Die Kriegskunst erlernen
    Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1958
  • Die Welt hat immer noch nichts gelernt
    Erwachet! 2002
Hier mehr
Erwachet! 1997
g97 8. 10. S. 12-15

Die Kreuzzüge — Eine „tragische Illusion“

VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN ITALIEN

VOR etwa neunhundert Jahren, im Jahr 1096, brach der erste Kreuzzug auf. Hätten wir damals in Westeuropa gelebt, wären wir unter Umständen Zeuge geworden, wie sich lange Züge von Menschen, Wagen und Pferden sowie Schiffe in Bewegung setzten. Das Ziel war Jerusalem, die Heilige Stadt, die seit dem 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung unter muslimischer Besetzung stand.

Das war der erste Kreuzzug. Viele Historiker sprechen von acht großen Kreuzzügen. Die Teilnehmer der zahlreichen Feldzüge hefteten das Kreuzsymbol auf ihre Kleidung. Die Beziehungen zwischen dem Osten und dem Westen wurden durch diese Feldzüge sehr belastet. Mit den Kreuzzügen gingen Massaker und Greueltaten einher, die im Namen Gottes und Christi verübt wurden. Der letzte große Kreuzzug begann 174 Jahre später, im Jahr 1270.

Die Ursachen

Das erklärte Motiv der Kreuzzüge war es, Jerusalem und das sogenannte Heilige Grab den Muslimen zu entreißen. Aber die wahren Ursachen lagen ganz woanders. Von einigen Ausnahmen abgesehen, war das Verhältnis zwischen den nominellen Christen, die im Nahen Osten lebten, und den Muslimen relativ entspannt gewesen. Das unruhige politische, wirtschaftliche und religiöse Klima in Europa war ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung der Kreuzzüge.

Im 11. Jahrhundert wurden immer mehr Landstriche landwirtschaftlich genutzt, um die Nahrungsmittelproduktion zu steigern. Die Städtebildung erhielt neuen Aufschwung. Die Bevölkerung wuchs stetig. Als aber eine große Anzahl Bauern durch Hungersnot in Armut gestürzt wurden, strömten viele von ihnen in die Städte, wo sie Arbeitslosigkeit und Elend erwartete. Es kam häufig zu Aufständen.

Ganz oben in der sozialen Hierarchie standen die zahlreichen Feudalherren. Diese berufsmäßigen Kriegsherren wollten sich das politische Vakuum zunutze machen, das durch den Zerfall des Kaiserreiches von Karl dem Großen entstanden war, und neue Ländereien erobern.

Auch innerhalb der römischen Kirche brodelte es. Im Jahr 1054 verlor sie die Herrschaft über die Ostkirche. Außerdem wurden viele Geistliche der Unmoral und der Einmischung in die Politik bezichtigt.

Der Appell von Clermont

In einem solchen Klima rief Papst Urban II. zum ersten Kreuzzug auf. Aus seiner Sicht wäre mit einer militärischen Zurückgewinnung Jerusalems und Palästinas mehreren Zwecken gedient gewesen. Die Einheit der Christenheit im Westen wäre gefestigt und das Primat der römischen Kirche untermauert worden. Die beständigen Fehden der gehobenen Stände hätten ein Ventil gefunden. Diese Stände hätten ihr militärisches Können für einen „edlen“ Zweck einbringen und dadurch zum militärischen Standbein der Kirche werden können; als Gegenleistung hätten sie religiöse und vor allem wirtschaftliche Vorteile gehabt.

Am 27. November 1095 hielt Urban auf dem Konzil von Clermont (Frankreich) seine Kreuzzugspredigt. Die Kirche malte ein düsteres Bild von den Feinden, die göttliche Vergeltung verdienen würden. Laut Aussage von Fulcher von Chartres, einem Kirchenmann, der an dem ersten Kreuzzug teilnahm, war der Krieg notwendig, um die „Christen“ im Osten gegen die Muslime zu verteidigen. Sofortige Sündenvergebung wurde denen versprochen, die im Kampf oder unterwegs sterben würden. Die Feudalherren konnten daher ihre brudermörderischen Fehden auf einen „heiligen“ Krieg gegen „Ungläubige“ übertragen. Auf dem Konzil fand ein Ruf Widerhall, der zum Motto des ersten Kreuzzuges werden sollte: „Gott will es!“

Die zwei Aufbrüche

Als das Datum des Aufbruchs, der 15. August 1096, feststand, vergewisserte sich der Papst der Unterstützung des Lehnsadels, der mit den militärischen Operationen betraut wurde. Die Kirche garantierte dem Lehnsadel den Schutz seiner Ländereien für die Dauer des Unterfangens. Die weniger Wohlhabenden wurden gedrängt, das Unternehmen mit Spenden zu unterstützen.

Einige brachen jedoch schon vor dem festgelegten Termin auf. Es handelte sich um eine nicht ausgebildete, undisziplinierte Horde, zu der auch Frauen und Kinder gehörten. Man nannte sie pauperes Christi (die Armen Christi). Ihr Marschziel: Jerusalem. Sie wurden von aufrüttelnden Volkspredigern angeführt, von denen Peter der Eremit vielleicht der berühmteste war; dieser Mönch predigte seit Ende des Jahres 1095 den Volksmassen.

Nach Albert von Aachen, einem Chronisten des Mittelalters, war Peter bereits zuvor nach Jerusalem gereist. Es hieß, er habe eines Nachts eine Vision gehabt, in der Christus ihn ermahnt habe, zum Patriarchen von Jerusalem zu gehen; dieser würde ihm ein Empfehlungsschreiben geben, das er mit in den Westen nehmen solle. Albert von Aachen sagt, daß dieser Traum sich erfüllte und daß Peter sich nach Erhalt des Briefes nach Rom aufmachte, wo er mit dem Papst zusammentraf. In dem Bericht des Albert von Aachen vermischen sich Realität und Phantasie, aber die angeblichen Träume, Visionen und Briefe waren höchst wirkungsvolle Mittel, um die Massen zu mobilisieren.

Am 20. April 1096 verließ die Schar, die sich um Peter den Eremiten gesammelt hatte, Köln. Da sie nicht über die notwendigen Mittel für die Seereise verfügten, mußten die pauperes die lange Reise ins Heilige Land zu Fuß oder in klapprigen Wagen antreten. Sehr schnell wurde ihnen bewußt, daß sie so gut wie keine Nahrungsmittel und Waffen bei sich hatten, und sie begannen, die Bevölkerung auszuplündern, die von diesen undisziplinierten Horden von „Soldaten Christi“ völlig überrumpelt wurde.

Die ersten, über die sie herfielen, waren europäische Juden, die man bezichtigte, korrupten Bischöfen Geld zu leihen. Greueltaten wurden von den Anhängern Peters des Eremiten an den Juden begangen, und zwar an Orten wie Rouen und Köln, dem Ausgangspunkt. Als die Juden in Mainz, gemäß Albert von Aachen, sahen, wie die Christen weder Kinder verschonten noch mit sonst jemand Mitleid hatten, „ergriffen [sie] nun gegen sich selbst und gegen die eigenen Glaubensbrüder die Waffen, gegen die eigenen Kinder und Weiber, Mütter und Schwestern und töteten sich in gegenseitigem Morden. Mütter schnitten, was zu erzählen schon Sünde ist, mit dem Messer ihren saugenden Kindern die Gurgel ab, andere durchbohrten sie. Denn sie wollten alle lieber von eigenen Händen als durch die Waffen der Unbeschnittenen fallen.“

Ähnliche Ereignisse wiederholten sich während der Reise zum Balkan auf dem Weg nach Kleinasien. Als die wilden Horden schließlich Konstantinopel erreicht hatten, forcierte Kaiser Alexios I. die Überfahrt der pauperes nach Kleinasien, damit sich solche Übergriffe ja nicht wiederholten. Dort wurden zahlreiche Frauen und Kinder sowie Kranke und Alte von muslimischen Truppen hingeschlachtet. Nur einige wenige Überlebende konnten sich zurück nach Konstantinopel retten.

Zwischenzeitlich, im Sommer des Jahres 1096, waren ausgebildete Truppen aufgebrochen. An der Spitze standen berühmte Führer jener Tage. Der ungezügelte frühe Aufbruch der pauperes hatte Papst Urban Sorgen bereitet, deshalb veranlaßte er, daß die Bewegung in Richtung Osten in geregelteren Bahnen verlief. Wer aufbrechen wollte, mußte nun nachweisen, daß er über genügend Mittel zum Lebensunterhalt verfügte. Das Ziel war es, die Teilnahme von Frauen, Kindern, Alten und Armen einzuschränken.

Eroberung und weitere Gemetzel

Die Heere, die Ritter und die überlebenden pauperes sammelten sich in Konstantinopel und machten sich von dort aus auf, ihrem Ziel entgegen. Wieder wurden im Namen Gottes Gewalttaten verübt. Der Chronist Peter Tudebod berichtet, daß die Kreuzfahrer bei der Belagerung Antiochias nach dem Niedermetzeln ihrer Feinde „alle Körper in ein Massengrab warfen und die abgeschlagenen Köpfe zu ihren Zelten trugen, um sie zu zählen, mit Ausnahme vierer Pferdeladungen von Köpfen, die sie den Vertretern des Emirs von Babylon an den Strand sandten“.

Am 15. Juli 1099 fiel Jerusalem an die Kreuzfahrer. Raimund von Aguilers berichtet von einem schrecklichen Schauspiel. „Den einen wurden, was leichter war, die Köpfe abgeschlagen, andere wurden mit Pfeilschüssen gezwungen, von den Türmen zu springen. Wieder andere wurden ... verbrannt. Man sah Haufen von Köpfen, Händen und Füßen in den Häusern und Gassen.“ Doch erneut versuchten die Kreuzfahrer, die Gewalttaten im Namen der Religion zu rechtfertigen.

Das Ende einer Illusion

Durch den Sieg kam das lateinische Königreich Jerusalem ins Dasein. Seine Existenz stand auf wackeligen Beinen, denn schon bald rivalisierten die Feudalherren, die sich im Osten etabliert hatten, miteinander. In der Zwischenzeit reorganisierten sich die Muslime militärisch. Gebiete in Palästina zu verlieren war sicher nicht in ihrem Sinn.

Im Lauf der Zeit wurden weitere Kreuzzüge organisiert, der letzte im Jahr 1270. Infolge von Rückschlägen begannen allerdings viele, an der Rechtmäßigkeit solcher Unternehmungen im Namen der Religion zu zweifeln. Wenn Gott diese „heiligen“ Kriege wirklich billigte, so dachten sie, hätte er bestimmt diejenigen begünstigt, die behaupteten, mit seinem Segen zu handeln. Doch seit dem 13. Jahrhundert versuchen Kirchenrechtler, solche Religionskriege und die Rolle, die die Geistlichkeit darin spielte, zu rechtfertigen.

Der Enthusiasmus, mit dem die ersten Kreuzfahrer erfüllt waren, schwand dahin. Eine Fortsetzung der Kriege hätte letztlich vor allem den wirtschaftlichen Interessen des Westens geschadet. Daher wurden die Waffen gegen die inneren Feinde der europäischen Christenheit gerichtet: die Araber in Spanien, die Häretiker und die Heidenvölker im Norden.

Im Jahr 1291 fiel Akko, die letzte Festung der Kreuzfahrer, an die Muslime. Jerusalem und das „Heilige Grab“ blieben in muslimischer Hand. Zwei konfliktreiche Jahrhunderte lang hatten wirtschaftliche und politische Interessen religiöse Fragen beherrscht. Der italienische Historiker Franco Cardini bemerkt dazu: „Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Kreuzzüge immer mehr zu einer verworrenen politischen und wirtschaftlichen Operation entwickelt, zu einem vielschichtigen Machtkampf, an dem Bischöfe, Äbte, Könige, Spendeneintreiber und Bankleute beteiligt waren. In diesem Kampf ... hatte das Grab Jesu völlig an Bedeutung verloren.“ Cardini sagt weiter, die Geschichte der Kreuzzüge sei die Geschichte des größten Fehlers, des verwickeltsten Betruges und der tragischsten und in gewisser Hinsicht lächerlichsten Illusion der gesamten Christenheit.

Keine Lehre daraus gezogen

Die Geschichte der Kreuzzüge und deren Scheitern sollten gelehrt haben, daß Habgier auf wirtschaftlichem Gebiet und das Verlangen nach politischer Vormachtstellung zu Fanatismus und zu Blutbädern führen können. Doch man hat daraus keine Lehre gezogen. Die zahlreichen Konflikte, durch die viele Gebiete der Erde mit Blut besudelt werden, beweisen dies. Religion dient dabei oftmals als Deckmantel für Abscheulichkeiten.

Aber nicht mehr lange. Sehr bald wird es die Geisteshaltung, die hinter den Kreuzzügen steckte und die auch heute noch hinter den „heiligen“ Kriegen steckt, nicht mehr geben, ebenso wie die falsche Religion und das gesamte System, das der Herrschaft Satans untersteht (Psalm 46:8, 9; 1. Johannes 5:19; Offenbarung 18:4, 5, 24).

[Bildnachweis auf Seite 12]

The Complete Encyclopedia of Illustration/J. G. Heck

[Bilder auf Seite 15]

Oben: Der jüdische Friedhof in Worms erinnert an die Massaker des ersten Kreuzzugs

Links: Steinbüste eines Kreuzfahrers

Ganz links: Das Wappen einer angesehenen Kreuzfahrerfamilie

[Bildnachweis]

Wappen und Büste: Israel Antiquities Authority; Fotos: Israel Museum, Jerusalem

    Deutsche Publikationen (1950-2025)
    Abmelden
    Anmelden
    • Deutsch
    • Teilen
    • Einstellungen
    • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
    • Nutzungsbedingungen
    • Datenschutzerklärung
    • Datenschutzeinstellungen
    • JW.ORG
    • Anmelden
    Teilen