Wolken werden angezapft
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN SÜDAMERIKA
FORSCHER, die in Chile arbeiten, haben eine erfolgreiche Verwendung für ein altes arabisches Verfahren gefunden, das aus Nebelwolken Wasser herausstreicht. „Die Olivenbäume in den Wüsten von Oman“, so war in dem Nachrichtenblatt Health InterAmerica zu lesen, „werden seit Jahrhunderten mit Nebelwasser versorgt, das sich an den Blättern sammelt und in kleine Becken tropft, die man am Fuß des Baumes angebracht hat.“ Statt Olivenbäume nahm man große Netze. Man stellte sie in gebirgigen Wüstengegenden auf, die regelmäßig im Nebel liegen; der Nebel wird vom Ozean herangetragen. Die Netze, die wie riesige Volleyballnetze aussehen, fangen die Wassertröpfchen aus dem Nebel. Das Wasser tropft in eine Auffangrinne und gelangt über eine Pipeline in ein Sammelbecken.
Das kleine Dorf Chungungo, das in der Wüste an der chilenischen Nordküste liegt, hat bewiesen, daß diese Methode funktioniert. Wie die vom Kanadischen Internationalen Zentrum für Forschung und Entwicklung herausgegebene Zeitschrift IDRC Reports berichtet, hatten die Bewohner Chungungos vor 14 Jahren keine eigene Trinkwasserquelle. Lkws brachten täglich 5 000 Liter Wasser heran, und jede Familie mußte mit 3 bis 14 Litern am Tag auskommen. Den 75 Nebelfangnetzen, die in den Bergen oberhalb des Dorfes aufgestellt wurden, verdankt es Chungungo, daß heute die erstaunliche Menge von 11 000 Liter Wasser ins Dorf fließen. Jeder Dorfbewohner wird mit 30 Liter Wasser pro Tag versorgt. Der Wolkenforscher Dr. Robert Schemenauer sagt, die Gesundheit der Dorfbewohner habe sich durch das „Wolken-Fangen“ enorm verbessert. „Jeder ißt nun Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten.“
Nebelwasser ist nicht nur gesund, sondern auch relativ preisgünstig. Nach Aussage von Dr. Schemenauer kostet das Aufstellen einer Anlage durchschnittlich 75 000 US-Dollar, verglichen mit Millionen von Dollar, die es kostet, einen Damm zu bauen. Forscher sagen, daß internationale Institutionen bislang eher verhalten auf dieses alternative Verfahren der Wasserversorgung reagieren, obwohl die Methode in vielen weiteren trockenen Regionen der Welt angewendet werden könnte.
[Bilder auf Seite 23]
Links: Netze in den Bergen sammeln Wassertröpfchen aus dem Nebel
Unten: Ein Netz in Großaufnahme
[Bildnachweis]
Fotos: IDRC