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  • Der Mensch auf der Suche nach dem Schicksal
  • Erwachet! 1999
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Erwachet! 1999
g99 8. 8. S. 5-8

Der Mensch auf der Suche nach dem Schicksal

WARUM ist der Schicksalsglaube so weit verbreitet? Seit jeher hat der Mensch versucht, die Geheimnisse des Lebens zu enträtseln und den Sinn dessen zu ergründen, was um ihn herum geschieht. Der Historiker Helmer Ringgren erklärt: „Hier kommen die Kategorien ‚Gott‘, ‚Bestimmung‘ und ‚Zufall‘ ins Spiel, je nachdem, ob die Ereignisse auf eine persönliche Macht, eine unpersönliche Ordnung oder gar keine Ordnung zurückgeführt werden.“ Glaubensansichten, Sagen und Mythen, die von Schicksal und Bestimmung handeln, sind in der Geschichte reichlich belegt.

Der Assyriologe Jean Bottéro sagt: „Wir sind in allen Aspekten unserer Kultur nachhaltig von der mesopotamischen Zivilisation geprägt“ und fügt hinzu, gerade im alten Mesopotamien oder Babylonien finde man „die ältesten erkennbaren Reaktionen und Reflexionen des Menschen in bezug auf das Übernatürliche, die ältesten nachweisbaren religiösen Strukturen“. Dort ist auch der Ursprung des Schicksalsglaubens zu finden.

Die Wurzeln des Schicksalsglaubens im Altertum

In den alten Ruinen von Mesopotamien, dem heutigen Irak, haben Archäologen einige der ältesten dem Menschen bekannten Aufzeichnungen gefunden. Tausende mit Keilschrift beschriebene Tafeln vermitteln uns ein deutliches Bild vom Leben in den alten Zivilisationen von Sumer und Akkad und in der berühmten Stadt Babylon. Gemäß dem Archäologen Samuel N. Kramer bewegte die Sumerer „das Problem des menschlichen Leids, besonders angesichts der ziemlich rätselhaften Ursachen“. Die Suche nach Erklärungen führte sie zu der Vorstellung vom Schicksal.

Die Archäologin Joan Oates schreibt in ihrem Buch Babylon: „Jeder Babylonier hatte seine eigene, persönlich-private Gottheit“. Die Babylonier glaubten, daß die Götter „das Schicksal der Menschheit sowohl im einzelnen als auch im allgemeinen bestimmten“. Wie Kramer sagt, glaubten die Sumerer, „die den Kosmos beherrschenden Götter würden Bosheit, Lüge und Gewalttat als wesentlichen Bestandteil der Zivilisation planen und hervorrufen“. Der Glaube an das Schicksal war weit verbreitet und hoch angesehen.

Die Babylonier hielten es für möglich, die Absichten der Götter durch Wahrsagung in Erfahrung zu bringen — „eine Art Kommunikation mit den Göttern“. Dazu gehörte der Versuch, die Zukunft vorauszusagen, indem wahrgenommene Erscheinungen und Ereignisse beobachtet und entschlüsselt oder gedeutet wurden. Gewöhnlich legte man Träume aus, deutete das Verhalten von Tieren und beschaute Eingeweide. (Vergleiche Hesekiel 21:21; Daniel 2:1-4.) Unerwartete oder ungewöhnliche Erscheinungen, aus denen man die Zukunft zu erfahren glaubte, wurden auf Tontafeln aufgezeichnet.

Nach Aussage von Édouard Dhorme, französischer Gelehrter für Zivilisationen des Altertums, „stößt man schon in der frühesten mesopotamischen Geschichte auf Wahrsager und die Idee der Weissagung“. Wahrsagerei gehörte untrennbar zum Leben der Menschen. Professor Bottéro sagt sogar: „Man hielt alles mögliche für geeignet, daraufhin untersucht zu werden, ob sich eine Weissagung daraus ableiten ließe, galt doch im Grunde das gesamte materielle Universum als lohnenswertes Objekt aufmerksamer Studien, woraus man irgendwie auf die Zukunft schließen könne.“ Deshalb widmeten sich die Mesopotamier eingehend der Astrologie als Mittel, die Zukunft vorauszusagen. (Vergleiche Jesaja 47:13.)

Darüber hinaus gebrauchten die Babylonier Würfel oder Lose zur Weissagung. Deborah Bennett erklärt in ihrem Buch Randomness, damit habe man „die Manipulierbarkeit von menschlicher Seite ausschließen und den Göttern einen eindeutigen Kanal bieten wollen, durch den sie ihren göttlichen Willen mitteilen konnten“. Allerdings galten die Entscheidungen der Götter nicht als unerbittlich. Um ein böses Schicksal abzuwenden, konnten die Götter um Hilfe angerufen werden.

Schicksalsglaube im alten Ägypten

Im 15. Jahrhundert v. u. Z. pflegten Babylonien und Ägypten enge Beziehungen. Der sich daraus ergebende kulturelle Austausch schloß auch die mit dem Schicksalsglauben einhergehenden Religionsbräuche ein. Warum übernahmen die Ägypter den Schicksalsglauben? Nach Auskunft von John R. Baines, Professor für Ägyptologie an der Universität Oxford, erstreckte sich die ägyptische Religion „in weiten Teilen auf das Bemühen, Unvorhersehbares und Unglück zu verstehen und damit umzugehen“.

Unter den vielen ägyptischen Gottheiten galt Isis als „Herrin des Lebens, Gebieterin über Schicksal und Bestimmung“. Die Ägypter betrieben auch Wahrsagerei und Astrologie. (Vergleiche Jesaja 19:3.) Eine Historikerin sagt: „Ihr Einfallsreichtum beim Befragen der Götter kannte keine Grenzen.“ Indes war Ägypten nicht die einzige Zivilisation, die eine Anleihe bei den Babyloniern machte.

Griechenland und Rom

„Das antike Griechenland konnte sich der starken und gleichzeitig weitreichenden Ausstrahlung Babyloniens nicht entziehen“, bemerkt Jean Bottéro mit Bezug auf das Gebiet der Religion. Professor Peter Green erklärt, warum der Schicksalsglaube in Griechenland so populär war: „In einer Welt der Ungewißheit, in der die Menschen immer weniger geneigt waren, für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich zu sein, und sich sogar häufig wie Marionetten vorkamen, den Launen eines ebenso unerforschlichen wie unabwendbaren Schicksals hilflos ausgeliefert, erschienen orakelhafte göttliche Befehle als eine Möglichkeit, herauszufinden, was die Zukunft für den einzelnen bereithielt. Was durch das Schicksal festgelegt war, konnte — besondere Fähigkeiten oder Einblicke vorausgesetzt — vorhergesehen werden. Es war vielleicht nicht unbedingt das, was man gern gehört hätte, aber wer gewarnt ist, ist wenigstens gewappnet.“

Der Schicksalsglaube diente indes nicht nur dazu, den einzelnen mit Blick auf die Zukunft zu beruhigen, sondern konnte auch zu wenig ehrenhaften Zwecken eingesetzt werden. Mit Hilfe der Lehre vom Schicksal ließen sich die Massen in Schach halten, und folglich, so der Historiker F. H. Sandbach, „war der Glaube, die Welt sei gänzlich von der Vorsehung beherrscht, für die herrschende Klasse eines herrschenden Volkes sehr reizvoll“.

Warum? Wie Professor Green erklärt, war diese Lehre „eine automatische — sittliche, theologische, semantische — Rechtfertigung für die festgeschriebene gesellschaftliche und politische Ordnung: das mächtigste und raffinierteste Werkzeug zur Selbsterhaltung, das die herrschende hellenische Klasse je erdacht hat. Allein die Tatsache, daß etwas geschah, bedeutete, daß das Geschehen vorherbestimmt war; und da die Natur dem Menschen wohlwollend gesinnt war, konnte das durch die Vorsehung Bestimmte zu nichts anderem gereichen als zum Guten.“ In Wirklichkeit diente dies zur „Rechtfertigung skrupellosen Eigennutzes“.

Welch hohe Akzeptanz der Schicksalsglaube in Griechenland hatte, wird an der griechischen Literatur deutlich. Zu den Literaturformen des Altertums gehörten das Epos, die Sage und die Tragödie, und darin spielte das Schicksal eine Schlüsselrolle. In der griechischen Mythologie lenkten drei Göttinnen, die sogenannten Moiren, das Schicksal des Menschen: Klotho, die den Lebensfaden spann; Lachesis, die über die Lebenslänge entschied; und Atropos, die den Lebensfaden abschnitt, wenn die zugeteilte Zeit abgelaufen war. Eine ähnliche Triade gab es unter den römischen Göttern; sie wurden die drei Parzen genannt.

Griechen wie Römer waren darauf erpicht, ihr angebliches Schicksal zu erfahren. Deshalb griffen sie auf die Astrologie und die Wahrsagerei aus Babylon zurück und entwickelten sie weiter. Die Römer nannten Ereignisse, an Hand deren die Zukunft vorhergesagt wurde, portenta, was „Zeichen“ bedeutet. Die Inhalte dieser Zeichen nannte man omina. Im 3. Jahrhundert v. u. Z. hatte die Astrologie in Griechenland allgemein Anklang gefunden, und das früheste bekannte griechische Horoskop datiert aus dem Jahr 62 v. u. Z. Bei den Griechen stieß die Astrologie auf derart großes Interesse, daß Professor Gilbert Murray sagt: „Die Astrologie befiel den hellenistischen Geist, wie eine neue Krankheit ein fernes Inselvolk befällt.“

In dem Bemühen, etwas über die Zukunft in Erfahrung zu bringen, machten die Griechen und die Römer ausgiebig von Orakeln und Medien Gebrauch. Sie wurden als Mitteilungskanäle der Götter angesehen. (Vergleiche Apostelgeschichte 16:16-19.) Wie wirkten sich diese Lehren aus? Wie der Philosoph Bertrand Russell schreibt, „wurde die Hoffnung von der Furcht verdrängt; der Sinn des Lebens war weniger, etwas positiv Gutes zu leisten, als vielmehr, dem Unglück zu entrinnen“. Ähnliche Themen wurden in der Christenheit Gegenstand von Kontroversen.

„Christliche“ Debatten über das Schicksal

Die ersten Christen lebten in einer Kultur, die in bezug auf Bestimmung und Schicksal stark von den griechischen und römischen Vorstellungen geprägt war. Die sogenannten Kirchenväter beispielsweise schöpften ausgiebig aus den Werken griechischer Philosophen wie Aristoteles und Platon. Unter anderem suchten sie folgende Problematik zu lösen: Wie läßt sich die Vorstellung von einem allwissenden, allmächtigen Gott, der „von Anfang an den Ausgang kundtut“, mit der Lehre von einem Gott der Liebe vereinbaren? (Jesaja 46:10; 1. Johannes 4:8). Wußte Gott von Anfang an den Ausgang, dann — so schlußfolgerten sie — mußte er doch den Sündenfall samt seinen katastrophalen Folgen vorhergewußt haben.

Origenes, einer der produktivsten frühchristlichen Schriftsteller, argumentierte, eines der wichtigsten zu berücksichtigenden Elemente sei der Begriff der Willensfreiheit. Er schrieb: „Es gibt also zahllose Stellen in der Schrift, die ganz klar die Willensfreiheit beweisen.“

Origenes sagte, die Verantwortung für unsere Handlungen äußeren Einflüssen zuzuschreiben sei „nicht zutreffend und nicht einmal plausibel; etwas derartiges ist die Rede eines Menschen, der den Begriff der Willensfreiheit verfälschen will“. Er argumentierte, Gott könne zwar Ereignisse chronologisch vorherwissen, dies bedeute aber nicht, daß er ein bestimmtes Ereignis herbeiführe oder es dadurch in irgendeiner Weise unweigerlich eintreten müsse. Damit waren allerdings nicht alle einverstanden.

Der einflußreiche Kirchenvater Augustinus (354—430 u. Z.) verkomplizierte die Auseinandersetzung, indem er der Rolle, die der freie Wille bei Ereignissen spielt, weniger Bedeutung beimaß. Augustinus schuf die theologische Grundlage für den Einzug der Prädestinationslehre in die Christenheit. Seine Werke, allen voran De libero arbitrio, standen im Mittelpunkt der mittelalterlichen Diskussionen. Einen Höhepunkt erreichte die Kontroverse schließlich in der Reformation, die innerhalb der Christenheit zu einer tiefen Spaltung wegen der Frage der Vorherbestimmung führte.a

Ein weitverbreiteter Glaube

Der Schicksalsglaube ist keineswegs auf das Abendland beschränkt. Viele Muslime lassen eine solche Überzeugung erkennen, wenn sie bei einem Unglück ausrufen: „Mektoub!“, was „Es ist geschrieben!“ bedeutet. Zwar wird in vielen östlichen Religionen die Rolle des Individuums, das persönliche Geschick betreffend, betont, doch gibt es in ihren Lehren auch fatalistische Elemente.

Zum Beispiel gilt im Hinduismus und im Buddhismus das Karma als unausweichliches Geschick, das aus den Taten in einem früheren Leben resultiert. Die ältesten in China entdeckten schriftlichen Aufzeichnungen finden sich auf Schildkrötenpanzern, die zur Wahrsagung verwendet wurden. Auch bei den Ureinwohnern auf dem amerikanischen Kontinent gehörte der Schicksalsglaube zur Religion. Die Azteken beispielsweise ersannen Wahrsagekalender, mit denen das Geschick von Personen ermittelt wurde. In Afrika sind fatalistische Glaubensansichten ebenfalls verbreitet.

Die weitverbreitete Akzeptanz der Vorstellung vom Schicksal zeigt in Wirklichkeit, daß es dem Menschen ein Grundbedürfnis ist, an eine höhere Macht zu glauben. John B. Noss trägt dieser Tatsache in seinem Buch Man’s Religions mit der Aussage Rechnung: „Alle Religionen sagen auf die eine oder andere Weise, daß der Mensch nicht allein steht und auch nicht allein stehen kann. Er ist mit den externen Kräften in der Natur und der Gesellschaft maßgeblich verbunden und sogar davon abhängig. Er ahnt oder weiß, daß er kein unabhängiges Machtzentrum ist, das abseits von der Welt bestehen kann.“

Außer dem Bedürfnis, an Gott zu glauben, haben wir auch das Grundbedürfnis, zu begreifen, was um uns herum vorgeht. Anzuerkennen, daß es einen allmächtigen Schöpfer gibt, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, zu glauben, er lege unser Geschick unabänderlich fest. Welche Rolle spielen wir in Wirklichkeit dabei, unser Geschick zu gestalten? Welche Rolle spielt Gott dabei?

[Fußnote]

a Siehe die ebenfalls von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebene Zeitschrift Der Wachtturm vom 15. Februar 1995, Seite 3, 4.

[Bild auf Seite 5]

Ein babylonischer Astrologiekalender von 1000 v. u. Z.

[Bildnachweis]

Musée du Louvre, Paris

[Bild auf Seite 7]

Die Griechen und die Römer glaubten, das Schicksal des Menschen werde von drei Göttinnen festgelegt

[Bildnachweis]

Musée du Louvre, Paris

[Bild auf Seite 7]

Die Isis der Ägypter, „Gebieterin über Schicksal und Bestimmung“

[Bildnachweis]

Musée du Louvre, Paris

[Bild auf Seite 8]

Frühe chinesische Aufzeichnungen auf Schildkrötenpanzern dienten der Wahrsagerei

[Bildnachweis]

Institute of History and Philology, Academia Sinica, Taipei

[Bild auf Seite 8]

Tierkreiszeichen auf einem Kästchen aus Persien

[Bildnachweis]

Photograph taken by courtesy of the British Museum

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