Die Schlacht von Platäa — Ein „Bär“ wurde in die Knie gezwungen
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN GRIECHENLAND
EIN paar stumme Tempelruinen; herrenlose gemeißelte Steinplatten; mit Geröll übersäte Pfade; eine einsame, verlassene, von Hügeln gesäumte Ebene an den Ufern des Asopos — das ist die Szenerie etwa 50 Kilometer nordwestlich von Athen.
Nichts läßt erahnen, daß sich genau an dieser Stelle vor knapp 2 500 Jahren einer der letzten Akte des militärischen Kräftemessens zwischen Persien und Griechenland abspielte. Hier fand die größte Landschlacht der Perserkriege statt: die Schlacht von Platäa.
Hinweise auf eine Konfrontation
Wie in einem guten Drehbuch war in der biblischen Prophetie Jahrhunderte im voraus der Aufstieg und Fall der Weltmächte vorhergesagt worden. Die medo-persische Weltmacht, dargestellt durch einen Bären sowie durch einen Widder, eroberte, genau wie vorausgesagt, in ihrem hauptsächlich westwärts gerichteten Expansionsdrang andere Länder (Daniel 7:5; 8:4). In dem Feldzug gegen Griechenland jedoch erlitten die persischen Streitkräfte unter König Darius I. 490 v. u. Z. bei Marathon eine verheerende Niederlage. Vier Jahre später starb Darius.
In der Prophezeiung Daniels war weiter von drei Königen die Rede, die für Persien aufstehen würden, sowie von einem vierten persischen König, der „alles gegen das Königreich Griechenland in Bewegung bringen“ sollte. Hierbei handelte es sich offenbar um Xerxes, den Sohn des Darius (Daniel 11:2). In dem Bestreben, sich für die Niederlage, die die Perser bei Marathon erlitten hatten, zu rächen, zog Xerxes 480 v. u. Z. mit einem riesigen Heer gegen das griechische Festland. Doch nach einem unter großen Verlusten errungenen Sieg bei den Thermopylen wurden seine Streitkräfte schließlich bei Salamis vernichtend geschlagen.a
Mardonios — ein zögernder Kämpfer?
Xerxes eilte beschämt nach Lydien zurück und hinterließ 300 000 seiner Männer unter dem Befehl des erfahrenen Feldherrn Mardonios mit dem Auftrag, die eroberten Gebiete Griechenlands unter Kontrolle zu halten. Von seinem Winterquartier in Thessalien aus sandte Mardonios einen Unterhändler nach Athen, der den Bewohnern vollständige Verzeihung, den Wiederaufbau der niedergebrannten Tempel, die Wiederherstellung der Grenzen und ein Bündnis unter Gleichen als unabhängige, freie Stadt in Aussicht stellte. Doch die Athener verschmähten das Angebot und wandten sich an Sparta um militärische Hilfe.
Mardonios erhielt von ihm günstig gesinnten griechischen Überläufern den Rat, er könne die widerspenstigen Griechen für sich gewinnen, indem er ihre Anführer besteche. Aber solche Mittel waren Mardonios zuwider. Immer noch suchte er eine direkte Konfrontation mit den Griechen zu vermeiden und bot den Athenern nochmals an, sich zu günstigen Bedingungen zu ergeben. Doch sie blieben hartnäckig bei ihrer Weigerung.
Der Schlußakt
Folglich spielte sich im August 479 v. u. Z. unweit von Platäa der letzte Akt des persisch-griechischen Konflikts ab. 40 000 griechische Fußsoldaten — darunter Athener, Spartaner und Truppen aus anderen Stadtstaaten — unter dem Befehl des spartanischen Feldherrn Pausanias stellten sich dort der Streitmacht des Mardonios von etwa 100 000 Mann entgegen.
Drei Wochen lieferten sich die beiden Kerntruppen ergebnislose Scharmützel über den Asopos hinweg, mieden aber ein frontales Aufeinandertreffen. Der Sage nach soll beiden Heeren von ihren Wahrsagern nur für den Fall einer defensiven Kriegführung der Sieg verheißen worden sein. Die persische Reiterei machte den Griechen jedoch ständig große Schwierigkeiten, weil sie einen dringend benötigten Nachschubtroß überfiel und die Brunnen unbrauchbar machte, von denen die Wasserversorgung der Griechen abhing.
Nach Einschätzung von Mardonios stand das Ende des Krieges unmittelbar bevor. Doch dieser persische Befehlshaber hatte die Kampfkraft seiner Gegner unterschätzt. Die Aussicht auf einen sofortigen und spektakulären Sieg lockte den Feldherrn. Also ließ er sein Heer eilig den Fluß überqueren und angreifen.
Die Perser bildeten aus ihren geflochtenen Schilden einen Wall und beschossen unter dessen Schutz ihre Gegner mit einem Hagel von Pfeilen. Die hellenischen Verbündeten der Perser stürmten auf die Athener zu, während sich die Kerntruppen des Mardonios auf die 11 500 Spartaner stürzten. Zunächst duckten sich die Spartaner zum Schutz vor dem Pfeilhagel unter ihre Schilde. Doch dann erhoben sie sich in einer Phalanx zu einem geordneten Gegenangriff. Mit ihren längeren Lanzen und in ihrer schwereren Rüstung steuerten sie geradewegs auf die Perser zu.
Diese wichen erschrocken zurück. In der Zwischenzeit überwältigten die Athener die griechischen Verbündeten der Perser. Gedeckt von der persischen Reiterei, zog sich das Heer des Mardonios eilends über den Fluß zurück. Er selbst wurde von seinem Roß gestoßen und erschlagen. Seines Anführers beraubt, ergriff das persische Heer zersprengt die Flucht.
Etwa zur gleichen Zeit gelang der griechischen Kriegsflotte an der ionischen Küste von Mykale jenseits des Meeres ein wichtiger Sieg über die Reste der persischen Flotte, die sich nach der Niederlage bei Salamis im Jahr zuvor mit knapper Not hatten retten können. Den vereinigten Streitkräften der mächtigen persischen Armee war eine verheerende Niederlage beigebracht worden.
Ein verkrüppelter „Bär“
Nie wieder sollten Streitkräfte Persiens direkt auf europäischem Boden kämpfen. Die mächtige Kriegsmaschinerie des persischen Heeres war zerschlagen. Von da an zog sich Xerxes, wie es in dem Band Die Macht des Geistes aus der Reihe Spektrum der Weltgeschichte heißt, „in seine Hauptstädte zurück und vergnügte sich mit seinem Harem. Hin und wieder raffte er sich auf, um die Bauprojekte seines Vaters voranzutreiben und seiner Repräsentations-Hauptstadt Persepolis weitere Paläste und monumentale Hallen hinzuzufügen. Vergessen waren die großen politischen Pläne.“
Abgeschirmt durch das höfische Protokoll, ließ der einst ehrgeizige Eroberer es zu, daß sich sein Interessengebiet auf politische Intrigen und den Klatsch des Hofes beschränkte. Und selbst hier erlebte er nur Enttäuschungen. Eine Gruppe von Verschwörern ließ ihn 465 v. u. Z. in seinem eigenen Bett ermorden.
Zusammenfassend wird in Die Macht des Geistes gesagt: „Von den späteren persischen Königen zeigte — nach Meinung griechischer Schriftsteller, die die wichtigste Informationsquelle über diese Periode des Reiches sind — keiner die Tatkraft oder die hervorragenden geistigen Fähigkeiten eines Kyros oder Dareios. Unter Xerxes’ Sohn Artaxerxes I. wurde das Geld, nicht die Armee, zum wichtigsten Instrument der persischen Politik. Er benutzte die Finanzkraft des Reiches, um sich in griechische Angelegenheiten einzumischen, indem er erst die eine, dann die andere Polis [griechischer Stadtstaat] bezahlte, um Streit zu entfachen ... Auf den persischen Goldmünzen, den sogenannten Dareiken, war Dareios mit Bogen und Köcher abgebildet; die Griechen bezeichneten sie daher spöttisch als ‚persische Bogenschützen‘.“
Intrige und Mord sollten das persische Königshaus bis zu seinem völligen Ende mit Blut beflecken. Das Reich verfiel nach und nach, und die persische Dynastie begann, ihre Macht und ihre Regierungsfähigkeit einzubüßen.
Trotz letzter verzweifelter Bemühungen, das Reich wieder zu stärken, war der Sturz der königlichen Dynastie besiegelt, als ein Mann, dessen Großmachtstreben und dessen Ehrgeiz es mit denen von Cyrus hätten aufnehmen können, — Alexander der Große — im vierten Jahrhundert v. u. Z. in das Kernland des Perserreiches einmarschierte. Einmal mehr sollte sich die biblische Prophetie bis in die letzte Einzelheit erfüllen.
[Fußnote]
a Weitere Einzelheiten sind in den Artikeln „Die Schlacht von Marathon — Demütigung einer Weltmacht“ im Erwachet! vom 8. Mai 1995 und „Eine bittere Niederlage für Xerxes“ im Erwachet! vom 8. April 1999 zu finden.
[Kasten/Bilder auf Seite 26]
Medo-Persien und Griechenland — Zweihundert Jahre der Konfrontation
539 v. u. Z. Medo-Persien steigt zur vierten Weltmacht auf; sie reißt in drei Hauptrichtungen Gebiete an sich: Norden (Assyrien), Westen (Ionien) und Süden (Ägypten) (Daniel 7:5; 8:1-4, 20)
500 v. u. Z. Griechen in Ionien (Kleinasien) lehnen sich gegen die persischen Herrscher auf
490 v. u. Z. Bei Marathon werden die Perser von den Athenern zurückgeschlagen
482 v. u. Z. Xerxes ‘bringt alles gegen das Königreich Griechenland in Bewegung’ (Daniel 11:2)
480 v. u. Z. Verlustreicher Sieg der Perser an den Thermopylen; bei Salamis erleiden die Perser eine verheerende Niederlage
479 v. u. Z. Athener und Spartaner triumphieren bei Platäa über die Perser
336 v. u. Z. Alexander wird König von Mazedonien
331 v. u. Z. Die persische Streitmacht wird bei Gaugamela von Alexander dem Großen zerschlagen; Griechenland wird die fünfte Weltmacht (Daniel 8:3-8, 20-22)
[Bilder]
Persischer Bogenschütze
Parade der griechischen Reiterei
[Bildnachweis]
Musée du Louvre, Paris
Photograph taken by courtesy of the British Museum
[Kasten auf Seite 26]
Das endgültige Ende aller menschlichen Machtkämpfe
„In den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das nie zugrunde gerichtet werden wird. Und das Königreich selbst wird an kein anderes Volk übergehen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und ihnen ein Ende bereiten, und selbst wird es für unabsehbare Zeiten bestehen“ (Daniel 2:44).
[Bild auf Seite 25]
Das Schlachtfeld von Platäa, wo die mächtige persische Kriegsmaschinerie zerschlagen wurde