Falsche Hirten heulen
DIE Geistlichen der Christenheit haben sich die Rolle der Hirten über ihre Herden angemaßt. Da sie es versäumen, die Schafe zu nähren, heulen sie, wenn sie sehen, wie Jehovas wahre Hirten jene weiden, die gleich Schafen sind; denn es bedeutet ein Verwüsten ihrer Weiden. Ein Beispiel hierfür ist folgende Erfahrung, die in einer Gemeinde des Staates New York im Spätjahr 1955 gemacht wurde.
Eine Frau hatte eine Zeitlang mit einigen Unterbrechungen mit Jehovas Zeugen studiert, der Mann aber erst wenige Wochen, als sie ihrem lutherischen Pastor schrieben, sie wünschten Zeugen Jehovas zu werden. Darauf sprach er bei ihnen vor und suchte sie zwei Stunden lang umzustimmen, aber umsonst. Auf sein Ersuchen hin wurde ein Treffen mit den Zeugen verabredet und das Thema der Dreieinigkeit besprochen.
Am Schlusse sagte der betreffende Mann zu seinem Pastor: „Herr B., die erste Runde haben die Zeugen gewonnen. Ich wußte wirklich nie, was die Dreieinigkeit ist, und nun, da ich es weiß, weiß ich auch, daß diese Lehre sinnlos ist.“ Der Pastor erwiderte: „Natürlich fehlt ihr der Sinn, aber wenn die Bibel keinen Sinn in eine Sache legt, sollten auch wir es nicht tun.“
Für die folgende Woche wurde eine weitere Diskussion über das Thema „Hölle“ vereinbart. Indes telefonierte er später und sagte, er könne die Vereinbarung nicht einhalten, komme aber gern eine Woche später und werde noch einen Freund mitbringen. In der Zwischenzeit unterrichteten sich die Zeugen mittels eines lutherischen Lexikons genau über das, was die lutherischen Theologen über verschiedene religiöse Themen lehren. In der folgenden Woche kam der Pastor nicht mit nur einem, sondern mit zwei Freunden, beide ebenfalls Geistliche, und der eine davon schien mehr Autorität zu haben als die anderen.
Während der Diskussion über die Hölle ergab sich die Frage, ob das Höllenfeuer buchstäblich zu verstehen sei oder nicht. Der Mann von größerer Autorität betonte, daß man sie buchstäblich auffassen müsse, daß also die Hölle ein heißer Ort sei. Als ihm gezeigt wurde, daß das lutherische Lexikon die Ansicht vertrete, das Feuer sei nicht buchstäblich zu verstehen, wurde er wütend und suchte zu bestreiten, daß er gesagt hatte, es sei in der Hölle wirklich heiß.
Darauf kam das Thema des Endes der Welt an die Reihe. Die Geistlichen vertraten die Ansicht, sie werde buchstäblich vernichtet, und führten als Beweis 2. Petrus 3:10 an. Da die Zeugen herausgefunden hatten, daß lutherische Dogmatiker über das Thema uneins sind, indem solche wie Gerhardt, Quenstedt und Calov die Ansicht vertreten, die Erde werde buchstäblich zerstört, während andere, wie z. B. Luther selbst und Brenz, der Meinung waren, daß nur die Form dieser Erde vergehen werde, wurden die Geistlichen gefragt, mit welcher Gruppe sie denn einiggingen. „Natürlich mit Luther!“ war die Antwort.
Als darauf hingewiesen wurde, daß Luther nicht an die Zerstörung der buchstäblichen Erde glaubte und daß lutherische Theologen über das Thema geteilter Ansicht seien, behaupteten sie, ihr Lexikon sage nichts dergleichen, und als man es ihnen schwarz auf weiß zeigte, suchten sie die klaren Darlegungen zu verdrehen. Sie waren sich ganz offenbar nicht bewußt gewesen, daß unter ihren eigenen Theologen eine solche Uneinigkeit besteht. Einer von ihnen verlor die Fassung, lehnte sich über den Tisch und schrie, es sei lächerlich, daß unwissende Laien ihnen sagen sollten, was sie zu glauben hätten usw.
Der Mann hielt ihm entgegen, daß die Glaubensansichten der Zeugen Jehovas mehr Sinn hätten. Hier höhnte einer der Geistlichen: „Ihr mit eurem stupiden, lausigen, schwachen Geist müßt all die Schrifttexte zusammenwürfeln, damit die Sache Sinn bekomme. Das ist die dümmste, lausigste Lehre, die ich je gehört habe.“
Im Laufe der Diskussion an jenem Abend sagten die Geistlichen, daß Gott zuschanden geworden sei, denn es würden ja nicht alle errettet, auch wenn Gott dies wünsche. Als die Zeit zum Fortgehen für sie kam, erhob sich derjenige, der anscheinend mehr Autorität hatte als die anderen, und sagte: „Ich will nur noch sagen, daß dies der abscheulichste, enttäuschendste Abend meines Lebens gewesen ist, und wenn ich gewußt hätte, daß er so ausfallen würde, wäre ich überhaupt nicht gekommen.“ Nach einigen weiteren Bemerkungen über das Thema Hölle brachen auch die zwei anderen Geistlichen auf.
Das Ehepaar freute sich über den Sieg, den die Wahrheit gewonnen hatte. Seither wünscht es immer mehr Anteil am Predigen der guten Botschaft vom Königreich und nährt sich regelmäßig vom Tische Jehovas, der im lokalen Königreichssaal für alle gedeckt ist.
„Horch! Geschrei der Hirten, und Heulen der Herrlichen der Herde; denn Jehova verwüstet ihre Weide.“ Wahrlich, diese prophetischen Worte Jeremias, die vor etwa zweitausendfünfhundert Jahren geschrieben wurden, erfüllen sich in unseren Tagen! — Jer. 25:36.