Von kleinen Anfängen zu großer geistiger Wohlfahrt
Erzählt von Lloyd Burtch
ICH wuchs als barfüßiger Junge zwischen Ahornbäumen, Eichen und Fichten im mittleren Westen der Vereinigten Staaten auf. Das alte Holzhaus, in dem ich meine Jugend verlebte, die Scheune und der Holzeimer im Brunnen sind inzwischen längst verschwunden. Nachdem wir einige Jahre auf der Farm gewohnt hatten, siedelten wir nach Grand Rapids (Michigan) über, wo meine Mutter starb. Danach zog ich nach Süddakota zu meinem Bruder.
Ich arbeitete dort auf verschiedenen Viehfarmen. Eines Tages las ich in einer Farmerzeitung eine Predigt von Pastor Russell. Soviel ich mich erinnere, lautete das Thema „Harmagedon und das Ende der Welt“. Ich fand diese Predigt sehr interessant und hätte gern mehr über die Bibel erfahren. Das war im Jahre 1912. Im darauffolgenden Jahr arbeitete ich in Oregon in der Milchwirtschaft. Eines Tages kam ein junger Mann aus Portland und sprach mit der Farmerfamilie über die Wahrheiten aus Gottes Wort. Ich hörte wie gebannt zu und war sehr bald davon überzeugt, daß das, was dieser Mann sagte, die Wahrheit war. Kurz danach entschloß ich mich, mein Leben in den Dienst Gottes zu stellen, und bezeugte diesen Entschluß durch die Wassertaufe. Meine Freude war groß!
Das erste, was ich im Dienste Gottes von Haus zu Haus verbreitete, waren Bibeltraktate. Diese Flugblätter, die meine Gefährten und ich verteilten, hießen: „The Bible Students Monthly“ („Der Schriftforscher“ — Monatsheft). Wir zogen jeweils morgens früh aus und schoben diese bibelerklärenden Schriften unter die Haustüren. Wir begannen ungefähr um 6 Uhr und arbeiteten etwa drei Stunden. Das taten wir Sonntag für Sonntag. Diese Tätigkeit gehörte damals zu unserem Gottesdienst. Es war ein kleiner Anfang, aber daraus entwickelte sich ein gewaltiges Werk.
Als ich hörte, Pastor Russell besuche Portland, war ich begeistert. Ich wollte unbedingt dabei sein, wenn er seinen angekündigten Vortrag über das Thema „Die Welt in Flammen“ halten würde, und ich war dabei, als er diesen Vortrag in der Aula der Mittelschule hielt, ja, ich saß sogar direkt hinter ihm auf der Bühne. Er sprach mehr als zwei Stunden über die Schöpfung, verschiedene Glaubenslehren, die Seele und die Zukunft. Die Zuhörer lauschten dem Redner gespannt. Er sprach ohne Notizen und in einer angenehmen, ungezwungenen Weise. Jener Tag war für mich ein großes Erlebnis, und ich habe die Freude, die ich damals empfand, nie vergessen.
Am 31. Oktober 1916 starb Bruder Russell. Was würde nun mit dem Werk geschehen, das der Verkündigung des Vorhabens Gottes und der göttlichen Wahrheiten diente? Würde es weitergehen? Viele von uns stellten sich diese Frage. Ich hörte von einigen, die Bruder Russell sehr nahegestanden hatten, er sei sich dessen bewußt gewesen, daß noch ein großes Predigtwerk getan werden müsse. Er habe gesagt: „Wir müssen zu den Menschen gehen und ihnen die Botschaft bringen.“ Das Werk ging weiter.
Einige von uns hatten das Vorrecht, das Photo-Drama der Schöpfung — einen durch farbige Lichtbilder und Filme veranschaulichten bibelerklärenden Vortrag — vorzuführen. Der auf Schallplatten aufgenommene Vortrag wurde mit den Lichtbildern und Filmen synchronisiert. Wir sollten aber noch eine schwere Zeit erleben, und wir sahen sie auch kommen. Unser Glaube sollte noch großen Prüfungen ausgesetzt werden.
Verschiedene religiöse Führer machten aus ihrem Haß gegen Pastor Russell und uns, die wir seine aufklärenden Schriften verbreiteten, keinen Hehl. Das Weltreich der falschen Religion — in der Bibel „Babylon die Große“ genannt — begann uns zu umzingeln. (Offb. 14:8) Verfolgungen setzten ein, und viele Brüder gerieten in Furcht. Ihr Glaube hielt den Prüfungen nicht stand, und so verließen sie die Organisation Gottes. In dem Buch Das vollendete Geheimnis, das auch als der „Siebente Band“ bekannt war, wurde die feindselige Geistlichkeit schonungslos bloßgestellt. Das bewirkte, daß die Verfolgungen noch heftiger wurden und die religiösen Führer der Christenheit sich vornahmen, mit den „Russelliten“, wie sie uns nannten, aufzuräumen.
DIE VERFOLGUNG BEGINNT
Die religiösen Führer traten in die Fußstapfen der Verfolger der ersten Christen und ließen das biblische Lehrbuch Das vollendete Geheimnis verbieten. Wir gingen aber trotzdem weiter von Haus zu Haus, nahmen Bestellungen für dieses Buch auf und lieferten es dann bei einem weiteren Besuch ab. Als am 6. April 1917 die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten, nutzten unsere Feinde die patriotischen Gefühle der Öffentlichkeit aus, um uns noch heftiger zu verfolgen. Babylon die Große haßte uns immer mehr.
Als ob die Verfolgung noch nicht genug Schwierigkeiten verursacht hätte, begann der Teufel noch innerhalb des Volkes Gottes Spaltungen und Zwietracht hervorzurufen, um die Organisation von innen heraus zu zersetzen. Einige ehrgeizige Personen in der Organisation suchten die Leitung an sich zu reißen. Sie behaupteten, die Brüder in der Zentrale der Organisation, dem sogenannten Bibelhaus, hätten Zugeständnisse gemacht und seien zu großzügig. Sie nannten sie deshalb die „Großzügigen“. Das führte natürlich zu Verwirrung und Mißverständnissen unter den Brüdern. Was sollten sie tun? Sollten sie die Brüder im Bibelhaus weiterhin unterstützen oder der Organisation den Rücken kehren? Einige Brüder, die in den Versammlungen eine führende Stellung als Aufseher einnahmen, verließen die Organisation. Sie nannten sich die „Feststehenden“. Diese Bezeichnung stützte sich auf Galater 5:1, wo nach der Elberfelder Bibel gesagt wird, wir sollten in der Freiheit, für die uns Christus frei gemacht habe, feststehen. Die „Feststehenden“ hatten aber bald Streit unter sich.
In dem prüfungsreichen Jahr 1918 erschien am 15. März die erste Ausgabe des Bibeltraktates „Königreichsnachrichten“ in englisch. Ich freute mich, bei der Verbreitung dieses Traktates mithelfen zu dürfen.
Während ich mich an der Verbreitung bibelerklärender Schriften beteiligte, erging es mir einmal ähnlich wie dem Apostel Paulus damals in Philippi. (Apg. 16:19-24) Ich kam wegen meiner christlichen Tätigkeit ins Gefängnis. Ein Bruder und ich machten uns an einem Sonntagmorgen um 5 Uhr zu Fuß auf den Weg in unser Predigtgebiet. Um 9 Uhr waren wir mit der Verbreitung der Traktate fertig. Zufällig wohnte auch der Bürgermeister der Stadt in diesem Gebiet. Als er den Traktat fand, den wir unter seine Haustür geschoben hatten, machte er sich auf die Suche nach uns und fand uns schließlich an einer Straßenbahnhaltestelle. Wir wurden verhaftet und auf die Polizeiwache gebracht. Da man in den Schriften nichts fand, was als staatsfeindlich hätte bezeichnet werden können, klagte man uns der Verbreitung von Schriften ohne polizeiliche Erlaubnis an und verurteilte uns zu siebzehn Tagen Gefängnis und einer Geldstrafe von 200 Dollar. Da wir die Strafe nicht bezahlen konnten, blieben wir weitere dreißig Tage im Gefängnis. Dann bezahlten einige Brüder den Rest unserer Strafe, und wir wurden entlassen.
Unser erster großer Kongreß fand in Cedar Point, Ohio, vom 1. bis 8. September 1919 statt. Er brachte eine große Änderung mit sich, denn die Brüder wurden von einem neuen Geist erfüllt und betrachteten nun manches von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus. Die Beamten der Wachtturm-Gesellschaft, die man unschuldig eingesperrt hatte, befanden sich wieder in Freiheit und waren entschlossen, die weltweite Verkündigung der guten Botschaft von Gottes Königreich weiter zu fördern.
Viele Geistliche der Christenheit hatten sich gefreut, als die Beamten der Gesellschaft am 21. Juni 1918 ins Gefängnis eingeliefert worden waren. Sie hatten zueinander gesagt: „Nun sind sie ‚vollendete Prediger‘.“ Diesen Namen hatten sie uns in Anlehnung an den Titel des Buches Das vollendete Geheimnis gegeben und weil sie geglaubt hatten, wir seien als Verkündiger der guten Botschaft tatsächlich erledigt. Sie hatten gehofft, sie hätten uns Bibelforscher zum letztenmal gesehen, aber unser Kongreß in Cedar Point (im Jahre 1919) zeigte ihnen, daß wir noch lebten und immer noch tätig waren, und wir sind es heute noch.
BETHELDIENST
Von Lansing (Michigan) aus schrieb ich im Jahre 1920 an die Wachtturm-Gesellschaft in Brooklyn und äußerte meinen Wunsch, in der Zentrale, dem sogenannten Bethelheim, zu dienen. Kurz danach wurde ich eingeladen, vorübergehend ins Bethel zu kommen, um bei einer besonderen Arbeit mitzuhelfen. Im Juni 1920 traf ich im Bethel ein, und damit begann für mich ein neues Leben und eine neue Tätigkeit, verbunden mit einer mir bisher unbekannten Freude.
Ich mußte beim Verpacken der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter (heute Erwachet!) mithelfen. Die Ausgabe, mit der ich zu tun hatte, enthielt einen in scharfen Worten abgefaßten Artikel, durch den die gemeine Behandlung, der Jehovas Zeugen auf Anstiften der Geistlichkeit der Christenheit ausgesetzt waren, bloßgestellt wurde. In dieser Ausgabe, Nr. 27, wurden Gottes Richtersprüche über Babylon die Große, das Weltreich der falschen Religion, angekündigt. Mein vorübergehender Aufenthalt im Bethel wurde zu einem Daueraufenthalt.
Nach einer gewissen Zeit wurde ich beauftragt, in der Druckerei der Wachtturm-Gesellschaft in Brooklyn, Myrtle Avenue 35 (wo sich die erste Druckerei der Gesellschaft befand), an einer Schnellpresse zu arbeiten. Die Räumlichkeiten des nur dreistöckigen Gebäudes hatten eine Grundfläche von ungefähr 280 Quadratmetern. Im Erdgeschoß hatten wir eine Rotationsmaschine, die wir „das alte Schlachtschiff“ nannten. Sie füllte den Raum so sehr aus, daß man kaum um sie herum gehen konnte. Im dritten Stock, wo ich arbeitete, war eine kleine Druckpresse mit Handanlage. Zwanzig Brüder arbeiteten hier wie die Bienen. Trotzdem wir so eingeengt waren, machte uns die Arbeit Freude, denn wir wußten, daß wir Gott dienten.
Auf dieser Presse druckten wir vieles, unter anderem auch die Umschläge für die Broschüren Millionen jetzt Lebender werden nie sterben und Kann man mit den Toten reden?. Wurden auf dem „alten Schlachtschiff“ das Goldene Zeitalter und Broschüren gedruckt, so druckten wir die Zeitschrift Der Wachtturm auf der Schnellpresse. Die Auflage von 60 000 Exemplaren galt damals als gewaltig. Heute erscheint Der Wachtturm in 66 Sprachen und hat eine Auflage von 4 300 000 Exemplaren — wirklich, ein erstaunlicher Fortschritt gegenüber dem kleinen Anfang!
Wir hatten damals im Bethelheim, dem Haus, wo die Mitarbeiter der Zentrale der Gesellschaft wohnten, noch eine weitere Druckereiabteilung. In einem kleinen Raum unterhalb des Speisesaales waren zwei Setzmaschinen, zwei kleine Druckpressen mit Handanlage und die Handsetzerei untergebracht. Heute werden die bibelerklärenden Schriften der Gesellschaft in drei großen Gebäuden, von denen das größte dreizehn Stockwerke hat, gedruckt, gebunden und versandt. Welch ein Unterschied gegenüber dem kleinen Anfang! Die heutige Druckerei versorgt über eine Million Zeugen Jehovas mit den Hilfsmitteln zum Bibelstudium, die sie bei ihrer Predigttätigkeit verbreiten. Wenn wir bedenken, daß im Jahre 1922 erst 8801 Verkündiger tätig waren, dann kann in der Tat gesagt werden, daß aus kleinen Anfängen große geistige Wohlfahrt hervorging.
AUSDEHNUNG
Am 1. März 1922 zogen wir von der Myrtle Avenue in ein größeres Haus an der Concord Street 18 (ebenfalls in Brooklyn) um. Mit einem kleinen Lastwagen beförderten wir die schweren Gegenstände. Als wir die großen Zylinder des „Schlachtschiffes“ aufladen wollten, stellten wir fest, daß sie für den Wagen zu schwer waren. Was nun? Niemand wußte Rat. Als wir aber am anderen Morgen aufwachten, war unser Problem gelöst.
Über Nacht waren nämlich unerwartet etwa fünf Zentimeter Schnee gefallen, und das war die Lösung des Problems. Wir machten eine Art Schlitten und rollten die Zylinder darauf. Dann banden wir den „Schlitten“ am Lastwagen fest und zogen ihn so durch den Schnee zum neuen Gebäude. Dort ließen wir die Zylinder durch ein Fenster in das Erdgeschoß hinunter. Noch nach Jahren erzählte R. J. Martin, der Leiter der Druckerei, den Brüdern auf Kongressen gern von diesem unerwarteten Schneefall, der damals unser Umzugsproblem gelöst hatte.
Da wir nun mehr Platz hatten, beschlossen wir, weitere Maschinen anzuschaffen. Einige dieser Maschinen waren neu, andere gebraucht. Eine der gebrauchten großen Schnellpressen, die wir damals kauften, verrichtet heute noch ihre Arbeit in unserer großen Druckerei. Sie ist nun über fünfzig Jahre alt. Unsere Produktion in dem neuen Gebäude an der Concord Street stieg auf etwa 2000 Bücher pro Tag und auf über eine Million Exemplare der Zeitschrift Der Wachtturm pro Jahr.
Ebenfalls im Jahre 1922 besuchten wir einen unvergeßlichen Kongreß in Cedar Point, Ohio. Ein wunderbarer Geist herrschte dort. Alle Anwesenden freuten sich, daß sich die Organisation nach den schweren Schlägen, die ihr der Feind im Jahre 1918 beigebracht hatte, allmählich wieder erholte. Der größte Tag auf diesem Kongreß war der Tag, an dem ein über der Bühne aufgehängtes Transparent entrollt wurde, auf dem die Worte standen: „Verkündet den König und das Königreich.“ Das rief einen Begeisterungssturm hervor, und wir fühlten uns alle angespornt, im Predigtdienst noch eifriger zu werden.
Im Jahre 1922 kaufte die Gesellschaft auf Staten Island (New York) ein Grundstück, auf dem eine Rundfunkstation erbaut werden sollte. Bruder Rutherford, der damalige Präsident der Gesellschaft, nahm an einem Sonnabendnachmittag einige von uns mit dorthin. Als wir auf dem Grundstück ankamen, zeigte er uns eine Stelle mitten im Wald und sagte: „Hier, meine Lieben, beginnen wir zu graben. Wir werden eine Rundfunkstation auf unserem eigenen Land bauen.“ Und wir begannen zu graben. Während des ganzen Sommers waren wir jedes Wochenende an der Arbeit.
Als wir, nachdem wir wieder einmal einen ganzen Sonntag gearbeitet hatten, rund um einen Tisch im Freien beim Essen versammelt waren, erzählte uns Bruder Rutherford von seinen Erfahrungen im Gefängnis. Er war 1918 ungerechterweise eingesperrt und im Jahre 1919 durch eine Gerichtsverfügung wieder entlassen worden. Im Gefängnis hatte er den Entschluß gefaßt, Babylon der Großen einen schweren Schlag zu versetzen. Er sagte: „Ich ergriff die Stäbe des Gitters meines Fensters, schaute zu den Sternen auf und sagte: ‚Herr, solltest du mich jemals aus diesem Haus hinausführen, so werde ich alles tun, um Babylon in Stücke zu schlagen.‘“ Nun bemühte er sich, seinen Entschluß in die Tat umzusetzen. In den darauffolgenden Jahren versetzte er Babylon der Großen, dem Weltreich der falschen Religion, tatsächlich manchen schweren Schlag. Wegen seiner Offenheit, mit der er die falsche Religion bloßstellte, war er bei der Geistlichkeit der Christenheit so verhaßt, daß schon allein die Erwähnung seines Namens genügte, um sie in Wut zu versetzen.
Im Jahre 1927 hörte ich Bruder Rutherford auf einem Kongreß in Toronto, Kanada, über das Thema „Freiheit für die Völker“ sprechen. In diesem Vortrag setzte er der falschen Religion schwer zu. Der Ansager der nationalen Rundfunkgesellschaft, der auf der Bühne saß, erwartete jeden Augenblick einen Telephonanruf, der ihn davon unterrichten würde, daß die Übertragung des Vortrages abgebrochen worden sei. Sie wurde aber trotz der scharfen Wahrheiten, die der Redner über die falsche Religion darlegte, nicht unterbrochen. Bruder Rutherford gab den Kampf gegen Babylon die Große bis zu seinem Tod, im Jahre 1942, nicht auf. Wegen seiner schonungslosen Bloßstellung der Heuchelei und der schriftwidrigen Lehren und Handlungen der religiösen Führer der Christenheit hatte er unter der Geistlichkeit viele Feinde. Sie suchten Jehovas Zeugen durch alle möglichen ungesetzlichen Mittel — auch durch Pöbelaktionen — zum Schweigen zu bringen.
EINE NEUE LEITUNG
Nach dem Tode Bruder Rutherfords übernahm Nathan Homer Knorr als Präsident der Watch Tower Society die Leitung. Damit begann ein gewaltiges Schulungswerk, durch das alle mit der Gesellschaft verbundenen Verkündiger befähigt werden sollten, an den Türen Predigten zu halten. Zu diesem Zweck wurde am 16. Februar 1942 in der Zentrale der Gesellschaft in Brooklyn eine Predigtdienstschule eingeführt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Bruder Knorr bei der Eröffnung dieser Schule sagte, wenn die Welt nichts anderes von uns lernen wolle, so müsse sie mindestens lernen, daß Jehovas Zeugen „mit Jesus“ gewesen seien und von ihm gelernt hätten.
Danach führten Jehovas Zeugen überall in ihren örtlichen Versammlungen theokratische Predigtdienstschulen ein, in denen jung und alt die reine Sprache des Wortes Gottes einheitlich und übereinstimmend sprechen lernten. Im Jahre 1943 wurde im Staate New York die Wachtturm-Bibelschule Gilead eröffnet. Sie diente der Schulung von Missionaren, die ausgesandt wurden, um neue Gebiete zu erschließen und bereits bestehende Versammlungen zu stärken. Darüber hinaus gibt es seit 1959 in vielen Ländern an zentral gelegenen Orten Königreichsdienstschulen, in denen Aufseher zu besseren geistigen Hirten der Herde Gottes ausgebildet werden. Wie zu erwarten war, hat die Organisation Jehovas zufolge dieses Schulungswerkes gewaltige Fortschritte gemacht, und die Verkündigung des Königreiches Gottes ist immer weiter ausgedehnt worden. Jehova hat dieses Werk gesegnet und für Einheit und gegenseitige Liebe unter den Verkündigern seines Königreiches gesorgt.
Als dieses intensive Erziehungsprogramm im Jahre 1942 begann, gab es in der ganzen Welt 5232 Versammlungen der Zeugen Jehovas, mit denen etwa 106 000 Personen verbunden waren, die sich jeden Monat am Predigtdienst beteiligten. Heute gibt es in der ganzen Welt 22 761 Versammlungen und 1 040 836 Verkündiger der guten Botschaft vom Königreich.
Mir scheint, daß sich Psalm 90:16, 17 (SB) an diesen Knechten des Höchsten erfüllt hat: „Möchte deinen Knechten offenbar werden dein Werk, und deine Herrlichkeit ihren Kindern! Und die Freundlichkeit des Herrn [Jehovas, NW], unsres Gottes, sei über uns, und das Werk unsrer Hände fördere du für uns, ja, das Werk unsrer Hände fördere du!“
Auch die Kongresse haben zur Ausdehnung der theokratischen Organisation beigetragen. Im Jahre 1955 hatte ich das Vorrecht, verschiedene Kongresse des Volkes Gottes in Europa zu besuchen. In Nürnberg erlebte ich ein Schauspiel, das ich nie vergessen werde. Als am Sonntag, dem 14. August, der Kongreß zu Ende war, hörte der Regen, der im Laufe des Tages eingesetzt hatte, plötzlich auf, und ein herrlicher Regenbogen erschien am Himmel, als die untergehende Sonne durch die Wolken drang. Während dieses herrlichen Schauspiels begann die etwa 100 000köpfige Menge Bruder Knorr und anderen Vertretern des Hauptbüros der Gesellschaft zum Abschied mit ihren Taschentüchern zu winken, und das Orchester spielte das Lied „Gott mit dir, bis wir uns wiedersehn“. Diese Kundgebung christlicher Liebe und Einheit war so eindrucksvoll, daß vielen von uns die Tränen kamen.
Natürlich fanden auch in den letzten Jahren hervorragende Kongresse statt. Ich denke da besonders an den internationalen Kongreß „Göttlicher Wille“, der 1958 in New York durchgeführt wurde. Zu diesem Kongreß waren 253 922 Zeugen Jehovas aus 123 Ländern gekommen, um im Yankee Stadion und in den Polo Grounds, die bis auf den letzten Platz besetzt waren, biblische Unterweisung zu empfangen, und 7136 neue Zeugen wurden getauft. Im Jahre 1963 folgte dann der wunderbare Kongreß „Ewige gute Botschaft“. In Verbindung mit diesem Kongreß reisten 583 Delegierte buchstäblich rund um die Welt, um sich innerhalb von zehn Wochen in vierundzwanzig größeren Städten mit Tausenden ihrer Brüder zu versammeln. Insgesamt wohnten diesem Kongreß 580 509 Personen aus 161 Ländern bei und 16 653 wurden getauft. Welch ein wunderbarer Beweis der geistigen Wohlfahrt der sichtbaren Organisation Jehovas!
RÜCKBLICK
Wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückblicke, dann sehe ich, wie sich Jehovas Organisation, die ganz klein begonnen hat, seit dem Jahre 1920 — dem Jahr, in dem ich ins Bethel kam — gewaltig ausgedehnt hat. Ich habe gesehen, wie aus der kleinen Gruppe von etwa 8000 Verkündigern, die im Jahre 1920 tätig war, über eine Million geworden sind, die die Botschaft in 162 Sprachen in 194 Ländern predigen. Das ist wirklich erfreulich. Ich habe gesehen, wie Jehova sein Volk aus der Knechtschaft und Gefangenschaft, in der es sich im Jahre 1918 befand, befreite und es zur größten Gruppe von Menschen machte, die die gute Botschaft von seinem Königreich und die biblischen Wahrheiten weltweit predigt und lehrt. Jehova hat sein Volk in der Tat mit großer geistiger Wohlfahrt gesegnet.
Die Vergrößerung unserer Druckerei seit dem Jahre 1920 ist ein weiterer Beweis dafür, daß Jehova seine Organisation gesegnet hat. Als wir an der Myrtle Avenue 35 zu drucken begannen, hatten wir das „alte Schlachtschiff“ und eine Druckpresse mit Handanlage. Heute haben wir einunddreißig Druckpressen, und weitere sollen noch hinzukommen. Statt drei Stockwerken mit einer Grundfläche von ungefähr 280 Quadratmetern stehen uns heute 33 000 Quadratmeter Grundfläche zur Verfügung. Im Jahre 1920 konnten wir 2000 Bücher pro Tag binden; heute binden wir täglich bis zu 43 400. Im Jahre 1920 druckten wir 60 000 Exemplare von jeder Wachtturm-Ausgabe auf der kleinen Schnellpresse; heute drucken wir, wenn alle Maschinen ununterbrochen laufen, 1 250 000 Zeitschriften pro Tag. Was wir im Jahre 1922 in einem Jahr an Zeitschriften druckten, können wir heute an einem Tag drucken. Diese erstaunliche Ausdehnung trägt Jehova Gott Ruhm und Ehre ein.
Mit eigenen Augen sehen zu dürfen, wie Jehovas neuzeitliche Organisation wuchs und gedieh, war für mich ein Segen. Unsere gesteigerte Produktion der bibelerklärenden Schriften und die verbesserten Verbreitungsmethoden haben dazu beigetragen, daß sich die Prophezeiung erfüllte, nach der die gute Botschaft von Gottes Königreich in der ganzen Welt allen Nationen zu einem Zeugnis, verkündigt werden sollte. (Matth. 24:14) Es ist schon viel getan worden, aber wir sind noch nicht am Ende. Es gibt noch mehr zu tun, bis Jehova seinen Namen rechtfertigt, indem er das gegenwärtige böse System der Dinge beseitigt und seine verheißene neue Herrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit herbeiführt.