Eine glückliche Herde durch gute Führerschaft
„Wer ... durch die Tür hineingeht, ist Hirte der Schafe. Diesem öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme, und er ruft seine eigenen Schafe beim Namen und führt sie hinaus.“ — Joh. 10:2, 3.
1. (a) Warum muß ein Aufseher unbedingt führend vorangehen, und was bedeutet das Wort „Aufseher“? (b) Wie nur kann ein Aufseher seiner Aufgabe richtig nachkommen?
DAMIT die Christenversammlung gedeiht und die Herde Gottes glücklich bleibt, müssen die Aufseher führend vorangehen. Das Wort „Aufseher“ bezieht sich auf jemand, der Besuche durchführt, der besichtigt. Es deutet an, daß der Betreffende die Versammlung überwacht und sich ihrer Interessen annimmt. Damit die Aufseher dieser Aufgabe richtig nachkommen können, wird ihnen gemäß Apostelgeschichte 20:28 der Rat gegeben, zunächst auf „sich selbst“ achtzugeben, dann auf „die ganze Herde“ zu achten und schließlich „die Versammlung Gottes“ zu hüten. Werden diese Voraussetzungen gewissenhaft erfüllt, so ist die Herde glücklich.
2. Was heißt es für den Aufseher, auf sich selbst achtzugeben, und warum muß er auf sich achtgeben?
2 Das Leben eines Hirten ist oft hart und anstrengend. Seine Aufgabe nimmt ihn voll und ganz in Anspruch. Damit er sich richtig um die Schafe kümmern kann, muß er in vernünftigem Maße für sich selbst sorgen. Der Aufseher muß geistig stark sein. Die Schafe erwarten von ihm, daß er sie stärkt und ermuntert. Er muß sich deshalb in der Bibel gut auskennen, damit er jederzeit richtig Trost spenden kann. Er liest Gottes Wort täglich, sinnt über dessen weisen Rat nach und bemüht sich, dessen Grundsätze auf sein Leben anzuwenden. Er bittet Gott um Weisheit und um Führung und Leitung, da er weiß, daß er ohne den Segen Jehovas niemals richtig führend vorangehen könnte. Er sollte stets an die Worte denken: „Jehova selbst gibt Weisheit; aus seinem Munde kommen Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen.“ Er sollte nie vergessen, daß „die Weisheit von oben ... vor allem keusch [ist], dann friedsam, vernünftig, zum Gehorchen bereit, voller Barmherzigkeit und guter Früchte, nicht parteiische Unterschiede machend, nicht heuchlerisch“. (Spr. 2:6, NW; Jak. 3:17) Wenn er sich von dieser Weisheit leiten läßt, wird die Herde Gottes seine gute Führerschaft, seinen Glauben und andere gute Eigenschaften, die ein Aufseher haben sollte, leicht erkennen können.
3. Was setzt gute Führerschaft voraus?
3 Gute Führerschaft setzt voraus, daß der Aufseher mit der Herde oder vor ihr hergeht, nie hinter ihr ist oder sich an einem Ort aufhält, wo die Herde nicht ist. Er wohnt allen Zusammenkünften der Versammlung bei und beteiligt sich wie alle übrigen Glieder der Versammlung aktiv daran. Er erledigt keine Versammlungsangelegenheiten und führt keine Besprechungen mit seinen Gehilfen durch, während die Zusammenkünfte im Gange sind. Er tut genau dasselbe, was er von seiner Herde erwartet: Er hört den Darbietungen aufmerksam zu. Er geht in der Versammlung mit gutem Beispiel voran.
4. Was muß der Aufseher ferner tun, um richtig vorangehen zu können?
4 Auf sich selbst achtzugeben bedeutet für den Aufseher auch, daß er die Aufgaben und Pflichten, die er als Hirt der Schafe Gottes hat, genau kennt. Er versäumt nicht, die Richtlinien, die ihm durch Jehovas Diener-Organisation, die Wachtturm-Gesellschaft, ständig zugehen, zu lesen und zu studieren. Ja, er studiert Publikationen wie die Broschüre In Frieden und Einheit predigen und lehren, das Buch Zum Predigtdienst befähigt, den Königreichsdienst und andere Schriften der Gesellschaft sorgfältig und liest sie immer wieder durch. Er macht sich nicht nur mit seinen Pflichten vertraut, sondern orientiert sich auch über die Aufgaben der Dienstamtgehilfen, die ihm beim Hüten der Versammlung beistehen, damit er ihnen, wenn nötig, helfen kann. Eine straffe, vom Aufseher ausgehende einheitliche Leitung erleichtert es der Herde zu folgen. Sie ahmt das gute Beispiel ihres Aufsehers nach und ist schnell bereit, Anweisungen zu befolgen, und nimmt Ratschläge willig an.
5. Warum muß der Aufseher seinen Familienpflichten richtig nachkommen?
5 Die gute Führerschaft des Aufsehers zeigt sich auch innerhalb seiner Familie (sofern er eine hat), denn seine Familie läßt erkennen, ob er ein guter Aufseher ist. Auf sich selbst achtzugeben, wie es der Apostel Paulus gebot, verlangt von ihm deshalb, daß er seinen Familienpflichten richtig nachkommt. Paulus sagte über die Eigenschaften der Aufseher: „Der Aufseher muß ... ein Mann [sein], der seinem eigenen Haushalt in vortrefflicher Weise vorsteht, der die Kinder mit allem Ernst in Unterwürfigkeit hält; (in der Tat, wenn jemand seinem eigenen Haushalt nicht vorzustehen weiß, wie wird er für die Versammlung Gottes Sorge tragen?).“ (1. Tim. 3:2, 4, 5) Die Familie des Aufsehers sollte daher eine Musterfamilie der Versammlung sein.
6. In welcher Hinsicht sollte ein Aufseher in seiner Familie führend vorangehen, und warum?
6 Als Familienhaupt sollte der Aufseher dafür sorgen, daß seine Angehörigen Gottes Wort, die Bibel, fleißig studieren und sich eifrig am Predigtdienst beteiligen. Seine Familie sollte für die anderen Familien der Versammlung in Wort und Tat ein gutes Beispiel sein. Im Interesse des geistigen Wohls der Familie sollte der Aufseher das wöchentliche Familien-Bibelstudium leiten. Er sollte, wenn im Kreise der Familie gebetet wird, das Gebet sprechen und auch mit jedem seiner Angehörigen in den Predigtdienst von Haus zu Haus gehen, mit ihnen bei Menschen, die sich für die Königreichsbotschaft interessieren, Nachbesuche machen und sehen, wie sie ihre wöchentlichen Heimbibelstudien durchführen. Das tut er, weil er als Haupt seiner Familie und als Aufseher der Versammlung am geistigen Fortschritt jedes Gliedes seiner Familie und der Versammlung interessiert ist. Er möchte, daß alle mit ewigem Leben belohnt werden. Er möchte auch, daß die Versammlung aus seinem guten Beispiel Nutzen zieht.
7, 8. (a) Mit welchen Worten hob der Apostel Paulus die Pflicht eines Christen hervor, für das geistige Wohl seiner Familie zu sorgen? (b) Was wird der Aufseher tun müssen, damit er seinen Familienpflichten nachkommen kann?
7 Obwohl der Aufseher oft mit Arbeit für die Versammlung überhäuft sein mag, sollte er nie so sehr mit anderen Dingen beschäftigt sein, daß er sich nicht um das geistige Wohl seiner Familie kümmern kann. Er sollte die Familie nicht vernachlässigen. „Bestimmt hat jemand, der für die Seinigen, und besonders für seine Hausgenossen, nicht sorgt, den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Ungläubiger“, schrieb Paulus. (1. Tim. 5:8) Weder die Familie noch die Versammlung, deren Aufseher er ist, darf in geistiger Hinsicht vernachlässigt werden.
8 Damit der Aufseher seinen Aufgaben nachkommen kann, wird er seine Zeit sehr gut einteilen und oft vielleicht einige Arbeiten für die Versammlung sogar seinen Gehilfen übertragen müssen. Er muß seinen Familienpflichten unbedingt nachkommen, denn andere Familienhäupter der Versammlung erwarten von ihm, daß er als Ehemann und als Aufseher führend vorangeht. Der Hirt sollte ein nachahmenswertes Beispiel sein. Wenn er stets besonnen, vorsichtig und verständig handelt sowie in allem, was er zu Hause und in der Versammlung tut, vernünftig ist, wird ihm das möglich sein, und er wird seiner Familie zum Segen und der Herde Gottes zum Vorbild werden. — 1. Tim. 4:15, 16.
AUF „DIE GANZE HERDE“ ACHTGEBEN
9. (a) Wie muß der Hirt den Schafen gegenüber eingestellt sein, und warum? (b) Zu welcher wichtigen Erkenntnis sollten die Schafe aufgrund der Führung des Hirten gelangen?
9 Die Bibel vergleicht die ganze Menschheit mit Schafen, die keinen Hirten haben. Jehova, der große Hirt, möchte jedoch nicht, daß eines der Schafe zugrunde geht. Jesus Christus, Jehovas guter Hirt, sagte: „Es [ist] bei meinem Vater, der im Himmel ist, nicht erwünscht, daß eines von diesen Kleinen zugrunde geht.“ (Matth. 18:14; Hes. 33:11) Der Aufseher, den der heilige Geist ernannt hat, damit er auf „die ganze Herde“ achtgebe, sollte ebenso eingestellt sein. Er sollte vor allem am Leben der Schafe, die in seiner Obhut sind, interessiert sein. Er sollte darauf bedacht sein, daß keines der Kleinen Jehovas zugrunde geht. Um das Leben der Schafe zu schützen, sollte er ihnen eine vollständige Erkenntnis über Gott vermitteln. Er sollte sie in der christlichen Lehre unterweisen können und auch imstande sein, sie im Predigtdienst zu schulen. „Denn mit dem Herzen übt man Glauben zur Gerechtigkeit“, schrieb der Apostel Paulus, „mit dem Munde aber legt man eine öffentliche Erklärung zur Rettung ab.“ (Röm. 10:10) Der Aufseher muß die Schafe so führen, daß sie zu dieser wichtigen Erkenntnis gelangen.
10. (a) Auf welche beiden Hauptpflichten wies Jesus besonders hin, und wie? (b) Wie ging Jesus im Lehren führend voran, und was lehrte er die Schafe? (c) Wie kann diese Belehrung heute angewandt werden?
10 Die Herde zu lehren und ihr im Dienste Gottes führend voranzugehen gehört zu den Hauptpflichten eines Aufsehers. Jesus zeigte dies, als er seinen Nachfolgern gebot: „Macht Jünger aus Menschen aller Nationen.“ Er sagte bei dieser Gelegenheit, sie sollten diese neuen Jünger lehren, alles zu halten, was er geboten habe. (Matth. 28:19, 20) Auch Paulus betonte, daß Aufseher Lehrer sein müßten, als er sagte, Aufseher sollten „lehrfähig“ sein. (1. Tim. 3:2) Jesus ging im Lehren voran. Er lehrte nicht nur durch seine Worte, sondern auch durch seine Handlungsweise. Er unterwies seine Nachfolger jedoch nicht nur in der Lehre, sondern schulte sie auch im Predigtdienst. Nachdem er seine Apostel über das Königreich Gottes belehrt hatte, nahm er sie mit und zeigte ihnen persönlich, wie sie den Dienst Gottes durchführen sollten. Schritt für Schritt konnten sie ihn im Dienste seines Vaters, in den sie schließlich ebenfalls eintreten sollten, beobachten. Jesus sagte seinen Jüngern, warum er gewisse Dinge sagte und tat. Er sagte ihnen, wie sie sich für den Predigtdienst kleiden, was sie an den Türen sagen und wie sie sich vor Gegnern verhalten sollten, und machte sie darauf aufmerksam, wie die Menschen sie aufnehmen würden. Nachdem er sie hinreichend belehrt hatte, sandte er sie aus, damit sie seinem Beispiel folgten. Zunächst sandte er seine zwölf Apostel und danach siebzig weitere in den Predigtdienst aus. Jesus war ein befähigter Lehrer. Aufseher müssen heute sein vollkommenes Beispiel nachahmen, wenn die Herde Gottes gedeihen und glücklich bleiben soll. — Matth. 10:5-30; Mark. 9:28, 29; Luk. 10:1-3.
11. (a) Welche dankbare Aufgabe hat der Aufseher, und warum ist es eine dankbare Aufgabe? (b) Wie kann ein Hirt die Herde veranlassen, ihn nachzuahmen?
11 Der Herde im Dienste Gottes führend voranzugehen ist ein wunderbares Vorrecht und eine dankbare Aufgabe. Welche Freude ist es doch, ein neues Schaf Gott zum erstenmal lobpreisen zu hören! Wie reich entschädigt wird doch der Aufseher, wenn er sich mit der Herde am Predigtdienst beteiligt! Wieviel Gutes kann er doch bewirken, wenn er die Unterhirten besucht und sie durch seine Anregungen unterstützt! Das fordert oft viel von einem Aufseher, aber die Freude, die er dabei erlebt, entschädigt ihn weitgehend. Der Apostel Paulus, der den Fußtapfen Jesu genau folgte, hatte ein ähnliches Vorrecht. Zu seinen christlichen Brüdern aus Ephesus sagte er, sie sollten daran denken, daß er drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, sie zu ermahnen, wobei er sich nicht davon zurückgehalten habe, ihnen „alles, was nützlich war, zu berichten“ und sie „öffentlich und von Haus zu Haus zu lehren“. (Apg. 20:20, 31) An die Thessalonicher schrieb Paulus: „Wir wurden in eurer Mitte sanft, wie wenn eine nährende Mutter ihre eigenen Kinder hegt und pflegt. Da wir also eine innige Zuneigung zu euch haben, hat es uns gefallen, euch nicht nur an der guten Botschaft Gottes teilhaben zu lassen, sondern auch an unseren eigenen Seelen, weil ihr uns lieb geworden wart.“ (1. Thess. 2:7, 8) Ein Aufseher, der durch seine Ganzherzigkeit, seine Liebe und seine Überzeugung ein solch gutes Beispiel gibt, veranlaßt die ganze Herde, ihn nachzuahmen.
12. (a) Warum ist eine gute Führerschaft für die Herde ein Schutz? (b) Auf welche Weise lehrt der Hirt? (c) Warum folgen die Schafe dem Hirten?
12 Wird die Versammlung oder die Herde Gottes richtig gehütet, so ist das für sie ein Schutz. Der Eifer des Hirten läßt die Schafe erkennen, daß sie an der wahren Anbetung festhalten müssen, daß sie eine Organisation benötigen und sich eng an sie halten müssen. Sie spüren, daß sie durch eine gute Führung gestärkt und richtig geleitet werden. Sie genießen den Schutz, den die Verbindung mit der Herde gewährt. Sie schätzen es immer mehr, regelmäßig zusammenzukommen, und verstehen immer besser, daß sie sich täglich von Gottes Wort nähren müssen. Die Schafe lernen von ihrem treuen Hirten Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit. Dadurch, daß er seine Zeit und Kraft willig, ohne zu murren, dafür einsetzt, die ganze Herde zu hüten, lernen die Schafe, daß sie noch größere Opfer bringen müssen. Seine Bereitwilligkeit, jederzeit den Willen Jehovas zu tun, fördert in ihnen den Wunsch, theokratischen Richtlinien unverzüglich nachzukommen. Die Milde des Hirten hilft den Schafen, auch unter sich milde zu sein. Die Tatsache, daß er so viele Aufgaben erfüllen kann, lehrt die Herde den Vorteil einer guten Zeiteinteilung erkennen. Weil er sie leitet, nicht tyrannisiert, sie ermuntert, nicht antreibt, sie liebt, nicht haßt, wird sie stark und glücklich. Der Hirt weiß, daß er die Schafe nicht treiben darf, sondern ihnen vorangehen muß, wenn er will, daß sie auf dem Wege bleiben. Er übernimmt daher freudig die Führung, gibt auf die ganze Versammlung Gottes acht und lädt dadurch die Schafe ein, seine Nachahmer zu werden, so wie er Christi Nachahmer ist. — 1. Kor. 11:1.
WO KEINE FÜHRUNG IST
13. Was geschieht mit der Herde, wenn keine Führung da ist?
13 Nicht alle Aufseher nehmen sich der Herde Gottes richtig an. Von den Hirten des alten Volkes Israel waren viele untreu. Der Eigentümer der Schafe, Jehova, stellte durch seinen Propheten Hesekiel diese verantwortungslosen, selbstsüchtigen und nachlässigen Hirten bloß mit den Worten: „Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! ... die Herde weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt und das Verwundete nicht verbunden, und das Versprengte führtet ihr nicht zurück, und das Verlorene suchtet ihr nicht; und mit Strenge habt ihr über sie geherrscht und mit Härte. Und so wurden sie zerstreut, weil sie ohne Hirten waren; und sie wurden allen Tieren des Feldes zur Speise und wurden zerstreut. Meine Schafe irren umher auf allen Bergen und auf jedem hohen Hügel; und über das ganze Land hin sind meine Schafe zerstreut worden, und da ist niemand, der nach ihnen fragt, und niemand, der sie sucht.“ (Hes. 34:2-6) Die Hirten hatten vollständig versäumt, den ihnen von Gott auferlegten Pflichten nachzukommen. Sie liebten Jehova und seine Schafe offensichtlich nicht. Jehova verhieß, daß er sie vertilgen werde, und das tat er auch. Ohne Führung wurde die Herde jedoch unglücklich, denn zerstreute oder verlorene Schafe sind nicht glücklich.
14. Welche Lage herrscht unter den Schafen der Christenheit, und warum sind die Schafe zerstreut?
14 Die untreue Nation Israel der alten Zeit war ein Vorbild der heutigen Christenheit, in der unter den Schafen eine ähnliche Lage herrscht. In der Zeitschrift Christian Heritage (Christliches Erbe) vom Februar 1964 hieß es über die in der Herde der Christenheit herrschenden Zustände: „Heutzutage befindet sich nur ein Schaf in der Hürde, und die neunundneunzig irren umher.“ Schafe fliehen aus der Hürde, wenn sie keinen Hirten haben. Pfarrer John R. Claypool, einer der Hirten der Christenheit, wies warnend darauf hin, daß die Baptistenkirchen einige ihrer besten jungen Leute an andere Glaubensgemeinschaften verlieren würden. Nach einem Bericht in der Zeitung Morning News (Morgennachrichten) von Dallas (Texas) vom 7. Mai 1963 sagte er: „Diese Art von Exodus nimmt bedrohliche Ausmaße an. Mittelpunkt der Krise scheint vor allem der Gottesdienst zu sein.“ Die jungen Lämmer sind auf der Suche nach etwas, was ihren Hunger und Durst wirklich stillt. Als eine Frau gefragt wurde, weshalb sie aus der Kirche ausgetreten sei, antwortete sie: „Die für die Baptistenkirche typische gesellige, ungezwungene und unehrerbietige Art von Gottesdienst sagte mir einfach nicht mehr zu.“ Die Schafe sind hungrig. Sie fühlen sich verloren und verlassen ohne einen wahren Hirten, der sie führt. Dr. Ralph W. Sockman, Pfarrer an der Christus-Kirche in New York, sagte, „sogar Christus würde sich in vielen Kirchen, die in seinem Namen errichtet wurden, nicht wohlfühlen, weil sie zugelassen haben, daß Kirchentum und Weltlichkeit die Einfachheit und Reinheit seines ursprünglichen Evangeliums zerstörten“. Sollten wir uns da noch wundern, daß die Schafe zerstreut sind? Sie sind sich selbst überlassen, sie werden nicht auf den Weg der wahren Gottesanbetung geführt.
15, 16. (a) Warum irren die Schafe umher? (b) Was sagte ein Beobachter über die Hirten und die Schafe?
15 Jehova erklärte, daß die Schafe irregehen, wenn sie von ihrem Hirten im Stich gelassen werden. Das klägliche Blöken der Schafe der Christenheit, ihr unstetes Umherschweifen, ihre unermüdliche Suche nach dem verlorenen Weg und ihre aussichtslosen Bemühungen, zur Herde zurückzufinden, sind der beste Beweis für das Versagen der Hirten der Christenheit. In einem Artikel, der im Family Herald (Familien-Herold) vom 25. Oktober 1962 unter der Überschrift „Die Herde braucht immer noch einen Hirten!“ erschien, stellte P. Radbourne folgende Fragen, die er dann auch beantwortete:
16 „Wo ist Pfarrer Brown von Montag bis Freitag? Sonntags steht er auf der Kanzel — wo aber ist er an den übrigen Tagen? Ich vermute, nicht an deiner und auch nicht an meiner Tür, und ich behaupte, daß die Kirche erst wieder eine wirksame Kraft im Leben ihres Volkes wird, wenn sie wieder in die Häuser zurückkehrt. Wir wollten, wir hätten wieder den Pfarrer von damals, der uns ab und zu besuchte, der die Leute, denen er am Sonntag predigte, kannte, jenen bescheidenen, ungehetzten Mann Gottes, der es sich zur Pflicht machte, bei jeder Familie einzukehren, der gern ein wenig plauderte, eine Tasse Tee trank und, bevor er wegging, niederkniete, um den Segen für die Familie zu erflehen. Das war der Mann, unter dessen gutem Einfluß die Jugend stand, als die Welt noch nichts von Jugendkriminalität wußte. Wer ist heute das wegweisende Licht meiner Kinder? Ich weiß es nicht; ich wünschte jedoch, es wäre ein Pfarrer. Der Geistliche scheint aber wochentags soviel zu tun zu haben, daß er sich nicht mit seiner Gemeinde befassen kann. Er steht mehreren Ausschüssen vor, ist Mitglied verschiedener gemeinnütziger Vereine und Organisationen und muß viele Vorträge halten; er ist daher viel unterwegs und fördert dadurch manche gute Sache. Unser Pfarrer ist tatsächlich überall, nur nicht bei uns! ... In der guten alten Zeit kam der Pfarrer bei jedem Wetter, unangemeldet und zu Fuß an unsere Tür. Er hatte keinen Wagen, kein Telephon, kein Büro und keine Sekretärin, die seine Abmachungen traf und seine Briefe schrieb. Aber er kam! Heutzutage wird es immer schwieriger, den Pfarrer zu erreichen, selbst mit der Hilfe eines Telephons oder eines schnellen Wagens ... Wir erwarten, daß der Hirt das eine verlorene Schaf sucht; was soll aber aus den neunundneunzig anderen werden? Wie kann der Hirt wissen, ob die Wölfe die Lämmer verschlingen, wenn er sich auf der anderen Seite des Berges aufhält?“
17. (a) Wer ist an dem bedauernswerten Zustand der Schafe der Christenheit schuld? (b) In was für einer Lage befinden sich die Schafe?
17 Wer ist an diesem bedauernswerten Zustand der Schafe der Christenheit schuld? Die Hirten mögen der Überhäufung mit Arbeit oder dem Tempo der heutigen Zeit die Schuld geben. Der Eigentümer der Schafe sagt uns jedoch, woran es liegt. In Jeremia 50:6 lesen wir folgende Worte Jehovas: „Mein Volk war eine verlorene Schafherde: ihre Hirten leiteten sie irre.“ Ja, die Hirten sind schuld. Sie kümmern sich nicht um die Schafe. Ihre Nachlässigkeit hat für die Herde unheilvolle Folgen gehabt. Die Schafe sind in die Irre gegangen und sind entweder verhungert, verdurstet oder von reißenden Wölfen verschlungen worden. Die Übriggebliebenen irren von Furcht erfüllt und verwirrt umher. Sie nennen sich Christen, wissen aber überhaupt nicht, was Christentum ist. Sie preisen die sittlichen Grundsätze des Christentums vom Frieden auf der Erde und von der Nächstenliebe, bemühen sich aber weder deren Bedeutung zu verstehen noch sich an sie zu halten. Es gibt für die zerstreuten Schafe nur eine Hoffnung: ihr Eigentümer, Jehova. Zu ihm müssen sie durch seinen König und Hirten, Jesus Christus, kommen, wenn sie nicht mit ihren nichtswürdigen Hirten vertilgt werden wollen. — Jes. 9:14-16; Hes. 34:16.
WAS EIN GUTER HIRT BEWIRKT
18. In was für einem Zustand befinden sich die Schafe in der Neuen-Welt-Gesellschaft der Zeugen Jehovas?
18 Jehovas Zeugen, die die gleichen Predigtmethoden anwenden wie einst Christus und seine Apostel, führen die Hausbesuche durch, die sich Radbourne wünscht, um mit seinem Pfarrer Kontakt zu haben. Ihre ernannten Hirten gehen führend voran, indem sie unangemeldet an den Türen vorsprechen und sich der Bedürfnisse der Schafe annehmen. Das hat ihnen Gottes Segen eingebracht, denn ihre Herden haben sich in wenigen Jahren hundertfach vermehrt. Die Schafe denken nicht daran, die Herde zu verlassen, sondern sind tätig und lernen ihr Verhältnis zum Schöpfer und zu seiner Organisation immer mehr schätzen. Es herrscht Frieden und Einheit unter der Herde, denn die Liebe des Hirten ist ein vollkommenes Band der Einigkeit. Da die Schafe geistig gut genährt und getränkt werden, sind sie zufrieden und glücklich.
19. Wie wirkt sich eine gute Führerschaft aus?
19 Ein guter Hirt bewirkt durch seine Tätigkeit, daß die Versammlung gewissermaßen das Ebenbild ihres Aufsehers wird. Die Schafe ahmen ihren Hirten nach. Nach Hebräer 13:7 werden sie geradezu aufgefordert, das zu tun: „Gedenkt derer, die unter euch die Führung übernehmen, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und während ihr den Ausgang ihres Wandels betrachtet, ahmt ihren Glauben nach.“ Dadurch, daß die Versammlung den Aufseher nachahmt, wird sie wie er. Ist er schnell bereit, theokratische Anweisungen und Anregungen zu befolgen, dann handelt die Versammlung ähnlich. Bemüht sich der Hirt ernstlich, die für den Predigtdienst empfohlenen Ziele zu erreichen, dann bemühen sich auch die Schafe in seiner Obhut, dasselbe zu tun. Ist der Aufseher dienstbereit, so wird ihm die Herde stets zur Seite stehen und ebenso positiv eingestellt und zuversichtlich sein wie er. Eine gute Führung durch den Aufseher ist daher wirklich ein Segen Jehovas. Sie führt zum Leben.
20. (a) Was sollte der Aufseher tun, wenn die Schafe nicht richtig folgen? (b) Womit können sich Hirt und Schafe trösten?
20 Niemand erwartet, daß die Schafe dem Hirten führend vorangehen. Der Hirt ist verpflichtet, die Herde zu leiten. Wenn ihm die Schafe nicht so folgen, wie sie es seiner Meinung nach tun sollten, ist es Zeit, daß er sich im Lichte des Wortes Gottes einer genauen Prüfung unterzieht. Er sollte sich fragen: „Geh ich der Herde in jedem Zweig des Predigtdienstes tatkräftig voran? Hüte ich die Herde behutsam, rücksichtsvoll, bereitwillig und voll Eifer? Oder bin ich ein strenger, tyrannischer Hirt? Geben meine Angehörigen und ich der Herde ein gutes Beispiel?“ Nach gebetsvoller Überlegung wirst du dir die Antwort selbst geben können. Suche dann die Fehler auszumerzen. Hirt und Herde können sich damit trösten, daß sie unter der Obhut des himmlischen Lammes Gottes stehen, das die in Offenbarung 7:17 aufgezeichnete Verheißung erfüllen wird: „Das Lamm, das inmitten des Thrones ist, [wird] sie hüten und sie zu Wasserquellen des Lebens leiten ... Und Gott wird jede Träne von ihren Augen abwischen.“