Fragen von Lesern
● Was ist das in 1. Johannes 2:7, 8 erwähnte „alte Gebot“ und das „neue Gebot“? — USA.
Die fraglichen Verse lauten wie folgt: „Geliebte, nicht ein neues Gebot schreibe ich euch, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet. Dieses alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. Wiederum schreibe ich euch ein neues Gebot, etwas, was in seinem Fall und in dem euren wahr ist, weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet.“ — 1. Joh. 2:7, 8.
Bezog sich der Apostel Johannes durch die Worte „ein altes Gebot“ auf das mosaische Gesetz? Kaum, denn er schrieb an Christen, die nicht unter dem Gesetz standen. (Röm. 6:14) Statt dessen scheint es — da das Thema des Briefes des Johannes Liebe ist —, daß er sich auf folgende Worte Jesu bezog: „Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe, daß auch ihr einander liebt.“ (Joh. 13:34) Als Johannes seinen ersten Brief schrieb (ca. 98 u. Z.), waren mehr als sechzig Jahre vergangen, nachdem Jesus zu Beginn des Christentums dieses Gebot der Liebe gegeben hatte. So konnte Johannes mit Recht sagen, daß es ein „altes Gebot“ war.
Was ist denn das „neue Gebot“, das Johannes in Vers acht erwähnt? Es scheint dasselbe zu sein wie das, welches er soeben das „alte Gebot“ genannt hatte. Wir können uns nicht vorstellen, daß Johannes den Nachfolgern Christi ein wahrhaft „neues“ Gebot gegeben hätte, das von jenem, das Jesus gelehrt hatte, verschieden gewesen wäre. Doch in welchem Sinne konnte Johannes es als „neu“ bezeichnen?
Er konnte es geradeso als neu bezeichnen, wie Jesus dies getan hatte. Es schloß in sich, daß man willens sein müßte, seine Seele zugunsten eines Bruders hinzugeben, etwas, was das mosaische Gesetz nicht gefordert hatte. (Joh. 15:12) Ferner war es neu in dem Sinne, daß es angesichts der sich verändernden Umstände und Situationen neu, ja mit neuer Dringlichkeit angewandt werden mußte. Gegen Ende des ersten Jahrhunderts u. Z. konnten die Christen, denen Johannes schrieb, mit dem Hinsterben der Apostel und als das ‘Geheimnis der Gesetzlosigkeit’ unter den Versammlungen schon am Werke war, die Veränderungen sehen und konnten die benötigte neue Anwendung der Liebe verstehen. (2. Thess. 2:6-8) Doch konnte Johannes ihnen schreiben, daß das „neue Gebot“ ‘in Christi Fall und in eurem’ wahr war, weil sie in ihrem Leben danach handelten, so wie Jesus danach gehandelt hatte. Im Begleittext zeigte Johannes, daß ein Christ, der seinen Bruder nicht liebt, in Finsternis ist. Es scheint daher, daß Johannes wegen der Zunahme der Liebe unter vielen Nachfolgern Christi schreiben konnte, daß „die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet“.
Angesichts der Schwierigkeit, die der Text in 1. Johannes 2:7, 8 bietet, haben eine Anzahl Bibelübersetzer der Neuzeit die Verse im Einklang mit der obigen Erklärung frei übersetzt. Zum Beispiel heißt es in der Übersetzung von Hans Bruns: „Geliebte, ich gebe euch hiermit kein neues Gebot; es ist das alte Gebot, das ihr von Anfang bekommen habt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. Und doch ist es auch wieder ein neues Gebot.“ Und in The New English Bible heißt es weiter: „... neu in dem Sinne, daß die Finsternis vergeht und das wahre Licht schon scheint. Christus hat dies wahr gemacht, und es ist wahr in eurer eigenen Erfahrung.“ Siehe auch die Übersetzung von Otto Karrer, Dr. Hermann Menge und Rupert Storr.
Demzufolge beziehen sich beide Ausdrücke, das „alte Gebot“ und das „neue Gebot“, offensichtlich auf Jesu Anweisung, daß seine Nachfolger einander so lieben sollen, wie er sie geliebt hat.
● Was bedeutet der Kommentar in Offenbarung 19:10: „... das Zeugnisgeben für Jesus ist das, was zum Prophezeien inspiriert.“? — USA.
Diese Worte sind ein Teil dessen, was ein Engel dem betagten Apostel Johannes sagte, als ihm Johannes in einem Augenblick starker Gefühlsbewegung zu huldigen begann. Der Engel sprach: „Sieh dich vor! Tu das nicht! Ich bin nichts weiter als ein Mitsklave von dir und deinen Brüdern, die das Werk des Zeugnisgebens für Jesus innehaben. Bete Gott an; denn das Zeugnisgeben für Jesus ist das, was zum Prophezeien inspiriert [buchstäblich: „ist der Geist des Prophezeiens“].“ (Offb. 19:10) Die fraglichen Worte bedeuten im Grunde, daß der „Geist“ oder die ganze Absicht und der Zweck der biblischen Prophezeiung darin besteht, auf Jesus Christus hinzuweisen.
Jehova Gott hat seinem Sohn Jesus die Hauptrolle in der Ausführung seines Vorhabens zugewiesen, wodurch Sein Name geheiligt werden soll und die Erde und ihre menschliche Bevölkerung wieder den richtigen Platz in seiner Einrichtung erhalten wird. (Eph. 1:9, 10; Kol. 2:3) Die Verwirklichung des großen Vorhabens Gottes ist aufs engste mit Jesus verknüpft; daher hat die Prophezeiung der Bibel oder der von Gott inspirierten Botschaften, wie sie seine Diener verkündigten, hauptsächlich auf Jesus hingewiesen.
Gott selbst begann mit diesem Prophezeien, als er den „Samen“ voraussagte, der schließlich der Schlange, nämlich dem Widersacher Gottes, dem Teufel, den Kopf zertreten würde. (1. Mose 3:15; Offb. 12:9) Die zahlreichen inspirierten Prophezeiungen über den Samen, seine Stellung und seine Leistungen legten alle Zeugnis für Jesus ab. (1. Mose 22:18; 2. Sam. 7:12-16; Ps. 2:6-12; 110:1-7; Jes. 53:1-12; Micha 5:2-6) Wie der Apostel Petrus sagte: „Ihn [Christus] betreffend legen alle Propheten Zeugnis ab.“ (Apg. 10:43) Die prophetischen Visionen des Buches der Offenbarung enthalten ebenfalls vieles, was sich auf Jesus als Gottes siegenden König bezieht. — Offb. 5:12 bis 6:2; 19:11-16.
Selbst die treuen Engel im Himmel waren an den Prophezeiungen der Hebräischen Schriften über den Christus interessiert. (1. Petr. 1:10-12) Zusammen mit Gottes Dienern auf der Erde konnten sie erkennen, daß in Jesus, wenn er einmal seine Treue bis in den Tod bewiesen hätte und auferstanden wäre, ‘so viele Verheißungen Gottes es auch gibt, sie durch ihn zum Ja geworden sind’. (2. Kor. 1:20) Somit konnte der Engel, der mit Johannes redete, mit Recht darauf hinweisen, daß der ganze „Geist“ oder die ganze Neigung und der ganze Zweck dieser Prophezeiungen darin bestand, für Jesus Zeugnis abzulegen.
Dasselbe kann von dem Prophezeien und den Prophezeiungen gesagt werden, die in den Christlichen Griechischen Schriften enthalten sind. Diese schlossen offensichtlich das Zeugnisgeben über Jesus direkt ein, die Durchführung des Predigtwerkes, zu dem er den Auftrag gegeben hatte, oder das Verständnis des Vorhabens Gottes das sich um das Königreich dreht, dessen König Jesus ist. (Apg. 21:9-13; 1. Kor. 14:22-25) Es gleicht dem Prophezeien durch Gottes Diener in diesen „letzten Tagen“ vor dem ‘großen und furchteinflößenden Tag Jehovas’. (Joel 2:28-32) Jehovas Zeugen geben keine neuen Prophezeiungen über die Zukunft heraus. Aber sie verkündigen die gegenwärtige und künftige Erfüllung der in der Bibel aufgezeichneten Prophezeiungen und prophezeien auch in dem Sinne, daß sie Gottes Botschaft heute verkünden. Dabei heben sie die Rolle hervor, die Jesus als Hauptfigur in Jehovas Vorsätzen als König Seines Königreiches innehat.