Fühlst du dich bedrückt?
DIE Gegenwart kann mit Recht als eine bedrückende Zeit bezeichnet werden. Daß immer mehr Menschen sich bedrückt fühlen, zeigt sich durch Gewalttat oder auf andere Weise. Ein Beispiel hierfür ist die „davongelaufene Ehefrau“, die in einem Artikel in der Zeitschrift Life vom 17. März 1972 als „auffallendes Phänomen unserer Zeit“ bezeichnet wurde.
Die Zeitschrift berichtete von einer Frau, die fünfunddreißig Jahre alt, akademisch gebildet, mit einem gutsituierten Geschäftsführer verheiratet und Mutter von drei Kindern ist. Nach vierzehnjähriger Ehe ließ sie ihre Familie plötzlich im Stich — die zehnjährige Tochter nahm sie mit, die zwei jüngeren Söhne überließ sie dem Vater — und begann ein Leben für sich. Warum? Weil sie sich „durch ihr Leben immer mehr bedrückt und eingeengt fühlte“. Nun verdient sie sich ihren Unterhalt als Lehrerin und gehört einer Frauenbefreiungsbewegung an.
Man könnte in einem solchen Fall jedoch mit Recht fragen: Bis zu welchem Grad ist der Betreffende selbst schuld? Sind die Verhältnisse, unter denen er leidet, tatsächlich so schlimm?
Gewiß, es gibt Verhältnisse, die wir, wie sogar die Bibel zeigt, nicht ändern können und die uns sehr bedrücken mögen. Wegen der Gesetzesübertretung Adams und Evas, unserer Ureltern, sind wir alle der „Nichtigkeit unterworfen“. Daher sehnen sich besonders alle, die Gerechtigkeit lieben, danach, „von der Sklaverei des Verderbens frei gemacht“ zu werden. — Röm. 8:20-22.
Das Wort Gottes stellt uns die Befreiung von dieser Bedrückung in Aussicht, und zwar durch Gottes Königreich, um das alle Christen beten mit den Worten: „Dein Königreich komme. Dein Wille geschehe ... auf der Erde.“ Bis Gottes Königreich dieser Bedrückung ein Ende macht, kann sie mit der Hilfe des Wortes, des Geistes und der Diener Gottes ertragen werden. — Matth. 6:10.
Andere fühlen sich bedrückt, weil sie versuchen, zuviel auf einmal zu tun. Vernünftiger und befriedigender wäre es, eins nach dem andern zu tun. Eine Biene in einem Hain von blühenden Apfelsinenbäumen gerät nicht aus der Fassung, weil sie so viele Blüten sieht, deren Nektar gesammelt werden muß. Nein, sie widmet ihre Aufmerksamkeit nur einer Blüte auf einmal. So sollten auch wir versuchen, eins nach dem andern zu tun.
Natürlich sollten wir in dieser Hinsicht praktische Weisheit bekunden. Wir sollten uns dessen bewußt sein, daß wir, wenn wir zuviel zu tun haben, einiges nicht tun können. Wir sollten deshalb das Wichtigste zuerst tun und dürfen der Versuchung nicht nachgeben, das zuerst zu tun, was uns am leichtesten fällt und was wir am liebsten tun. Dann spielt es keine so große Rolle, wenn etwas nicht getan wird.
Es wäre aber auch verkehrt, sich nur auf ein oder zwei Dinge zu konzentrieren und alle übrigen zu vernachlässigen. Äußerst gewissenhafte Personen müssen sich davor besonders in acht nehmen. Erledige eine Aufgabe nicht so gründlich, daß du für nichts anderes mehr Zeit hast. Gib, wie Jesus, der Sohn Gottes, sagte, den wichtigsten Dingen den Vorrang, vernachlässige aber auch die unbedeutenderen nicht.
Solltest du dich bedrückt fühlen, weil du zuviel zu tun hast, dann könntest du vielleicht andere zur Mithilfe heranziehen. Wenn ein großes Essen zuzubereiten ist, könnte die Mutter andere Familienglieder, auch die Kinder, bitten, ihr zu helfen. Das erstemal mag sie zwar mehr Zeit brauchen, um den Kindern zu zeigen, wie sie helfen können, doch bei späteren Gelegenheiten wird sie schließlich Zeit sparen. Das ist aber nicht alles. Die Erziehung der Kinder zur Hilfsbereitschaft fördert auch ihre geistige und seelische Reife.
Auch ein Ehemann mag sich mitunter bedrückt fühlen, weil er zuviel zu tun hat. Wenn er aber die nötige Geduld aufbringt, kann er aus seiner Frau eine tüchtige Hilfe machen. Sie kann lernen, mit dem Auto Besorgungen zu erledigen, Reparaturen im Haus vorzunehmen usw.
Vorgesetzte, wie Abteilungsleiter oder Geschäftsführer, könnten, wenn sie zuviel zu tun haben, sich entlasten, indem sie einem Untergebenen etwas von ihrer Arbeit übertragen. Auch in ihrem Fall wäre es vernünftig, bereit zu sein, eine gewisse Verantwortung abzutreten und es so zu vermeiden, daß man unter der seelischen Belastung zusammenbricht.
Andere wiederum fühlen sich bedrückt, weil von ihnen mehr erwartet wird, als sie tun können oder als vernünftigerweise von ihnen erwartet werden kann. Untersuchungen haben ergeben, daß dies in der Industrie und der Geschäftswelt eine allgemeine Erscheinung ist. Was ist in diesem Fall zu tun?
Ein Dichter schrieb: „Tue dein Bestes, dann kommt es nicht darauf an, ob du gelobt oder getadelt wirst.“ Versuche, solange du es mit deinem Gewissen vereinbaren kannst, dich mit den unvernünftigen Forderungen anderer — sei es am Arbeitsplatz, sei es zu Hause — abzufinden, indem du sie nicht allzu ernst nimmst oder sie mit etwas Humor gleichsam versüßt. Vielleicht kannst du deine Lebensweise irgendwie ändern, um dich der Situation anzupassen, an der du wahrscheinlich wenig — wenn überhaupt etwas — ändern kannst. Denke an den biblischen Grundsatz, daß letzten Endes jeder von uns vor dem Schöpfer steht oder fällt. ‘Was immer du daher tust, arbeite daran mit ganzer Seele als für Jehova.’ — Röm. 14:4; Kol. 3:23, 24
Und wenn du dich ärgerst, dann laß dich nie dazu hinreißen, gewalttätig zu werden. Ein Psychologe sagte: „Wenn man Ärger hat, ist es das beste, ihn hinunterzuschlucken.“ Ja „erhitze dich nicht, nur um übelzutun“, rät die Bibel. — Ps. 37:8.
Gib also nicht auf. Die zuvor erwähnte Frau, die ihrem Mann davongelaufen ist, gibt zu, daß sie nach wie vor Probleme hat, nur mit dem Unterschied, daß es nun ihre Probleme sind. Was wird aber aus den beiden kleinen Jungen, die sie im Stich gelassen hat? Was wird aus ihr werden, wenn sie älter wird? Ihr Mann mag wieder heiraten, doch welcher Mann möchte eine Frau mit einer solchen Einstellung heiraten? Werden ‘ihre Söhne aufstehen und sie glücklich preisen’? Wird ihr Mann sie preisen, wie gemäß den Worten König Lemuels eine tüchtige Ehefrau gepriesen wird? Dadurch, daß sie vor ihren Familienproblemen davonlief, kam sie ziemlich sicher vom Regen in die Traufe. — Spr. 31:10, 28.
Ja, es gibt andere Möglichkeiten, bedrückenden Situationen zu begegnen, als gewalttätig zu werden oder davonzulaufen!