Wo bleibt das gutnachbarliche Verhalten?
WARUM verhalten sich viele Leute, die nebenan wohnen, nicht mehr wie Nachbarn? Experten nennen mehrere Gründe. Die meisten davon hängen mit der modernen Lebensweise zusammen.
Dazu zählt die Mobilität. Viele Leute ziehen häufig um. Sie haben daher wenig Zeit, ihre Nachbarn kennenzulernen und nachbarliche Beziehungen anzuknüpfen.
Auch sogenannte Geisterstädte werden erwähnt. Dabei handelt es sich um Wohnviertel, die tagsüber wie ausgestorben sind, weil alle entweder einer Arbeit nachgehen oder in der Schule sind. Am Abend geht man wieder weg oder sitzt in stiller Runde vor dem Bildschirm. Angehörige solcher Familien sind häufig nicht nur für die Nachbarn Fremde, sondern sind sich auch gegenseitig fremd.
Baustil und Städteplanung tragen ebenfalls einen Teil der Schuld. Apartments in Hochhäusern werden als in sich geschlossene Einheiten entworfen. Die darin wohnenden Familien haben deshalb wenig Berührung mit ihren Nachbarn.
Auch die Überbetonung der Privatsphäre macht man verantwortlich. In einigen Gegenden legt man großen Wert auf die Privatsphäre. „Man kann doch nicht einfach bei einem Bekannten anklopfen und ihn besuchen“, sagte eine Vorstädterin. Als eine Frau unerwartet von einer Nachbarin besucht wurde, die Witwe war und ihre Einsamkeit beklagte, wies sie diese Besucherin kühl ab, weil sie ihre Privatsphäre bewahren wollte. Noch am selben Abend beging die einsame Witwe Selbstmord.
Die Kriminalität ist ein weiterer Faktor, der genannt wird. Die Furcht vor Verbrechen hat einige Wohnviertel in nächtliche Gefängnisse verwandelt, in denen sich Familien bei Sonnenuntergang furchtsam einschließen und sich nur wenige nach draußen wagen.
All das hat zweifellos mit zum Schwinden gutnachbarlicher Beziehungen beigetragen. Doch für einiges, was geschieht, muß es noch tiefere Gründe geben. In einer Wohngegend wurde eine junge Frau eine halbe Stunde lang von einem Mann verfolgt. Er griff sie dreimal an und erstach sie schließlich. Achtunddreißig Nachbarn hörten ihre Schreie oder sahen, wie sie angegriffen wurde, doch sie ignorierten das Ganze. Nur einer rief die Polizei — zu spät. Solch kalte Gleichgültigkeit gegenüber Nachbarn ist nicht selten.
Eine derartige Unmenschlichkeit verrät schwerwiegende Fehler in der Persönlichkeit der Betreffenden. Ein Bibelleser wird dabei an das erinnert, was der Apostel Paulus für unsere Tage vorhersagte: „Die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, ... ohne natürliche Zuneigung, für keine Übereinkunft zugänglich, ... ohne Selbstbeherrschung, ... ohne Liebe zum Guten, ... die mehr Vergnügungen lieben als Gott“ (2. Tim. 3:2-4).
Die Erfüllung dieser Worte bedeutet, daß wir in sehr kritischen Zeiten leben, und auch in deiner Nachbarschaft mag man diese Einstellung offenbaren. Dennoch gibt es keinen Grund, weshalb wir uns gegenüber unseren Mitmenschen nicht gutnachbarlich verhalten sollten. Es kann eine herzerfreuende Reaktion auslösen. Wie kannst du heute auf vernünftige Weise ein guter Nachbar sein?