Ein Jesuit findet die Wahrheit
Von Julio Iniesta García erzählt
WELCHE Reaktion löst das Wort „Jesuit“ bei dir aus? Es könnte höchste Achtung oder auch tiefster Abscheu sein. Der Durchschnittskatholik versteht unter diesem Begriff einen Geistlichen und Angehörigen eines strengen Ordens, der im Erziehungs- und Missionswesen tätig ist. Viele Nichtkatholiken sehen in einem Jesuiten jemand, der folgender Definition eines Wörterbuches entspricht: „Jemand, der für Intrige oder Doppelzüngigkeit bekannt ist.“
Bis November 1977 war ich ein geweihter Priester der Gesellschaft Jesu oder der Jesuiten, wie sie im allgemeinen genannt werden. Dann schied ich aus. Vielleicht möchtest du gern wissen, weshalb ich ein Jesuit wurde und was mich veranlaßte, nach fünfundzwanzig Jahren das Priesteramt niederzulegen.
Frühes Leben im katholischen Spanien
Ich wurde im Frühjahr 1918 geboren und war das dritte von insgesamt zehn Kindern. Mein Vater hatte in Murcia (Südostspanien) eine Gaststätte, Nigeria genannt. Wie fast jeder Spanier damals erhielt ich die übliche religiöse Erziehung als Katholik, die u. a. den Besuch der Messe am Sonntag und die Beichte am Freitag einschloß.
Schon als Jugendlicher beschäftigte ich mich mit Religion und hatte ein starkes Verlangen, Gott und meinem Nächsten zu dienen. Daher beschloß ich, der Marianischen Kongregation in Murcia beizutreten. Das war eine Gruppe junger Leute, die in der Hauptsache aus Studenten und Schülern höherer Schulen bestand und von Jesuiten geleitet wurde. Schließlich wurde ich als Sprecher für die Missionen eingesetzt, und ich verspürte allmählich den Wunsch, als katholischer Missionar zu wirken. Kurz danach überzeugten mich die bitteren Erfahrungen, die ich im spanischen Bürgerkrieg machte, noch mehr von der Notwendigkeit, Gott und meinem Nächsten zu dienen.
Aus Gewissensgründen im Gefängnis
Im Jahre 1936 brach der Bürgerkrieg aus. Mit 18 Jahren wurde ich aufgefordert, ein Regime zu verteidigen, das in meinen Augen atheistisch war. Da ich es für unmenschlich hielt, die Waffen gegen meine katholischen Brüder zu erheben, weigerte ich mich, dem Einberufungsbefehl Folge zu leisten. Ich wurde deshalb verhaftet und später zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Als Achtzehnjähriger blickte ich also einem Gefängnisaufenthalt entgegen, der mir wie eine Ewigkeit erschien. Nach einigen Monaten wurde ich in ein Zwangsarbeitslager nach San Pablo de los Montes in der Provinz Toledo (Mittelspanien) überführt.
Nachdem ich dort achtzehn Monate verbracht hatte, halb verhungert war und ständig in Todesgefahr gestanden hatte, errangen die Truppen Francos den Sieg, und wir wurden befreit. Erleichtert kehrte ich nach Hause, nach Murcia, zurück.
Ich hatte viel Leid durchgemacht und auch andere leiden sehen, doch meinen Glauben an Gott hatte ich nicht verloren. Da ich so viel Böses in der Welt gesehen hatte, wurde mein Wunsch, Missionar zu werden, noch stärker. Aufgrund meines Kontakts mit den Jesuiten setzte ich es mir zum Ziel, die Voraussetzungen für die Aufnahme in diese Gesellschaft zu erfüllen. Das war nicht leicht. Die Disziplin der Jesuiten verlangt das Gelübde des Gehorsams, der Armut und der Keuschheit. Ich war bereit, zeit meines Lebens ehelos zu bleiben, obgleich ich die natürlichen Wünsche eines jeden jungen Mannes hatte. Auf alle Fälle wollte ich Gott dienen und Missionar werden.
Harte Schulung als angehender Jesuit
Im Jahre 1947 unterzogen mich Jesuitenpatres mehreren Gehorsams- und Demutsprüfungen, um festzustellen, ob ich die Voraussetzungen erfüllte, als Novize aufgenommen zu werden. Zu meiner Freude wurde ich angenommen und in das streng geregelte Leben der Gesellschaft Jesu eingeführt. Ende Zwanzig war ich schließlich auf dem Weg, Missionar zu werden. Es lagen aber immer noch zwölf harte Jahre des Studiums und schwieriger Charakterprüfungen vor mir.
Zum Beispiel verrichtete ich während der ersten beiden Jahre als Novize dreißig Tage lang niedrige Arbeiten wie Flure schrubben und Toiletten putzen. Ich erinnere mich zum Beispiel, daß ich einmal gerade mit dem Putzen eines Flurs fertig war, als ein „Bruder“ kam, der meine Arbeit inspizierte. Um meine Demut und meinen Gehorsam zu prüfen, stieß er absichtlich den Eimer mit dem schmutzigen Wasser um, so daß ich nochmals von vorn anfangen mußte.
Weitere dreißig Tage besuchte ich mit einem anderen Novizen mehrere Dörfer, wobei wir von den Almosen lebten, die man uns gab. Danach waren dreißig Tage für die Arbeit in einem Krankenhaus unter Patienten mit Infektionskrankheiten vorgesehen.
Im Jahre 1949 begann ich an Seminaren in San Cugat del Vallés (Barcelona) und Buenos Aires (Argentinien) zu studieren. Das Studium umfaßte u. a. Kurse in Philosophie, Psychologie, Moral und Pastoraltheologie. Zu dieser Zeit erhielt ich meine erste Missionarzuteilung als Lehrer an der San-Calixtus-Schule in La Paz (Bolivien).
Am 29. Juli 1957, als ich 39 Jahre alt war, kam der lang ersehnte Tag der Weihe zum Jesuitenpater. Damals warf ich mich zum Zeichen der Unterwerfung und des Gehorsams in Gegenwart des Diözesanbischofs auf den Boden der Kirche der Theologischen Fakultät in San Cugat del Vallés.
Ich kehrte nach Bolivien zurück, wo ich beschloß, unter der ärmeren Bevölkerung zu arbeiten. Man sandte mich als Gemeindepriester nach Uncía, einer Bergwerksgemeinde hoch in den Anden. Später wirkte ich in Cochabamba als Priester der Gemeinde Santa Vera-Cruz. Durch meine Arbeit hatte ich auch mit dem Schulwesen zu tun und war an der Gründung von sieben Grundschulen und höheren Schulen für die ärmere Bevölkerung beteiligt. Im Jahre 1972 wurde ich in die Gemeinde San Miguel in Sucre versetzt.
Meine ersten Zweifel
Während ich in den ärmeren Gemeinden Boliviens tätig war, kamen mir Zweifel. Sie betrafen zunächst nicht die Kirche, sondern ihre Vertreter. Ich mußte zum Beispiel jeden Monat einen bestimmten Prozentsatz der Kollekten und der Einnahmen für besondere Messen, Hochzeiten, Beerdigungen usw. an den Bischof am Ort abliefern. Da meine Gemeinde aus Armen bestand, war der Anteil für den Bischof nie besonders hoch. Es tat mir jeweils sehr weh, wenn er den Umschlag öffnete und verächtlich sagte: „Ist das die armselige Spende, die Sie mir bringen?“ Die ‘zwei kleinen Münzen der Witwe’ zählten bei ihm offensichtlich nicht (Lukas 21:1-4, Einheitsübersetzung).
Ich wollte von meinen Gemeindegliedern für die religiösen Dienste, die ich ihnen leistete, nichts fordern. Dadurch geriet ich in einen Konflikt. Ich nahm die Worte aus den Evangelien sehr ernst: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ (Matthäus 10:8, EÜ). Aber man sagte mir, dieser revolutionäre Schritt sei nicht gestattet, „um nicht den Interessen der übrigen Priester [in anderen Gemeinden] zu schaden“.
Des weiteren beunruhigte es mich, daß die Hierarchie bereit war, einheimische heidnische Vorstellungen und Bräuche in Verbindung mit der Verehrung des Cristo de la Vera-Cruz (Christus des wahren Kreuzes), der Statue in der Kirche meiner Gemeinde, anzuerkennen und zuzulassen. In manchen Fällen handelte es sich dabei um offenkundige Demonstrationen von dämonischem Fanatismus. Außerdem gab es bei diesen religiösen Festen viele Betrunkene, doch von offizieller Seite erhob sich keine Stimme gegen die heidnischen Trinkgelage.
Nach fünfjähriger Tätigkeit in Sucre bat ich um die Erlaubnis, meinen kranken Vater in Spanien zu besuchen. Man stelle sich meine Überraschung vor, als ich in Barcelona eintraf und erfuhr, daß meine Schwestern, Lola und Angelita, unter Anleitung einer Gruppe von Christen, Jehovas Zeugen genannt, die Bibel studierten. Besonders beeindruckten mich die Veränderungen, die in Lola vor sich gegangen waren, denn sie hatte nie ein besonderes Interesse an Religion gehabt. Und nun studierte sie die Bibel! Da ich in Bolivien keinen Kontakt mit Zeugen Jehovas gehabt hatte, entschloß ich mich, ihre Lehren zu untersuchen. Meine Schwestern gaben mir das kleine Buch „Vergewissert euch aller Dinge; haltet an dem fest, was vortrefflich ist”, und ich las es sogleich. Ich war angenehm überrascht, als ich feststellte, daß die Glaubensansichten der Zeugen völlig auf der Bibel beruhen. Schon als Kind hatte ich große Achtung vor der Bibel, und ich benutzte sie auch anstelle der Schriften der Kirchenväter oder der Geschichten über das Leben der „Heiligen“ als Grundlage für meine täglichen Meditationen.
Eine Herausforderung an meine katholischen Ansichten
Schließlich wollte ich die Zeugen einmal in Aktion sehen, um herauszufinden, ob sie das praktizierten, was sie predigten. Meine Schwestern luden mich in den Königreichssaal ein, wo die Zeugen am Ort ihre Zusammenkünfte abhielten. Das erstemal besuchte ich eine solche Zusammenkunft aus reiner Neugierde, und ich war ziemlich skeptisch. Aber meine Reaktion war sehr positiv. Ich war beeindruckt, als ich sah, daß diese demütigen Männer, Frauen und Kinder vor allem den Willen Gottes zu tun suchten. Was zu organisieren mir in Bolivien nicht gelungen war, hatte ich hier vor Augen: eine Gruppe echter Christen. Das mußte mit Sicherheit das Werk des heiligen Geistes sein.
Mit vielem, was ich in dem Buch las, war ich einverstanden, doch mit verschiedenen Lehren konnte ich nicht einiggehen. Man stellte mich einem Ältesten der Versammlung vor, Enrique Lleida — ein Mann Anfang Fünfzig, der damals als Arbeiter in einer chemischen Fabrik tätig war. Ich erinnere mich, daß wir uns in seinem Wagen lange unterhielten; ich legte ihm meine Haupteinwände gegen die Lehren der Zeugen dar. Im Gegensatz zu den Zeugen Jehovas war ich von der leibhaftigen Gegenwart Christi in der Hostie (Brot) bei der Messe überzeugt und glaubte außerdem, daß meine Seele einmal bei Christus sein werde, der für mich auch Gott war. Meine Zweifel wurden durch diese eine Unterhaltung noch nicht beseitigt. Um diese Zeit starb jedoch mein Vater, und ich kehrte wieder nach Bolivien zurück.
Bolivianische Zeugen besuchen mich
Auf eigenen Wunsch wurde ich versetzt, und zwar wieder in die Gemeinde Santa Vera-Cruz in Cochabamba. Dort faßte ich erneut den Entschluß, nach der Wahrheit zu suchen und mich ‘aller Dinge zu vergewissern’, um einen falschen Schritt zu vermeiden (1. Thessalonicher 5:21). Zwei bescheidene bolivianische Zeugen besuchten mich, Ginés Navarro, ein Spanier aus Katalonien, und Ariel Araoz, ein gebürtiger Bolivianer. Ihre Demut und ihre Überzeugung beeindruckten mich. Sie versuchten nicht, mich in eine hitzige Debatte zu verwickeln, was ich schätzte, sondern wir tauschten lediglich Eindrücke aus.
Trotz meiner intensiven Gemeindearbeit wurde mit mir anhand des Buches „Vergewissert euch aller Dinge; haltet an dem fest, was vortrefflich ist“ ein systematisches Studium der Bibel begonnen. An vielen Abenden lenkte ich meine Schritte nach der Messe in den Königreichssaal, wo ich mich freute, Gottes Wort zu hören und den Wachtturm zu studieren.
Katholisches Dogma kontra Bibellehre
Eine der Lehren, die ich wahrscheinlich am leichtesten aufgeben konnte, war diejenige von der Unsterblichkeit der Seele mit all ihrem Drum und Dran (Höllenqual, Fegefeuer, Limbus usw.). Ein ganz einfacher Schrifttext schaffte für mich Klarheit. Es war 1. Mose 2:7, wo es heißt: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen [„eine lebendige Seele“, Elberfelder Bibel]“ (EÜ). Der Bericht sagt nicht, daß der Mensch eine lebendige Seele, die nach dem Tod weiterlebe, erhielt, sondern daß er eine Seele wurde. Ich schlußfolgerte also, daß ich eine Seele bin. Das stimmte mit der Wiedergabe von 1. Korinther 15:45 in der spanischen Übersetzung von José María Bóver, einem meiner Professoren am Seminar in San Cugat, überein. Dieser Text lautet: „So steht auch geschrieben: ,Der erste Mensch, Adam, wurde zu einer lebendigen Seele gemacht.‘“ Die Sterblichkeit der Seele wurde für mich hinreichend bestätigt, als ich 4. Mose 23:10 in der spanischen Bóver-Cantera-Bibel nachlas, wo es heißt: „Möge meine Seele den Tod der Gerechten sterben!“
Der härteste Schlag für mich war, als ich erkannte, daß Christus — entgegen der Dreieinigkeitslehre — nicht Gott ist und es auch nicht sein kann. Johannes 1:1 war meine Hauptstütze, bis ich den griechischen Text genauer untersuchte und feststellte, daß Christus göttlich sein konnte, das heißt göttlichen Ursprungs, ohne Gott, der Allmächtige, zu sein. Diese Erkenntnis in Verbindung mit anderen Schriftstellen half mir, die Rolle Jesu besser zu verstehen, der seinem Vater untergeordnet ist und stets zu dessen Lobpreis wirkt (1. Korinther 15:28; Johannes 14:28; Matthäus 24:36).
Durch dieses einfache Licht aus der Bibel und durch weitere Nachforschungen fand ich den Weg aus der theologischen Finsternis heraus, die mich so viele Jahre lang verblendet hatte. Ich erkannte, daß all meine fortgeschrittenen Studien in Theologie und Philosophie in der Praxis nicht die Früchte des wahren Christentums hervorgebracht hatten. Ich konnte diese Früchte in der katholischen Kirche nicht erkennen (Matthäus 7:16, 17; Galater 5:22, 23).
Eine Überraschung für meine Superioren
Ich gewann die Überzeugung, daß die katholische Kirche im Laufe der Jahrhunderte von der biblischen Wahrheit abgewichen war und sie durch menschliche Überlieferungen und Philosophien ersetzt hatte, daß also das Versagen nicht nur bei einzelnen Menschen lag. So wurde mir klar, daß ich im Herzen kein Katholik mehr war.
Ich beschloß, mein Austrittsgesuch dem Provinzial der Gesellschaft Jesu persönlich zu unterbreiten und um Entbindung von meinen Gelübden zu bitten. Welch eine Überraschung für ihn, meine Bitte zu hören! Er fragte, ob der Wunsch zu heiraten mich dazu veranlaßt habe. Ich verneinte, denn damals hegte ich keine derartige Absicht. (Nachdem ich ein getaufter Zeuge geworden war, änderte sich jedoch die Situation, und im Oktober 1978 heiratete ich eine liebe christliche Witwe.) Er sagte u. a.: „Julio, ich habe Sie immer für einen ausgeglichenen Menschen gehalten. Aber jetzt scheint mir, Sie sollten einen Psychiater aufsuchen.“
In einem langen Gespräch unterbreitete ich ihm meine Argumente in bezug auf die Fehler der Kirche. Seine Antwort lautete: „Ich gebe vieles von dem zu, was Sie sagen, doch meinen Sie nicht auch, daß Sie gerade aus diesem Grund verpflichtet wären, in der Kirche zu bleiben, damit Sie gemeinsam mit anderen versuchen könnten, die Fehler der Kirche zu korrigieren?“
Ich erwiderte: „Da alle diese Fehler auf einer ,unfehlbaren‘ Lehre beruhen, ist es unmöglich, sie zu korrigieren, denn dann müßte als erstes die Lehre von der Unfehlbarkeit abgeschafft werden.“ Weiter sagte ich: „Sehen Sie, ich habe viel darüber nachgedacht und versucht, das Evangelium in die Tat umzusetzen. Ich habe erkannt, daß dies unmöglich ist, weil die kirchlichen Stellen etwas von mir verlangen, was dem widerspricht. Da ich die Kirche nicht korrigieren oder ändern kann, was könnte ich dann Besseres tun, als die Kirche zu wechseln? Wenn ich sie doch nicht korrigieren kann, ist es besser für mich, sie zu verlassen und die wahre Kirche zu suchen.“
Später unterhielt ich mich erneut mit dem Provinzial über meine Absicht, meine Tätigkeit zu beenden. Er bat mich, es mir noch einmal zu überlegen. Ein weiterer Aufschub war unmöglich, und ich stellte ihm ein Ultimatum: „Entweder erlauben Sie mir, nach Spanien zurückzukehren, damit ich mich mit dieser Frage, die mein ewiges Leben berührt, eingehend befassen kann, oder ich werde meine Gemeinde verlassen und bei Zeugen Jehovas in Bolivien wohnen, um mich mit der Sache intensiver zu beschäftigen.“
Der letzte Vorschlag war für die Kirche unannehmbar, da die Angelegenheit in religiösen Kreisen in Bolivien zuviel Staub aufgewirbelt hätte. Schließlich erlaubte man mir, nach Spanien zurückzukehren, um bei meiner Schwester Lola zu wohnen.
Endlich frei!
Nachdem ich im Dezember 1976 nach Spanien zurückgekehrt war, gab ich alle religiösen Bräuche der katholischen Kirche auf und begann, in Verbindung mit den christlichen Zeugen Jehovas ein neues Leben zu führen. Dieser drastische Wechsel brachte seine Probleme mit sich. Wer würde einem 58jährigen ehemaligen Jesuitenpater in Spanien Arbeit geben wollen? Schließlich begann ich, als Privatlehrer zu arbeiten, und nebenher betreibe ich ein kleines Geschäft. Es reicht für jeden Tag aus, mehr habe ich nicht erbeten.
Im Jahre 1977 kam der Provinzial der bolivianischen Mission auf seinem Weg nach Rom nach Spanien. Er wollte meine endgültige Entscheidung wissen. Als ich ihm erklärte, daß ich von meinem Entschluß nicht abgehen würde, bat er mich, meine Motive der Generalkongregation und dem General der Gesellschaft Jesu in Rom schriftlich zu unterbreiten.
Als er aus Italien zurückkehrte, erklärte er: „Wie man mir in Rom gesagt hat, ist es das erstemal in der Geschichte, daß ein Jesuit um seine Entlassung aus der Gesellschaft gebeten hat, weil er die Wahrheit kennengelernt hat. Als ob die Jesuiten aufgrund all ihrer Studien nicht wüßten, was die Wahrheit ist!“
Menschliche Theologie — „eine Menge Kehricht“
Wenn ich auf die vielen Studienjahre an den Seminaren zurückblicke, verstehe ich jetzt, daß alle theologischen und philosophischen Ansichten, mit denen ich mich befaßte — verglichen mit dem wahrhaftigen Wort Gottes —, in Wirklichkeit ein Haufen Kehricht sind. Sie hielten die wahre Weisheit, die von Jehova durch Christus Jesus kommt und einem demütigen Herzen vermittelt wird, vor mir verborgen. Schreibt nicht der Apostel Paulus: „Hat Gott nicht die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?“ (1. Korinther 1:20)? Mit Paulus kann ich jetzt sagen: „Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles übertrifft. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat [„ein Menge Kehricht“, Neue-Welt-Übersetzung], um Christus zu gewinnen“ (Philipper 3:8, EÜ).
Schließlich trafen meine Entlassungspapiere ein, datiert vom 11. November 1977. Ich dankte Jehova und unterzeichnete sie.
Am 27. November desselben Jahres ließ ich mich auf einem Kreiskongreß der Zeugen Jehovas durch vollständiges Untertauchen im Wasser taufen. Dadurch symbolisierte ich öffentlich und im Einklang mit dem Beispiel Jesu und dem Auftrag, den er seinen Nachfolgern gab, meine Hingabe an Jehova (Matthäus 28:19, 20). An diesem Tag verspürte ich eine weit größere Befriedigung und Freude als am Tag meiner Weihe zum Jesuitenpater zwanzig Jahre zuvor. Nun war ich ein christlicher Zeuge des Souveränen Herrn Jehova geworden.
Seit meiner Taufe bin ich schon reich gesegnet worden. Ich beteilige mich regelmäßig am christlichen Predigtdienst und habe das Vorrecht, mehrere Heimbibelstudien mit interessierten Personen durchzuführen. Ich bin glücklicher denn je, da ich jetzt dem in Gottes Wort niedergelegten Beispiel Christi folge. Ich habe den wahren Gott, Jehova, und das Volk, das gottgefällige Liebe praktiziert, gefunden. Meine lange Suche nach der Wahrheit ist zu Ende. Deine auch?
[Herausgestellter Text auf Seite 11]
Vielleicht möchtest du gern wissen, was mich nach fünfundzwanzig Jahren Missionardienst veranlaßte, das Priesteramt niederzulegen.
[Herausgestellter Text auf Seite 12]
„Ich war angenehm überrascht, als ich feststellte, daß die Glaubensansichten der Zeugen völlig auf der Bibel beruhen.“
[Herausgestellter Text auf Seite 13]
„Da ich die Kirche nicht korrigieren oder ändern kann, was könnte ich dann Besseres tun. als die Kirche zu wechseln?“
[Bild auf Seite 14]
Der ehemalige Jesuit Iniesta verläßt nach seiner christlichen Taufe das Becken.