Kann die Religion die Krise überwinden?
POPULÄRE und religiöse Zeitschriften und Zeitungen sind schnell dabei, über die „Erfolge“ einiger Kirchen zu berichten. Man kann von Gebets-und-Lobpreisungs-Versammlungen lesen, die die Menschen Gott näherbringen. Wie verlautet, haben die Predigten in einigen Kirchen nun eher religiösen als sozialen oder politischen Charakter. Es wird von der Betreuung der Armen gesprochen, von sogenannten „Erneuerungswochenenden“, von Bibelstudiengruppen, vom Unterricht in liturgischen Tänzen und davon, daß Laien dort bereitwillig einspringen, wo ein Mangel an Priestern und Nonnen besteht. All das wird als Zeichen einer religiösen Erneuerung angesehen.
In einer Rede an die Nationale Vereinigung der Evangelikalen in den USA im März dieses Jahres erklärte Präsident Reagan: „In Amerika findet ein geistiges Wiedererwachen statt. Glaube und Hoffnung werden wiederhergestellt. Die Amerikaner kehren zu Gott zurück ... Und ich bin davon überzeugt, daß er begonnen hat, unser gepriesenes Land zu heilen.“ Eine solche zur Schau gestellte Zuversicht trägt viel dazu bei, daß der Eindruck entsteht, die zahlreichen Probleme, denen die bedrängte Menschheit heute gegenübersteht, würden letzten Endes durch ein geistiges Wiedererwachen gelöst werden.
All das klingt vielleicht sehr verheißungsvoll, doch was ist durch das „geistige Wiedererwachen“ und die „Erneuerung“ erreicht worden? Einige haben vielleicht inneren Frieden gefunden; sind sie aber bessere Christen geworden? Andere meinen, sie seien geistig gesinnter; sind sie aber mehr an geistigen Dingen interessiert als an materiellem Streben? Ist ihnen — angenommen, Gottlosigkeit ist die Hauptursache für die heutige Krise — geholfen worden, Gottergebenheit zu bekunden? Von den Antworten auf diese Fragen hängt es ab, ob die Religion die heutige Krise überwinden kann oder nicht.
Was ist Gottergebenheit?
Unter Gottesfurcht oder Gottergebenheit versteht man in biblischem Sinne eine Ergebenheit gegenüber Gott oder ein Ausgerichtetsein auf Gott. Folglich handelt es sich um weit mehr als eine bloße Zurschaustellung äußerlicher Frömmigkeit oder Religiosität. Wer Gottergebenheit besitzt, ist hauptsächlich darum besorgt, Gottes Willen kennenzulernen und zu tun und ein vertrautes Verhältnis zu ihm zu haben, nicht um die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse. Das Ergebnis ist, daß sich das Leben des Betreffenden zum Besseren ändert, denn „Gottergebenheit ... ist für alle Dinge nützlich, da sie eine Verheißung auf gegenwärtiges und künftiges Leben hat“ (1. Timotheus 4:8).
Trifft dies auf Personen zu, die sich nur deshalb der Religion zuwenden, weil sie mit den Realitäten des Lebens unzufrieden sind? Oder sind sie eher mit denjenigen zu vergleichen, von denen der Apostel Paulus sagte, daß sie „eine Form der Gottergebenheit haben, sich aber hinsichtlich deren Kraft als falsch erweisen“? (2. Timotheus 3:5).
Wenn sich jemand Gott lediglich zuwendet, um persönliche Bedürfnisse zu befriedigen, und nicht, um seinen Willen kennenzulernen und ihm zu dienen, so ist er eigentlich nicht Gott ergeben, sondern sich selbst. Diese Art von Ergebenheit ist wertlos, wenn es darum geht, das Leben einer Person dahingehend zu ändern, daß selbstsüchtiges Streben dem wahren Dienst der Selbstaufopferung für Gott weicht.
Die Feststellung des Paulus stimmt mit dem überein, was Jesus in seiner berühmten Bergpredigt äußerte. Er wies darauf hin, daß nicht alle, die behaupten, seine Nachfolger zu sein, für ihn annehmbar sind, und sagte dann: „Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: ‚Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen prophezeit und in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Machttaten vollbracht?‘ Und doch will ich ihnen dann bekennen: Ich habe euch nie gekannt! Weichet von mir, ihr Täter der Gesetzlosigkeit“ (Matthäus 7:22, 23).
Eine bloße Zurschaustellung von Religiosität ist für Gott nicht von Bedeutung. Um Gottes Leitung und Segen zu verspüren, muß man bereit sein, Gottes Richtlinien, die in der Bibel enthalten sind, anzuerkennen und sie im Leben anzuwenden. Der Psalmist schrieb: „Dein Wort ist eine Leuchte meinem Fuß und ein Licht für meinen Pfad“ (Psalm 119:105). Wird Personen, die sich heute der Religion zuwenden, geholfen, solche Richtlinien kennenzulernen und zu befolgen?
Was zeigen die Tatsachen?
Eine vor kurzem unter 10 000 praktizierenden Katholiken in 60 Gemeinden der Vereinigten Staaten durchgeführte Umfrage ergab, daß 77 Prozent darum besorgt sind, was ihrem Land widerfahren wird, während sich nur 40 Prozent über „Fragen des persönlichen Heils“ Gedanken machen. Desgleichen stellte sich bei einer Gallup-Umfrage heraus, daß von allen Fragen, die die Leute Gott gern stellen würden, folgende am meisten genannt wird: „Wird es je dauerhaften Weltfrieden geben?“
Gewiß ist es in der gegenwärtigen kritischen Zeit nicht verkehrt, sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Aber wie sehr unterscheiden sich solche Reaktionen doch von der Aufforderung Jesu an seine Jünger: „Wenn ... diese Dinge zu geschehen anfangen, dann richtet euch auf und hebt eure Häupter empor, denn eure Befreiung naht“ (Lukas 21:28). Die Umfragen lassen hingegen erkennen, daß heutzutage Herz und Sinn der Menschen von Furcht beherrscht werden trotz des Geredes von einem geistigen Wiedererwachen. Ihre Form der Religion hat ihnen kaum geholfen, die Krise unserer kritischen Zeit zu überwinden. (Siehe Lukas 21:26.)
Was das Geistiggesinntsein von Kirchenmitgliedern betrifft, wurde in einem Leitartikel der Zeitschrift Ministry, herausgegeben von den Siebenten-Tags-Adventisten, die Klage geäußert: „Nur allzuoft läßt unsere Lebensweise und die unserer Mitglieder kaum etwas erkennen, was uns von unseren nichtchristlichen Nachbarn unterscheidet.“ Vielmehr vermittle die Kirche ihren Anhängern „ein theologisches Grundprinzip, das den Materialismus und das Konsumverhalten“ der Ungläubigen nicht ausschließe, indem Gott als jemand hingestellt werde, ‚,der für sein Volk das Beste will und zusieht, daß es das erhält“.
Auch in der Londoner Zeitschrift The Economist wird berichtet, daß zwar „einige Anzeichen für ein andauerndes (sogar wachsendes) Interesse an religiösen Fragen zu beobachten sind“, doch es wurde weiter ausgeführt, daß „das Problem der Kirche von England darin besteht, zu wissen, wie sie denjenigen behilflich sein soll, die Fragen über den Glauben haben, wenn sie sich selbst nicht darüber im klaren ist, was sie glaubt“.
Wie steht es mit menschlichen Werten und auf dem Gebiet der Familie? Haben die Kirchen ihre Mitglieder gegen den verderblichen Einfluß und die Unmoral der Welt gewappnet? Sind aus ihnen bessere Ehemänner, bessere Ehefrauen, bessere Eltern und bessere Kinder geworden? Eine Umfrage unter 8 000 Jugendlichen und 10 000 Vätern und Müttern, die 13 Konfessionen angehören und regelmäßig zur Kirche gehen, gab zumindest einen Einblick in die Situation.
Gemäß der Zeitschrift Christianity Today sagten 42 Prozent der Jugendlichen, in ihrer Familie kämen nie religiöse Angelegenheiten zur Sprache, und 40 Prozent erklärten, sie wünschten sich mehr elterliche Anleitung auf sexuellem Gebiet. Unter den 15jährigen trinken 53 Prozent Alkohol, und 20 Prozent rauchen Marihuana. Eine frühere Untersuchung, über die in der Ann Arbor News berichtet wurde, ergab, daß von den 18jährigen 59 Prozent der Jungen und 42 Prozent der Mädchen bereits Geschlechtsverkehr hatten.
Helfen die Religionen ihren Anhängern wenigstens, sich von dem weltlichen Geist der Gewalttätigkeit fernzuhalten? Ist das nicht das mindeste, was wir von der Religion erwarten würden, wenn sie wirklich eine stabilisierende Kraft in der heutigen kritischen Zeit sein soll? Doch erkennen immer mehr Menschen, daß die Religion traurigerweise direkt oder indirekt zu den meisten Kriegen und Konflikten beigetragen hat, die die Menschheit heimgesucht haben. Was kommt dir in den Sinn, wenn Länder wie Irland, Libanon und Iran erwähnt werden? Sind die großen Religionen trotz Hirtenbriefen und Friedensmärschen heute nicht in einige der blutigsten Konflikte verwickelt?
Was ist daher von dem sogenannten religiösen Wiedererwachen zu sagen? Vielleicht gibt es Anzeichen für eine religiöse Erneuerung, aber man kann kaum von einem geistigen Wiedererwachen sprechen. Die meisten derer, die sich den Religionen der Welt zuwenden, werden nicht im Glauben auferbaut oder gestärkt, so daß sie den kritischen Zeiten die Stirn bieten können, sondern sie geraten in eine bequeme Routine und werden mit einer formalistischen Anbetung abgespeist. Es ist „eine Form der Gottergebenheit“ — wie der Apostel Paulus es nannte —, die ihnen keine Kraft verleiht. Das oberflächliche „Wiedererwachen“ bzw. die „Erneuerung“ paßt zu den übrigen sich verschlimmernden Zuständen — moralischer Verfall, Familienzerrüttung, Kriminalität, Gewalttat usw. —, die unsere kritische Zeit kennzeichnen (2. Timotheus 3:1-5).
Was wird der Ausgang sein?
Die Bibel gebraucht die einstige religiöse Stadt Babylon als Symbol, um auf den völligen Zusammenbruch als das Schicksal der Weltreligion hinzuweisen. Im Buch der Offenbarung wird vorhergesagt: „Ein starker Engel hob einen Stein auf gleich einem großen Mühlstein und schleuderte ihn ins Meer, indem er sprach: ‚So wird Babylon, die große Stadt, mit Schwung hinabgeschleudert werden, und sie wird nie wieder gefunden werden‘“ (Offenbarung 18:21).
Bevor dieses schnelle Ende kommt, bietet sich dir jedoch die Gelegenheit, die göttliche Warnung aus Offenbarung 18:4 zu beachten: „Geht aus ihr hinaus, mein Volk, wenn ihr nicht mit ihr teilhaben wollt an ihren Sünden und wenn ihr nicht einen Teil ihrer Plagen empfangen wollt.“ In der ganzen Welt, in 205 Ländern, haben Jehovas Zeugen diese Warnung beachtet und sind zu Gottes Königreich als der einzigen Hoffnung für die Menschheit geflohen (Matthäus 24:14). Wirst du dich diesen Tausenden anschließen und an den Ort der Sicherheit fliehen? Die Entscheidung liegt bei dir.
[Herausgestellter Text auf Seite 6]
Sind die großen Religionen trotz Hirtenbriefen und Friedensmärschen heute nicht in einige der blutigsten Konflikte verwickelt?
[Bild auf Seite 5]
Einige meinen, sie seien religiöser; hat aber ihr Interesse an geistigen Dingen wirklich zugenommen?
[Bild auf Seite 7]
Heute beachten Hunderttausende die Warnung, die falsche Religion zu verlassen