Fragen von Lesern
◼ Schickt es sich für einen Christen, an einem verstorbenen Angehörigen eine Autopsie vornehmen zu lassen?
Die Bibel sagt nicht direkt etwas über die Autopsie, aber es gibt einige biblische Gedanken diesbezüglich, die ein Christ in Erwägung ziehen kann. Dann kann er unter Berücksichtigung solcher Texte und der jeweiligen Situation eine persönliche Entscheidung treffen.
Eine Autopsie oder Obduktion ist eine chirurgische Untersuchung (Sezierung) einer Leiche zur Feststellung der Todesursache. Sie kann auch Aufschluß über die Auswirkungen oder den Verlauf einer Krankheit vermitteln. Die Ansicht mancher religiöser Organisationen über Autopsien ist durch unbiblische Lehren geprägt worden. In der Catholic Encyclopedia for School and Home heißt es beispielsweise: „Der Körper des Verstorbenen sollte als die frühere Wohnstätte seiner Seele in Ehren gehalten werden ... Er wird während der allgemeinen Auferstehung mit seiner Seele zu ewigem Leben auferstehen ... Zwischen dem medizinischen Tod und dem Weggang der Seele kann ein zeitlicher Abstand liegen.“ Die Bibel zeigt jedoch, daß ein Mensch (eine lebende Seele), wenn er stirbt, eine tote Seele wird (1. Mose 2:7; 7:21-23; 3. Mose 21:1, 11). Wie steht es mit seinem Körper? Wir lesen sowohl hinsichtlich der „Menschensöhne“ als auch hinsichtlich der „Tiere“: „Sie alle sind aus dem Staub geworden, und sie alle kehren zum Staub zurück“ (Prediger 3:18-20). Gott wird in der Auferstehung nicht den Körper auferwecken, der lange zuvor Staub geworden ist, sondern wird einen Körper bereiten, so wie es ihm gefällt. (Siehe 1. Korinther 15:38, 47, 48.)
In Verbindung mit der Autopsie kann noch ein anderer Faktor der biblischen Ansicht über die Toten berücksichtigt werden. Gott gebot Israel: „Ihr sollt euch wegen einer verstorbenen Seele nicht Einschnitte in euer Fleisch machen, und ihr sollt kein Tätowierungszeichen an euch anbringen. Ich bin Jehova“ (3. Mose 19:28; 5. Mose 14:1, 2; Jeremia 47:5; Micha 5:1). Ja, Gottes Volk sollte nicht Menschen aus den Nachbarnationen nachahmen, die als Zeichen der Trauer über einen Verstorbenen oder aus irgendwelchen irrigen religiösen Gründen ihr Fleisch verstümmelten. Dieses Gebot muß die Israeliten auch ermuntert haben, ihren Körper als Gottes Schöpfung zu achten (Psalm 100:3; 139:14; Hiob 10:8).
Christen sollten ebenfalls gebührende Achtung vor ihrem Leben und vor ihrem Körper haben, den sie Gott hingegeben haben (Römer 12:1). Manche schlußfolgern, daß diese Achtung vor dem Körper ihre Einstellung zur Autopsie bestimmen sollte. Sie ziehen es vor, die Leiche eines geliebten Angehörigen nicht sezieren zu lassen, es sei denn, es bestehe ein zwingender Grund. Sie wissen, daß manchenorts Blut von Leichen zu Transfusionszwecken oder anderen Zwecken verwendet wurde, und damit wollen sie nichts zu tun haben.a
Warum lassen dann einige Christen eine Autopsie zu? Ihnen ist bewußt, daß die Bibel keinen deutlichen Kommentar über diese medizinische Maßnahme enthält. Vielleicht haben sie auch im Sinn, daß die Israeliten in Ägypten den ägyptischen Ärzten gestatteten, Jakob und Joseph einzubalsamieren, was wahrscheinlich chirurgische Maßnahmen erforderte, um die inneren Organe zu entfernen (1. Mose 50:2, 3, 26). In vielen Ländern ist es gesetzlich vorgeschrieben, daß in gewissen Fällen eine Autopsie vorgenommen wird. Wenn beispielsweise ein junger, gesunder Mensch ohne offensichtliche Ursache stirbt, wird möglicherweise eine Autopsie angeordnet. Verlangt das Gesetz eine Autopsie, dann behalten Christen den Rat im Sinn, daß sie „den obrigkeitlichen Gewalten untertan“ sein sollten (Römer 13:1, 7; Matthäus 22:21).
Selbst wenn die wahrscheinliche Todesursache bekannt ist, weil der Betreffende sich in ärztlicher Behandlung befand, kann eine Autopsie nützliche Informationen zutage bringen. Vielleicht wollen die Kinder des Verstorbenen die genaue Ursache wissen, um ihre Kenntnisse über die Krankheitsgeschichte der Familie zu erweitern. Solche Informationen können sich auf ihren künftigen Lebensstil oder ihre medizinische Behandlung auswirken. Es gibt noch andere Gründe, warum einige in eine Autopsie einwilligen. Ein durch Gewebeuntersuchungen dokumentierter Obduktionsbericht kann den Hinterbliebenen den Weg für Entschädigungen ebnen, wie zum Beispiel der Nachweis eines Lungenschadens durch die Tätigkeit in einem Kohlenbergwerk. Manche sind der Meinung, eine Autopsie würde zu ihrer Beruhigung beitragen, weil sie sich dann darüber im klaren wären, was oder was nicht zum Tod eines Angehörigen geführt habe. Auch Personen außerhalb der Familie können eine Rolle spielen. Die Angehörigen sind vielleicht davon überzeugt, daß eine Autopsie einem Arzt helfen könnte, den Krankheitsverlauf zu erkennen und anderen eine geeignetere medizinische Behandlung zu bieten.
Es ist also angebracht, daß Christen ihren Körper respektvoll behandeln, aber es gibt noch andere Faktoren, die sie erwägen können, um zu entscheiden, ob sie in einer bestimmten Situation eine Autopsie gestatten oder nicht.
[Fußnote]
a Der Gebrauch von Teilen des menschlichen Körpers für Transplantationen wird in der Wachtturm-Ausgabe vom 15. Juni 1980, Seite 31 erörtert.