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Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1989
w89 1. 2. S. 22-27

Wenn wir Gottes Willen tun, sind wir nie allein

Von Grete Schmidt erzählt

IM Jahre 1915 wurde ich in Budapest (Ungarn) geboren. Der Erste Weltkrieg war in vollem Gange. Mein Vater diente in der österreichisch-ungarischen Armee und stand an der Front. Als er im Jahr darauf starb, ging meine Mutter mit mir nach Jugoslawien, wo ihre Verwandten lebten.

Da meine Mutter nicht mehr heiratete, mußte sie arbeiten gehen, und ich wuchs bei ihrer Schwester auf. Meine Tante besaß ein Bauerngut, das etwa 5 km von der Stadt Maribor (Nordjugoslawien) entfernt lag. Dort verbrachte ich viele glückliche Jahre, stets in Erwartung des nächsten Sonntags, weil dann meine Mutter aus Maribor zu Besuch kam. Gleichzeitig wurde jedoch meine Sehnsucht nach einem Vater immer größer.

Ein Verhältnis zu einem Vater

Meine Verwandten waren katholisch, und da in der katholischen Kirche Himmel und Hölle eine wichtige Rolle spielen, entstand in mir ein Konflikt: Für den Himmel kam ich mir nicht gut genug vor, aber eigentlich war ich auch nicht so schlecht, um in die Hölle zu kommen. Ich sprach mit jedem über dieses Problem, angefangen von meiner Großmutter bis zum Dorfpfarrer.

Besonders oft plagte ich damit meine Mutter. Nach einigen Monaten brachte sie mir daher eine Broschüre in Slowenisch mit, betitelt Wo sind die Toten?, die sie in der Stadt bekommen hatte. Sie hatte die Broschüre selbst zwar nicht gelesen, dachte aber, daß darin möglicherweise meine Fragen beantwortet würden.

Es gibt keine andere Publikation, die ich so oft durchgelesen habe wie diese Broschüre. Sie beantwortete nicht nur meine Fragen über das Leben und den Tod, sondern zeigte mir auch, wie man ein inniges Verhältnis zu unserem himmlischen Vater entwickeln kann. Ich bestellte fünf weitere Broschüren, die ich vor der Kirche verteilen wollte.

In unserem Dorf besuchten sonntags nur die Frauen den Gottesdienst. Die Männer blieben draußen und sprachen über ihre Lieblingsthemen — Viehhandel und Ackerbau. So predigte der Pfarrer in der Kirche den Frauen und ich vor der Kirche den Männern. Ich war zwar erst 15 Jahre alt, aber sie hatten offensichtlich Freude an meiner jugendlichen Begeisterung, denn sie gaben mir Geld für die Broschüren, so daß ich mir wieder neue besorgen konnte.

Der Geistliche erfuhr bald von meiner Tätigkeit und sprach deshalb bei meiner Tante vor. Am nächsten Sonntag warnte er sogar von der Kanzel vor mir: „Gewiß wird niemand am Ort so naiv sein, das zu glauben, was ein Mädchen erzählt.“ Daraufhin wandten sich alle im Dorf gegen mich. Auch meine Tante schämte sich meinetwegen und sagte meiner Mutter, daß ich nicht mehr bei ihr bleiben dürfte.

Ich fühlte mich verlassen, aber durch das Gebet zu Jehova wurde ich wieder gestärkt und getröstet. Schließlich zog ich zu meiner Mutter nach Maribor, und wir verlebten zusammen eine glückliche Zeit. In geistiger Hinsicht gingen wir zwar verschiedene Wege, trotzdem gestattete sie mir, die Zusammenkünfte der kleinen Versammlung am Ort zu besuchen. Am 15. August 1931 symbolisierte ich meine Hingabe an Gott durch die Wassertaufe.

Zu meinem großen Kummer erkrankte meine Mutter plötzlich und starb einige Wochen später. Ihre letzten Worte sind mir unauslöschlich im Sinn haftengeblieben: „Gretel, halte fest, was du hast. Ich glaube, es ist die Wahrheit.“ Nach ihrem Tod fühlte ich mich erneut schmerzlich verlassen, doch mein Verhältnis zu unserem himmlischen Vater gab mir Kraft.

So kam ich zu Pflegeeltern, die keine eigenen Kinder hatten, und ich machte eine Lehre in dem Schneidergeschäft, das die Frau führte. Materiell ging es mir gut, aber in meinem Herzen nährte ich den Wunsch, meine ganze Zeit für Gott einzusetzen. In unserer kleinen Versammlung in Maribor waren alle überzeugt, daß die verbleibende Zeit für das gegenwärtige System nur noch kurz war (1. Korinther 7:29). Insgeheim bat ich Jehova, mit seinem Eingreifen noch zu warten, bis ich meine Lehre beendet hätte. Diese schloß ich am 15. Juni 1933 ab, und schon am nächsten Tag verließ ich das Haus, um den Pionierdienst aufzunehmen. Angesichts meiner Jugend — ich war erst 17 — versuchten mich selbst einige Brüder zurückzuhalten, aber mein Entschluß stand fest.

Die Anfangszeit im Pionierdienst

Meine erste Zuteilung war Zagreb, eine Stadt mit etwa 200 000 Einwohnern, nicht allzuweit von Maribor entfernt. In der Versammlung gab es nur sechs Verkündiger. Dort lernte ich sehr viel durch die Zusammenarbeit mit Bruder Tuc̀ek, dem ersten Pionier in Jugoslawien. Später führte ich fast ein Jahr lang den Pionierdienst ganz allein durch. Nach und nach trafen jedoch weitere Pioniere aus Deutschland ein, wo das Predigtwerk von der nationalsozialistischen Regierung verboten worden war.

Einigen der Pionierehepaare konnte ich als Dolmetscher helfen. Es war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung, mit diesen reifen Christen zusammenzuarbeiten. Ich nahm an Erkenntnis und Verständnis zu, und meine Wertschätzung für das Vorrecht, die gute Botschaft vom Königreich zu predigen, wuchs ständig.

Im Laufe der Zeit war es eine stattliche Gruppe von 20 Pionieren, die in den Balkanstaaten tätig war. Unser gemeinsames Bemühen, das Wort Gottes bekanntzumachen, schmiedete uns zusammen, so daß jeder bereit war, dem anderen im Notfall beizustehen. Wir alle wurden von einer Bereitschaft angetrieben, wie man sie nur unter Gottes Volk findet. Dieses besondere „Band der Einheit“, die Liebe, verbindet weiterhin diejenigen von uns, die noch am Leben sind (Kolosser 3:14).

Das Leben eines Pioniers ist reich an Erfahrungen und so abwechslungsreich wie der Wolkenhimmel. Wir fühlten uns bereichert durch die kostbare Erfahrung, neue Länder und Völker sowie ihre Bräuche und ihre Lebensweise kennenzulernen. Außerdem erlebten wir, daß Jehova für seine treuen Diener so sorgt, wie uns Paulus in Epheser 3:20 versichert, daß er nämlich „gemäß seiner Kraft, die in uns wirksam ist, über alles hinaus mehr tun kann, als was wir erbitten oder erdenken“.

Die liebevolle Fürsorge Jehovas wurde beispielsweise deutlich, als uns Bruder Honegger aus der Schweiz besuchte und feststellte, daß wir bis zu 40 km zu Fuß zurücklegten, um die umliegenden Dörfer von Zagreb aus zu bearbeiten. Er beobachtete, daß wir die Schuhe am Stadtrand auszogen und sie über die Schulter hängten, um die Sohlen zu schonen. Daher kaufte er uns 12 Fahrräder, obwohl er dafür alles Geld ausgab, das er hatte, wie er mir später anvertraute. Jehova bewegt ohne Zweifel das Herz der Aufrichtigen. Die Fahrräder, gleichsam ein Geschenk vom Himmel, dienten uns 25 Jahre lang als treue Begleiter im Pionierdienst.

Einmal kam ich zusammen mit Willi und Elisabeth Wilke in ein größeres Dorf in Kroatien, das wir einzeln vom Dorfrand zum Kern hin bearbeiteten. Wir boten die Broschüre Der gerechte Herrscher an, auf deren Titelseite Jesus Christus abgebildet war. Gerade ein Jahr zuvor, 1934, war der jugoslawische König Alexander ermordet worden, und sein Sohn Peter sollte ihm auf den Thron folgen. Die Dorfbewohner wollten jedoch lieber die Autonomie als einen serbischen Monarchen.

Nachdem wir etwa zwei Stunden im Dienst tätig gewesen waren, hörten Bruder Wilke und ich vom Dorfplatz her aufgeregte Stimmen. Dort fanden wir Schwester Wilke inmitten einer Gruppe von etwa 20 Männern und Frauen, von denen einige mit Sicheln bewaffnet waren; andere verbrannten eilig unsere Broschüren. Schwester Wilke beherrschte die Sprache nicht gut genug, um das Mißtrauen der Dorfbewohner zerstreuen zu können.

„Männer und Frauen“, sagte ich mit lauter Stimme, „was tut ihr hier?“

„Wir wollen den König Peter nicht!“ antworteten sie fast aus einem Munde.

„Wir auch nicht“, erwiderte ich.

Überrascht wiesen die Leute auf das Titelbild der Broschüre und fragten: „Warum macht ihr dann Propaganda für ihn?“ Sie hatten Jesus Christus für König Peter gehalten!

Das Mißverständnis wurde aufgeklärt und ein gründliches Zeugnis über den König Jesus Christus gegeben. Einige, die ihre Broschüren verbrannt hatten, wollten daraufhin neue haben. Wir verließen das Dorf in freudiger Stimmung, weil wir die schützende Hand Jehovas gespürt hatten.

Später dehnten wir den Predigtdienst auf Bosnien aus, das in der Mitte Jugoslawiens liegt. Fast die Hälfte der dortigen Bevölkerung waren Muslime, und auch hier wurden wir mit neuen Bräuchen konfrontiert und mußten gegen weitverbreiteten Aberglauben ankämpfen. Da die Leute in den Dörfern noch nie eine Frau auf einem Fahrrad gesehen hatten, kam unsere Ankunft einer Sensation gleich und machte die Leute neugierig. Die geistlichen Führer verbreiteten allerdings das Gerücht, daß eine Frau auf einem Fahrrad dem Dorf Unglück bringen würde. So stellten wir, wenn wir ein Dorf bearbeiten wollten, unsere Räder außerhalb ab und gingen zu Fuß hinein.

Doch schließlich wurde unsere Literatur verboten, und wir wurden des öfteren von der Polizei festgenommen. Gewöhnlich forderte man uns auf, den Bezirk zu verlassen. Meistens begleiteten uns zwei Polizisten bis zur Bezirksgrenze, oft ein Weg von 50 bis 100 Kilometern. Sie waren überrascht, welch gute Radfahrer wir waren, da wir so mit ihnen mithalten konnten, obwohl wir unsere gesamte Kleidung und Literatur sowie einen kleinen Petroleumkocher bei uns hatten. Unsere Begleiter waren immer froh, wenn ein Gasthaus am Weg lag, und oft luden sie uns zu einem Getränk oder sogar zum Essen ein. Wir genossen diese Gelegenheiten, da unsere geringen Geldmittel solche außergewöhnlichen Ausgaben nicht zuließen. Natürlich nutzten wir sie auch, um ihnen von unserer Hoffnung zu erzählen, und nicht selten nahmen sie sogar einige der „verbotenen“ Publikationen entgegen. Meistens gingen wir in freundschaftlichem Einvernehmen auseinander.

Dann kam das Jahr 1936. Wir predigten in Serbien (Südjugoslawien), als uns die Nachricht erreichte, daß im September in Luzern (Schweiz) ein internationaler Kongreß abgehalten werden sollte und von Maribor ein Sonderbus dorthin fahren würde. Doch Maribor lag 700 km von uns entfernt — eine ganz schön lange Strecke mit dem Fahrrad! Die Reise konnten wir später tatsächlich unternehmen, weil wir dennoch begannen, dafür unser Geld zu sparen.

Statt uns ein Zimmer in einem Gasthaus zu nehmen, für das wir hätten bezahlen müssen, baten wir Bauern um die Erlaubnis, auf dem Heuboden übernachten zu dürfen. Morgens fragten wir, ob wir etwas Milch von ihnen kaufen könnten, aber gewöhnlich erhielten wir sie umsonst und manchmal noch ein komplettes Frühstück dazu. Wir verspürten viel menschliche Güte, und ich denke gern an die schönen Erfahrungen zurück, die wir damals im Pionierdienst machten.

Bevor wir von Maribor nach Luzern aufbrachen, trafen weitere Pioniere aus Deutschland ein. Unter ihnen befand sich Alfred Schmidt, der acht Jahre im Bethel in Magdeburg gedient hatte. Ein Jahr später wurde ich seine Frau.

Fast alle Pioniere aus Jugoslawien konnten den Kongreß in Luzern besuchen. Für mich war es der erste Kongreß überhaupt; ich war überwältigt von der Liebe und der Fürsorge der Brüder in der Schweiz und beeindruckt von der Schönheit der Stadt Luzern. Nicht im Traum hätte ich damals daran gedacht, daß ich 20 Jahre später in dieser Stadt als Pionier dienen würde!

Tätigkeit unter Verbot

Nach der Rückkehr aus der schönen Schweiz setzte bald eine heftige Verfolgung ein. Wir wurden verhaftet und ins Hauptgefängnis von Belgrad gebracht. Der Bruder, der für das Werk in Jugoslawien verantwortlich war, bat um die Erlaubnis, uns zu besuchen, aber sie wurde ihm verwehrt. Doch er sprach so laut mit einem Gefängnisbeamten, daß wir ihn deutlich hören konnten, und der Klang seiner Stimme war für uns bereits eine große Ermunterung.

Einige Tage später wurden wir in Handschellen an die ungarische Grenze gebracht; unsere Literatur und unser Geld hatte man beschlagnahmt. So kamen wir fast ohne Geld nach Budapest, dafür aber mit vielen Läusen — ein Andenken an das Gefängnis. Bald trafen wir andere Pioniere, und wir beteiligten uns mit ihnen dort am Predigtwerk.

Jeden Montag kamen die Pioniere aus Budapest in einem türkischen Bad zusammen, und neben der Körperpflege erfreuten sich Brüder und Schwestern getrennt eines ‘Austauschs von Ermunterung, jeder durch den Glauben des anderen’ (Römer 1:12). Die regelmäßigen Treffen dienten auch als Kontrolle, ob jemand krank oder im Gefängnis war.

Nach sechs Monaten — wir hatten uns kaum an unsere neue Umgebung gewöhnt — lief unsere Aufenthaltsgenehmigung für Ungarn ab. In der Zwischenzeit hatten Alfred und ich geheiratet. Nun wurde uns der Vorschlag gemacht, ein Visum für Bulgarien zu beantragen. Ein Pionierehepaar war dort ausgewiesen worden, und zehntausend Broschüren, die es bestellt hatte, lagen fertig in einer kleinen Druckerei in Sofia. Da man die Literatur des Ehepaars öffentlich verbrannt hatte, wußten wir, mit welcher Behandlung wir zu rechnen hatten.

Uns wurde schließlich ein Visum für Bulgarien erteilt, das drei Monate gültig war. Wir fuhren nachts durch Jugoslawien, und ein verantwortlicher Bruder erwartete uns an einem bestimmten Bahnhof mit dem Geld für die Broschüren. Sicher trafen wir dann in Sofia ein, und wir fanden auch ein passendes Zimmer.

Sofia war eine moderne Stadt mit etwa 300 000 Einwohnern, doch es gab dort keine Zeugen Jehovas. Am Tag nach unserer Ankunft gingen wir zu der Druckerei. Der Besitzer hatte von dem Verbot unserer Literatur und der Ausweisung des Ehepaars, das die Broschüren bestellt hatte, gehört. Als er daher erfuhr, daß wir gekommen waren, um ihn zu bezahlen, fiel er uns fast um den Hals. Wir packten die Broschüren in leere Säcke und fuhren damit an mehreren Polizisten vorbei, die glücklicherweise unser Herzklopfen nicht hören konnten.

Unser nächstes Problem war nun, wo wir die Broschüren lagern sollten und wie wir eine so große Menge in nur drei Monaten verbreiten konnten. Ich hatte richtig Angst vor diesem Berg von Broschüren, denn so viele hatte ich noch nie gesehen. Doch wiederum war Jehova unser Helfer. Wir hatten unglaublichen Erfolg und gaben täglich bis zu 140 Broschüren ab. Nach einigen Wochen trafen außerdem noch Bruder und Schwester Wilke ein, um uns zu helfen.

Eines Tages wäre es jedoch beinahe schiefgegangen. Ich predigte in einem Geschäftsviertel. In einem Gebäude war an jeder Tür ein Messingschild mit dem Namen eines Doktor Soundso. Nach etwa zwei Stunden traf ich einen älteren Herrn an, der mich mißtrauisch musterte. Er fragte mich, ob ich wisse, wo ich mich befände.

„Ich weiß nicht genau, was für ein Gebäude dies ist, aber ich habe festgestellt, daß hier offenbar alle guten Rechtsanwälte ihr Büro haben“, antwortete ich.

„Sie befinden sich im Innenministerium“, sagte er.

Obwohl mir fast das Herz stehenblieb, erwiderte ich ruhig: „Ach, deshalb sind alle Herren so freundlich zu mir gewesen!“ Diese Bemerkung stimmte ihn etwas milder, und er gab mir meinen Paß nach gründlicher Überprüfung zurück. Ich ging mit einem Seufzer der Erleichterung hinaus und dankte Jehova für seinen Schutz.

Schließlich waren alle Broschüren verbreitet, und der Tag rückte näher, an dem wir Bulgarien, das „Land der Rosen“, verlassen mußten. Nur ungern ließen wir die freundlichen Menschen zurück, doch die Erinnerung an sie verankerte sich fest in unserem Herzen.

Da wir deutsche Pässe hatten, konnten wir nach Jugoslawien zurückkehren, aber man gewährte uns nur eine kurzzeitige Aufenthaltsgenehmigung. Danach mußten wir jede Nacht woanders schlafen, um nicht verhaftet zu werden. Dieses Leben führten wir etwa sechs Monate lang. In der zweiten Hälfte des Jahres 1938 wurde uns dann durch einen Brief aus dem Büro der Gesellschaft in Bern mitgeteilt, daß wir versuchen sollten, in die Schweiz zu gelangen. Die Nationalsozialisten hatten bereits Österreich besetzt, und der politische Druck nahm immer mehr zu. Die jugoslawische Regierung hatte sogar schon einige der deutschen Pioniere an die Nationalsozialisten ausgeliefert.

So reisten mein Mann und ich getrennt in die Schweiz: Alfred über Italien und ich über Österreich. Wir wurden glücklich wieder vereinigt und arbeiteten zunächst auf dem Bauernhof der Gesellschaft in Chanélaz und später im Bethel in Bern. Das war für mich eine völlig neue Erfahrung. Ich mußte lernen, einen Haushalt auf schweizerische Art zu führen, und ich entwickelte noch größere Wertschätzung für die Organisation Jehovas.

Die stärkende Kraft Jehovas

Während und nach dem Zweiten Weltkrieg dienten wir also im Bethel, doch 1952 nahmen Alfred und ich wieder den Pionierdienst auf, jene Tätigkeit, die unser Leben geprägt hatte. Wir hatten nie eigene Kinder, aber im Laufe der Jahre brachten viele unserer geistigen Kinder ihre Liebe zu uns zum Ausdruck. Im Februar 1975 erreichte uns beispielsweise folgender Brief:

„Ich kann mich noch an den Tag erinnern, an dem ein weiser, grauhaariger Mann einen dickköpfigen evangelischen Kirchenrat besuchte und ihm ein Bibelstudium anbot. Reserviert und kritisch nahmen meine Angehörigen und ich das Angebot an, und wir untersuchten dann wie die Beröer jeden Gedanken, bis wir zugeben mußten, daß Du uns die Wahrheit gebracht hattest. ... Welch ein liebevoller Vater Jehova Gott doch ist! Ihm gebührt Lobpreis und Ehre für all seine Freundlichkeit und Barmherzigkeit. Aber wir möchten auch Euch, Alfred und Gretel, von ganzem Herzen für die große Geduld danken, die Ihr mit uns gehabt habt. Möge Jehova Euch reichlich dafür segnen. Wir hegen aufrichtig die Hoffnung, daß er uns ebenfalls die Kraft zum Ausharren geben wird.“

Im November 1975 starb mein Mann plötzlich an einem Herzinfarkt. Wir hatten Jehova 38 Jahre lang gemeinsam gedient und die Höhen und Tiefen des Pionierdienstes erlebt. So war ein sehr enges Verhältnis zueinander entstanden. Mit seinem Tod überkam mich daher wieder ein Gefühl der Leere und des Verlassenseins. Aber dadurch, daß ich bei Jehova Zuflucht suchte, wurde ich aufs neue getröstet.

Das Verhältnis zu unserem himmlischen Vater hat mir in den über 53 Jahren des Vollzeitdienstes Kraft gegeben. Und ich empfinde weiterhin wie Jesus Christus, der sagte: „Ich [bin] nicht allein, denn der Vater ist bei mir“ (Johannes 16:32).

[Bild auf Seite 23]

Alfred und Frieda Tuc̀ek im Jahre 1937 mit voller Ausrüstung im Pionierdienst in Jugoslawien

[Bild auf Seite 25]

Alfred und Grete Schmidt als Pioniere in Mostar im muslimischen Teil Jugoslawiens (1938)

[Bild auf Seite 26]

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