Fragen von Lesern
Warum heißt es in der „Neuen-Welt-Übersetzung“ in Matthäus 3:7 „erblickte“ statt „sah“ wie in vielen anderen Bibelübersetzungen?
Eigentlich sind beide Wiedergaben durchaus richtig und könnten daher verwendet werden. Nicht jede Sprache eignet sich, in diesem Fall die Sinnschattierung des griechischen Originaltexts wiederzugeben. Aber mit der Wiedergabe von Matthäus 3:7 in der Neuen-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift wurde im Deutschen versucht, der Sinnschattierung des zugrundeliegenden griechischen Textes Rechnung zu tragen. Es heißt: „Als er [Johannes der Täufer] viele von den Pharisäern und Sadduzäern erblickte, die zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: ‚Ihr Otternbrut, wer hat euch zu verstehen gegeben, daß ihr dem kommenden Zorn entfliehen könnt?‘“
Wie erwähnt, wird in vielen Bibeln lediglich gesagt, daß Johannes Pharisäer und Sadduzäer dorthin kommen „sah“, wo er Juden taufte. Will die Bibel damit aber sagen, daß Johannes das eine Zeitlang geschehen sah oder diesen Vorgang einige Zeit beobachtete und sich dann erst gedrängt fühlte, etwas über ihre heuchlerische Handlungsweise zu sagen? Die Wiedergabe „sah“ könnte zu solch einem Verständnis verleiten. Dieser Sinn tritt eigentlich in der Übersetzung von Ferrar Fenton hervor, der wie folgt formuliert: „Als er jedoch viele der Pharisäer beobachtete ...“
Das griechische Verb steht im Aorist, und diese Zeitform drückt eine punktuelle oder momentane Handlung aus, die Gegenwartsform oder das Präsens dagegen eine Handlung in ihrem Verlauf (Beispiel: „auf der Flucht sein“) und das Perfekt im wesentlichen eine vollendete oder abgeschlossene Handlung (Beispiel: „geflohen [und nun in Sicherheit] sein“). Das in Matthäus 3:7 im Aorist gebrauchte Verb bedeutet also, daß Johannes der Täufer zu einem bestimmten Zeitpunkt die Pharisäer und Sadduzäer kommen sah oder sie „erblickte“. Sobald er sie erblickte, reagierte er so, wie es in Vers 7 bis 12 zu lesen ist.
In einer ganzen Anzahl Fälle wird der Aorist in diesem Sinne gebraucht. Wenn wir diese Sinnschattierung berücksichtigen, erfassen wir genauer, was die Bibel sagen möchte.
In Matthäus 9:9 heißt es beispielsweise: „Als Jesus danach von dort weiterging, erblickte er einen Menschen namens Matthäus, der im Steuerbüro saß, und er sprach zu ihm: ‚Folge mir nach!‘ Darauf stand er auf und folgte ihm.“ Jesus mußte Matthäus nicht über längere Zeit oder wiederholt beobachten. Er erblickte Matthäus und handelte.
Das sind nur zwei Beispiele dafür, daß in der Neuen-Welt-Übersetzung die griechische Zeitform des Aorists bei den Verben berücksichtigt wird. An einigen weiteren Stellen läßt sich diese Sinnschattierung ebenfalls feststellen:
„Als er nun in das Haus des Vorstehers kam und die Flötenspieler und das Durcheinander der lärmenden Volksmenge erblickte, begann Jesus zu sagen: ‚Verlaßt den Ort, denn die Kleine ist nicht gestorben, sondern sie schläft‘“ (Matthäus 9:23, 24).
„Nun kam einer der Synagogenvorsteher, Jairus mit Namen, und als er ihn [Jesus] erblickte, fiel er ihm zu Füßen und bat ihn mehrmals inständig, indem er sprach: ‚Mit meiner kleinen Tochter geht’s zu Ende. Würdest du bitte kommen und ihr die Hände auflegen‘“ (Markus 5:22, 23).
„Als er sich nun dem Tor der Stadt [Nain] näherte, da, siehe, wurde ein Toter herausgetragen, der einziggezeugte Sohn seiner Mutter. Außerdem war sie eine Witwe. Auch war eine beträchtliche Volksmenge aus der Stadt bei ihr. Und als der Herr sie erblickte, wurde er von Mitleid mit ihr bewegt, und er sprach zu ihr: ‚Hör auf zu weinen‘“ (Lukas 7:12, 13).
„Als dann Maria dort ankam, wo Jesus war, und ihn erblickte, fiel sie ihm zu Füßen und sprach zu ihm: ‚Herr, wenn du hiergewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben.‘ Als Jesus daher sah, wie sie weinte und wie die Juden, die mit ihr kamen, weinten, seufzte er im Geist“ (Johannes 11:32, 33).
Weitere Beispiele sind in Apostelgeschichte 7:23-25; 9:39, 40; 21:32 und 1. Johannes 5:16 zu finden. Sie verdeutlichen, wie befriedigend es sein kann, eifrig die Bibel zu studieren, um das Verständnis dessen, was in Gottes Wort festgehalten worden ist, zu erweitern oder zu vertiefen.