Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • w66 15. 2. S. 121-127
  • Jehova zu dienen macht glücklich und zufrieden

Kein Video für diese Auswahl verfügbar.

Beim Laden des Videos ist ein Fehler aufgetreten.

  • Jehova zu dienen macht glücklich und zufrieden
  • Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1966
  • Zwischentitel
  • Ähnliches Material
  • WAS DIE SCHRIFTEN DER GESELLSCHAFT BEWIRKTEN
  • KIRCHENAUSTRITT
  • DIE WAHRHEIT ÄNDERT MEIN LEBEN
  • BETHELDIENST
  • PILGERDIENSTABTEILUNG, RUNDFUNK- UND ZONENDIENST
  • Jehovas Liebe erfahren
    Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1964
  • Mit Gottes Organisation voranschreiten
    Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1983
  • Gottes Willen zu tun war meine Lust
    Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1966
  • Mein Lebensziel verfolgend
    Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1961
Hier mehr
Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1966
w66 15. 2. S. 121-127

Jehova zu dienen macht glücklich und zufrieden

Erzählt von Richard H. Barber

AM 14. März 1869 wurde in einem Landstädtchen im Südwesten des Staates Vermont (USA) ein Junge geboren, der von seinen Eltern Richard Harvey Barber genannt wurde. Nun schreibe ich im Alter von 96 Jahren die Geschichte meines Lebens, eines glücklichen, zufriedenen Lebens im Dienste Jehovas.

Schon als Junge war ich immer sehr beschäftigt und verrichtete die verschiedensten Arbeiten. Da wir neben einem Sägewerk wohnten, das meinem Vater gehörte, wußte ich in der Sägerei Bescheid. Ich sammelte Kanadabalsam von den Bäumen und verkaufte ihn für einen Dollar das Pfund. Ich fing in den Bergbächen Forellen und verkaufte sie den Leuten, die in die Sägerei kamen, suchte Ginseng und verkaufte die Wurzeln davon, ich sammelte den Saft von angebohrten Ahornbäumen und half ihn zu Sirup einkochen.

Im Jahre 1883 übernahm mein Vater eine Farm im Staat New York. Anfang 1886 tauschten wir die Farm gegen ein Haus in Greenwich, einem Dorf im Staat New York. Nachdem ich die Mittelschule in Greenwich absolviert hatte, übernahm ich im Jahre 1888 die Leitung eines großen Kaufhauses, das meinem Vater gehörte.

Mein Vater war ein guter, ehrlicher und großzügiger Mensch. Er war Methodist, besuchte jeden Sonntag den Gottesdienst, gab großzügige Spenden für kirchliche Zwecke und hatte sich einen teuren Kirchenstuhl gekauft. Mehr war nicht nötig, damit er ein guter Methodist war. In all den Jahren sah ich zu Hause nie eine Bibel und hörte nie, daß gebetet oder über ein biblisches Thema gesprochen wurde.

Im Jahre 1894 kaufte ich das Lager meines Vaters auf und machte mich selbständig. Am 1. Januar des darauffolgenden Jahres heiratete ich. Wir wurden in der Methodistenkirche getraut. Wir hatten unsere Wohnung über dem Geschäft, und die beiden Schwestern meiner Frau wohnten bei uns. Im Oktober jenes Jahres kam ich mit den von der Watch Tower Society gelehrten Wahrheiten des Wortes Gottes in Berührung. Damit begann das Leben für mich eine andere Bedeutung anzunehmen.

WAS DIE SCHRIFTEN DER GESELLSCHAFT BEWIRKTEN

Ich war Aufseher der Sonntagsschule der Methodistenkirche, und meine Frau war Lehrerin in dieser Schule. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß die verschiedenen Sonntagsschulklassen richtig geführt wurden, besuchte ich eines Tages die Männergruppe. Es fiel mir auf, daß man hier beim Studium ganz anders vorging. Es wurden viele Bibeltexte angeführt und verschiedene Anwesende aufgefordert, sie vorzulesen. Ich sah auch sogleich, daß die Fragen richtig beantwortet wurden. Das freute mich. Als ich an jenem Abend nach dem Gottesdienst mit dem Leiter der Männergruppe die Hauptstraße hinunterging, fragte ich ihn, wo er die vielen Bibeltexte und all den Aufschluß herhabe.

Er sagte, vor kurzem sei ein Mann mit einem Fahrrad nach Greenwich gekommen und habe Bücher über die Bibel (die ersten drei Bände der Schriftstudien von Pastor Russell) angeboten. Dieser Mann war ein Kolporteur (heute würde man Pionier sagen). Er war in das Haus des Methodistenpredigers gekommen und hatte ihm die Bücher erklärt. Der Prediger hatte ihm verschiedene Namen angegeben, unter anderem auch den Namen des Leiters der Männergruppe und meiner Schwägerin May. Nachdem mir der Gruppenleiter das gesagt hatte, standen wir noch bis um Mitternacht auf der Straße und unterhielten uns über die in diesen Büchern enthaltenen biblischen Wahrheiten.

Am nächsten Morgen fragte mich meine Frau beim Frühstück: „Warum bist du gestern abend so spät heimgekommen?“ Auf meine Erklärung sagte May, meine Schwägerin: „Ich habe auch schon eine Serie dieser Bücher. Dort stehen sie — in deinem Bücherschrank.“ Ich ging zum Bücherschrank, aber nur der dritte Band stand noch dort. May sagte: „Die beiden anderen habe ich meinem Bruder in Salem geliehen.“ Ich nahm den dritten Band mit zum Tisch und blätterte ihn während des Essens aufmerksam durch. Dann steckte ich ihn in die Tasche und nahm ihn mit hinunter ins Geschäft. Tagsüber las ich jede freie Minute darin. In zwei Tagen hatte ich das Buch ausgelesen und hatte vieles gelernt, wovon ich vorher nie etwas gehört hatte. Während ich über das Gelernte nachsann, fragte ich mich, wer wohl der Verfasser des Buches sei und wo es wohl gedruckt worden sei. Bei einer näheren Prüfung stellte ich es fest, und zum erstenmal in meinem Leben hörte ich den Namen Pastor Russell. Der Gruppenleiter hatte diesen Namen mir gegenüber nicht erwähnt.

Ich schrieb Pastor Russell unverzüglich eine Karte und bat ihn, mir ein Verzeichnis seiner Publikationen zu schicken. Einige Tage später erhielt ich von ihm einen Brief, auf dessen Rückseite verschiedene Publikationen aufgeführt waren. Ich bestellte alles, was angegeben war, unter anderem die Zeitschrift Der Wachtturm, drei Bände der Schriftstudien, verschiedene Bibelübersetzungen, mehrere Konkordanzen, Broschüren und Traktate. Der Wert der Bestellung belief sich auf über 22 Dollar, und ich stellte einen Scheck aus auf 30 Dollar. Obwohl ich Sonntagsschulaufseher war, wußte ich weder, was eine Konkordanz, noch, was eine Bibel mit Randbemerkungen ist. Doch mein Studium des dritten Bandes hatte mich davon überzeugt, daß diese Bücher, Broschüren und Traktate für ein richtiges Bibelstudium unerläßlich waren. Ich bestellte je 500 Stück der drei Gratistraktate. Dann schrieb ich: „Bitte alles in eine Kiste verpacken und unfrei per Eilgut schicken.“

Sobald ich die Schriften erhielt, begann ich damit zu arbeiten. Jedem Paket, das ich im Geschäft machte, legte ich ein Traktat bei. Später abonnierte ich zwanzig Zeitungen, die die Predigten Pastor Russells brachten, und legte diese gedruckten Predigten ebenfalls den Paketen bei. Ein Bibelstudium wurde begonnen, das jeden Dienstagabend durchgeführt wurde. Schließlich nahmen an dem Studium siebzehn Personen teil, die an der Wahrheit interessiert waren. Das ganze Dorf wußte, daß dieses Studium bei uns abgehalten wurde.

KIRCHENAUSTRITT

Unsere Tätigkeit in Verbindung mit der Verbreitung biblischer Wahrheiten wurde in den führenden methodistischen Kreisen scharf kritisiert. Auf der Methodistenkonferenz weigerte sich der Pfarrer, eine weitere Amtszeit in Greenwich zu wirken. Er teilte der Konferenz mit, daß eine Anzahl seiner besten Gemeindeglieder Dinge studieren und glauben würden, die den methodistischen und anderen anerkannten Glaubensansichten widersprächen, und daß es in der Kirche von Greenwich bald Schwierigkeiten gebe. Die Konferenz schickte daher ihren sogenannten stärksten Prediger nach Greenwich. Nach etwa einem Monat kündigte er eines Tages an, er werde an dem und dem Sonntagabend eine besondere Predigt halten und wünsche, daß jeder Methodist erscheine.

Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Prediger hielt die methodistische Kirchenverfassung in der Hand und las daraus langsam und betont die methodistischen Lehren vor. Er hob besonders hervor, daß jemand, der sich der Kirche anschließe, gelobe, an diese Lehren zu glauben und sie auch zu vertreten. An diesem Höhepunkt angelangt, schrie er: „Es gibt in dieser Kirche eine Handvoll Leute, die Lehren vertreten, die von der Methodistenkirche und allen anderen anerkannten Kirchen schon lange verworfen worden sind.“ „Diese Neunmalklugen“, fuhr er fort, „sind wie Maden im Käse.“ Dann hielt er die Kirchenverfassung empor und rief mit donnernder Stimme: „Wenn ihr nicht an die Lehren der Methodistenkirche glaubt, dann geht doch in Gottes Namen!“ Diese „Maden“ saßen alle unter seinen Zuhörern, und zwar in den vordersten Reihen. Zu ihnen gehörten der Sonntagsschulaufseher, sein Gehilfe, der Chordirigent, der gleichzeitig Sekretär-Kassierer der Kirche war, und sechs der zehn Sonntagsschullehrer und -lehrerinnen sowie andere. Das Ganze sollte diesen „Maden“ Angst einjagen und sie veranlassen, in der Methodistenkirche zu bleiben, aber es bewirkte genau das Gegenteil. Sie erkannten dadurch erst recht, daß es mit ihrer Einstellung unvereinbar wäre, in der Kirche zu bleiben. Elf Gemeindeglieder traten schließlich aus. Sie hatten als die Besten gegolten, und die Einnahmen der Kirche erlitten dadurch eine solche Einbuße, daß danach zwei Jahre Geld geborgt werden mußte, damit dem Prediger das Gehalt ausbezahlt werden konnte.

Der Leiter der Männergruppe trat gleich am folgenden Tag aus; ich wartete jedoch noch, denn ich dachte, wenn ich es auch gleich tun würde, hieße es vielleicht, ich hätte es nur seinetwegen getan. Nach etwa einem Jahr erkannte ich, daß es sinnlos wäre und auch Jehova mißfallen würde, wenn ich noch länger wartete. Deshalb trat ich auch aus. Ich schrieb einen sechzehnseitigen Brief, in dem ich Bibeltexte über die Hölle, die Seele, die Dreieinigkeit, über Gottes Königreich und andere Themen anführte. Ich machte von diesem Brief mehrere Durchschläge und schickte je einen dem Pfarrer und allen Kirchenbeamten. Der Pfarrer ging in seinem Brief auf keinen meiner Bibeltexte ein, sondern schrieb lediglich: „Ihre freimütige, tapfere Haltung ist lobenswert. Jemand, der solche Ansichten vertritt wie Sie und sich verpflichtet fühlt, diese zu verbreiten, könnte nicht anders handeln.“

Einige Wochen danach hielt er eine Predigt, die seiner Meinung nach weiten Kreisen zugänglich gemacht werden sollte. Er ging deshalb zum Redakteur der wöchentlich erscheinenden Lokalzeitung und ließ sie drucken. Sie enthielt mehrere offensichtlich schriftwidrige Erklärungen. Ich nahm die Gelegenheit wahr, ihm durch die gleiche Zeitung zu antworten, und meine Entgegnung wurde ebenfalls gedruckt. Daraufhin ging der Pfarrer auf dem schnellsten Weg zur Redaktion und wollte wissen, warum meine Entgegnung gedruckt worden sei. Der Redakteur sagte, schließlich würden sie entscheiden, was gedruckt werde. Meine Entgegnung sei in einem freundlichen Ton gehalten gewesen, und sie seien jederzeit bereit, einen weiteren Artikel von mir zu veröffentlichen, sofern er in ebenso freundlichem Ton geschrieben sei.

DIE WAHRHEIT ÄNDERT MEIN LEBEN

Die Wahrheit änderte manches in meinem Leben. Etwas vom ersten war, daß ich in meinem Geschäft Zigarren, Schnupftabak und andere Tabakwaren ausgehen ließ. Fast jedermann gebrauchte Tabak in irgendeiner Form; viele Frauen schnupften damals noch. Dadurch verlor ich viele Kunden, aber ich blieb dabei und führte diese Artikel nicht mehr. Auch die Verbreitung der Bibeltraktate unter meinen Kunden veranlaßte viele, nicht mehr in mein Geschäft zu kommen, aber ich fuhr fort, die Wahrheit zu verbreiten. Im Jahre 1899 besuchte ich zum erstenmal einen von der Watch Tower Society veranstalteten Kongreß in Boston. Ich hörte und sah zum erstenmal Bruder Russell und ließ mich dort auch taufen.

Bevor ich die Wahrheit kannte, spielte ich gern Baseball, hatte Freude am Jagen und Fischen und widmete mich dem kostspieligen Tontaubenschießen und anderen Arten des Schießsports. Nun fand ich, ich könne diese Zeit und das Geld im Dienste des Herrn besser verwenden. Ich gab daher alles auf. Meine Schrotflinte schenkte ich meinem Schwager, der auf einer Farm wohnte, und mein Gewehr, meine Tontauben und meine übrige Sportausrüstung verkaufte ich. Ich wußte, daß unsere Zeit und unser Geld Jehova gehören, ja, daß wir selbst ihm gehören, wenn er unsere Hingabe angenommen hat, und ich versuchte dementsprechend zu handeln. Wir gehören nicht uns selbst; wir sind um einen Preis erkauft worden. Unser Haus oder unsere Farm, ja alles, was wir besitzen, gehört Jehova. Wir können uns manchmal nicht so recht vorstellen, daß unser Haus, unser Wagen, das Geld in unserer Tasche, ja, alles, was wir haben, Jehova gehört und es uns lediglich anvertraut worden ist, damit wir es so verwenden, wie es Jehova wünscht, aber es ist so.

Ich gebrauchte alles, was ich besaß, um die göttlichen Wahrheiten zu verbreiten. Ich hatte zwei Pferde und zwei Kutschen. Mit diesen wurden sonntags jeweils etwa acht Personen in verschiedene Dörfer gefahren, damit sie dort Bibeltraktate verteilen konnten. Wir verbreiteten jedes Jahr ungefähr 50 000 Traktate. Unser Gebiet erstreckte sich von Waterford bis Troy (New York) am gegenüberliegenden Ufer des Flusses (des Hudson), dann bis Whitehall im Norden und von Saratoga im Westen bis North Adams (Massachusetts) im Osten. Wir fuhren auch stets zu den beiden Messen, die jedes Jahr in diesem Gebiet stattfanden, und verteilten dort Traktate.

Im Jahre 1906 verkaufte ich mein Geschäft, und im Jahre 1907 trat ich mit Vincent C. Rice, einem alten früheren Pionier, in den Kolporteur- oder Pionierdienst ein. Mein erstes Gebiet war die Stadt Glens Falls (New York), die 15 000 Einwohner hatte. Unseren ersten Tag im Pionierdienst verbrachten wir in Süd-Glens-Falls. Wir arbeiteten mit den ersten drei Bänden der Schriftstudien, und überall, wo besonderes Interesse vorhanden zu sein schien, boten wir alle sechs Bände an. Am ersten Tag gab ich 59 Bücher ab und Bruder Rice 37. Wir nahmen Bestellungen auf, die wir am darauffolgenden Montag auszuliefern versprachen. Woher aber die Bücher nehmen? Sie waren noch in der Druckerei in Hammond (Indiana). Wir rechneten aus, daß wir für die Bestellung 120 Dollar benötigten, aber Bruder Rice hatte nicht soviel Geld. Ich sandte deshalb einen Scheck direkt an Bruder Russell und schrieb ihm, daß wir die Bücher am kommenden Montag ausliefern sollten. Der Montag kam; doch wo waren unsere Bücher? Wir beschlossen schließlich, zur Eilgutabfertigung zu gehen, und sieh da! unsere Bücher waren eingetroffen. Bruder Russell hatte dafür gesorgt, daß sie uns frachtfrei per Eilgut zugestellt wurden.

Wir gaben in Glens Falls insgesamt 1259 Bücher ab. Ich diente fünf Jahre als Pionier, und in dieser Zeit erlangte ich 125 Abonnements auf die Zeitschrift Der Wachtturm und gründete Versammlungen, damals „Klassen“ genannt, in Glens Falls, Fort Edward, Mechanicsville und Hoosick Falls (New York) sowie in Pownal Center (Vermont).

Nach fünf Jahren Pionierdienst lud mich Bruder Russell ein, als Pilgerbruder zu dienen, das heißt eine von der Gesellschaft vorgeschriebene Route zu bereisen, um in den Versammlungen Vorträge zu halten und auch öffentliche Vorträge anzukündigen. Ich nahm diese Aufgabe freudig an und diente in Verbindung damit in sämtlichen Staaten der Vereinigten Staaten, ausgenommen in Arizona und New Mexico, ferner in ganz Kanada, von der Kap-Breton-Insel bis zur Vancouverinsel, und in beschränktem Maße auch in England und Schottland.

In den Jahren 1914 und 1915 leitete ich eine fünfzehnköpfige Gruppe, die einen großen Teil von Neuengland und ganz Neuschottland mit dem Photo-Drama der Schöpfung bediente, einem vier Teile umfassenden Programm, bestehend aus Filmen und farbigen Lichtbildern, die mit biblischen Vorträgen auf Schallplatten synchronisiert waren. Meine Aufgabe war es, die Theater zu mieten und die beiden Schlußansprachen nach den Sonntagsvorführungen des Photo-Dramas zu halten. Diese Vorträge behandelten die Themen: „Prüfung der Lehren Pastor Russells“ und „Die Wiederkunft Christi — warum, wie und wann?“ Das war eine sehr schöne Aufgabe, und große Mengen Menschen wohnten den Vorführungen des Photo-Dramas und den Vorträgen bei.

BETHELDIENST

Nach etwa sieben Jahren Pilgerdienst wurde ich unverhofft nach Brooklyn (New York) ins Bethel, das heißt in die Zentrale der Gesellschaft, gerufen. Das war im Jahre 1918. Religiöse Gegner nutzten die Kriegsverhältnisse aus, um den Haß gegen die Gesellschaft zu schüren. Das hatte zur Folge, daß der Präsident der Gesellschaft, J. F. Rutherford, und andere Beamte widerrechtlich verhaftet und vor Gericht gestellt wurden. Ich wohnte der Verhandlung bei, nach der die Beamten der Gesellschaft ins Gefängnis abgeführt wurden. Eines Morgens danach rief mich Bruder Rutherford an und bat mich, zur Pennsylvania-Station zu kommen, wo die Brüder mehrere Stunden auf einen durchgehenden Zug nach Atlanta warten mußten.

Die Gefangenen wurden in die Strafanstalt von Atlanta übergeführt. Bruder Frank Horth, Schwester Van Amburgh, Schwester Fisher, Schwester Agnes Hudgings, eine Stenotypistin und ich fuhren sofort zum Bahnhof. Bruder Rutherford gab mir verschiedene Anweisungen. Sollten wir zu viele Schwierigkeiten mit der Polizei haben, so sollten wir das Bethel und das Brooklyner Tabernacle verkaufen und entweder nach Philadelphia, Harrisburg oder Pittsburgh umziehen, da unsere Körperschaft in Pennsylvanien eingetragen war. Er schlug vor, das Bethel für 60 000 Dollar und das Tabernacle für 25 000 Dollar zu verkaufen. Auf Anregung Bruder Rutherfords bestiegen Bruder Horth und Schwester Hudgings mit ihm den Zug. Sie fuhren eine Strecke mit, und Bruder Rutherford diktierte Bruder Horth einen Brief, in dem er verschiedene Anweisungen gab und ihn beauftragte, das Bethel und das Tabernacle zu verkaufen. Nach ihrer Rückkehr ins Bethel schrieb Schwester Hudgings diesen Brief für uns ab. Das Tabernacle wurde, wenn ich mich recht erinnere, für 16 000 Dollar verkauft. Das Bethel sollte an die Regierung verkauft werden, und alle Formalitäten waren bereits erledigt, nur das Geld war noch nicht überwiesen, als der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, und so kam der Verkauf des Bethels wie durch eine Fügung nicht zustande.

Bruder Rutherford ernannte ein Komitee, das ihn vertreten sollte, während die Beamten der Gesellschaft im Gefängnis waren. Zu diesem Komitee gehörten Bruder W. E. Spill und Bruder John Stephenson, ein Glied der Bethelfamilie, der als rechte Hand von Bruder Van Amburgh im Büro des Sekretär-Kassierers gedient hatte, und ich war das dritte Mitglied des Komitees. Die Arbeit wurde unter uns wie folgt verteilt: Ich sollte im Büro sein, die Korrespondenz erledigen und die Zeitschriften Der Wachtturm für die Veröffentlichung vorbereiten; Bruder Stephenson sollte als Sekretär-Kassierer dienen, und Bruder Spill sollte sich der äußeren Angelegenheiten annehmen.

Es ging eine Menge Post ein; in vielen Briefen wurden wir scharf kritisiert, während viele andere Anteilnahme zum Ausdruck brachten und uns ermutigten. Viele Personen, die der Gesellschaft Geld geliehen hatten unter der Bedingung, daß sie es, wenn sie es jemals wieder benötigten, in Raten von 50 Dollar im Monat zurückerhalten könnten, wollten ihr Geld wiederhaben. Viele Beträge wurden zurückerstattet. Es gingen aber auch regelmäßig Spenden ein; wir brauchten jedoch nicht viel Geld, da der Pilgerdienst eingestellt worden war und wir von den ausländischen Zweigbüros völlig abgeschnitten waren.

Unsere Schriften, ausgenommen Der Wachtturm, waren in den Vereinigten Staaten verboten. In Kanada waren sie alle verboten. Vier Brüder wurden ausgewählt — einer in Boston, einer in Brooklyn, einer in Chicago und einer in Seattle — und beauftragt, jeweils je einen Wachtturm in einer Tageszeitung einzuwickeln und an eine bestimmte Adresse in Kanada zu schicken. Diese Zeitschriften wurden dann weitergegeben, die Hauptartikel vervielfältigt (einige sogar gedruckt) und dann an alle kanadischen Versammlungen verschickt. Viele Brüder schrieben, ihr Buch Das vollendete Geheimnis (auch als der siebte Band der Schriftstudien bekannt) sei beschlagnahmt worden und sie hätten gern ein anderes. Ich fand eine Kiste mit solchen Büchern in Taschenformat und schickte allen, die uns schrieben, ein Exemplar.

PILGERDIENSTABTEILUNG, RUNDFUNK- UND ZONENDIENST

Nachdem die Beamten der Gesellschaft im Jahre 1919 aus dem Gefängnis entlassen und rehabilitiert worden waren, wurde ich wieder als Pilgerbruder ausgesandt. Nach einigen Jahren rief mich Bruder Rutherford jedoch wieder ins Bethel und bat mich, die Pilgerdienstabteilung zu übernehmen. Als die Pilgerdienstabteilung aufgehoben wurde, erhielt ich den Auftrag, mit der Rundfunkabteilung zusammenzuarbeiten. Ich hatte die Aufgabe, für den Rundfunk Kurzvorträge von 10, 15, 20 und 30 Minuten zu schreiben, die über Hunderte von Rundfunkstationen ausgestrahlt wurden. Diese Vorträge wurden Bruder Rutherford vorgelegt. Nachdem sie redigiert worden waren, vervielfältigte sie Bruder De Cecca, und dann wurden sie den Hunderten von Rundfunkstationen übersandt. Ich hatte auch das Vorrecht, selbst über den Rundfunk zu sprechen, mitunter über mehrere miteinander verbundene Sender. Einmal wurde ich gebeten, über eine Anzahl zusammengeschlossener Sender einen einstündigen Vortrag über Weihnachten zu halten. Er fand am 12. Dezember 1928 statt und wurde in der englischen Ausgabe der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter, Nummer 241, und ein Jahr später nochmals in der Nummer 268 (deutsche Ausgabe vom 15. Dezember 1929) veröffentlicht. In diesem Vortrag wurde auf den heidnischen Ursprung des Weihnachtsfestes hingewiesen. Seither haben die Brüder im Bethel nie mehr Weihnachten gefeiert.

Im Jahre 1935 wurde ich als Zonendiener eingesetzt. Mein Gebiet erstreckte sich von Utica im Osten bis Westfield (New York) im Westen und von Scranton im Süden bis zum Sankt-Lorenz-Strom im Norden. Ich zog mit meiner Frau auf die bei Ithaca gelegene Farm der Gesellschaft und bediente das Gebiet von dort aus. Als ich in jenem Jahr in Williamsport (Pennsylvanien) diente, erhielt ich von Bruder Rutherford einen Brief, in dem er mir mitteilte, die Versammlung von Syracuse habe ein großes Gebäude gekauft und die Gesellschaft gebeten, jemanden dorthin zu senden, der die Verwaltung dieses Gebäudes übernehme. Er bat mich, nach Syracuse überzusiedeln und von dort aus als Zonendiener zu wirken.

Nun bin ich 96 Jahre alt und kann die gute Botschaft nicht mehr von Haus zu Haus predigen. Ich liebe aber den Dienst Jehovas nach wie vor, wenn nicht noch mehr. Seit einigen Jahren versende ich regelmäßig jeden Monat vierzig Zeitschriften, und wenn Sonderausgaben erscheinen, versuche ich, wenn möglich, die doppelte Anzahl zu verschicken. Ich suche aus dem Telephonbuch Adressen von Personen heraus, die in unserem Gebiet wohnen, und schicke ihnen einen maschinegeschriebenen Brief, in dem ich ihnen ein möglichst gutes Zeugnis gebe, sie auf die Vorzüge der Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! hinweise und ihnen mitteile, daß ihnen je eine Ausgabe dieser Zeitschriften als Muster zugehen werde.

Als die Broschüre Blut, Medizin und das Gesetz Gottes herauskam, schickte ich je ein Exemplar an alle meine Verwandten, an sämtliche Krankenhäuser in unserer Umgebung, an die Mitglieder der Stadtbehörde und die bekanntesten Rechtsanwälte und Ärzte. Ich kann immer noch Vorträge halten, nur muß mir jemand aufs Podium helfen. Obwohl meine Augen zusehends schlechter werden, konnte ich doch noch die Bücher „Babylon die Große ist gefallen!“ Gottes Königreich herrscht und „Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich“ (englisch) sowie sämtliche Jahrbuchberichte lesen; auch mit den Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! bin ich stets auf dem laufenden.

Vor zwei Jahren bereitete mir Jehova eine angenehme, freudige Überraschung. Schon seit Jahren hatte ich den Wunsch, das Bethel, die Stätte, an der ich fast zwanzig Jahre freudig gedient hatte, wieder einmal zu besuchen und mit eigenen Augen die Ausdehnung zu sehen, die seit dem Jahre 1935, als ich als Zonendiener ausgesandt wurde, vor sich gegangen ist. Ich wußte jedoch, daß ich in meinem körperlichen Zustand niemals einen Rundgang durch das Bethel und die Druckerei machen könnte, nicht einmal mit der Hilfe eines Stockes. Ich hatte daher jede Hoffnung, das Bethel wieder einmal zu sehen, schon aufgegeben. Kannst du dir meine Überraschung vorstellen, als mir der Briefträger eines Tages einen Brief überbrachte, in dem mich Bruder Knorr, der Präsident der Gesellschaft, persönlich einlud, das Bethel zu besuchen? Da er meinen schlechten körperlichen Zustand kannte, hieß es in seiner Einladung: „Wir haben hier einen Rollstuhl, den du bei einer Besichtigung des Heims und der Druckerei benutzen könntest.“

Im Mai 1964 ergötzte ich mich dann am Anblick der sichtbaren Ausdehnung des Werkes Jehovas im Bethel. Ob ich mich über den Besuch freute? Nun ich kann meine Freude gar nicht in Worte fassen. Ich möchte nicht nur Bruder Knorr danken für seine Einladung, sondern auch dem Bruder, der mir jeden Raum und jede Maschine sowie die verschiedenen Vorgänge genau erklärte, sowie dem Bruder, der den Rollstuhl schob und mir so manche Freundlichkeit erwies. Ich staunte über die Ausdehnung der Organisation in der Zentrale. Jehova hat in der Tat eine wunderbar wirkende Organisation.

Bin ich in den fast siebzig Jahren, in denen ich Jehova gedient habe, glücklich gewesen? Folgende Schrifttexte bringen meine Freude und Zufriedenheit sehr gut zum Ausdruck: „Der Friede Gottes, der alles Denken übersteigt, wird eure Herzen und eure Geisteskräfte durch Christus Jesus behüten.“ „Meinen Frieden gebe ich euch. Ich gebe ihn euch nicht so, wie die Welt ihn gibt.“ „Ihr [seid] mit den vorhandenen Dingen zufrieden.“ (Phil. 4:7; Joh. 14:27; Hebr. 13:5) Wahre Freude schließt eine tiefe, innere Zufriedenheit sowie Herzensfrieden ein und bewirkt auch, daß man frei ist von Furcht, sich keine Sorgen macht, nicht murrt und nicht nörgelt. Sie äußert sich nicht durch Heiterkeit, Späße oder witzige Bemerkungen, aber auch nicht durch ein scheinheiliges Getue. Zu wahrer Freude gehören ein starker Glaube und eine unerschütterliche Hoffnung.

Das beantwortet meine Frage. Ich habe mich an der Erkenntnis der Wahrheit und an meinen vielen Dienstvorrechten stets sehr erfreut. Obwohl ich nun mit meinen 96 Jahren ziemlich wacklig auf den Beinen bin und nicht mehr gut sehe, diene ich Jehova, soweit es mir mein körperlicher Zustand erlaubt, immer noch und bin immer noch glücklich und zufrieden.

    Deutsche Publikationen (1950-2025)
    Abmelden
    Anmelden
    • Deutsch
    • Teilen
    • Einstellungen
    • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
    • Nutzungsbedingungen
    • Datenschutzerklärung
    • Datenschutzeinstellungen
    • JW.ORG
    • Anmelden
    Teilen