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Diamanten — Sind sie wirklich „unvergänglich“?Erwachet! 1985 | 22. September
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mit einem Diamanten eine 1 900 Kilometer lange Rille geschnitten werden kann. Durch eine winzige Bohrung in einem Diamanten läßt sich ein dicker Kupferdraht zu einem feinen Kupferfaden von 24 000 Kilometer Länge ziehen, ohne daß sich der Fadenquerschnitt nennenswert verändert. Werkzeuge mit Diamantschneiden sind heute oft die einzige Möglichkeit zur Bearbeitung extrem harter Metalle. Der Wert von Industriediamanten ist unbestritten.
Ein Statussymbol
Diamanten, die man sich entweder als Schmuck oder als Geldanlage zugelegt hat, sind nicht für industrielle Zwecke gedacht. Sie wurden speziell geschnitten, geschliffen und poliert, um ihre Besitzer durch ihr Funkeln und ihre Brillanz in ihren Bann zu ziehen. Die meisten der Millionen Frauen, die Diamanten besitzen, haben wahrscheinlich ihren ersten Diamanten mit dem Verlobungsring bekommen. Die Tatsache, daß über 90 Prozent all dieser Ringe von jungen Männern gekauft werden, beweist, daß man mit dem Erwerb von Diamanten meist die Vorstellung verbindet, sie seien ein Geschenk, durch das man seine Liebe zum Ausdruck bringe — je größer und teurer der Diamant, desto größer die Liebe.
Einige Experten glauben, daß mindestens 80 Prozent aller verkauften Verlobungsringe mit Diamanten besetzt sind. Warum entschließt man sich aber nicht für einen Rubin oder einen Smaragd? Diese sind oft viel farbkräftiger. Hat man aber je gehört, der Rubin oder der Smaragd sei „unvergänglich“ oder der Saphir oder der Topas sei „der beste Freund eines Mädchens“?
Die Tatsache, daß Diamanten ein Symbol für Liebe, Verliebtheit oder Vermählung sind, kommt nicht von ungefähr. Sie ist die Folge einer gutorganisierten Werbekampagne, bei der man auf raffinierte Weise den Eindruck entstehen läßt, Vermählung und Diamanten gehörten unzertrennlich zusammen. Besonders seit 1947 geht man in Filmen, Zeitschriften und im Fernsehen nach dieser raffinierten Taktik vor.
Mit diesem Werbefeldzug verfolgt man ein weitreichendes Ziel — selbst Bezieher niedriger Einkommen als Kunden zu gewinnen. Eine Werbeagentur schrieb: „Wir werden alle Arten von Frauen aufs Podest heben, die Diamanten tragen, Film- und Bühnenstars, Frauen und Töchter führender Staatsmänner und alle, die bei der Krämersfrau oder dem Liebling des Mechanikers den Wunsch wecken werden: ‚Ich möchte auch so etwas wie diese Frau besitzen.‘“ Mit einem Diamanten am Finger kann sich selbst die „Krämersfrau“ auf der Promenade neben der bessergestellten Dame sehen lassen.
Wie steht es aber mit dem Mechaniker oder dem Krämer selbst, der seiner Frau dieses neue Statussymbol schenkt? Der Diamant muß eine doppelte Aufgabe erfüllen, er muß auch das Selbstwertgefühl des Mannes steigern. Die Werbefachleute bemerkten zusätzlich: „Mache den Diamanten zu einem Besitzobjekt, das auf sehr persönliche Weise den Erfolg eines Mannes reflektiert.“
Nachdem man in Amerika schon genug die Reklametrommel für Diamanten gerührt hatte — fast seit der Jahrhundertwende —, entschlossen sich die Werbefachleute, ihren Arm über den Pazifik auszustrecken, nach Japan. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahrzehnt, von 1968 bis 1981, wurde Japan durch den Werbefeldzug für Diamanten so sehr beeinflußt, daß die Zahl der Bräute, die zur Verlobung einen Diamantring geschenkt bekamen, von 5 Prozent auf 60 Prozent anstieg.
Was war die treibende Kraft hinter diesem Diamantenboom? Es war und ist das mächtigste Kartell in der Geschichte des Handels. Sein weitreichender Einfluß umspannt den ganzen Erdball. Von Anfang an, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, verfolgt das Kartell das eine Ziel — die Menge und den Preis der im Handel befindlichen Diamanten zu kontrollieren.
Vorausschickend muß gesagt werden, daß Diamanten nicht so selten sind, wie manch einer denken mag. Heute werden Diamanten auf drei Kontinenten mit riesigen Maschinen gefördert, mit denen Tonnen von Gesteinsmaterial verarbeitet werden können. Afrika hat einen großen Anteil an der Welterzeugung. Australiens neue Mine fördert die beachtliche Menge von 20 bis 50 Millionen Karat pro Jahr. (Das Karat ist eine Gewichtseinheit, die 200 Milligramm entspricht.) Auch zur Herstellung der heutigen Industriediamanten werden riesige Maschinen benötigt.
Das war jedoch nicht immer so. Noch dreißig Jahre vor der Jahrhundertwende waren Diamanten in der Tat eine Rarität — nur sehr wenige wurden in Indien und Brasilien gefunden. Als aber in einem entlegenen Teil Südafrikas große Diamanten entdeckt wurden, setzte ein Ansturm von Glücksrittern auf dieses winzige Gebiet ein, wo fast von einem Tag auf den anderen 50 000 Männer in der Erde nach Diamanten schürften. Im Laufe der Zeit entstand der größte von Menschen geschaffene Krater der Welt — die Kimberley-Mine mit einem Durchmesser von 463 Metern und einer Tiefe von 1 098 Metern. Dann wurden andere Diamantenlagerstätten entdeckt, und diese einst seltenen Steine wurden tonnenweise zutage gefördert. Investoren in Diamanten sahen ihr Geschäft gefährdet. Der Preis für Diamanten drohte rapide zu fallen.
Männer mit Weitsicht erkannten jedoch die Notwendigkeit, für die Verteilung der Weltproduktion an Diamanten einen einzigen Kanal zu schaffen. Ein solches Monopol sollte alle verfügbaren Diamanten aufkaufen, die Weitergabe an die Händler überwachen und somit den Preis kontrollieren. Die zentrale Organisation, die zu diesem Zweck gebildet wurde, erhielt den Namen De Beers Consolidated Mines, Ltd., of South Africa. Heute beherrscht De Beers 80 Prozent der Weltproduktion an Rohdiamanten.
Als man 1960 in Sibirien Diamanten entdeckte und sie in großen Mengen zu fördern begann — 10 Millionen Karat im Jahr —, dachte man bei De Beers an den Preissturz, der zu erwarten sei, wenn die russischen Diamanten plötzlich auf den Weltmarkt geworfen würden. Man konnte Moskau dafür gewinnen, sozusagen alle seine Rohdiamanten an den De-Beers-Konzern zu verkaufen. Auch mit den Eigentümern der neuen Diamantenmine in Australien konnten vertragliche Regelungen getroffen werden.
Kauft das Kartell jedoch mehr Diamanten auf, als zur Aufrechterhaltung seines Monopols benötigt werden, droht ihm eine große Gefahr. Einige Fachleute glauben, daß dem so ist, und befürchten, daß sich der Zerfall des erstaunlichen Kartells mit Riesenschritten nähert. Sie weisen darauf hin, daß die Diamantenschwemme die Preise sinken lassen wird und daß der einst wertvolle Diamant nur noch als ein Halbedelstein betrachtet werden wird.
Keine so gute Investitionsmöglichkeit mehr
Nicht wenige haben Diamanten und Diamantringe mit dem Gedanken gekauft, diese seien eine gute Geldanlage oder sie seien mit Sparguthaben zu vergleichen, die Zinsen bringen. Viele, die sich aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gezwungen sahen, ihren Ring zu verkaufen, stellten fest, daß der Diamant in ihrem 250-Dollar-Ring einen Wert von 20 Dollar hatte und die Fassung 100 Dollar wert war.
Bei allem, was verkauft wird, um Geld zu verdienen, gibt es eine Gewinnspanne. Bei Diamanten beläuft sich diese Spanne auf 100 bis 200 Prozent. In vielen führenden Juweliergeschäften wehrt man sich strikt gegen den Rückkauf von Diamanten. Oft scheuen die Juweliere die unangenehme Situation, in die sie geraten, wenn sie zugeben müssen, daß der Diamant keine so gute Investitionsmöglichkeit ist, wie sie ursprünglich behauptet hatten.
Die meisten in Ringe gefaßten Diamanten weisen Mängel auf, und schon ein nahezu unsichtbarer Fehler kann den Wert eines Diamanten um die Hälfte vermindern. Diamantenkäufer werden sehr schnell darauf hinweisen. Erwägt man den Verkauf eines teuren Diamanten, sollte man das Gutachten eines Diamantentaxators einholen, der in gutem Ruf steht. Es wird aber wahrscheinlich schwierig sein, den Diamanten zum Schätzwert zu verkaufen.
Falls man demnächst heiraten und einen diamantbesetzten Verlobungsring kaufen möchte, sollte man sich zum Kauf nur dann entschließen, wenn man wirklich die Schönheit, Brillanz und das feurige Funkeln des Diamanten schätzt, und nicht, weil er ein Statussymbol ist. Schon morgen könnte er so gut wie keinen Wert mehr haben.
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GlückErwachet! 1985 | 22. September
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Glück
„Es kann durch kleine, alltägliche Begebenheiten hervorgerufen werden, durch das Bewußtsein, daß man etwas zu tun, etwas zu lieben und etwas zu hoffen hat. Ein Mann, der 20 bewegte Jahre lang römischer Kaiser war, schrieb nach seinem Rücktritt: ‚Könnte man nur die fünf Kohlköpfe in meinem Garten sehen, die ich mit meinen eigenen Händen gepflanzt und gezogen habe, so würde man mich nicht bitten, dieses Glück zugunsten des Strebens nach Macht aufzugeben‘“ (The Royal Bank of Canada Monthly Letter, Jg. 42, Nr. 3).
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