Die wachsende Ölkrise
DER „Lebenssaft“ jeder Industrienation ist das ÖL, das heißt das Erdöl. Ohne Öl würden im Winter viele Wohnungen ungeheizt bleiben. Es gäbe kein Benzin für Automobile, Lastwagen und Traktoren und keinen Treibstoff für Flugzeuge.
Viele elektrische Geräte würden ohne Öl nicht funktionieren. Beleuchtung, Öfen, Waschmaschinen, Klimaanlagen, Fernsehgeräte usw. würden ausfallen. Warum? Weil in der heutigen Welt ein großer Teil der Elektrizität von Generatoren erzeugt wird, die mit Öl angetrieben werden.
Die meisten Maschinen benötigen Schmierstoffe, die aus Öl gewonnen werden. Wenn es kein Öl mehr gäbe, würde eine große Zahl von Produkten betroffen werden. Dazu würden Farben, Kunststoffe, synthetische Fasern und Gummi, Düngemittel und andere Erzeugnisse zählen. Zur Herstellung all dieser Produkte wird Öl verwendet.
Wenn es kein Öl mehr gäbe, würde die Wirtschaft der Industrienationen tatsächlich innerhalb von Monaten zum Stillstand kommen. Schon eine größere Verknappung könnte die Wirtschaft empfindlich treffen, wie es zu beobachten war, als die arabischen Länder ihre Erdöllieferungen an andere Nationen reduzierten.
Welche Industrienationen sind davon besonders schwer betroffen? Ein amerikanischer Regierungsbeamter erklärte: „Eine Energiekrise von beispiellosen Ausmaßen bedroht heute die ganze Welt. Am schwersten betroffen sind die fortschrittlichen Industrieländer, die vom Nahen Osten als dem Hauptöllieferanten abhängig sind, darunter die Vereinigten Staaten, Japan und die westeuropäischen Nationen.“
Aber warum die Krise? Geht der Welt das Öl aus, wenn man von der arabischen Drosselung absieht? Wäre auch ohne diese Maßnahme eine Verknappung eingetreten? Warum sind besonders die westlichen Nationen und Japan betroffen und nicht die kommunistischen Länder?
Geht das Öl aus?
Zunächst soll die Frage geklärt werden, ob die auf der Erde vorhandenen Ölvorkommen zur Neige gehen. Nein, es gibt auf unserem Planeten keinen wirklichen Ölmangel, jedenfalls jetzt noch nicht. Zugegeben, wenn der gegenwärtige Ölkonsum anhält, könnte verständlicherweise eines Tages das Öl ausgehen. Aber das ist zur Zeit noch nicht der Fall, denn die bekannten Erdölvorkommen reichen den Industrienationen noch eine ganze Reihe von Jahren.
Es gibt jedoch tatsächlich eine Ölkrise. Einer der Gründe dafür hängt mit der Verfügbarkeit des Öls zusammen. An einigen Orten wird Öl schneller verbraucht, als neues Öl gefördert und zu den verschiedenen Produkten verarbeitet werden kann. Jede Nation, die mehr Öl verbraucht, als sie produziert, wird in Schwierigkeiten kommen. Und die Welt verbraucht das Öl so schnell, daß manchmal Schwierigkeiten bestehen, genügend davon aus den verschiedenen Quellen zu beschaffen. In der Zeitschrift Time konnte man lesen: „Der Weltkonsum an Öl steigt jedes Jahr um 8 %, und der Ölverbrauch der USA, der gegenwärtig 40 % des Gesamtverbrauchs ausmacht, steigt um 8,7 %.“
Das bringt uns zu dem grundlegenden Problem: Die größten Ölverbraucher sind oft diejenigen, die innerhalb ihrer Grenzen keine großen Vorräte haben. Sie haben oft nicht genug Ölvorkommen, die sie anzapfen könnten. Die westeuropäischen Nationen haben innerhalb ihrer Grenzen so gut wie keine Erdölvorkommen. Japan hat nur sehr wenig, und die Vereinigten Staaten haben viel weniger, als sie benötigen, da ihre Ölquellen infolge des jahrelangen Raubbaus allmählich versiegen.
Es ist also noch genügend Öl im Boden vorhanden, so daß Großverbraucher wie Westeuropa, Japan und die Vereinigten Staaten noch mehrere Jahrzehnte damit auskommen könnten. Doch da sie das Erdöl so schnell verbrauchen und da die großen Ölgebiete nicht innerhalb ihrer Grenzen liegen, stehen sie vor dem Problem, es von dorther zu beschaffen, wo es zur Verfügung steht. Und das ist nicht so einfach.
Andere Energieträger?
Gibt es aber nicht andere Energieträger, die die Industrienationen des Westens und Japan statt des Öls verwenden könnten? Warum verwendet man nicht Atomenergie, Naturgas, Kohle, Wasserkraft oder Sonnenenergie?
Diese anderen Energieträger werden bereits ausgenutzt oder befinden sich in der Entwicklung. Aber keiner kann innerhalb der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre die bestehende Lücke im Energiebedarf ausfüllen. Der Energiebedarf wächst so schnell, daß diese anderen Energieträger gegenwärtig einfach nicht ausreichen. Sie können die Verwendung des Öls nur ergänzen, nicht aber ersetzen.
Zum Beispiel ist die Atomenergie als der Hauptenergieträger der Zukunft gepriesen worden. Aber gegenwärtig kann davon keine Rede sein. Wissenschaftler erwarten auch nicht, daß sie dies vor den nächsten zwei Jahrzehnten sein wird. Außerdem wird Atomenergie hauptsächlich zum Antrieb von Generatoren verwendet, die Strom erzeugen. Aber kann sie Autos, Traktoren und Flugzeuge antreiben? Nicht in absehbarer Zukunft. Atomenergie kann also Elektrizität erzeugen, und das geschieht bereits in verhältnismäßig kleinem Umfang, aber sie kann das Energieproblem nicht lösen, das heute besteht und das sich in den nächsten Jahren weiter verschlimmern wird. Außerdem tritt dabei das Problem der radioaktiven Verseuchung auf, und daher mag die Atomenergie nur in begrenztem Ausmaß Verwendung finden.
Wie steht es mit der Kohle? In vielen Gebieten ist Kohle im Überfluß vorhanden. Sie kann als Brennstoff für Generatoren zur Erzeugung von Elektrizität verwendet werden. Sie kann auch zum Beheizen von Wohnungen und auf andere Weise verwendet werden. Aber um sie für Kraftfahrzeuge nutzen zu können, muß sie in flüssigen Treibstoff umgewandelt werden. Das ist ein kostspieliger Prozeß. Öl ist billiger. Außerdem wird Kohle im allgemeinen als „schmutziger“ Treibstoff betrachtet und trägt mehr zur Umweltverschmutzung bei als das „reinere“ Öl. Aus diesem Grund ist es in einigen Gegenden, in denen Umweltschutzbestimmungen festgesetzt worden sind, nicht möglich, Kohle zu verwenden.
Aber spricht man nicht von großen Mengen ölhaltigen Gesteins (Ölschiefer genannt) im Westen der Vereinigten Staaten? Und wie steht es mit dem Ölsand in Kanada? In diesem Ölschiefer und im Ölsand sollen viele Milliarden Barrel Öl eingeschlossen sein (1 Barrel Öl = 159 Liter). Das ist wahr, aber die Kosten, die es mit sich bringen würde, dieses Öl zu gewinnen, sind wesentlich höher als die Kosten, die entstehen, wenn man das Öl einfach aus dem Boden pumpt. Ganze Industriezweige müßten entwickelt werden, um die gewaltigen Mengen Sand oder Schiefer zu verarbeiten, die dabei benötigt würden. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß dies in absehbarer Zeit getan werden kann oder getan wird, um den wachsenden Bedarf an Treibstoff und Brennstoff zu decken.
Und wie steht es mit der Wasserkraft? Durch das Bauen von Staudämmen kann die gewaltige Energie des Wassers nutzbar gemacht werden. Aber sie wird hauptsächlich zur Erzeugung von Elektrizität ausgenutzt. Herabstürzendes Wasser dreht die Generatoren, die den Strom erzeugen. Doch ein solcher Energieträger hat nur begrenzte Anwendungsmöglichkeiten. Er kann nicht Kraftfahrzeuge antreiben. Er kann nicht die Schmierstoffe für die in der Industrie benötigten Maschinen liefern. Auch gibt es in vielen Ländern nur begrenzte Möglichkeiten, Flüsse und Staudämme zur Erzeugung von Elektrizität auszunutzen. Daher trägt die Wasserkraft nur einen kleinen Teil zu der gesamten heute produzierten Energie bei. Und wenn der Energiebedarf weiter in die Höhe schnellt, wird sie in naher Zukunft einen noch geringeren Prozentsatz der Energieversorgung ausmachen.
Naturgas ist ebenfalls ein begehrter Energieträger. Aber die Nationen Westeuropas und Japan haben nur wenig Naturgas. In den Vereinigten Staaten wird die Naturgasproduktion wahrscheinlich nicht sehr ansteigen, da neue Naturgasfelder immer schwerer zu finden sind. Doch gerade in diesen Nationen schnellt der Bedarf an Kraftstoffen in die Höhe.
Ist die Sonnenenergie die Lösung des Problems? Eines Tages vielleicht. Aber bestimmt nicht rechtzeitig, um der wachsenden Ölkrise jetzt zu begegnen.
Es gibt also — um es noch einmal zu sagen — Ölschiefer, Ölsand, Wasserkraft, Naturgas, Kohle, Sonnenenergie und sogar Holz, aber keiner dieser Energieträger kann in der jetzigen Zeit der Krise und in der nahen Zukunft die Stelle des Erdöls einnehmen. Die Industrienationen sind einfach zu sehr auf die Verwendung von Öl eingestellt, als daß sie in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren große, schnelle und sehr kostspielige Umstellungen auf andere Kraftstoffe vornehmen würden, selbst wenn dies irgendwie möglich wäre.
Das Dilemma
Könnten die Nationen das Öl nicht einfach schneller fördern, um den Bedarf zu decken, da doch an bestimmten Stellen der Erde genug Öl vorhanden ist? Es gibt keine Garantie dafür, daß sie es könnten. Warum nicht? Weil gerade Westeuropa, Japan und die Vereinigten Staaten, die besonders auf das Öl angewiesen sind, es nicht in ihrer Kontrolle haben. Das ist das eigentliche Problem.
Wie bereits erwähnt, wird in Japan nur eine kleine Menge Öl gefördert. In Westeuropa wird sehr wenig gefördert, obwohl die Ölfelder, die jetzt in der Nordsee erschlossen werden, eine gewisse Hilfe sein werden. Aber man vermutet, daß diese Ölfelder in der Nordsee in den nächsten zehn Jahren nicht genug Öl liefern werden, um mehr als nur einen Bruchteil des Bedarfs zu decken. In den Vereinigten Staaten produzieren die Ölfelder jetzt mit Spitzenkapazität. Und das Öl wird schneller verbraucht, als neue Ölquellen gefunden werden können. Nicht einmal das Öl aus Alaska wird in den 1970er Jahren die Differenz ausgleichen. Die Ölproduktion in Alaska wird durch den wachsenden Bedarf bei weitem übertroffen.
Daher erklärte eine führende Erdölgesellschaft: „Die USA ... sehen sich von nun an bis ungefähr 1985 einem kritischen Problem hinsichtlich der Öl- und Gasvorräte gegenüber.“ Und sie fügte hinzu: „Mit diesem kritischen Versorgungsproblem, das für die nächsten 12 bis 15 Jahre bestehen wird, sind wir nicht allein. Europa und Japan sehen sich vor dem gleichen Problem.“ In der New York Times konnte man lesen:
„In den 1970er Jahren wird die Industriegesellschaft Westeuropas, Nordamerikas und Japans von einer neuen allgemeinen Gefahr bedroht. ...
Fast in allen größeren Industriestädten ist jetzt von einer Energiekrise die Rede. ...
Eine Kommission des Europäischen Parlaments warnte, daß 1980 ,ganz buchstäblich‘ die Lichter ausgehen könnten, wenn nicht sofort entscheidende Schritte zur Koordinierung der Energieträger unternommen würden.“
Gewaltige Importe erforderlich
Das alles bedeutet, daß diese Industrienationen große Mengen Öl importieren müssen. Und in unmittelbarer Zukunft werden sie weit mehr importieren müssen als bisher. Die Zeitschrift U.S. News & World Report gab dazu folgenden Kommentar: „Nur durch Importe können die Lichter weiterbrennen und die Maschinen weiterlaufen.“
Japan verbraucht zum Beispiel ungefähr 5 000 000 Barrel Öl pro Tag. Praktisch die gesamte Menge muß importiert werden. Von diesen Importen kommen ungefähr 90 Prozent aus dem Nahen Osten. Es wird geschätzt, daß Japan 1980 13 000 000 Barrel pro Tag verbrauchen wird. Nahezu alles müßte importiert werden, und zwar hauptsächlich aus dem Nahen Osten.
Westeuropa verbraucht ungefähr 15 000 000 Barrel Öl pro Tag. Fast alles davon wird importiert. Ungefähr 80 Prozent dieser Importe kommen aus dem Nahen Osten und aus Nordafrika. Wenn der Ölverbrauch weiterhin wächst wie bisher, so wird Westeuropa — wie Experten versichern — im Jahre 1980 26 000 000 Barrel pro Tag verbrauchen, wovon der größte Teil importiert werden müßte. Selbst die Ölfelder in der Nordsee, die jetzt erschlossen werden, könnten nach letzten Schätzungen im Jahre 1980 nur ca. 3 000 000 Barrel pro Tag liefern. Der Rest müßte hauptsächlich aus dem Nahen Osten und aus Nordafrika kommen.
Die Vereinigten Staaten produzierten im Jahre 1973 weniger als 11 000 000 Barrel Öl pro Tag. Aber sie verbrauchten über 17 000 000 Barrel pro Tag! Daher mußte dieses Land über 6 000 000 Barrel pro Tag importieren, um die Differenz auszugleichen. Im Jahre 1973 importierte es daher ungefähr 35 Prozent seines Öls. Und man erwartet, daß die eigene Erdölförderung in Zukunft zurückgehen wird, da die eigenen Ölvorräte aufgrund des langen Gebrauchs allmählich zur Neige gehen.
Für die Vereinigten Staaten würde die Lage, wenn es so weiterginge, gegen Ende der 1970er Jahre noch weit schwieriger werden. Im Jahre 1980 würde die Nation nach Schätzung einiger Fachleute ungefähr 27 000 000 Barrel Öl pro Tag verbrauchen. Davon müßten ungefähr 15 000 000 Barrel importiert werden — über 55 Prozent! Bis 1980, so wird behauptet, wird die Produktion der „unteren 48“ Staaten auf ungefähr 10 000 000 Barrel pro Tag absinken. Etwa 2 000 000 Barrel täglich kämen dann von den Ölfeldern in Alaska, so daß immer noch ein Defizit von 15 000 000 Barrel bliebe. Das meiste davon müßte von den größten Erdöllieferanten, dem Nahen Osten und Nordafrika, importiert werden.
Im Winter 1972/73 hatten die Amerikaner aufgrund der bestehenden Knappheit Schwierigkeiten, genug Heizöl zu bekommen. Die Folge davon war, daß einige Fabriken und sogar Schulen zeitweise schließen mußten. Und im Sommer des Jahres 1973 hatten einige Schwierigkeiten, genug Benzin für ihre Autos zu bekommen. In Europa gab es ähnliche Probleme. Schon bevor die Araber einen Ölboykott über die Vereinigten Staaten verhängten, war es so, wie die in Los Angeles erscheinende Zeitung Herald-Examiner berichtete: „Die USA, die gegenwärtig nicht in der Lage sind, einen Überschuß an Öl zu produzieren, werden immer mehr vom ausländischen Öl abhängig.“ Und die New York Times fügte hinzu:
„In der Industrie und in der Regierung herrscht allgemeine Übereinstimmung, daß die Ölquellen der westlichen Hemisphäre ihre Lieferungen an die Vereinigten Staaten nicht wesentlich ausdehnen können und daß das Gros der zukünftigen Steigerung an Rohölimporten aus Quellen in der östlichen Hemisphäre, aus dem Nahen Osten und aus Afrika, kommen muß.“
Kanada, einer der Hauptöllieferanten der Vereinigten Staaten, hat ebenfalls Probleme. Dieses Land mag daher bald seine Öl- und Gasexporte reduzieren müssen. Im Toronto Star wird berichtet:
„Kanada müsse damit rechnen, in die Zeit von Pferd und Wagen und in die Zeit der schmutzigen Kohlenöfen zurückzukehren, wenn wir nicht unsere [Öl-]Vorkommen vor einer raschen Ausnutzung durch die energiehungrigen Vereinigten Staaten schützten, warnt der Torontoer Geophysiker J. Tuzo Wilson, einer der hervorragendsten Wissenschaftler der Welt.
Der Bedarf an den schwindenden Vorräten von Öl und Naturgas könne die nordamerikanische Zivilisation innerhalb von 10 Jahren in eine verzweifelte Krise stürzen, sagte er ...
,Der Bedarf an Gas und Öl ist so unersättlich und steigt so rapide, daß die arktischen Erdölvorkommen offensichtlich keine langfristige Lösung für das Problem der Energievorräte bieten‘, schreibt Wilson.“
Ob es einem daher gefällt oder nicht, werden Nordamerika, Westeuropa und Japan immer mehr Öl aus anderen Ländern importieren müssen, und das in gigantischen Mengen. Dadurch werden verschiedene große Probleme geschaffen. Eines dieser Probleme besteht darin, daß die einzigen bekannten Quellen solch großer Ölvorkommen in zwei Gebieten liegen, in denen man diesen Nationen im allgemeinen ungünstig gesinnt ist.
Das erste Ölgebiet liegt in den arabischen und moslemischen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. Das zweitgrößte bekannte Ölvorkommen ist in der Sowjetunion zu finden. Das bedeutet, daß die kommunistischen und die arabisch-moslemischen Länder die größten Ölvorkommen auf Erden in der Hand haben. Und nach dem jüngsten arabisch-israelischen Krieg haben wir gesehen, was mit diesen Quellen geschehen kann.
Doch durch die Lage dieser Ölvorkommen treten nicht nur politische, sondern auch gewaltige finanzielle Probleme für die Nationen auf, die das Öl kaufen. Wieso?
Schwindelerregende Kosten
Die Kosten des von den Vereinigten Staaten, von Europa und Japan importierten Öls sind bereits gewaltig. Diese Länder zahlen jährlich Milliarden von Dollar für dieses Öl, und zwar hauptsächlich an die erdölfördernden Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas.
Selbst wenn der Ölpreis gleichbliebe, würde der wachsende Bedarf der Industrienationen, die selbst nicht genug Öl haben, ein immer größeres Vermögen kosten. Aber der Ölpreis ist nicht gleichgeblieben! Er ist stark angestiegen, ja er hat sich gegenüber den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Und jeder akzeptiert die steigenden Preise, da der Bedarf an Öl sprunghaft wächst.
Daher erklären Fachleute, daß, ganz gleich, was geschieht, der Preis für Energie in jeder Form, doch besonders für Öl, in Zukunft weiter steigen wird. Die Zeit der preiswerteren Brennstoffe und des billigen Benzins für Kraftfahrzeuge ist vorbei.
Wegen der viel höheren Kosten und des wachsenden Bedarfs an Importen müssen die Verbrauchernationen mehr und mehr Geld für Öl ausgeben. Dadurch wird das Defizit ihres Zahlungsausgleiches mit anderen Ländern immer größer. In anderen Worten: Sie geben mehr aus, als sie einnehmen können. Diese erhöhten Ausgaben solch gewaltiger Summen müssen die bereits kritische Inflation in diesen Nationen weiter anheizen. Die Preise und Kosten für viele Waren, nicht nur für Öl, werden hochgetrieben. Das liegt daran, daß die Leute, die Ölprodukte verwenden, höhere Preise bezahlen müssen, und sie werden schließlich zum Ausgleich höhere Löhne fordern. Die höheren Lohnkosten werden die Hersteller veranlassen, die Preise für ihre Erzeugnisse zu erhöhen. Auf diese Weise fachen die ständig steigenden Ölpreise die Flammen der schon kritisch gewordenen Inflation an.
Die Vereinigten Staaten, die die Grundlage für die Wirtschaft der westlichen Welt bilden, hatten bereits schwere Probleme mit ihrer Zahlungsbilanz. Jahrelang hat das Land mehr Geld ausgegeben, als es von Übersee eingenommen hat, und hat sich daher bei anderen Nationen immer mehr verschuldet. Die Zahlungen für die wachsenden Ölimporte werden die Situation nur verschlimmern.
Zur Veranschaulichung diene folgendes Beispiel: Man schätzt, daß die Vereinigten Staaten während des Jahres 1973 ungefähr 7 Milliarden Dollar für Ölimporte ausgegeben haben. Wirtschaftsexperten erwarten, daß es im Jahre 1975 15 Milliarden Dollar sein werden. Im Jahre 1980 werden die Kosten des importierten Öls nach Ansicht von James Akins, dem amerikanischen Gesandten in Saudi-Arabien, „jährlich mehr als 40 Milliarden Dollar betragen, die aus dem Land fließen“. Es wird sehr schwierig sein, diese schwindelerregenden Kosten zu zahlen. Wenige Experten glauben, daß die Vereinigten Staaten in der Lage sein werden, genügend Produkte zu exportieren, um die Zahlungsbilanz auszugleichen. Das ist der Grund, weshalb das Ölproblem als Krise bezeichnet wird.
Für Kanada, Westeuropa und Japan ist die Lage nicht viel anders. All diese Nationen werden immer größere Schwierigkeiten haben, die gewaltigen Mengen an Öl zu bezahlen, die sie in den nächsten Jahren importieren müssen.
Doch was geschieht, wenn diese Nationen das Öl nicht bezahlen können oder wenn aus irgendeinem Grund die Lieferungen gedrosselt werden? Dann wird sich der von der Industrie geprägte Lebensstil Nordamerikas, Westeuropas und Japans, wie wir ihn heute kennen, drastisch ändern.
Da die Sowjetunion große Vorräte an Öl hat, ist sie nicht von solchen Knappheiten bedroht. Sie kann zusammen mit Rumäniens kleineren Ölfeldern die kommunistischen Länder Osteuropas versorgen. Daher befinden sich die Sowjetunion und ihre Freunde in einer guten Lage. Ebenso geht es den arabischen und moslemischen Nationen des Nahen Ostens und Nordafrikas und ihren Freunden.
Doch für Nordamerika, Westeuropa und Japan sieht die Lage anders aus. Sie haben bereits Schwierigkeiten, genug Öl zu bekommen, und dieses Problem kann in den nächsten Jahren nur noch größer werden. Das bedeutet, daß jeder, der in diesen Ländern lebt, davon auf die eine oder andere Weise betroffen wird. Die Lebenshaltungskosten werden steigen, und das ganze Leben wird in diesen Nationen nicht mehr so sein, wie es bisher war.
[Übersicht auf Seite 6]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
ÖLPRODUKTION UND -VERBRAUCH
MILLIONEN BARREL ÖL PRO TAG
PRODUKTION
VERBRAUCH
PRODUKTION
VERBRAUCH
PRODUKTION
VERBRAUCH
Westeuropa
Japan
USA
[Karte auf Seite 5]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
DIE GEBIETE MIT DEN GRÖSSTEN ÖLVORKOMMEN
SOWJETUNION
ALGERIEN
LIBYEN
IRAK
IRAN
KUWAIT
SAUDI-ARABIEN
Rotes Meer
Golf von Aden