Züchten wir doch einmal Chrysanthemen
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Japan
DIE meisten Blumen blühen im Frühjahr oder im Sommer, aber in der gemäßigten Zone gibt es eine, die wartet, bis sie keine Konkurrenten mehr hat. Es ist die Chrysantheme (Winteraster).
Hier in Japan haben wir eine ganz besondere Methode, Chrysanthemen zu züchten, und wir verraten dir gern, wie wir es machen. Wir züchten großblumige Chrysanthemen, auf japanisch ōgiku genannt.
In den Monaten von September bis November sieht man in zahlreichen japanischen Wohnungen Chrysanthemen stehen. Viele Japaner, vorwiegend Männer, haben die Ōgiku-Zucht zu ihrem Hobby gemacht. Daher gibt es nicht selten Häuser, wo 3 bis 20 Töpfe dieser prächtigen ōgiku den Eingang zieren. Meistens sind die Pflanzen so gezüchtet, daß sie drei etwa 90 cm hohe Stiele haben, und jeder Stiel trägt eine riesige Blüte. Manchmal sieht man Chrysanthemen mit sieben Stielen, von denen jeder eine prachtvolle, 10 Zentimeter große ballähnliche Blüte in einem zarten Violetton oder in einer anderen Farbe trägt. Chrysanthemen gibt es in vielen verschiedenen Farben und Formen.
Als Junge verbrachte ich meine Sommerferien jeweils in Großgärtnereien in Ohio (USA), und eine davon hatte sich auf die Chrysanthemenzucht spezialisiert. Dabei handelte es sich aber um die ausdauernden, winterharten Arten, die für Einfassungen und als Schmuck für den Garten verwendet werden. Diese kann man verhältnismäßig leicht ziehen. Im Frühjahr gräbt man die Pflanzen vom vergangenen Jahr aus und nimmt die Triebspitzen als Stecklinge. Die Kultur der ōgiku dagegen ist nicht so einfach. Das Werk Encyclopædia Britannica schreibt, daß es über 3 000 namentragende Chrysanthemenarten gibt und dauernd neue Formen hinzukommen.
Wie man eine „ōgiku“ züchtet
Ein Bekannter von mir, Herr Asano, zieht jedes Jahr ōgiku; deshalb baten wir ihn, uns zu erklären, wie er die prachtvollen großblumigen Chrysanthemen züchtet. Wir hatten eine herrliche gelbe Topf-ōgiku geschenkt bekommen, und nun stellten wir ihm einige Fragen:
„Asano-San [Herr Asano], wir möchten diese Pflanze nächstes Jahr wieder zum Blühen bringen. Treibt sie einfach wieder neue Triebe und blüht dann so wie dieses Jahr?“
Lächelnd entgegnete Herr Asano: „So simpel ist es nicht. Die ōgiku würde, wenn man sie einfach wachsen ließe, wieder in ihre ursprüngliche Form zurückschlagen. Das heißt, sie hätte viele Blüten, die viel kleiner wären als die drei großen Blütenbälle, die sie dieses Jahr trägt.“
„Was müssen wir tun, damit wir wieder solche großen Blüten haben werden?“ fragten wir.
Die einzelnen Schritte
„Wenn die Pflanze abgeblüht ist, muß man den Stiel etwas unterhalb des untersten Zweiges abschneiden. Darauf setzt man sie ins freie Land zum Überwintern. Man deckt sie mit Laub oder Stroh ab, damit sie nicht erfriert. Im März, wenn sich um den abgestorbenen Stiel neue Triebe zeigen, sollte man die Pflanze ausgraben. Man nimmt dann die jungen Triebe und steckt sie in ein Kiesbeet. Dort läßt man sie in der warmen Frühlingsluft wachsen. Mitte Mai sollten die Triebe etwa 20 cm hoch sein. Davon nimmt man Stecklinge. Sie sollten etwa sieben Zentimeter lang sein. Möchte man drei Stengel haben, muß man darauf achten, daß an den Stecklingen drei Knospen oberhalb des feuchten Sandes sind, in den man sie jetzt steckt. (Man muß sie mit Hilfe von Stecken und Schnüren so ziehen, daß Platz für die Blüten vorhanden ist.) Wenn die Stecklinge im Boden sind, müssen sie vor der Sonne geschützt und morgens und abends gegossen werden. Das Gießen darf nicht vernachlässigt werden. Es spielt bei der Zucht der ōgiku eine wichtige Rolle. Nach etwa zwei Wochen sollten sich Wurzeln gebildet haben.“
„Darauf verpflanzt man die Chrysantheme in einen Topf, und im Herbst werden wir eine neue haben, nicht wahr, Asano-San?“ fragten wir eifrig.
„Ach nein! So einfach ist das nicht!“ sagte Asano-San lachend. „Es stimmt zwar, daß man sie jetzt aus dem Sandbeet in einen Topf mit Erde verpflanzt, aber das ist nur die erste von drei Verpflanzungen.“
Verpflanzungen wichtig
„Drei Verpflanzungen?“ fragten wir erstaunt.
„Ja, das müssen wir tun, weil wir das Wachstum der Pflanze, die schließlich etwa 90 Zentimeter hoch sein soll, verlangsamen müssen. Die Verpflanzungen wirken als Schock und verzögern das Wachstum. Wenn wir die Chrysantheme zum letzten Mal in einen größeren Topf verpflanzen, geht die ganze Kraft in die Blüte“, entgegnete Asano-San.
„Muß man denn jedesmal beim Verpflanzen einen größeren Topf nehmen?“
„Ja, das muß man“, bestätigte Asano-San. „Aber man muß noch etwas anderes tun. Wenn man nur einen einzigen Stengel haben möchte, das heißt nur eine ōgiku-Blüte, muß man die Seitenknospen entfernen, sobald sie sich zeigen. Wenn man eine ōgiku mit drei Stielen züchten möchte, hat man natürlich dreimal soviel Arbeit mit dem Abknipsen der Seitenknospen. Das sind die Knospen, die direkt über der Stelle liegen, wo das Blatt am Stengel sitzt. Es ist vorteilhaft, es jeden zweiten Tag zu tun, und zwar mit einem spitzen, messerähnlichen Werkzeug. Doch sollte man das ganz vorsichtig tun, damit man das Blatt nicht verletzt. Das Blatt hat die Aufgabe, aus Sonnenenergie Nahrung für die Pflanze aufzubauen. Hat sie keine Blätter, wird sie auch nicht blühen.
In dieser Zeit werden die Pflanzen auch gern von Insekten wie Blattläusen befallen. Doch geeignete Pflanzenschutzmittel gibt es in jedem einschlägigen Geschäft zu kaufen. In Japan haben wir von Mitte Juni bis Mitte Juli Regenzeit. Deshalb ist es wichtig, darauf zu achten — wenn wir der Pflanze keinen Schaden zufügen wollen —, daß sie trocken ist, wenn wir sie besprühen.“
Wann verpflanzen?
„Wann muß verpflanzt werden?“
„Dafür gibt es kein bestimmtes Datum. Aber da man die Chrysantheme im Juni zum erstenmal in einen Topf verpflanzt und möchte, daß sie im Oktober blüht, ergibt das rund 100 Tage. Das zweite Mal sollte man sie daher in der zweiten Julihälfte verpflanzen und das letzte Mal in der zweiten Augusthälfte oder Anfang September. Ich muß noch hinzufügen, daß die ōgiku kräftige Erde liebt. Und anstatt Mist oder Handelsdünger sollte pflanzlicher Kompost verwendet werden.“
„Vielen Dank für Ihre Erklärungen, Asano-San. Ich glaube, wir wollen es einmal versuchen.“
Willst auch du es einmal versuchen? Etwas Zeit und Mühe müssen aufgewendet werden, aber das steigert nur deine Freude an dem, was vor deinen Augen entsteht, wenn ‘Gott es wachsen läßt’.