Die Lockung der Lotterie
DIE Lotterie wirkt ohne Zweifel auf viele verlockend. Die Aussicht, für sehr wenig viel zu bekommen, und auch der damit verbundene Nervenkitzel ist für viele unwiderstehlich. Der Staat New York, einer der führenden Staaten der USA, hat diese Tatsache erkannt und deshalb eine Staatslotterie eingeführt; der Verkauf der Lotterielose begann am 15. Juni 1967.
Von der Lotterie kann gesagt werden, daß sie in doppeltem Sinne verlockend wirkt; denn sie lockt nicht nur diejenigen, die Lotterielose kaufen, sondern auch die Regierungen, für die das Lotteriewesen eine gute Einnahmequelle ist. Die Legislative des Staates New York sprach sich wiederholt zugunsten einer Staatslotterie aus, und auch die Mehrheit der Wähler des Staates war dafür, denn 2 464 898 stimmten dafür, verglichen mit 1 604 694, die dagegen stimmten. Sie folgten hierin dem Beispiel der Bürger des nahe gelegenen Staates New Hampshire, der vor drei Jahren nach siebzig Jahren der erste Staat in den USA war, der eine Staatslotterie einführte. Mehr als achtzig Länder betreiben Lotterien, die jährlich insgesamt fast eine Milliarde Dollar Gewinn einbringen.
Von den irischen Rennwetten kann gesagt werden, daß sie die bekannteste und am meisten geförderte und verlockendste Lotterieart sind, und sie sind auch das größte Geschäftsunternehmen in Irland. Gemäß der Zeitschrift Fortune, einer führenden Zeitschrift der Geschäftswelt in den USA, gelingt es den irischen Rennwettunternehmern, Wettscheine in 146 verschiedenen Ländern zu verkaufen. Es wird zugegeben, daß damit jährlich 45 Millionen Dollar eingenommen werden, wovon ein Fünftel für wohltätige Zwecke abgegeben wird. Westdeutschland ist wahrscheinlich das Land, in dem das Lotteriewesen am meisten blüht, denn seine drei Staatslotterien nehmen jährlich 545 Millionen Dollar ein, wovon ein Drittel an Gesundheits-, Jugend- und Sportprogramme geht. Im Dezember letzten Jahres hatte Madrid seine bisher größte Feiertagslotterie, und 50 Millionen Dollar wurden an Gewinner ausgezahlt. England, Frankreich und Mexiko betreiben einträgliche Lotterien, und das gleiche kann auch von kommunistischen Ländern, wie der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Ungarn, gesagt werden.
Da das Lotteriewesen für Regierungen eine trügerische Einnahmequelle sein kann, haben einige namhafte, am Allgemeinwohl interessierte amerikanische Bürger öffentlich energisch dagegengesprochen. Ja, die Staatslotterie des Staates New York wurde von einigen der höchsten Beamten heftig bekämpft. Weshalb? „Weil“, wie die New York Post bemerkte, „gerade die Leute, die es sich am wenigsten leisten können, für die Lotterie Geld ausgeben. Eine Lotterie ist daher eine regressive [im Gegensatz zur progressivena] Art von Besteuerung, die asozial ist ... In England machen die Wettbüros in den Seitenstraßen den größten Teil ihres Geschäfts bei den armen Leuten in ihrer Nachbarschaft. Angelockt durch die Aussicht, für nichts etwas zu erhalten, geben die Armen ihren Verdienst, den sie für notwendige Dinge, wie Nahrung und Kleidung, ausgeben sollten, zweifellos für Glücksspiele aus.“ — 3. Oktober 1966.
Daß dies keine leere Theorie ist, wurde bewiesen, als ein Streik der Lotterieangestellten in Puerto Rico den Lotterielosverkauf für zehn Tage lahmlegte. Während dieser Zeit schnellte der Verkauf von Nahrungsmitteln in gewissen Supermärkten um 30 Prozent in die Höhe. Es ist offensichtlich, daß die ärmeren Schichten mehr Geld für Nahrungsmittel haben, wenn sie kein Geld für die Lotterie ausgeben können!
Daß Lotterien eine trügerische Quelle für Staatseinkünfte sind, ist auch der Standpunkt, den das amerikanische Steuerinstitut einnimmt: „Ganz gleich, wie viele geniale Methoden wir ersinnen, früher oder später stellen wir bei jeder fest, daß sie keine ... Panazee [Allheilmittel] ist. Auf die Dauer erweisen sich die ‚schmerzlosen‘ Methoden häufig als die schmerzhaftesten.“
Lotterien können ferner deswegen als täuschende Einnahmequellen bezeichnet werden, weil sie ungesunde Unternehmen sind. Das Lotteriewesen verschlingt eine Menge Arbeitskräfte, trägt aber nicht zur Förderung des Wohlstandes bei; das Geld geht lediglich aus den Händen der Vielen in die Hände einiger weniger über, und das mit nicht geringem Aufwand. In einigen Fällen betragen die Unkosten 50 Prozent der Gesamteinnahmen. Es gibt nur drei ehrliche und korrekte Formen der Geldübertragung: das vorbehaltlose Geschenk, der Austausch gegen andere Werte und das Entgelt für Arbeitsleistungen.
Diejenigen, die sich von biblischen Grundsätzen leiten lassen möchten, müssen lernen, der Lockung der Lotterie und anderer Formen des Glücksspiels zu widerstehen. Glücksspiele sind eigentlich eine Form der Erpressung, obgleich der Verlierer das Geld freiwillig gibt. Das Duell ist schon seit langem strafbar, obwohl es als Tötung aufgrund gegenseitigen Einverständnisses bezeichnet werden kann. So ist es auch mit dem Glücksspiel. Es ist eine Erpressung aufgrund gegenseitigen Einverständnisses; man gewinnt nur, weil ein anderer oder viele andere verlieren. Es ist ein Unrecht, sich auf Kosten anderer zu vergnügen oder zu bereichern.
Ja, die Lotterie fördert die Selbstsucht, denn jeder, der daran teilnimmt, hegt die leise Hoffnung, zu gewinnen, was sein Nächster gezahlt hat, und so wird in Wirklichkeit jeder der Feind des anderen. Es ist genau das Gegenteil von der Beachtung des schriftgemäßen Rates in 1. Korinther 10:24: „Jeder suche fortwährend nicht seinen eigenen Vorteil, sondern den des anderen.“ Dem Glücksspiel liegt die Geldliebe zugrunde, die „eine Wurzel aller Arten schädigender Dinge“ ist, wie der Apostel Paulus sagte. — 1. Tim. 6:9, 10.
Es ist kein Wunder, daß mit der Lotterie oft Korruption verbunden ist. Aus diesem Grunde wurde es vor siebzig Jahren in den USA verboten, Lotterielose von einem Staat in einen anderen zu senden. Nicht zu übersehen ist auch, daß die Spielsucht die Menschen oft in Situationen hineinbringt, die viel Herzeleid verursachen und sie sogar nicht selten zu Verbrechern machen.
Der Lockung der Lotterie nachzugeben verstößt auch gegen den biblischen Grundsatz, daß wir arbeiten sollten. Wer dieser Lockung nachgibt, möchte harte Arbeit durch das „Glück“ ersetzen. Aber die Bibel sagt deutlich: „Wenn jemand nicht arbeiten will, soll er auch nicht essen.“ — 2. Thess. 3:10; Spr. 6:6.
Christen müssen daher, während sie sich nicht in das einmischen, was andere tun möchten, der Lockung der Lotterie widerstehen, wenn sie Gott wohlgefallen möchten. Sie werden nicht einmal Lotterielose verkaufen oder irgendeine ähnliche Art Arbeit annehmen, da sie wissen, daß Erpresser in der Christenversammlung nicht geduldet werden und daß eine Beschäftigung in einem solchen Geschäftsunternehmen jemanden zu einem Teilhaber an Erpressung macht. Sie werden sich mit den Früchten produktiver Arbeit zufriedengeben und Freude an Dingen suchen, die niemandem schaden. — 1. Kor. 6:9, 10.
[Fußnote]
a Eine (mathematisch) ‘progressive’ Art von Besteuerung ist die, daß Steuern gemäß der Zahlungsfähigkeit erhoben werden — das heißt, je höher das Einkommen ist, desto höher ist der Prozentsatz, der für Steuern abgezogen wird.