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Sollte der Name Jesus „böse Erinnerungen“ wachrufen?Erwachet! 1976 | 22. Juli
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Sollte der Name Jesus „böse Erinnerungen“ wachrufen?
FAST jeder hat von Jesus von Nazareth gehört. Hunderte von Millionen halten ihn für den wichtigsten Menschen, der je auf Erden wandelte. Einige vertreten jedoch eine ganz andere Ansicht.
Zum Beispiel enthält die als babylonischer Talmuda bekannte Sammlung jüdischer religiöser Schriften folgende Erklärung: „Am Vorabend des Pesahfestes henkte man Ješu. Vierzig Tage vorher hatte der Herold ausgerufen: Er wird zur Steinigung hinausgeführt, weil er Zauberei getrieben und Jisraél verführt und abtrünnig gemacht hat; wer etwas zu seiner Verteidigung zu sagen hat, der komme und bringe es vor. Da aber nichts zu seiner Verteidigung vorgebracht wurde, so henkte man ihn am Vorabend des Pesahfestes!“ (Traktat Synhedrin, Fol. 43a).
In seinem Buch The Jewish People and Jesus Christ (Das jüdische Volk und Jesus Christus) erklärt Jakób Jocz: „Der Name Jesu und das Symbol seiner Leiden rufen bei Juden böse Erinnerungen hervor.“ Manchmal hat diese Bitterkeit extreme Formen angenommen. Manche aufrichtige Juden haben, wenn sie an Jesus erinnert wurden, die Worte ausgesprochen: „Möge sein Name und die Erinnerung an ihn ausgelöscht werden.“
Zwar sind nicht alle Juden gegenüber Jesus verbittert, doch gibt es noch jetzt, im zwanzigsten Jahrhundert, solche bitteren Empfindungen. Wir wollen einmal einige Gründe dafür betrachten.
Gründe für die Verbitterung
● Jahrhundertelang sind Juden grausam von der Christenheit verfolgt worden. Einige der erschütterndsten Seiten der Geschichtsbücher berichten von Kreuzzügen, in denen Blut vergossen wurde, Quälereien während der „Inquisition“, öffentlicher Demütigung, erzwungenen Taufen und der systematischen Ausrottung von Millionen von Menschen, deren einziges „Verbrechen“ darin bestand, Juden zu sein.
● Hunderte von Millionen von Mitgliedern der Kirchen der Christenheit beten Jesus als die zweite Person einer geheimnisvollen „Dreieinigkeit“ an, die Gott, dem Allmächtigen, völlig gleichgestellt sein soll. In den inspirierten Hebräischen Schriften heißt es jedoch: „Höre Jisraël, der Ewige unser Gott ist ein einiges ewiges Wesen“ (5. Mose 6:4, „Zunz“). Für Juden waren die Argumente der Theologen der Christenheit, gemäß denen Gott gleichzeitig sowohl „einer“ als auch „drei“ sein soll, nicht überzeugend.
● In vielen Kirchen der Christenheit gibt es Bilder von Jesus, vor denen sich die Anbetenden ehrfürchtig niederbeugen. Das findet Abneigung bei Personen, die ihr Leben nach dem ausrichten, was im zweiten der Zehn Gebote steht: „Du sollst dir kein Bild machen, kein Abbild deß, was im Himmel droben und was auf Erden hierunten und was im Wasser unter der Erde; du sollst dich nicht niederwerfen vor ihnen und ihnen nicht dienen“ (2. Mose 20:4, 5, „Zunz“).
● Jesus von Nazareth beanspruchte, der lang verheißene Messias zu sein. Doch dazu erklärt Rabbiner H. G. Enelow: „Es ist nicht nur so, daß die Vorstellungen, die von den Juden mit dem Messias in Verbindung gebracht werden, von Jesus nicht verwirklicht wurden, sondern sie sind auch bis heute unerfüllt geblieben.“
Hast du dich angesichts dieser Ausführungen schon einmal gefragt, warum in den ersten sieben Jahren, nachdem Jesus seine öffentliche Predigt- und Lehrtätigkeit begonnen hatte, alle seiner Tausende von Nachfolgern natürliche Juden oder Personen waren, die sich zum Judentum bekehrt hatten? Warum hörten sie auf Jesus?
„Kein vernünftiger Jude kann ... gleichgültig sein“
Einige halten die Sache mit Jesus von Nazareth und den Juden für eine überholte Streitfrage, die es nicht wert sei, diskutiert zu werden. Doch Rabbiner Enelow weist auf einen wichtigen Punkt hin „Kein vernünftiger Jude kann gegenüber der Tatsache gleichgültig sein, daß ein Jude [er bezieht sich hier auf Jesus] eine so gewaltige Rolle in der religiösen Erziehung und Wegleitung der Menschheit spielte.“ Ein anderer jüdischer Gelehrter, E. R. Trattner, erklärt in dem Werk As a Jew Sees Jesus (Wie ein Jude Jesus sieht):
„Es sind schätzungsweise mehr als sechzigtausend Bände über ihn (Jesus) geschrieben worden. In achthundert Sprachen und Dialekten wird seine Geschichte erzählt. Für mich — als Juden — ist das erstaunlich, denn in so großem Ausmaß hat es in den Annalen der Menschheit nichts dergleichen gegeben.“
„Zwei verschiedene Themen“
An dieser Stelle wäre es gut, einige Mißverständnisse zu klären. Dr. Jocz führt aus: „Der Christus der Kirche ... hat nichts mit dem großen Nazarener gemeinsam. Die Diskussion über die christliche Lehre und die Diskussion über Jesus von Nazareth sind zwei verschiedene Themen.“ Wieso?
Eine Untersuchung der Evangeliumsberichte, die von den Juden Matthäus, Markus, Lukas und Johannes geschrieben wurden, mag überraschend sein. Man wird feststellen, daß sich Jesus bei keiner Gelegenheit darum bemühte, von seinen Jüngern angebetet zu werden. Statt den Anspruch zu erheben, Gott gleich zu sein, sagte Jesus: „Ich [tue] nichts aus eigenem Antrieb ...; sondern so, wie der Vater mich gelehrt hat, rede ich diese Dinge“ (Joh. 8:28). Auch erklärte Jesus: „Der Vater [Gott] ist größer als ich“ (Joh. 14:28). Und in einer Zeit der Erprobung betete er zu Gott: „Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe“ (Luk. 22:42).
Anders als die Kirchen der Christenheit, unterstützte weder Jesus noch irgendeiner der Schreiber des „Neuen Testaments“ die Verwendung von Bildern in der Anbetung. Im Gegenteil, es ist zu lesen: „Flieht vor dem Götzendienst.“ „Hütet euch vor Götzen“ (1. Kor. 10:14; 1. Joh. 5:21). Und statt dazu aufzufordern, Mitmenschen zu mißhandeln, lehrte Jesus in seiner Bergpredigt: „Fahrt fort, eure Feinde zu lieben und für die zu beten, die euch verfolgen, damit ihr euch als Söhne eures Vaters erweist, der in den Himmeln ist, da er seine Sonne über Böse und Gute aufgehen und es über Gerechte und Ungerechte regnen läßt“ (Matth. 5:44, 45).
Über den Inhalt der Lehre Jesu heißt es in dem Nachschlagewerk The Jewish Encyclopedia: „In vielerlei Hinsicht war seine Einstellung typisch jüdisch, selbst in Beziehungen, in denen man gewöhnlich Zeichen jüdischer Kleinlichkeit sieht. Jesus scheint regelmäßig in der Synagoge gepredigt zu haben, was nicht möglich gewesen wäre, wenn seine Lehren als grundverschieden von den herkömmlichen pharisäischen Glaubensansichten angesehen worden wären.“
Viele der Hindernisse, die bei Juden zur Verbitterung gegenüber Jesus von Nazareth geführt haben, gab es also im ersten Jahrhundert u. Z. nicht. Ja, damalige Juden hörten ihm gern zu. Warum?
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Warum hörten sie auf Jesus?Erwachet! 1976 | 22. Juli
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Warum hörten sie auf Jesus?
TROTZ der Fortschritte der heutigen Wissenschaft und Technik ist eine praktische Wegleitung in den zwischenmenschlichen Beziehungen noch nie so notwendig gewesen wie jetzt. Nicht nur ist die Menschheit in rassischer, nationaler und religiöser Hinsicht geteilt, sondern häufig haben Personen das Gefühl, von anderen, die derselben Rasse, Nation und Religionsorganisation angehören, nicht anerkannt zu werden.
Ein Bestandteil der unvollkommenen menschlichen Natur ist die Neigung, Klassenunterschiede zu machen, und diese Neigung hat es während all der Jahrtausende der Menschheitsgeschichte gegeben. Durch gewisse Faktoren kann sie jedoch verschlimmert werden. Hast du schon einmal beobachtet, daß manche Personen, die eine gute Bildung genossen haben, leicht auf andere herabschauen, die nicht so gebildet sind? Dieses Problem gab es auch zur Zeit Jesu. Professor George Foot Moore schreibt in seinem Werk Judaism in the First Centuries of the Christian Era (Das Judentum in den ersten Jahrhunderten der christlichen Ära): „Die Gebildeten hatten den allgemeinen Stolz der Gelehrsamkeit in doppeltem Maße, da es religiöse Gelehrsamkeit war. ... Hillel [der zu Beginn unserer Zeitrechnung lebte] hatte es kurz so ausgedrückt: ,Kein Unwissender [‘am ha-arez, „Volk des Landes“, hebräisch] ist religiös.‘“ (Vergleiche Johannes 7:49.)
In welchem Ausmaß gewisse Personen diese Einstellung vertraten, zeigt der Talmud, in dem folgende Äußerungen von Rabbinern, die in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung lebten, erhalten geblieben sind:
„Die Rabbanan lehrten: ... Nur heirate er nicht die Tochter eines Mannes aus dem gemeinen Volke, denn sie sind ein Greuel und ihre Frauen sind ein Greuel, und von ihren Töchtern heißt es [in 5. Mose 27:21]: verflucht sei, wer mit einem Tiere schläft. R. [Rabbi] Eleazar sagte: Einen Mann aus dem gemeinen Volke darf man metzeln [sogar] an einem Versöhnungstage, der auf einen Sabbath fällt. ... Es ist verboten, sich einem Manne aus dem gemeinen Volke auf der Reise anzuschließen ... R. Šemuél b. [ben, „Sohn des“] Nahmani sagte im Namen R. Johanans: Einen Mann aus dem gemeinen Volke darf man wie einen Fisch zerreißen. R. Šemuél b. Jiçhaq sagte: Vom Rücken aus“ (babylonischer Talmud, Traktat Pesahim [„Passahfest“], Fol. 49b).
Jesus aber begab sich direkt unter das gewöhnliche Volk. Als gewisse der „Schriftgelehrten der Pharisäer“ Einwände dagegen erhoben, daß Jesus mit verachteten Steuereinnehmern und „Sündern“ aß, sagte er: „Die Starken benötigen keinen Arzt, wohl aber die Leidenden. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Mark. 2:16, 17). Zu dieser Einstellung erklärt E. R. Trattner in seinem Werk As a Jew Sees Jesus (Wie ein Jude Jesus sieht):
„Kein jüdischer Prophet vor Jesus suchte je nach den Elenden, den Kranken, den Schwachen und den Unterdrückten, um ihnen Liebe und mitleidsvollen Dienst zukommen zu lassen. Er gab sich außergewöhnliche Mühe, die Geringen durch ein gewisses menschliches Mitgefühl zu erlösen, das in der jüdischen Geschichte völlig einmalig dasteht.“
Dieser Geist des Mitgefühls mit dem gewöhnlichen Volk veranlaßte zweifellos viele, auf das zu hören, was Jesus zu sagen hatte. Aber das war nicht alles. Einmalig war auch der Inhalt der Lehre Jesu.
Demut und Vergebung
Statt seine Zuhörer anzuspornen, nach Größe in Gelehrsamkeit und in anderen Dingen zu streben, lehrte Jesus: „Der Größte aber unter euch soll euer Diener sein. Wer irgend sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; und wer irgend sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Matth. 23:11, 12). Claude Montefiore, ein jüdischer Gelehrter, der mehrere Werke über Jesus von Nazareth verfaßt hat, schreibt. in dem Buch Rabbinic Literature and Gospel Teachings (Rabbinisches Schrifttum und die Lehren des Evangeliums):
„Der Grundsatz des Dienstes und der Demut im Dienst war ein wichtiges Merkmal in der Lehre Jesu. Auch war er ein verhältnismäßig neues Merkmal. Soweit mir bekannt ist und ich die Sache habe untersuchen können, gibt es im rabbinischen Schrifttum keine vollkommenen Parallelen zu diesem Grundsatz. Denn Jesus ... meint mehr als eine so kleine Sache, wie bei einem Festmahl aufzuwarten oder Wein einzuschenken, obgleich solche Handlungen als Anlaß oder Veranschaulichung für seine Lehre dienen mochten. Er meinte den Dienst für ein ganzes Leben, anderen demütig oder hingebungsvoll zu dienen. Sein Gedanke war, daß man sich für die Geringsten verausgaben sollte ... Eine solche Auffassung war etwas Neues, eine neue Lehre. Und von ihrer großen Wichtigkeit und ihren gewaltigen Auswirkungen auf die Geschichte braucht hier nicht gesprochen zu werden.“
Wie sollte jemand, der seinem Nächsten dienen wollte, auf eine Beleidigung reagieren? Hast du schon einmal jemand sagen gehört: „Der ist bei mir ,durch‘. Das macht er mit mir nicht noch einmal.“? Zwar werden die Tugenden des Vergebens allgemein gepriesen, doch setzen viele genau fest, wie oft sie ein Ärgernis ertragen werden. Vielleicht hielt Jesu Jünger Simon Petrus es für eine Übertreibung, als er fragte: „Wievielmal mag mein Bruder gegen mich sündigen und soll ich ihm vergeben? Bis zu siebenmal?“ Jesus erwiderte jedoch: „Ich sage dir: Nicht bis zu siebenmal, sondern: Bis zu siebenundsiebzigmal“ (Matth. 18:21, 22). In anderen Worten: Wie oft man persönliche Beleidigungen und Kränkungen vergibt, sollte sich nicht auf ein bestimmtes Höchstmaß beschränken. Diese Grundsätze der Demut und Nachsicht waren ein weiterer Grund, weshalb es den Menschen angenehm war, auf Jesus zu hören.
Gute Taten und die „Errettung“
Wie denkst du über sehr religiöse Menschen? Hast du schon bei einigen die Neigung beobachtet, das Einhalten religiöser Vorschriften oder die Verrichtung wohltätiger Werke überzubetonen? Scheinen manche Menschen nicht zu glauben, daß großzügige Wohltätigkeitsleistungen oder andere menschenfreundliche oder religiöse Taten eine Entschuldigung für ein nachteiliges Verhalten oder gar für eine unsittliche Lebensweise sind? Unter dem äußeren Schein von Frömmigkeit können solche Personen sehr selbstsüchtig sein und andere sehr unglücklich machen.
Wie es bei fast allen Menschen der Fall ist, neigten viele Juden der Tage Jesu zu der Ansicht, daß die Einhaltung religiöser Vorschriften oder die Verrichtung wohltätiger Werke in Gottes Augen Übertretungen seines Gesetzes aufheben würde. Die Pharisäer (was „Abgesonderte“ bedeutet) neigten besonders zu dieser Einstellung. Unter den „7 Arten von Pharisäern“ führt der palästinensische Talmud den auf, „der ausgleicht“, und erklärt: „[Er] sagt sich, ... [er] werde eine religiöse Vorschrift erfüllen und dann einer anderen zuwiderhandeln, und rechnet das eine gegen das andere auf.“ Ein Pharisäer von einer anderen Art, „der sich seiner Pflichten bewußt ist, bemüht sich, seine Sünden durch seinen guten Wandel zu tilgen“ (Traktat Berachoth [„Segnungen“], Kapitel 9). Wie weit einige darin gingen, verübte Sünden durch gute Taten ausgleichen zu wollen, zeigen folgende Worte:
„Die Rabbanan lehrten: Stets betrachte sich der Mensch so, als habe er zur Hälfte Sünden und zur Hälfte Verdienste. Heil ihm, wenn er ein Gebot ausgeübt hat, denn er hat die Wagschale seiner Verdienste zum Überwiegen gebracht; wehe ihm, wenn er eine Sünde begangen hat, denn er hat die Wagschale seiner Schuld zum Überwiegen gebracht“ (babylonischer Talmud, Traktat Qiddušin [„Antrauung“], Fol. 40a, 40b).
Zu dieser Einstellung erklärt Montefiore: „Die Rabbiner scheinen zuviel nach den Taten zu richten. ... Und dieser Nachdruck führt zu einer merkwürdigen Hervorhebung von Äußerlichkeiten. Wenn jemandes gute Taten in irgendeinem Augenblick seine schlechten Taten um eine überwiegen, kann er zu den Gerechten gezählt werden; wenn seine schlechten Taten seine guten Taten um eine überwiegen, kann er zu den Sündern gezählt werden. Somit mag seine ,Errettung‘ davon abhängen, ob seine guten Taten zum Zeitpunkt seines Todes seine bösen Taten um eine überwiegen.“
Natürlich enthält das talmudische Schrifttum viele Erklärungen über die Notwendigkeit der richtigen Beweggründe beim Einhalten von Vorschriften und Verrichten wohltätiger Werke. Es wird betont, die Gebote um der Gebote willen und nicht um einer Belohnung willen zu halten. Trotz derartiger Äußerungen sind aber die zahlreichen Stellen zu beachten, in denen es als ein sicherer Weg zur „Errettung“ geschildert wird, sich durch gute Taten verdient zu machen. Montefiore drückt es wie folgt aus: „Man kann (wie üblich) viel anführen, was die Sache anders erscheinen läßt; aber es gab eine Tendenz, das ganze Leben so anzusehen, als ob es um Schulnoten ginge.“
Wenn Jesus auch nicht die Wichtigkeit des rechten Wandels herabsetzte, so betonte er doch, daß Personen trotz peinlich genauer Verrichtung religiöser und wohltätiger, guter Werke von Gott verurteilt werden könnten. Zum Beispiel legten die Pharisäer ein besonderes Gelübde ab, Gesetze religiöser Reinheit zu befolgen, wozu das rituelle Händewaschen bei Mahlzeiten gehörte. Als Jesus jedoch gefragt wurde, weshalb seine Jünger es unterließen, sich vor einem Mahl die Hände zu waschen, erwiderte er: „Hört zu und erfaßt den Sinn davon: Nicht was in seinen Mund hineingeht, verunreinigt einen Menschen; sondern was aus seinem Mund herauskommt, das verunreinigt einen Menschen. ... Was ... aus dem Munde herauskommt, kommt aus dem Herzen“ (Matth. 15:10, 11, 18).
Ein anderes von den Pharisäern abgelegtes Gelübde hing mit dem Zehnten zusammen, nämlich damit, zum Unterhalt der levitischen Priesterschaft und gewisser notwendiger Dinge in Verbindung mit der Anbetung Gottes den Zehnten vom Ertrag des Landes und von seinen Obstbäumen und Groß- und Kleinviehherden zu geben. Zwar war daran, den Zehnten zu geben, an sich nichts verkehrt, doch tadelte Jesus die Pharisäer streng, die meinten, die Einhaltung solcher religiöser Vorschriften sei eine Entschuldigung für einen Mangel an anderen gottgefälligen Eigenschaften. Jesus sagte:
„Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler, weil ihr den Zehnten gebt von der Minze und dem Dill und dem Kümmel, aber ihr habt die gewichtigeren Dinge des ,Gesetzes‘ außer acht gelassen, nämlich das Recht und die Barmherzigkeit und die Treue. Diese Dinge hätte man tun, die anderen Dinge jedoch nicht außer acht lassen sollen. Blinde Leiter, die ihr die Mücke aussiebt, das Kamel aber hinunterschluckt!“ (Matth. 23:23, 24).
Wiederholt betonte Jesus, daß das, was jemand in seinem Herzen ist, wozu seine Denkweise, seine Gefühle, Wünsche und Beweggründe gehören, in Gottes Augen wichtiger ist, als bestimmte religiöse und wohltätige, gute Werke zu verrichten. (Vergleiche Matthäus 5:27, 28.) Bestimmt hörten viele aufrichtige Juden der Tage Jesu seiner mutigen Darlegung solcher Grundwahrheiten gern zu.
Abstammung oder eifrige Anstrengungen?
Wahrscheinlich kennst du Personen, die besonders stolz darauf sind, daß sie aus einer bestimmten Familie stammen oder einer bestimmten Rasse, Nation oder Religionsorganisation angehören. Ebenso wie heute bestanden auch in Jesu Tagen extreme Neigungen in einer solchen Einstellung. Hast du schon einmal von der Lehre gehört, die als „Verdienst der Väter“ (hebräisch: sechúth abóth) bekannt ist? Gemäß der Encyclopædia Judaica „enthält die rabbinische Literatur viele Erklärungen, wonach sich das Verdienst der Vorfahren auf das Wohlergehen ihrer Nachkommen auswirkt“.
Als besonders nützlich sah man es an, von Abraham abzustammen. „So groß ist das ... [Verdienst] Abrahams“, erklärt ein maßgebender Kenner des Judentums in dem Werk A Rabbinic Anthology (Eine rabbinische Anthologie), „daß er für alle von Israel in dieser Welt begangenen Nichtigkeiten und geäußerten Lügen Sühne leisten kann.“ In einem rabbinischen Kommentar zum ersten Buch Mose wird Abraham so dargestellt, als sitze er am Tore der Gehenna, um jeden Israeliten zu retten, der sonst dorthin kommen würde! Als daher der Vorläufer Jesu, Johannes der Täufer, seine Zuhörer ungeachtet ihrer Abstammung aufforderte, zu bereuen und ihr Leben mit Gottes Gesetzen in Übereinstimmung zu bringen, hielt er es für nötig zu sagen: „Bringt also Früchte hervor, die der Reue entsprechen. Und fangt nicht an, bei euch selbst zu sagen: ,Wir haben Abraham zum Vater‘“ (Luk. 3:8). Auch Jesus riet von dem Gedanken ab, man könne aufgrund der Abstammung von Abraham bei Gott Verdienste erlangen, als er zu Mitjuden sagte:
„Ringt danach, durch die enge Tür einzugehen, denn viele, sage ich euch, werden hineinzukommen suchen, werden es aber nicht vermögen ... Dort wird euer Weinen und euer Zähneknirschen sein, wenn ihr Abraham und Isaak und Jakob und alle Propheten im Königreich Gottes seht, euch selbst aber hinausgeworfen. Ferner werden Leute aus östlichen und westlichen Gegenden von Norden und Süden kommen und werden zu Tische liegen im Königreich Gottes. Und siehe! es gibt Letzte, die Erste sein werden, und es gibt Erste, die Letzte sein werden“ (Luk. 13:24-30).
Im damaligen jüdischen Gedankengut stellte man sich die Segnungen der „künftigen Welt“ als ein Festmahl mit den Patriarchen und Propheten vor. Aber natürliche Juden, die als „Erste“ für solche Segnungen in Frage kamen, würden sie nicht einfach aufgrund ihrer fleischlichen Abstammung von Abraham erlangen. Wenn sie sich als einzelne weigerten, sich ernsthaft um die Erfüllung der Erfordernisse Gottes zu bemühen, würden ihre Plätze von denen eingenommen werden, die ‘danach rangen’, auch wenn sie aus den Heidennationen, sozusagen von den „Letzten“, wären.
Personen mit der richtigen Herzenseinstellung, die es mit ihrem Gewissen nicht in Übereinstimmung bringen konnten, daß Gott Unrecht einfach wegen jemandes Abstammung ignorieren würde, müssen Jesu Lehre über diese Angelegenheit mit Freuden zugehört haben.
Das Zeugnis der Machttaten
Ein wichtiger Grund, weshalb viele auf Jesus hörten, waren die Wunderwerke, die er verrichten konnte. Manchmal zeigte er eine übermenschliche Kenntnis von Personen und Ereignissen (Joh. 1:47-49; 4:16-19). Bei einem Hochzeitsfest verwandelte er Wasser in Wein, und bei anderen Gelegenheiten vermehrte er auf wunderbare Weise die Nahrungsmittel, um für große Menschenmengen zu sorgen (Joh. 2:1-11; Mark. 6:32-44; 8:1-9). Außerdem ging Jesus umher „und heilte jede Art von Leiden und jede Art von Gebrechen unter dem Volke“ (Matth. 4:23; 9:35; 10:1). Bei mehreren Gelegenheiten auferweckte er sogar Tote (Mark. 5:35, 38-42; Luk. 7:11-17; Joh. 11:1-44).
Solche Machttaten veranlaßten viele, Jesus ernst zu nehmen. Erstaunte Zuschauermengen riefen zum Beispiel aus: „Ein großer Prophet ist unter uns erweckt worden.“ „Dieser ist bestimmt der Prophet, der in die Welt kommen soll“ (Luk. 7:16; Joh. 6:14; vergleiche 5. Mose 18:15-19).
Obwohl in der rabbinischen Literatur das Christentum als abtrünnige Bewegung betrachtet wird, wird darin nicht geleugnet, daß Jesus und seine Jünger Wunder wirkten. Der jüdische Gelehrte Joseph Klausner erklärt in seinem Buch Jesus von Nazareth, aus dem Hebräischen übersetzt von Dr. Walter Fischel:
„Nach den Evangelien hat Jesus durch die göttliche Macht und den Heiligen Geist Wundertaten vollbracht. Die talmudischen Berichte dagegen sagen, daß er allerdings Wunder vollbracht habe, aber das sei mit Hilfe von Zauberei geschehen. ... Daraus folgt auch, daß die Quellen der drei ersten Evangelisten zeitlich nicht allzu spät anzusetzen sind, und es läßt sich weder an der Tatsache der Existenz Jesu zweifeln ... noch an dem allgemeinen Bild, das uns jene Evangelien von Jesus überliefern.“
Jesu unvergleichliche Lehre und liebevolle Haltung gegenüber Personen aller Arten veranlaßten ehrlichgesinnte Menschen, auf das, was er zu sagen hatte, zu hören und es sich zu Herzen zu nehmen. Seine beispiellosen Wunder lösten bei vielen den Ausruf aus: „Wenn der Christus gekommen ist, wird er doch nicht etwa mehr Zeichen tun, als dieser getan hat?“ (Joh. 7:31). Ja, bis zum Ende des ersten Jahrhunderts u. Z. kamen mehrere tausend Juden zu der festen Überzeugung, daß Jesus von Nazareth der verheißene Messias war.
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Was sollte der Messias vollbringen, und wann?Erwachet! 1976 | 22. Juli
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Was sollte der Messias vollbringen, und wann?
WAS bedeutet für dich der Ausdruck „Messias“? Denkst du an eine politische Gestalt, einen Menschen, der die Feinde Israels schlägt, die Juden ins Land der Verheißung zurückführt und den Tempel für die Anbetung Gottes in Jerusalem wieder aufbaut?
Ein solcher Messias ist nie erschienen. In einigen Teilen der Welt werden die Juden immer noch unterdrückt. Doch in den Hebräischen Schriften wird ausdrücklich ein „Same“ erwähnt, durch den eines Tages die ganze Menschheit Segnungen empfangen soll. Dieser Same oder Messias (was „Gesalbter“ bedeutet) sollte von den Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob abstammen und aus dem Stamm Juda und der Familie König Davids kommen (1. Mose 3:15; 12:1-3; 22:18; 26:3, 4; 28:13, 14; 49:10; 2. Sam. 7:12-16).
Mit dem Thema Messias ist für viele jedoch viel Verwirrung verbunden. In dem Wörterbuch A Dictionary of Judaism heißt es: „Es herrschten verschiedene Auffassungen über den Messias ... Doch gibt es keine maßgebliche Meinung zu all diesen Auffassungen, und das Judentum hat hierzu nichts Bestimmtes zu sagen.“ Wie steht es aber mit den Hebräischen Schriften? Hast du persönlich untersucht, was sie über den verheißenen Messias sagen? Was sollte er vollbringen? Und wann?
Das zuerst Vollbrachte
Es gibt nur eine Stelle in der Heiligen Schrift, an der das hebräische Wort Maschíach, Messias, als alleinstehendes Hauptwort gebraucht wird (also nicht näher bestimmt ist wie in den Ausdrücken ‘der Gesalbte Gottes’ und ‘mein Gesalbter’). Es ist Daniel 9:24-27, wo auf etwas Ungewöhnliches hingewiesen wird, was der Messias vollbringen würde, und zwar lange bevor sich die Segnungen seiner Herrschaft über die ganze Welt ausbreiten würden. Wir lesen:
„Siebzig Wochen sind es, die über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt worden sind, um die Übertretung zu beendigen und der Sünde ein Ende zu bereiten und für Vergehung Sühne zu leisten und Gerechtigkeit herbeizuführen auf unabsehbare Zeiten und ein Siegel auf Vision und Prophet zu drücken und das Hochheilige zu salben. Und du solltest wissen und die Einsicht haben, daß es vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und wieder zu bauen, bis zu dem Messias, dem Führer, sieben Wochen, ferner zweiundsechzig Wochen sein werden. Sie wird wiederkehren und tatsächlich wieder gebaut werden, mit einem öffentlichen Platz und Graben, aber im Drange der Zeiten.
Und nach den zweiundsechzig Wochen wird der Messias abgeschnitten werden mit nichts für sich selbst.
Und die Stadt und die heilige Stätte, das Volk eines Führers, der kommt, wird sie ins Verderben bringen. Und das Ende davon wird durch die Flut sein. Und bis zum Ende wird es Krieg geben; das, was beschlossen ist, sind Verwüstungen.
Und er soll den Bund für die vielen eine Woche lang in Kraft halten; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Opfergabe aufhören lassen.“
Ist dir aufgefallen, daß hier die Ankunft von dem „Messias, dem Führer“ (Maschíach Nagíd, hebräisch), damit in Verbindung gebracht wird, der Sünde ein Ende zu bereiten? Welche Rolle spielt der Messias dabei? Betrachten wir einige wichtige Bestandteile einer Prophezeiung, die sich in Jesaja 52:13 bis 53:12 findet und die in der alten jüdischen aramäischen freien Wiedergabe, dem Targum, auf „meinen Knecht, den Gesalbten [oder den Messias]“, angewandt wird.
„Und er ist verwundet ob unsern Missethaten, zermalmt ob unsern Sünden. Die Strafe zu unserm Heile traf ihn, und durch seine Wunde sind wir genesen.
Doch der Ewige wollte ihn durch Leiden zermalmen; wenn er sich zum Sühnopfer gebracht, sieht er einen Samen, der lange dauert, und des Ewigen Wille gelingt durch dessen Hand.
Fürwahr, ich will ihm zu Theil geben die Vielen, und Mächtige soll er als Beute theilen dafür, daß er dem Tode bloßgestellt sein Leben und zu den Missethätern gezählt wurde, da er doch die Sünde der Vielen trug, und es für Missethäter (ihn) getroffen [und Fürsprache einlegte für Sünder, Jewish Publication Society, 1973]“ (Jes. 53:5, 10, 12, Zunz).
‘Fürsprache für Sünder’ einzulegen ist ein vorbereitender Schritt, der die Grundlage dafür legt, daß sich Menschen der künftigen messianischen Segnungen erfreuen können. Wieso? Nun, könnte jemand wirklich die Segnungen der Herrschaft des Messias genießen, während er der Härte des Alters und des Todes ausgesetzt ist? Und worauf ist dieser Sterbeprozeß zurückzuführen?
Die erste Stelle, an der in der Heiligen Schrift der Tod erwähnt wird, ist 1. Mose 2:16, 17, wo Gott zum ersten Menschen, Adam, sagt: „Von jedem Baum des Gartens darfst du bis zur Sättigung essen. Was aber den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse betrifft, davon sollst du nicht essen, denn an dem Tage, da du davon ißt, wirst du bestimmt sterben.“ Ungehorsam gegenüber jenem Gebot würde bewirken, daß für Adam sogleich der Sterbeprozeß einsetzen und schließlich zu seinem Tode führen würde.
Aus der Heiligen Schrift geht hervor, daß Adam und seine Frau, Eva, Gottes Gebot tatsächlich übertraten (1. Mose 3:6). Das wirkte sich nicht nur auf sie aus, sondern auf all ihre Nachkommen, auch auf uns, die wir heute leben. Der Patriarch Hiob rief aus: „Wer kann einen Reinen aus einem Unreinen hervorbringen? Da ist nicht einer“ (Hiob 14:4). Der Psalmist David schrieb: „Siehe! In Vergehen wurde ich unter Geburtsschmerzen hervorgebracht, und in Sünde empfing mich meine Mutter“ (Ps. 51:5). Gemäß der Bibel ererbt der Mensch schon bei der Empfängnis die Sünde und, was schließlich darauf folgt, den Tod.
Allerdings wenden sich einige gegen die Lehre, daß der Mensch die Sünde ererbt. Sie behaupten, daß zwar alle Menschen eine „Neigung“ zum Bösestun haben, aber völlig in der Lage seien, sie zu überwinden. Zum Beispiel gibt es in der jüdischen rabbinischen Literatur Hinweise auf gewisse „vollkommen gerechte“ Personen. Bist du aber schon einmal einer solchen Person begegnet? Ist es durch die gemeinsamen Anstrengungen selbst der gottergebensten und gebildetsten Personen gelungen, der zunehmenden Flut von Haß, Verbrechen, Gewalttat, geschlechtlicher Unsittlichkeit und anderen Plagen, die die Menschheit heimsuchen, Einhalt zu gebieten? Man sieht deutlich, daß der Mensch göttliche Hilfe braucht, um über sündige Neigungen hinwegzukommen.
Die Höhe des „Preises“
Doch warum wurden die Sünden nicht von den Tier- und anderen Opfern gemäß dem mosaischen Gesetz zugedeckt, zu denen auch die am Sühnetag dargebrachten Opfer gehörten? Die Heilige Schrift zeigt, daß zum Sühnen der ererbten Sünde etwas Wertvolleres erforderlich sein würde als solche Tieropfer. Wir lesen in Psalm 49:6-9:
„Die da auf ihre Mittel des Unterhalts vertrauen und die sich fortwährend der Fülle ihres Reichtums rühmen: nicht einer von ihnen kann irgendwie selbst einen Bruder erlösen noch Gott ein Lösegeld für ihn geben (und der Erlösungspreis ihrer Seele ist so kostbar, daß er aufgehört hat auf unabsehbare Zeit), daß er immerdar fortleben und die Grube nicht sehen sollte.“
Wie hoch war der „Preis“ für die Erlösung der Menschheit von Sünde und Tod? Gottes vollkommene Gerechtigkeit verlangte ‘Seele um Seele’ (5. Mose 19:21). Da Adam ursprünglich vollkommen, sündenlos, war, konnte nur ein anderer vollkommener Mensch das wiederherstellen, was Adam für seine Nachkommen durch die Sünde verloren hatte. Wie schon erwähnt wurde, wird diese Rolle im Bibelbuch Daniel dem „Messias, dem Führer“, zugewiesen.
Wann sollten die Menschen anfangen, die Erfüllung dieser vorbereitenden Tätigkeit des Messias zu erwarten? Wie konnte dieser „Gesalbte“ einer menschlichen Geschlechtslinie entstammen und doch sündenlos sein?
Zählung der „Wochen“ bis zum Messias
Die Prophezeiung von den „siebzig Wochen“ enthält die Angabe, daß der ‘Messias, der Führer’, 69 Wochen (7 + 62) nach dem „Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und wieder zu bauen“, erscheinen würde (Dan. 9:25). Wann erging dieses „Wort“?
In den Hebräischen Schriften, und zwar in Nehemia 2:1-6, wird berichtet, daß der persische König Artaxerxes Longimanus in seinem zwanzigsten Jahr, nämlich 455 v. u. Z., ein solches Wort, einen Erlaß, zur Wiederherstellung und zum Wiederaufbau Jerusalems erließ. Viele jüdische und andere Gelehrte sind sich darin einig, daß die „Wochen“, die hier erwähnt werden, „Jahrwochen“ sind, also jede Woche sieben Jahre lang ist. Wenn wir vom Jahre 455 v. u. Z. 69 Jahrwochen, das heißt 483 Jahre, weiterrechnen, kommen wir zum Jahre 29 u. Z. Trat in jenem Jahr jemand auf, der den Anspruch erhob, der Messias zu seina?
Was ist von Jesus von Nazareth zu sagen?
Vielleicht denkst du an Jesus von Nazareth, der damals lebte. Wies Jesus das auf, was ihn als den verheißenen Messias bestätigte? In dem für seine geschichtliche Genauigkeit gelobten Evangeliumsbericht des Lukas heißt es, daß Johannes der Täufer, der Vorläufer Jesu, seine öffentliche Predigttätigkeit im Frühling des ‘fünfzehnten Jahres der Regierung des Tiberius Cäsar’ begann, das bis ins Jahr 29 u. Z. dauerte (Luk. 3:1, 2). Jesus wurde etwa sechs Monate danach, im Herbst des Jahres 29 u. Z., getauft und nahm seine öffentliche Predigt- und Lehrtätigkeit als Gottes „Gesalbter“ auf (Luk. 3:21-23; 4:16-21).
Wie in dem vorangegangenen Artikel dieser Zeitschrift gezeigt wurde, ließen die Methode und der Inhalt der Lehre Jesu sowie seine erstaunlichen Wunder viele zu der Schlußfolgerung gelangen, daß er der verheißene Messias sei. Selbst die Umstände der Geburt und des Todes Jesu waren in den Hebräischen Schriften mit Bezug auf den verheißenen Messias vorhergesagt worden. Inwiefern?
Vor allen Dingen wurde Jesus in Bethlehem geboren, worüber wir in Micha 5:2 lesen: „Und du, o Bethlehem-Ephratha, das zu klein ist, um schließlich unter den Tausenden Judas zu sein, aus dir wird mir der hervorgehen, der Herrscher in Israel werden soll, dessen Ursprung aus frühen Zeiten ist, aus den Tagen unabsehbarer Zeit.“ In der jüdischen aramäischen freien Wiedergabe, dem Targum, dieses Verses heißt es: „Aus dir wird der Messias vor mir ausgehen.“ (Siehe Matthäus 2:1.)
Auch wie Jesus geboren wurde, verdient Beachtung. Der Evangeliumsbericht lautet:
„Der Engel Gabriel [wurde] von Gott in eine Stadt Galiläa mit Namen Nazareth gesandt, zu einer Jungfrau, die einem Mann namens Joseph aus dem Hause Davids zur Ehe versprochen war ... Da sagte der Engel zu ihr: ‚... siehe! du wirst in deinem Schoß empfangen und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und wird Sohn des Höchsten genannt werden ...‘ Maria aber sprach zu dem Engel: ,Wie soll dies sein, da ich keinen ehelichen Verkehr mit einem Mann habe?‘ Der Engel antwortete ihr und sprach: ,Heiliger Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Geborene heilig, Gottes Sohn, genannt werden‘“ (Luk. 1:26, 27, 30-32, 34, 35).
Die übernatürliche Empfängnis Jesu und die göttliche ‘Überschattung’ seiner Entwicklung in Marias Mutterleib sollte sicherstellen, daß er frei von der adamischen Sünde wäre, was ihn zu einem vollkommenen Menschen machen würde. So wäre der Messias in der Lage, den hohen Loskaufspreis zur Erlösung der Menschheit von Sünde und Tod zu bezahlen (Ps. 49:7; Matth. 20:28).
Gemäß Daniel 9:25-27 sollte der ‘Messias, der Führer’, „zur Hälfte der [siebzigsten] Woche“ „abgeschnitten werden“. In genauer Übereinstimmung damit starb Jesus im Frühling des Jahres 33 u. Z. am Passahtag, genau eine halbe „Jahrwoche“, dreieinhalb Jahre, nach seiner Taufe (Matth. 26:2; Joh. 13:1, 2).
War Jesus der verheißene Messias? Die vorstehend angeführten Tatsachen führen einwandfrei zu dieser Schlußfolgerung. Doch viele mögen durch derartige Beweise noch nicht überzeugt werden können. Es ist mehr erforderlich. Und es gibt auch mehr. In welcher Hinsicht?
Ein „genialer Geist“
Es ist wichtig, im Sinn zu behalten, daß das Leben Jesu mehr ausmachte als lediglich eine Übereinstimmung mit Daten und Orten, die in der biblischen Prophezeiung vorherbestimmt worden waren. Seine Lehren und seine Tätigkeit sind nicht nur Worte, die man nachlesen kann. Jesus war eine Person. Um festzustellen, ob er der Messias war, muß man den „Geist“, die treibende Herzenseinstellung, betrachten, die Jesus zu dem machte, was er war, und die den Anlaß zu dem gab, was er sagte und tat. Diesbezüglich äußert sich der jüdische Gelehrte Claude Montefiore in dem Werk The Synoptic Gospels (Die synoptischen Evangelien) wie folgt:
„Die Lehre Jesu hat einen gewissen Geist und eine Wärme, die man entweder schätzt oder nicht schätzt. ... Die Lehre Jesu, die so gewaltige Auswirkungen auf die Welt gehabt hat, ist mehr und ist etwas anderes als eine zergliederte Aufstellung von Befehlen. Sie ist nicht nur die Summe ihrer Bestandteile; sie ist ein Ganzes, ein Geist. Sie ist ein genialer Geist mit den entsprechenden Merkmalen. Sie ist etwas Großes, Anregendes, Erhabenes. ...
Selbst wenn man für 970 von vielleicht 1000 Versen des Evangeliums, in denen Jesus der Sprecher ist, getrennte enge Parallelen finden könnte und selbst wenn man sie zusammenstellen und ein nettes Büchlein daraus machen würde, hätte man keinen Ersatz von gleich großem religiösen Wert geschaffen. Die Einheitlichkeit, die Würze, der Geist, das Geniale, all das wäre verschwunden. Oder besser gesagt, das alles könnte man dieser eleganten Sammlung von Bruchstücken und Leckerbissen nicht verleihen.“
Hast du dich schon einmal persönlich bemüht, den „Geist“ der Lehren Jesu durch ein sorgfältiges Studium der vier Evangeliumsberichte von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes im Lichte der Hebräischen Schriften zu erfassen? Das wird dir helfen, festzustellen, welche einleitende Rolle der Messias spielte und weshalb Jesus von Nazareth viele allgemeine Erwartungen hinsichtlich des „Gesalbten“ Gottes zu seiner Zeit nicht erfüllte. Was er aber vollbrachte, bildete die Grundlage dafür, daß die ganze Menschheit in naher Zukunft wunderbare Segnungen erlangen kann. Was für Segnungen werden das sein? Wirst du am Leben sein, um ihre Verwirklichung zu sehen?
Das zuletzt zu Vollbringende beginnt in unseren Tagen
Die Hebräischen Schriften enthalten auch Prophezeiungen über den „Sohn des Menschen“, den Messias, als herrlichen himmlischen König, dem von Gott „Herrschaft und Würde und Königtum gegeben [würde], damit die Völker, Völkerschaften und Sprachen alle ihm dienen sollten“ (Dan. 7:13, 14). Unter dieser himmlischen Königreichsherrschaft wird sich die Menschheit in vollkommener Gesundheit in einem erdenweit wiederhergestellten Paradies des ewigen Lebens erfreuen (Ps. 133:3; vergleiche Jesaja 33:24; 35:5, 6). Selbst die Toten werden durch eine Auferstehung wieder zum Leben zurückkehren (Hiob 14:13-15; Dan. 12:13; Joh. 5:28, 29). All dies wird dadurch möglich, daß der Messias freiwillig sein vollkommenes Menschenleben geopfert hat. Doch wann werden solche Segnungen kommen?
Im Gegensatz zu allgemeinen jüdischen Erwartungen seiner Tage erklärte Jesus: „Das Königreich Gottes kommt nicht in auffallender Weise, so daß man es beobachten könnte“ (Luk. 17:20). Wie denn können wir feststellen, wann das Königreich da ist?
Als „Zeichen ... des Abschlusses des Systems der Dinge“ sagte Jesus unter anderem Kriege großen Ausmaßes, bedeutende Nahrungsmittelknappheiten, Erdbeben, zunehmende Gesetzlosigkeit und weitere „Bedrängniswehen“ voraus (Matth. 24:3, 6-8, 12; vergleiche Offenbarung 6:1-8). Haben derartige Dinge die Menschheit nicht in noch nie dagewesenem Ausmaß seit dem aufsehenerregenden Jahr 1914 heimgesucht? Gemäß der Prophezeiung Jesu sollte die Generation, die dies erleben würde, auch sehen, wie die Segnungen der Herrschaft des Messias die ganze Erde zu erfassen beginnen (Matth. 24:34; Sach. 9:10). Ist das nicht die beste Nachricht für heute lebende Menschen?
In den Hebräischen Schriften wird dargestellt, welche sündensühnende Rolle der ‘Messias, der Führer’, zuerst spielen sollte, und als Zeitpunkt seines Erscheinens wird darin das Jahr 29 u. Z. festgelegt (Dan. 9:25). Sein Opfertod sollte eine halbe „Jahrwoche“, dreieinhalb Jahre, später erfolgen (Dan. 9:26, 27; Jes. 52:13 bis 53:12). Das Leben Jesu von Nazareth entspricht genau diesen und allen anderen Prophezeiungen über die Tätigkeit, die der Messias zuerst verrichten würde. Verdienen es angesichts dessen die Evangeliumsberichte nicht, ernstlich und sorgfältig studiert zu werden? Bist du bereit, sie zu erforschen? Wenn du wünschst, an den erdenweiten Segnungen der Herrschaft des Messias teilzuhaben, ist es dringend notwendig, daß du dich damit befaßt.
[Fußnote]
a Einige sagen, diese Prophezeiung beziehe sich auf zwei „Gesalbte“. Einer, so meinen sie, sollte nach 7 Wochen (49 Jahren), der andere nach weiteren 62 Wochen (434 Jahren) erscheinen. Aber das geht weder aus dem Text hervor, noch sahen es Juden des ersten Jahrhunderts u. Z. so an. In der griechischen Septuaginta-Übersetzung werden zum Beispiel beide Zeitabschnitte, die im hebräischen Text als „sieben“ und „zweiundsechzig“ „Jahrwochen“ bezeichnet werden, miteinander verbunden. Wenn man das Hebräische so betrachtet, sollte nur ein Messias nach 69 Wochen (483 Jahren) zu erwarten sein.
Darüber, wie diese Prophezeiung von Juden zu Beginn unserer Zeitrechnung betrachtet wurde, schrieb ein Rabbiner des siebzehnten Jahrhunderts, Manasse ben Israel, in seinem Werk De Termino Vitae (Über das Ende des Lebens): „Einige faßten diese 70 Wochen so auf, daß nach ihrem Ende der Messias kommen würde, der sie als Herrscher der ganzen Welt einsetzen würde. Ja, alle, die damals gegen die Römer die Waffen erhoben, vertraten diese Meinung.“
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„Die Zeit schon vorbei“Erwachet! 1976 | 22. Juli
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„Die Zeit schon vorbei“
IM Jahre 1649 fand in Venedig (Italien) zwischen zwei Juden eine Debatte über die Bedeutung der „siebzig Wochen“ statt (Dan. 9:24-27). Die beiden Gegner, von denen einer das Christentum angenommen hatte, erwählten sich Simone ben Isaac Simhah Luzzatto, den Oberrabbiner des Ortes, zum Schiedsrichter. Bei der Debatte war einer der Schüler Luzzattos, der Gelehrte Samuel ben David Nahmias, zusammen mit seinem Bruder Joseph zugegen. Nahmias schreibt über jenen Anlaß:
„Die beiden Gegner debattierten zuerst mutig miteinander. Doch als klar wurde, daß sich der Sieg offen dem Christentum zuneigte, schlug plötzlich Luzzatto, der als Richter des Meinungsstreites den ersten Platz innehatte, mit beiden Händen auf den Tisch und sagte:
‚Der umstrittene Text hat, wie ihr wißt, all die besten Rabbiner so gründlich verwirrt, daß sie nicht mehr wissen, ob sie im Himmel oder auf der Erde sind.‘ Und nach einigen weiteren ähnlichen Worten legte er sich den Finger auf die Lippen und fügte hinzu: ,Seien wir bitte still, und machen wir die Bücher zu, denn sollten wir noch länger über diese Prophezeiung Daniels spekulieren, so kommt es bestimmt dazu, daß wir alle Christen werden. Es ist nicht zu leugnen, daß darin deutlich gezeigt wird, daß der Messias gekommen ist, wofür die Zeit schon vorbei ist. Ob er Jesus, der Nazarener, ist, darüber möchte ich meine Gedanken nicht voreilig von mir geben.‘
So ging die Versammlung zu Ende und ebenso auch die Zuneigung, die ich und mein Bruder zur jüdischen Sekte hatten, so daß wir beide den Entschluß faßten, die christliche Religion anzunehmen“ („Via Della Fede“ [Der Weg des Glaubens] von Giulio Morosini [diesen Namen nahm Nahmias an, nachdem er Jesus als Messias anerkannt hatte]; gedruckt 1683 in Rom).
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Das Ende der Kriege?Erwachet! 1976 | 22. Juli
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Das Ende der Kriege?
Die Öffentlichkeit ist in den letzten Jahren von vielen Stellen warnend auf das Problem der Umweltverschmutzung und -zerstörung hingewiesen worden. Dr. Oscar W. Johnson, Professor der Biologie am Moorhead State College, bespricht in seiner Abhandlung „Auswirkungen der Industrie auf unsere Umwelt“ einige der notwendigen Schritte.
Professor Johnson bemerkt: „Es ist kein häretischer Vorschlag mehr, wenn man meint, unsere herkömmliche Ansicht über den ,Fortschritt‘ müsse sich ändern. Unser Planet hat Grenzen.“ An Schritten, die er für nötig hält, erwähnt er eine Stabilisierung des Bevölkerungswachstums, eine neue technische Verfahrensweise der Wiederverwertung statt des Abbaus von Rohstoffen und Großprogramme zur Bekämpfung der Verschmutzung. Schließlich führt er aus: „Kriege darf es nicht mehr geben, wenn der Mensch beabsichtigt, die ökonomischen Forderungen zu erfüllen, die an ihn gestellt werden, sobald er Teil eines sich selbst erhaltenden ökologischen Systems wird. Vielleicht wird dieses letzte Erfordernis das schwerste sein.“
Während man es aufgrund eines Rückblicks auf die Menschheitsgeschichte für unwahrscheinlich halten mag, daß Kriege einmal aufhören, heißt es in der Bibel von Jehova Gott: „Kriege läßt er aufhören bis an das äußerste Ende der Erde“ (Ps. 46:9). Dieser Segen wird die ganze Erde erfassen, wenn Gottes himmlisches Königreich eingreift, um die göttliche Herrschaft an die Stelle der Menschenherrschaft treten zu lassen (Dan. 2:44).
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