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Warum es Eltern so schwer fällt, ihre Kinder gehen zu lassenErwachet! 1983 | 8. Mai
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Warum es Eltern so schwer fällt, ihre Kinder gehen zu lassen
ZUM dritten Mal sagt er nun schon „Auf Wiedersehen!“ Zwischendurch hat er immer wieder alle möglichen Entschuldigungen gefunden, um den endgültigen Abschied etwas hinauszuzögern.
Doch dann ist es soweit. Er drückt die mit den Tränen kämpfende Mutter nochmals an sich, dem Vater schüttelt er kräftig die Hand und geht. Die Eltern schauen sich an — sie sind sich bewußt, daß ihr Sohn von nun an nicht mehr bei ihnen wohnen wird. Das Haus, das einst von seinem Erzählen und Lachen widerhallte, erscheint jetzt so leer.
Du hast viel Zeit, Mühe und Gefühl in deine Kinder investiert. Ungefähr 20 Jahre lang hast du dich tagtäglich intensiv um sie gekümmert. Erst „gestern“ machte dich das Geschrei deines Babys noch nervös. Ängstlich ranntest du zum Arzt, als dein Sechsjähriger fieberte. Du hieltest den Atem an, wenn du die Schulzeugnisse deiner Kinder anschautest, und atmetest erleichtert auf, wenn du feststelltest, daß sie versetzt wurden. Später protestiertest du energisch gegen die laute Musik deiner Halbwüchsigen, weintest aber, wenn sie erklärten, ausziehen zu wollen. Und nun ist ein Kind nach dem anderen „flügge“ geworden und aus dem Haus gegangen.
Es ist verständlich, daß viele Eltern es außerordentlich schwierig finden, sich an das „leere Nest“ zu gewöhnen. „Zum ersten Mal in meinem Leben“, gestand ein Mann, nachdem seine Tochter aus dem Haus gegangen war, „habe ich geweint und geweint und geweint.“
Whelan und Evelyn haben ihre Kinder zur Selbständigkeit erzogen. Dennoch mußten sie sich, als die Kinder weggingen, „ganz schön umstellen“, wie sie sagten. „Bis dahin hatte man immer alle Hände voll zu tun, doch dann, als sie aus dem Haus waren, mußten wir nur noch für uns selbst sorgen. Am schlimmsten ist es, heimzukommen und feststellen zu müssen, daß die Kinder nicht mehr da sind.“ Norma, Mutter einer erwachsenen Tochter, bekannte: „Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte, daß Lynn nicht mehr da war. Ich ließ die Tür zu ihrem Zimmer schon nicht mehr offenstehen, um nicht das Gefühl zu haben, sie sei da und ich könne mit ihr sprechen.“
Fast alle Eltern sehen der Zeit, wo ihre Kinder aus dem Haus gehen, mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits freut man sich, daß das Kind jetzt volljährig ist und man mehr Zeit für sich selbst hat, aber andererseits wird man vielleicht auch von Zweifeln geplagt („Haben wir unsere Tochter richtig erzogen?“) oder von Angst („Kann unser Kind wirklich auf eigenen Füßen stehen?“); oder man ist enttäuscht („Warum hat unsere Tochter diesen Kerl geheiratet und nicht Hans, der doch viel netter ist?“). Ja der eine oder andere mag sogar Schuldgefühle haben. Aus einer neueren Studie geht hervor, daß besonders Männer es bedauern, ihren Kindern, als sie noch kleiner waren, nicht mehr Zeit gewidmet zu haben.
Das „leere Nest“ kann auch deine Ehe verändern. Einige Ehepaare verstehen sich nun besser, bei anderen geht die Ehe schlechter. „Heute kommt es oft vor, daß ein Ehepaar sich trennt oder sich scheiden läßt, wenn die Kinder aus dem Haus sind“, kann man in dem Buch Ourselves and Our Children (Wir und unsere Kinder) lesen.
Das Flüggewerden der Kinder fällt oft auch mit gewissen Krisen im Leben der Eltern zusammen. Bei der Frau setzt die Menopause ein, die sie, wie es in einem Buch heißt, „als eine überflüssige Betonung der Tatsache empfindet, daß sie keine Kinder mehr haben kann“. Für den Mann, der im Beruf steht, mag in dieser Zeit die Arbeitslast größer werden; vielleicht merkt er auch, daß ihn seine Arbeit nicht mehr befriedigt. Oder er wird sich bewußt, daß die Zeit herannaht, wo er in Rente gehen muß. Durch die Inflation kann das Familiensparkonto zusammengeschrumpft sein. Die Gesundheit mag bereits zu wünschen übriglassen. Ja, einige mögen sogar ihr Selbstwertgefühl verlieren, weil sie jetzt keine Kinder mehr zu betreuen haben.
Kein Wunder, daß es Eltern gibt, die ihre Kinder nicht gehen lassen wollen! Das Verlangen, sie an sich zu binden, mag unwiderstehlich sein. Doch wenn die Kinder aus dem Haus gehen, muß das nicht unbedingt bedeuten, daß die Eltern sie verlieren. Vielmehr erwächst den Eltern dadurch die Aufgabe, jetzt ein anderes Verhältnis zu ihnen aufzubauen und die durch ihren Weggang entstandene Leere auszufüllen.
Aber wie? Und warum kannst du nur ein gesundes Verhältnis zu deinen erwachsenen Kindern haben, wenn du sie nicht an dich bindest?
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‘Ein Mann wird Vater und Mutter verlassen’Erwachet! 1983 | 8. Mai
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‘Ein Mann wird Vater und Mutter verlassen’
„EINES Tages, als unser Sohn nach Hause kam, merkten wir ihm an, daß er etwas auf dem Herzen hatte“, erzählte Tom. „Er setzte sich zu uns, zu meiner Frau und mir, und sagte: ,Also meine Lieben, ich habe das Mädchen gefunden, das ich heiraten werde.‘“
Gott wußte im voraus, daß sich das immer wiederholen würde, als er sagte: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, und er soll fest zu seiner Frau halten, und sie sollen ein Fleisch werden“ (1. Mose 2:24). Es ist somit unumgänglich, daß dein Kind eines Tages von zu Hause weggeht.
Das heißt natürlich nicht, daß Kinder aus dem Elternhaus ausziehen sollten, wenn sie das Alter dazu noch gar nicht haben. Es steht jedoch in den Psalmen geschrieben: „Wie Pfeile in der Hand eines Starken, so sind die Söhne der Jugend.“ Früher oder später verlassen die Pfeile den Köcher und werden ins Leben „abgeschossen“ (Psalm 127:4).
So, wie du über einen abgeschossenen Pfeil keine Macht mehr hast, so untersteht auch dein erwachsenes Kind, wenn es das Elternhaus verlassen hat, nicht mehr deiner Gewalt. Dein Sohn wird, wenn er heiratet, selbst Haushaltsvorstand, und deine Tochter untersteht nach der Heirat ihrem Ehemann (Epheser 5:21-28, 33).
Aus der Bibel geht hervor, daß es Eltern schwerfällt, ihre elterliche Gewalt nicht mehr auszuüben. Jesu Mutter zum Beispiel hatte anscheinend das Gefühl, daß ihr Sohn, nachdem er herangewachsen und zum Messias gesalbt worden war, in gewisser Hinsicht immer noch ihrer Gewalt unterstehe. Auf einer Hochzeit sagte sie zu Jesus: „Sie haben keinen Wein.“ (Das war ein leiser Wink, etwas zu tun.) Freundlich, aber bestimmt erinnerte Jesus sie daran, daß er jetzt mündig sei — und vollbrachte sein erstes Wunder (Johannes 2:2-11).
Der Patriarch Jakob hatte in dieser Hinsicht ebenfalls gewisse Schwierigkeiten. Rahel, die von ihm innig geliebte Frau, war bei der Geburt Benjamins gestorben. Natürlich hing Jakob nun mit besonderer Liebe an diesem Sohn. Als Benjamin nach Ägypten reisen sollte, wollte Jakob ihn nicht gehen lassen. Er sagte: „Es mag ihm sonst ein tödlicher Unfall zustoßen“ (1. Mose 35:16-18; 42:4).
Während der Wunsch normal ist, das Kind bei sich zu behalten, ist es doch vernünftig, sich damit abzufinden, daß es jetzt erwachsen und selbständig ist.
„Wie du mir weh tust!“
„Müssen sie denn so weit wegziehen?“ sagen manche Eltern vorwurfsvoll. „Warum können sie nicht ein selbständiges Leben führen und trotzdem in unserer Nähe wohnen?“
Es kann weh tun, wenn die Kinder fortziehen. In dem Bibelbericht über Rebekka, die weit wegziehen sollte, um zu heiraten, heißt es zum Beispiel, daß ihre Mutter und ihr Bruder die Bitte äußerten: „Das Mädchen soll noch eine Zeitlang bei uns bleiben, etwa zehn Tage, dann mag sie sich auf die Reise begeben.“ Wie schwer fiel es ihnen, sie gehen zu lassen! Doch Rebekka sagte ja, als man sie fragte, ob sie gehen wolle, obschon sie damit rechnen mußte, ihre Familie nie mehr zu sehen (1. Mose 24:55, 58, Einheitsübersetzung).
Dein erwachsenes Kind mag aus einem berechtigten Grund — zum Beispiel wegen besserer Arbeitsmöglichkeiten — den Wohnsitz wechseln. Ungebührlicher Widerstand kann sich verheerend auswirken. So berichtete eine junge Frau: „In der ersten Zeit unserer Ehe hatten wir das Bedürfnis, viel Zeit gemeinsam zu verbringen. Aber meine Mutter begriff das nicht. Anstatt uns ein bißchen in Ruhe zu lassen und zu warten, bis wir sie besuchten, kam sie ständig zu uns.“ Das Verhältnis verschlechterte sich noch, als das junge Ehepaar wegziehen wollte. Es kam zwischen Mutter und Tochter zu einer ausgesprochenen Feindschaft. „Wo heißt es, daß die Pflicht, Vater und Mutter zu ehren, erfüllt ist, wenn man heiratet? Bin ich dir nicht immer eine gute Mutter gewesen?“ sagte die Mutter bitter zu ihrer Tochter. Wie wirkte sich ein solches Verhalten aus? Der Streit belastete nicht nur die Ehe der jungen Leute, sondern zwischen Mutter und Tochter entstand auch eine tiefe Kluft. Monatelang sprachen sie beide nicht mehr miteinander. Dabei hatte früher ein inniges Verhältnis zwischen ihnen bestanden.
In dem Buch No Strings Attached heißt es: „Wenn du eine Duldermiene aufsetzt, weil dein Kind von zu Hause weggeht (,Wie du mir weh tust!‘ ,Wie du deinem Vater [deiner Mutter] weh tust!‘ ,Wie kannst du uns das bloß antun!‘), stößt du es wahrscheinlich noch weiter von dir weg“ (Kursivschrift von uns).
Der Vater in Jesu Gleichnis vom verlorenen Sohn erkannte diese Gefahr. Als sein erwachsener Sohn das Elternhaus verlassen wollte, schimpfte er ihn nicht aus, noch drohte er ihm, daß es ihm in der Fremde schlechtgehen werde. Vielmehr blieb er freundlich und ließ ihn gehen. Vermutlich trug diese verständnisvolle Haltung viel dazu bei, daß der Sohn später wieder nach Hause zurückkehrte. Die erwachsenen Kinder ihr eigenes Leben leben zu lassen, auch wenn sie sich plagen müssen, mag ausschlaggebend dafür sein, daß das freundschaftliche Verhältnis zwischen ihnen und den Eltern bestehenbleibt (Lukas 15:11-24; siehe auch Philipper 2:4).
„Was gefällt ihm nur so an ihr?“
„Man möchte doch das Beste für seine Kinder, und wenn man sieht, daß sie sich gut verheiratet haben, ist man glücklich“, sagte Norma. Tom, ihr Mann, fügte hinzu: „Da bin ich ganz offen. Wir haben so viel Zeit in die Erziehung unserer Tochter investiert, daß ich nicht bereit war, sie dem erstbesten zu geben, der daherkam.“ Manchmal sind die Eltern über die Partnerwahl ihres Kindes bitter enttäuscht. Wie würdest du reagieren? (Vergleiche 1. Mose 26:34, 35.)
Wäre es nicht am besten, sich zu bemühen, dem neuen Familienmitglied gegenüber positiv eingestellt zu sein? Studien lassen erkennen, daß der Bestand einer Ehe zu einem großen Teil davon abhängt, ob die Eltern den Ehepartner ihres Kindes akzeptieren oder nicht.a Die Wahl deines Kindes mag dich zwar überraschen oder gar verwundern. In Gottes Augen ist die Ehe jedoch ehrbar (Hebräer 13:4).
Anstatt „Mücken zu seihen“ und nur die Fehler des Schwiegersohnes oder der Schwiegertochter zu sehen, sollte man sich bemühen, objektiv zu sein. Man sollte versuchen, den Schwiegersohn oder die Schwiegertochter mit den Augen seines Kindes zu sehen. Bestimmt hat er oder sie auch gute Seiten. Ferner darfst du nicht vergessen, daß dein Sohn oder deine Tochter ebenfalls nicht vollkommen ist. Ein Vater, der mit der Partnerwahl seines Kindes nicht ganz einverstanden war, räumte ein: „Um mit dem Problem fertig zu werden, braucht man eine gewisse Portion Demut. Mir fiel dann ein, daß das Mädchen, das ich gewählt hatte, meinen Eltern auch nicht gefiel, doch wie sehr hatten sie sich getäuscht!“
Die Abneigung, die Eltern gegen den Partner haben mögen, den ihr Kind sich ausgesucht hat, mag in Wirklichkeit nicht mit der Person des Partners zusammenhängen, sondern die Folge einer gewissen Eifersucht sein — sie befürchten, die Liebe ihres Kindes zu verlieren. Eifersucht aber kann ein gutes Verhältnis zerstören (Sprüche 14:30). Bemühe dich daher, gute Beziehungen zu deinem Schwiegersohn oder deiner Schwiegertochter herzustellen. Lerne ihn oder sie kennen. Übe keine ungerechte Kritik, vermeide es, Streitgespräche zu führen oder unbedingt auf deinem Standpunkt zu beharren. Sei nachgiebig und ‘halte, soweit es von dir abhängt, Frieden’ (Römer 12:18).
[Fußnote]
a In einem einschlägigen Werk heißt es: „Wenn Vater und Mutter mit der Wahl des Ehepartners nicht einverstanden sind, ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Ehe scheitert, um das Doppelte höher, als wenn die Eltern sie gutheißen.“
[Herausgestellter Text auf Seite 4]
Bedeutet es, daß Eltern ihre Kinder verlieren, wenn sie aus dem Haus gehen?
[Bild auf Seite 5]
Wir hatten das Bedürfnis, viel Zeit gemeinsam zu verbringen. Aber anstatt uns ein bißchen in Ruhe zu lassen, kam Mutter ständig zu uns.
[Bild auf Seite 6]
Eltern sind mit der Partnerwahl ihres Kindes nicht immer einverstanden
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„Man hört nie auf, Vater oder Mutter zu sein“Erwachet! 1983 | 8. Mai
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„Man hört nie auf, Vater oder Mutter zu sein“
DER amerikanische Schriftsteller John Updike schrieb einmal: „Das Kind mag siebzig Jahre alt und ein gewiefter Politiker sein, der Vater dagegen nur noch ein kümmerliches Männchen im Rollstuhl, dennoch versucht dieser, das Zepter der elterlichen Autorität zu schwingen.“ Ein Vater von drei Kindern meinte ebenfalls: „Man hört nie auf, Vater oder Mutter zu sein. Wir kümmern uns immer noch um unsere Kinder und sind um sie besorgt.“
Kinder dürfen ihre Eltern nicht beiseite schieben, nur weil sie jetzt groß sind. „Höre auf deinen Vater, der deine Geburt verursacht hat“, heißt es in der Bibel, „und verachte nicht deine Mutter, nur weil sie alt geworden ist“ (Sprüche 23:22). Diese Worte sind nicht nur an minderjährige Kinder gerichtet, denn wenn die Mutter eines Kindes „alt geworden ist“, ist es wahrscheinlich schon erwachsen. Da die Eltern geistige Reife und Lebenserfahrung besitzen, können sie ihren erwachsenen Kindern mit gutem Rat zur Seite stehen (Sprüche 16:31).
„Aber wie gibt man Erwachsenen Rat?“ magst du fragen. „Ganz vorsichtig“, antworten viele Eltern. Dein Kind ist zwar erwachsen, aber es mag anfänglich noch ziemlich unsicher sein. Es freut sich, auf eigenen Füßen zu stehen, dennoch benötigt es eine gewisse Anleitung und Unterstützung. Aufgrund dieser Zwiespältigkeit reagiert es auf jeden Rat außerordentlich empfindlich. Eine Mutter meinte, man sei manchmal in einer Zwickmühle: „Ich möchte, daß sie das Gefühl haben, erwachsen zu sein, aber ich möchte ihnen auch zu verstehen geben, daß ich an ihrem Leben Anteil nehme.“
Wo ist die Grenze zwischen Anteilnahme und Einmischung? Und mit welchem emotionellen Trick gelingt es, anstatt dem natürlichen Verlangen, erziehen zu wollen, nachzugeben, nur noch eine zurückhaltende Anteilnahme zu bekunden?
Erstens solltest du dich mit deiner neuen Rolle abfinden. Wenn dein Baby in das Kleinkindalter kommt, hörst du auf, es zu füttern. So mußt du auch aufhören, deine Kinder zu bemuttern, wenn sie erwachsen sind. Du darfst ihnen höchstens noch mit Rat zur Seite stehen. Erwachsene Kinder zu bemuttern wäre so unangebracht, wie wenn man sie Bäuerchen machen ließe oder sie stillen würde.
Aber auch bei deinem Bemühen, ihnen mit Rat zur Seite zu stehen, sind dir Grenzen gesetzt. Zum Beispiel darfst du dich nicht mehr auf deine elterliche Autorität berufen. („Tu, was ich dir sage!“) Vielmehr mußt du das Recht des Kindes, jetzt als Erwachsener behandelt zu werden, respektieren. Das ist allerdings nicht leicht. Eine Mutter sagte: „Ich muß mich so in acht nehmen, daß ich nichts Verkehrtes zu meinen Kindern sage. Wie ein rohes Ei muß ich sie behandeln, um zu vermeiden, daß sie sich verletzt fühlen oder daß sie meinen, ich würde mich in ihre Angelegenheiten mischen.“ Muß man denn tatenlos zusehen, wie die erwachsenen Kinder ins Unglück rennen?
Ein Mann sagte: „In ihre persönlichen Angelegenheiten mische ich mich nicht ein. Selbst wenn sie Geld verschwenden, sage ich nichts. Es ist ja nur ihr Geld. Aber wenn ich bei einem meiner Kinder ein religiöses oder ein sittliches Fehlverhalten beobachten würde, würde ich mit väterlichen Ratschlägen nicht zurückhalten.“ Haben nicht alle Christen die Pflicht, zu versuchen, einen Menschen, der einen „Fehltritt“ tut, wieder „zurechtzubringen“? (Galater 6:1).
„Ich wollte nur helfen!“
Es gibt aber Eltern, die, anstatt zu helfen, sich in die Angelegenheiten ihrer Kinder einmischen (1. Timotheus 5:13). Zufolge zwiespältiger Gefühle — Liebe, Furcht, Einsamkeit und berechtigte Sorge — wenden sie verheerende Taktiken an. Finanzielle Unterstützung kann beispielsweise zum Bestechungsgeschenk oder zu einem Trick werden, um die Kinder an sich zu binden. („Warum denn ans andere Ende der Stadt ziehen? Wir können euch genügend Geld leihen, damit ihr euch in unserer Nähe eine hübsche Wohnung nehmen könnt.“) Manchmal wird eine raffinierte Sabotage getrieben. („Bitte, laß mich heute abend für euch beide kochen. Schließlich ist mein Sohn meine Küche gewohnt.“) Oder man mischt sich ganz unverhohlen ein. („Was, ihr wollt noch keine Kinder? Ihr wollt wohl, daß Mutter und ich sterben, ohne unsere Enkel gesehen zu haben?“)
Hüte dich vor solchen Methoden! In dem Buch Getting Along With Your Grown-Up Children (Mit deinen erwachsenen Kindern auskommen) heißt es: „Eltern, die ihrem volljährig gewordenen Kind Geld geben und ihm dann den Verwendungszweck vorschreiben, benutzen es unbewußt als Mittel, um das ,Kind‘ zu bevormunden.“
Widerstehe der Versuchung, ständig ungefragt Anregungen zu geben, denn so kannst du dir deinen Schwiegersohn oder deine Schwiegertochter zum Feind machen. Ein Fachmann empfiehlt sogar, sich vorzunehmen, „der Schwiegertochter nie zu verraten, was dem Sohn gefällt, und ihr nie zu sagen, wie sie für ihn kochen soll, wie sie die Wohnung einrichten soll usw., es sei denn, man wird ausdrücklich danach gefragt“. Gib erst Anregungen, wenn deine Kinder eine Zeitlang verheiratet und deshalb weniger empfindlich sind.
„Viele Eltern machen etwas von Grund auf falsch“, sagte Tom, Vater von zwei Kindern. „Als sie sich in die Angelegenheiten ihrer Kinder hätten einmischen sollen, haben sie es nicht getan, und jetzt, wo ihre Kinder erwachsen sind, möchten sie sich einmischen.“ Deshalb erhebt sich die Frage: Wie kann man sein Kind auf den Tag vorbereiten, an dem es „flügge“ wird?
[Herausgestellter Text auf Seite 8]
„Ich möchte, daß sie das Gefühl haben, erwachsen zu sein, aber ich möchte ihnen auch zu verstehen geben, daß ich an ihrem Leben Anteil nehme.“
[Bild auf Seite 7]
Du darfst deine Kinder jetzt nicht mehr bemuttern, sondern solltest ihnen nur noch mit Rat zur Seite stehen.
[Bild auf Seite 8]
Übe an deinem Schwiegersohn oder deiner Schwiegertochter keine ungerechte Kritik.
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Bereitest du deine Kinder auf den „Flug“ ins Leben vor?Erwachet! 1983 | 8. Mai
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Bereitest du deine Kinder auf den „Flug“ ins Leben vor?
DAS Adlerweibchen ist eine gute Mutter. Es ist besorgt um seine Jungen, schützt und füttert sie. Wenn sie noch sehr klein sind, stopft es ihnen vorgekautes Futter in den Schnabel. Später lehrt es sie, kleine Tiere selbst zu zerlegen.
Aber um überleben zu können, müssen die Jungen fliegen lernen. Unter Mamas Aufsicht wird auf spielerische Weise so lange geübt, bis es eines Tages Ernst wird und die Jungen aus dem Nest gescheucht werden. Die widerstrebenden Jungtiere werden an den Rand des Horstes gelockt und geschoben. Manch ein Jungadler ist mutig und macht gleich einen Flugversuch. Weniger mutige werden ohne viel Federlesens über den Rand des sicheren Horstes hinausgeschoben. Die Mutter stößt allerdings nach, „fängt es auf und trägt es fort“. Danach schüttelt sie es jedoch wieder ab. Das wiederholt sie, bis das Junge fliegen kann (5. Mose 32:11, Die Bibel in heutigem Deutsch).
Leider sind viele junge Menschen auf den „Flug“ ins Leben überhaupt nicht vorbereitet. Dr. Richard C. Robertiello schreibt über die antiautoritäre Kindererziehung, die zu Anfang der 50er Jahre populär wurde: „Die Eltern gaben sich große Mühe, liebevoll zu sein, ihre Gefühle zu zeigen, gegenüber den Wünschen des Kindes nachsichtig zu sein und ihm seinen Willen zu lassen.“
Obwohl mit dieser Methode geringe Erfolge erzielt wurden, ist das Ergebnis doch eine Generation von Erwachsenen, die „sich anscheinend nicht für einen Beruf entscheiden kann, die unfähig ist, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ... ihre Talente für einen sinnvollen Beruf einzusetzen“. Solche Leute „suchen bei uns Ärzten Rat, weil sie sich verloren vorkommen und sich nicht mehr zurechtfinden“. Der Grund? „Sie wurden in einer Umwelt erzogen ..., die im großen und ganzen von Mühsal, Entbehrungen und Problemen frei war ... Die Eltern versprachen ihnen einen Rosengarten, während lediglich ein gewöhnliches Feld mit viel Unkraut auf sie wartete.“
Das Leben ist alles andere als ein „Rosengarten“. Kinder, die nicht darauf vorbereitet sind, gleichen in unserer unmoralischen, materialistischen Welt „Schafen inmitten von Wölfen“ (Matthäus 10:16). Es ist deshalb unbedingt erforderlich, daß du dein Kind so vorbereitest, daß es überleben kann. Wann sollte diese Vorbereitung beginnen?
Das Erziehen von Kindern
Carmen, Mutter von drei Kindern, erkannte, daß es wichtig ist, früh mit der Erziehung zur Selbständigkeit zu beginnen. Sie berichtet: „Als mein Sohn erst wenige Monate alt war, lehrte ich ihn bereits, einiges selbständig zu tun. Zum Beispiel nahm ich ihn jeweils nicht einfach auf, sondern hielt ihm die beiden Zeigefinger hin, die er dann mit seinen kleinen Fingerchen umklammerte, und so zog ich ihn hoch.“
Wie Dr. Robertiello schreibt, können Kinder schon im Vorschulalter dazu erzogen werden, „sich anzuziehen, sich zu kämmen, sich zu waschen und die Spielsachen wegzuräumen“.
Aber wie ist es mit älteren Kindern? In der Bibel wird berichtet, daß Joseph und David — später tüchtige Männer — dazu erzogen wurden, Verantwortung zu übernehmen, indem sie schon in jungen Jahren verschiedene Arbeiten aufgetragen bekamen (1. Mose 37:2; 1. Samuel 16:11). Ist eine solche Erziehung auch heute noch nützlich?
Bob und Mary, Eltern von drei netten jungen Männern, sagen ja. „Wir fingen an, unsere Jungen auf das Leben vorzubereiten, als sie noch kleine Knirpse waren.“ Und mit einem verschmitzten Lächeln meinte Bob: „Alle drei trugen Zeitungen aus, und selbst wenn es wie mit Eimern goß, konnten sie nicht damit rechnen, mit dem Auto gefahren zu werden. Ich sagte: ,Das ist eure Arbeit; dafür seid ihr verantwortlich!‘“ War das hartherzig und ungewöhnlich streng? Bob erklärte: „Wir sorgten für Kleidung, Nahrung und Obdach. Aber wir waren der Meinung, wenn sie mehr haben wollten, sollten sie dafür arbeiten.“ Diese Erziehung machte sich bezahlt. Bob fügte hinzu: „Vor kurzem kam einer meiner erwachsenen Söhne zu mir und sagte: ,Ich bin dir so dankbar, Vater, daß du uns richtig erzogen hast.‘“
Auch Frank und Dawna erzählten: „Wir haben unseren Jungen alles mögliche beigebracht. Sie können kochen, Wände streichen und einwecken, sie kennen sich in der Gartenarbeit aus, können mit Betonsteinen mauern und vorteilhaft einkaufen.“ Dawna meinte noch: „Für eine Mutter ist es einfach zu sagen: ,Bis ich euch gezeigt habe, wie eine Arbeit gemacht wird, habe ich sie selbst erledigt.‘ Es zahlt sich jedoch aus, die Kinder anzuleiten.“
Aus Kindern, die in übertriebenem Maße von ihren Eltern abhängig sind, werden „interesselose, leistungsschwache Schüler, unzufriedene und schwierige Angestellte sowie unmögliche und fordernde Ehepartner“, schreibt Dr. Jerome Singer. Treffend sagt die Bibel diesbezüglich: „Wenn einer seinen Knecht von Jugend an verzärtelt, wird er in seinem späteren Leben sogar ein Undankbarer werden“ (Sprüche 29:21).
Sittliche Werte
Junge Menschen brauchen auch einen Maßstab für Recht und Unrecht, sollen sie unbeschadet durch die heutige habgierige, unsittliche materialistische Welt „fliegen“. Aber wie vermittelt man ihnen einen solchen Maßstab?
Das bereits erwähnte Ehepaar, Bob und Mary, sind Zeugen Jehovas. Deshalb hielten sie es für wichtig, mit ihren Kindern regelmäßig die Bibel zu studieren. Fiel ihnen das leicht? Bob gestand: „Sich hinzusetzen und ein solches Studium durchzuführen und es interessant zu gestalten ist schwer. Aber wir führten es regelmäßig durch.“ Außerdem sorgten die Eltern für guten Umgang und für gemeinsame Freizeitvergnügen. Als besonders nützlich erwies es sich, mit ihren Kindern am Predigtdienst von Haus zu Haus teilzunehmen. „Einige der schönsten Gespräche entwickelten sich, während wir zusammen von Haus zu Haus gingen“, berichtete Mary.
Die Früchte dieser harten Arbeit sind beglückend. Alle drei Söhne sind eifrige Diener Gottes. Wenn du mit deiner Familie ein ähnliches Programm durchführen möchtest, sind Jehovas Zeugen gern bereit, dir zu zeigen, wie es gemacht wird. Warte mit dieser lebengebenden Erziehung nicht, bis die Kinder halb erwachsen oder schon groß sind. Unterweise sie, solange sie noch jung und für deinen Einfluß empfänglich sind.
Eltern, die sich die Zeit nehmen, ihre Kinder auf das Leben vorzubereiten, freuen sich sogar, wenn sich die Kinder selbständig machen wollen.
[Herausgestellter Text auf Seite 9]
Einer meiner erwachsenen Söhne sagte: „Ich bin dir so dankbar, Vater, daß du uns richtig erzogen hast.“
[Herausgestellter Text auf Seite 10]
„Einige der schönsten Gespräche entwickelten sich, während wir zusammen von Haus zu Haus gingen.“
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Du kannst sie beruhigt gehen lassen!Erwachet! 1983 | 8. Mai
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Du kannst sie beruhigt gehen lassen!
WIE wir gesehen haben, ist es nicht leicht, den Drang, seine erwachsenen Kinder zu bevormunden, in den Griff zu bekommen. Sie gehen zu lassen kann schwerfallen. Als Mutter oder Vater mag man den Atem anhalten (und sich auf die Zunge beißen müssen), wenn sich die Kinder selbständig machen. Die Zeit der „süßen Babys“ ist vorbei; man muß sich damit abfinden, daß die Kinder erwachsen sind. Es gilt jetzt, sie selbst entscheiden und sie ihre Fehler machen zu lassen; gleichzeitig muß man ihnen aber auch zu verstehen geben, daß man stets für sie da ist, wenn sie einen brauchen.
Du bist immer noch ein Vater oder eine Mutter und wirst nie aufhören, dich um deine Kinder zu kümmern oder dir ihretwegen Sorgen zu machen. Aber wenn du dir bewußt bist, daß sie jetzt selbständig sind und daß du sie gut erzogen und ihnen sittliche Werte eingeprägt hast, wirst du etwas ruhiger sein. Du kannst die Zuversicht haben, daß sie ihren Weg machen werden.
Der Gedanke an das leere Nest darf dich nicht nervös machen. Wenn du deine Kinder gehen läßt, eröffnen sich dir neue Perspektiven, neue Möglichkeiten, ja sogar die Gelegenheit, deine Ehe aufzufrischen. Eine Zeitlang wird dir das Haus leer vorkommen. Da du jahrelang mit deiner Familie beschäftigt warst, wirst du dich jetzt etwas umstellen müssen.
Aber das Leben ist nicht zu Ende. Du bist lediglich wieder an den Ausgangspunkt zurückgekehrt. Zuerst warst du mit deinem Ehegefährten allein. Dann kam ein Kind nach dem anderen. Die Jahre vergingen unbegreiflich schnell. Und nun ist ein Kind nach dem anderen volljährig geworden und aus dem Haus gegangen. Du bist also wieder da angelangt, wo du angefangen hast — allein mit dem Menschen, mit dem du, wie du gelobt hast, das Leben teilen wolltest. Dein Ehepartner war vor den Kindern da, und er sollte dir immer noch lieb und wert sein.
Bemühe dich, noch vertrauter mit ihm zu werden. „Man kann jetzt einfach hingehen und seiner Frau einen Kuß geben, während sie am Spülstein steht. Das konnte man, solange die Kinder da waren, nicht ohne weiteres tun“, meinte ein Vater. Nun habt ihr auch mehr Zeit für Gespräche, für Reisen — einfach füreinander. Vielleicht könnt ihr sogar mehr Zeit auf euren Gottesdienst verwenden.
Selbst wenn man als Vater oder als Mutter verwitwet oder geschieden ist, braucht man nicht unter Einsamkeit zu leiden. „Beschäftige dich, indem du etwas für andere tust“, empfiehlt Carmen. „Als mein Mann starb, hätte ich mich am liebsten in eine Ecke verkrochen und geweint, aber dann habe ich gelernt, die Initiative zu ergreifen. Ich freue mich, wenn ich Besuch einladen oder andere ermuntern kann.“
Vielleicht wirst du jetzt kummervoll sagen: „Ich befürchte nur, daß mich meine Kinder vergessen werden!“ Diese Befürchtung ist grundlos. Wenn deine Kinder auf sich gestellt sind und sich mühsam durchschlagen, denken sie bestimmt oft an das Elternhaus und die Liebe, mit der sie dort umgeben wurden. Von Zeit zu Zeit werden sie anrufen und dich wissen lassen, wie es ihnen geht. Vielleicht fragen sie dich sogar um einen guten Rat. Und gelegentlich werden sie auch zu Besuch nach Hause kommen; nicht so oft, wie du es gerne hättest, aber häufig genug, um dir die Gewißheit zu geben, daß sie dich immer noch lieben.
Du hast deine Kinder nicht verloren, weil deine Liebe so groß war, daß du sie gehen ließest. Das Feuer der Liebe, das du in ihrem Herzen entzündet hast, wird nicht verlöschen — es sei denn, du machst es selbst aus. Selbstlose Liebe ist unzerstörbar und wird wachsen, auch wenn ihr weit voneinander entfernt seid. „Die Liebe versagt nie“ (1. Korinther 13:8).
Ein dankbarer Sohn, der nicht in der Nähe seiner Eltern wohnt, schrieb ihnen kurz vor seiner Hochzeit folgenden Brief: „Ich möchte Euch wissen lassen, daß ich Euch innig liebe und Euch vermisse. Aber in der Bibel heißt es, daß ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen wird. Ich werde mich bemühen, unserem Familiennamen Ehre zu machen. Wenn Kelly und ich verheiratet sind, werden wir Euch regelmäßig besuchen.“ Und so sollte es sein.
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