Eine große Tür, die zur Tätigkeit führt, tut sich auf
Von George Fredianelli erzählt
SEITDEM ich Gott diene, könnte mein Leben gut mit den Worten des Apostels Paulus zusammengefaßt werden: „Eine große Tür, die zur Tätigkeit führt, hat sich mir aufgetan, doch gibt es viele Gegner“ (1. Kor. 16:9). Ja, kurz nachdem ich durch diese „Tür“ getreten war, das heißt mit dem Predigen des Wortes Gottes begonnen hatte, hatte ich mit Gegnern zu tun. Es war im Juli 1940, als ich in San Rafael (Kalifornien) auf der Straße die Zeitschriften der Watch Tower Society anbot. Ein Offizier der Luftwaffe wollte mich daran hindern und versuchte, mich von einer Meute mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagen zu lassen.
Dieser Mann war sehr erbost darüber, daß Jehovas christliche Zeugen gegenüber dem Krieg eine neutrale Stellung einnahmen, und er fing an, mich anzuschreien und mir unanständige, beleidigende Äußerungen an den Kopf zu werfen. Währenddessen sammelten sich immer mehr Menschen an. Aufgehetzt durch den Mann, wurde die Menge mit jeder Sekunde gemeiner. Schließlich betete ich im stillen zu Jehova, er möge mir helfen, treu zu sein, ganz gleich, wozu sich die Menge hinreißen lasse.
Ich hatte das Gebet kaum beendet, als sich zwei Männer durch die Menschenmenge drängten und sich zwischen mich und die Menge stellten. Sie begannen mit den Leuten zu reden und fragten sie: „Welchen Sinn hat es, gegen andere Staaten zu kämpfen, die die Freiheit niederreißen, wenn wir sie hier zu Hause selbst niederreißen?“ Die Menge beruhigte sich, und einer nach dem andern ging auf der Straße weiter, bis nur noch der Luftwaffenoffizier übrigblieb. Völlig enttäuscht fuchtelte er mit der Faust vor meinem Gesicht herum, murmelte ärgerlich etwas vor sich hin und ging seines Weges.
Nachdem ich durch die „große Tür“, die zur Predigttätigkeit führt, getreten war, hatte ich es zwar wie der Apostel Paulus mit Gegnern zu tun, doch hat mir diese Tätigkeit auch unermeßliche Segnungen eingetragen. Auf welche Weise ist aber Gottes Wahrheit überhaupt in mein Leben getreten, und wie tat sich mir die „große Tür, die zur Tätigkeit führt“, auf?
GOTTES WAHRHEIT KENNENLERNEN
Eines Abends kam Bruno, einer meiner Brüder, von der Arbeit nach Hause und brachte eine Anzahl Bücher in leuchtenden Farben mit. Mein Bruder Charles und ich waren neugierig. Aber Bruno schloß sie ein und sagte, es seien „protestantische“ Bücher und sie seien kein Lesestoff für uns.
Wir waren nämlich katholisch. Mein Vater und meine Mutter stammten aus Italien und waren Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nach Amerika ausgewandert. Unsere Familie war gewohnt, sonntags die Messe zu besuchen. Wahrscheinlich hätte sich an diesem Brauch in meinem Leben nichts geändert, hätte nicht mein Bruder Bruno Anfang der 1930er Jahre jene Bücher mit nach Hause gebracht.
Schon nach wenigen Wochen fing Bruno an, uns etwas über den Inhalt dieser Bücher der Watch Tower Society zu erzählen, und er ermunterte uns, sie zu lesen. Mein Bruder Charles und ich lasen einige davon. Die Botschaft der Bibel erschien uns logisch, und sie enthielt eine wunderbare Hoffnung für die Zukunft.
Sogleich erzählte ich in der Schule allen meinen katholischen Mitschülern von der biblischen Wahrheit, wobei ich annahm, sie würden sie ebenso logisch und wunderbar finden wie ich. Doch wie hatte ich mich getäuscht! Sie waren entschieden dagegen, daß ich predigte, und beschimpften mich. Ich hatte nicht erwartet, daß solch wunderbare Wahrheiten so viele Gegner fänden, und unter diesem Druck stellte ich schließlich das Lesen dieser Bücher ein und sprach nicht mehr über die biblische Wahrheit. Erst ungefähr fünf Jahre später, im Jahre 1938, wurde mein Interesse an Gottes Wahrheit neu belebt.
In jenem Jahr starb mein Vater nach langer Krankheit. Vor seinem Tod hielten sich die Glieder unserer Familie abwechselnd die ganze Nacht bei ihm auf, um für ihn zu sorgen. In jenen Nächten fing ich an, einige Veröffentlichungen der Watch Tower Society zu lesen. Das, was ich über Jehovas Liebe und über seinen Namen las, erfüllte mich mit großer Dankbarkeit gegenüber dem wahren Gott, mit Dankbarkeit dafür, daß er für unsere Rettung und zu unserem Segen so umfangreiche Vorkehrungen getroffen hatte. Was mich aber von allem am tiefsten beeindruckte, war die Wahrheit, daß die Rechtfertigung Jehovas noch wichtiger ist als die Errettung des Menschen. Damals wurde in mir der sehnliche Wunsch geboren, an der Rechtfertigung des Namens Jehovas teilzunehmen.
Am Tage der Beisetzung meines Vaters tat ich Bruno diesen Wunsch kund. Zu dieser Zeit brachte auch mein jüngerer Bruder Charles den Wunsch zum Ausdruck, Jehova zu dienen. Und so kam es, daß ich an dem Tage, an dem ich über den Verlust meines Vaters trauerte, trotzdem mit der Hoffnung und Freude erfüllt war, die jemand verspürt, der Gottes Wahrheit kennenlernt
‘DIE GROSSE TÜR TUT SICH AUF’
Einen Monat später, am 17. März, überschritt ich freudig die Schwelle der ‘großen Tür’, die mich schließlich in ein wunderbares Feld der Tätigkeit in Italien, dem Land meiner Väter, führte. An jenem Tag begann ich, die gute Botschaft von Gottes Königreich von Haus zu Haus zu predigen. Während ich Gottes Wahrheit anderen übermittelte, nahm meine Freude von Woche zu Woche zu. Durch meine Beteiligung am Predigtwerk wurde ich erfrischt, nachdem ich die Woche über mit weltlichen Arbeitskollegen hatte zusammen sein müssen.
Bruno, Charles und ich verbrachten gemeinsam ganze Abende damit, uns über die Wahrheit der Bibel und über die Freude zu unterhalten, die sie uns gebracht hatte. Während wir so darüber nachdachten, wie sehr uns Jehova gesegnet hatte, kamen wir zu einer wichtigen Entscheidung. Wir überlegten: Wenn uns schon drei oder vier Stunden Predigtdienst in der Woche so viel Freude bereiteten, wieviel größer würde unsere Freude doch dann sein, wenn wir den Pionierdienst oder Vollzeitpredigtdienst aufnehmen würden! Wir gaben daher unsere Arbeit auf, ließen uns von der Watch Tower Society ein Gebiet zuteilen und bereiteten uns darauf vor, von Pittsburgh nach Clay County (Nordkarolina), unserem ersten Pioniergebiet, umzuziehen.
NOCH GRÖSSERER FREUDE ENTGEGEN
Im April 1939 zogen wir nach dem Süden. Wir waren sehr aufgeregt und darauf gespannt, wie unsere erste Zuteilung aussehen würde. In Clay County wohnte nur eine einzige Familie, die in der Wahrheit war: Familie Coffey. Ich werde nie vergessen, wie sie uns begrüßte, wie freundlich und gastfrei sie war. Wir befanden uns auf dem Lande; die Leute waren arm, doch gastfreundlich, und hatten große Achtung vor der Bibel. Gern lauschten sie ihrer Botschaft. Das heißt, sie taten es so lange, bis sich der Ortsgeistliche gegen uns wandte, indem er darauf hinwies, daß wir „die Hölle ablehnten“. Ich werde nie die Frau vergessen, die mich mit einem erhobenen Besen in der Hand fragte: „Glauben Sie an die Hölle?“ Ich antwortete, daß ich an die Bibelhölle glaubte, und war froh, als sich der Besen wieder senkte und sie mir gestattete, ihr etwas über Gottes Königreich zu erzählen.
Als ich später als Vollzeitprediger in San Francisco (Kalifornien) und Umgebung tätig war, geschah etwas sehr Bedeutsames in meinem Leben. Als meine Brüder und ich eines Tages vom Predigtdienst nach Hause kamen, fand jeder von uns einen Brief vor, einen Brief von der Watch Tower Society. Welch eine wunderbare Nachricht er enthielt! Die Gesellschaft hatte vorgesehen, eine Schule zur Ausbildung von Missionaren zu eröffnen, die in fremde Länder gesandt werden sollten. Wir wurden eingeladen, im Februar 1943 die erste Klasse zu besuchen.
Welch eine denkwürdige Zeit, diese fünf Monate in Gilead! Wie glücklich wir Studenten waren, als wir uns jeden Abend auf den Unterricht des nächsten Tages vorbereiteten! Die Wochenenden boten uns genügend Gelegenheiten, das, was wir im Unterricht gelernt hatten, im Predigtdienst praktisch anzuwenden. An Samstagabenden kamen wir oft zusammen und erzählten die vielen Erfahrungen, die wir im Vollzeitpredigtdienst gemacht hatten. Die Zeit verging so schnell, ja schneller, als wir dachten — und der Tag unserer Abschlußfeier, der 23. Juni 1943, war da.
Nach der Ansprache, die der Präsident der Gesellschaft, N. H. Knorr, an die Absolventen richtete, verlas er dann unsere Zuteilungen. Viele von uns sollten nicht sogleich in andere Länder gehen, da der Krieg damals noch andauerte. Trotzdem war ich begeistert, als ich vernahm, daß ich die Zuteilung erhielt, Versammlungen der Zeugen Jehovas in den Neuenglandstaaten als Kreisaufseher zu besuchen und zu ermuntern. Charles und Bruno sollten ebenfalls reisende Aufseher werden — Charles in Texas und Bruno in Minnesota. So wurden wir also zum erstenmal in unserem Leben voneinander getrennt.
Die Besuche der Kreisaufseher in den Versammlungen verliefen damals ganz anders als heute. Mein Plan sah folgendermaßen aus: In Versammlungen, die einen bis zwanzig Verkündiger hatten, verbrachte ich einen Tag; gab es in einer Versammlung einundzwanzig bis vierzig Verkündiger, hielt ich mich zwei Tage auf, und in Versammlungen, in denen mehr als vierzig Verkündiger tätig waren, dauerte mein Besuch drei Tage. Ich erinnere mich, daß ich in einem einzigen Monat dreißig Versammlungen diente. Gewöhnlich reiste ich nachts von einem Treffpunkt zum anderen, indem ich nach der Zusammenkunft in einer Versammlung abfuhr und am darauffolgenden Morgen am nächsten Ort ankam.
AUF NACH ITALIEN!
Im März 1946 erhielt ich einen Brief von der Gesellschaft, mit dem ich eingeladen wurde, als Missionar nach Italien zu gehen. Am 30. September 1946 bestieg ich in New York ein Schiff, einen früheren Truppentransporter, in Richtung Italien. Am 19. Oktober 1946 lief unser Schiff in Neapel ein. Dort erkannte ich, welch ein ausgedehntes Feld für die Predigttätigkeit Italien war; denn in Neapel gab es bei einer Einwohnerzahl von über einer Million keinen einzigen Prediger der guten Botschaft vom Königreich. In ganz Italien, diesem großen Feld von 45 Millionen Menschen, zählte man weniger als hundert Verkündiger der guten Botschaft. Ich war tatsächlich durch „eine große Tür, die zur Tätigkeit führt“, getreten.
Von Neapel reiste ich nach Mailand, wo sich damals das Zweigbüro der Gesellschaft befand. Nie werde ich die erste Zusammenkunft vergessen, der ich in Italien beiwohnte. Es war das Wachtturm-Studium am Sonntag, dem Tag, an dem ich in Mailand ankam. Wir waren sieben Personen bei dieser Zusammenkunft, die von Bruder Giuseppe Tubini geleitet wurde, der jetzt im Zweigbüro der Gesellschaft in Rom dient.
Meine Zuteilung in Italien bestand darin, als Kreisaufseher zu dienen. Wie groß war das Gebiet meines Kreises? Es umfaßte ganz Italien, einschließlich der Inseln Sizilien und Sardinien! Meine erste Aufgabe, die man als meine erste Missionsreise bezeichnen könnte, bestand darin, die wenigen Versammlungen, die bereits gegründet waren, zu besuchen, neue Versammlungen zu gründen und Personen aufzusuchen, von denen man wußte, daß sie sich für Gottes Wahrheit interessierten.
Es war glaubensstärkend, auf dieser ersten Reise durch Italien meine christlichen Brüder kennenzulernen, die während der grausamen Jahre faschistischer Herrschaft standhaft an der wahren Anbetung festgehalten hatten.
Die Jahre meines Dienstes in Italien verliefen nicht ohne Schwierigkeiten. Ein Problem war für mich vor allem die italienische Sprache. Obgleich meine Eltern aus Italien stammten, war die Sprache, die ich von ihnen gelernt hatte, ein italienisiertes Englisch und kein reines Italienisch. Ich erinnere mich immer noch an die verdutzten Gesichter, die ich zu sehen bekam, sooft ich es versuchte, einige dieser Ausdrücke zu verwenden. So dachte ich, es wäre vorteilhaft, eine ausgeschriebene Ansprache auszuarbeiten, um mit dieser Schwierigkeit fertig zu werden. Aber das erwies sich nicht als besonders wirkungsvoll. Denn die Brüder waren gewöhnlich müde, nachdem sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet hatten, und so schliefen viele, während ich mein Manuskript vorlas. Daher legte ich das Manuskript beiseite, begann frei zu sprechen, und sooft ich ins Stocken geriet, bat ich meine Zuhörer, mir zu helfen. Das war für sie und für mich von Vorteil. Sie wurden dadurch wach gehalten, und mir half es, Fortschritte in der Sprache zu machen, so daß es mir heute schwerer fällt, englisch zu sprechen als italienisch.
Was mich zutiefst rührte, war die große Armut in diesem Lande. Bei meinen Besuchen traf ich manchmal Leute an, die an jenem Tag noch nichts gegessen hatten. Ich kaufte einige Nahrungsmittel und teilte sie mit ihnen, während ich sie gleichzeitig auch geistig ernährte. Der Eifer und die Großzügigkeit meiner christlichen Brüder waren sehr bewegend. Sie teilten mit mir die wenige Nahrung, die sie hatten, und bestanden nicht selten darauf, daß ich in ihrem Bett schlief, während sie ohne Zudecke auf dem Fußboden lagen. Ins Gebiet gingen wir zu Fuß, wobei wir oft viele Kilometer zurücklegten.
Infolge des Krieges waren die hygienischen Verhältnisse sehr schlecht. Wanzen und Schaben, die manchmal so zahlreich waren, daß der Fußboden und die Wände in Bewegung zu sein schienen, bereiteten mir viele schlaflose Nächte. Einmal saß ich drei Nächte lang auf einem Tisch, da ich nicht einmal in die Nähe des Bettes kommen durfte. Natürlich haben sich inzwischen die Verhältnisse weitgehend geändert.
Als ich nach Caltanissetta in Mittelsizilien fuhr, stieg ich in einen Zug, der von einer Dampflok gezogen wurde. Die Reise auf dieser Strecke von 80 bis 100 Kilometern dauerte von sechs Uhr morgens bis ungefähr 10 Uhr abends. Ich war froh, als ich in Caltanissetta ankam, konnte ich doch nun in ein Hotel gehen, das längst fällige Bad nehmen und mich schlafen legen. Aber ich hatte mich getäuscht. Denn in der Stadt war eine festa zu Ehren ihres Schutzpatrons, des „heiligen“ Michael, im Gange, und alle Hotels waren daher belegt — überwiegend mit Nonnen und Priestern. Wieder auf dem Bahnhof angelangt, beabsichtigte ich, mich auf einer Bank auszustrecken, die ich im Warteraum entdeckt hatte. Doch das Bahnhofsgebäude war abgeschlossen. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich auf die Treppe, die zum Bahnhof führte, zu setzen und zu versuchen, etwas auszuruhen.
‘ES GIBT VIELE GEGNER’
Tut sich die ‘große Tür der Tätigkeit’ für Prediger des Wortes Gottes auf, so fehlt es natürlich nicht an Gegnern. Und das war auch in diesem großen Bereich der Tätigkeit hier in Italien der Fall. Die Geistlichkeit griff in ihrem Versuch, die demütigen Menschen davon abzuhalten, Gottes Wahrheit zu vernehmen, zu verschiedenen Mitteln. Sie stachelte die Leute und auch die Behörden dazu an, das Predigtwerk, das wir von Haus zu Haus durchführten, zu stören. Wenn wir in kleineren Städten predigten, liefen die Leute aus den Häusern, umringten uns und schrien, wir sollten uns davonmachen. Der Wohnungsinhaber, mit dem wir uns gerade unterhielten, wurde dadurch entweder in Schrecken versetzt, so daß er die Tür vor uns schloß, oder er schloß sich der Menge an, die uns belästigte.
Um auch nur kurze Zeit in der kleinen Stadt Monte Pagano, von der man einen schönen Ausblick auf die Adria hat, predigen zu können, mußten ein anderer Zeuge und ich viermal die Stadt verlassen. Jedesmal, wenn uns die Leute auf der einen Seite aus der Stadt hinaustrieben, gingen wir ein Stück außen herum und betraten sie wieder von einer anderen Seite aus. Wir konnten dann ein paar Familien besuchen, bis uns die Menge wieder entdeckte und uns zwang zu verschwinden. Es ist wunderbar, zu sehen, daß es trotz dieses Widerstandes heute in fast allen Städten, in denen diese Taktik angewandt wurde, blühende Versammlungen der Zeugen Jehovas gibt.
Als ich einmal in Taranto einen öffentlichen Vortrag hielt, versammelte sich draußen vor der Tür, die sich hinter meinem Rücken befand, eine Menge und schrie, wobei die Leute die gemeinsten Ausdrücke gebrauchten und sogar versuchten, die Tür einzuschlagen. Doch Jehova gab mir die Kraft, mit dem Vortrag fortzufahren, bis ich fertig war, und es gelang dem Pöbel nicht, mich zu unterbrechen.
WUNDERBARE SEGNUNGEN
Aber solche Schwierigkeiten waren nichts im Vergleich zu den freudigen Erlebnissen, die ich während dieser Jahre hatte. Wie viele Male habe ich doch dasselbe erlebt wie der Apostel Petrus, als er den Heiden Kornelius, einen Offizier, besuchte! Oft kam ich zu einem Interessierten und stellte fest, daß er das ganze Haus voller ‘Verwandter und vertrauter Freunde’ hatte (Apg. 10:24).
Das war zum Beispiel in Bisceglie der Fall. Als ich auf dem Bahnhof eintraf, wartete Pasquale De Liddo auf mich zusammen mit fast vierzig seiner Nachbarn und Verwandten, die die gute Botschaft zu hören wünschten. Den ganzen Tag stellten sie biblische Fragen und waren überglücklich über die Wahrheit. In Norditalien, im Hause von Battista Dialley, warteten ungefähr sechzig Leute auf mich, als ich ankam. Wir begannen mit einem Frage-und-Antwort-Programm, das in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages zu Ende ging.
Welch ein wunderbares Vorrecht Jehova mir einräumte, Augenzeuge der gewaltigen Ausdehnung des Königreichswerkes in diesem Lande zu sein! Ich war begeistert, als ich vor kurzem vernahm, daß Italien im Monat Juni 1973 eine neue Höchstzahl von 30 822 Predigern des Königreiches erreicht hatte. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, als ich in Neapel eintraf und es dort keinen einzigen Verkündiger der guten Botschaft gab, und wenn ich mir heute die elf Versammlungen von Lobpreisern Jehovas in Neapel vorstelle, jubelt mein Herz voller Dankbarkeit gegenüber Jehova. Und wie verhält es sich in Mailand, wo ich nach meiner Ankunft in Italien mit sechs weiteren Personen zu einem Wachtturm-Studium zusammenkam? Jetzt gibt es dort dreizehn Versammlungen.
Bei der steigenden Zahl von Versammlungen bedurfte es auch eines ständigen Bezirksaufsehers. Dies war ein weiteres Tätigkeitsfeld, das mir Jehovas Organisation im Jahre 1954 zuteilte. Wie zu Beginn meines Dienstes umfaßte mein Gebiet nun abermals ganz Italien, von den Alpen bis zur Insel Sizilien. Als in Alessandria im Jahre 1954 ein Kreiskongreß stattfand, lernte ich Eva Celli, eine Vollzeitpredigerin der göttlichen Wahrheit, kennen. Im Juli des darauffolgenden Jahres heirateten wir, und so hatte ich nun, nachdem ich fast fünfundzwanzig Jahre allein gereist war, eine Frau als Begleiterin. In den 1950er Jahren gab es viel zu tun; wir besuchten Versammlungen, dienten bei Kreiskongressen und bereiteten zwischendurch Bezirkskongresse und Landeskongresse vor.
Im Jahre 1959 segnete mich Jehova mit einem weiteren Vorrecht. Ich erhielt eine Einladung zum Besuch der Königreichsdienstschule, die damals in South Lansing, im Staate New York, stattfand. Ich sollte dadurch ausgerüstet werden, als Unterweiser der Königreichsdienstschule in Italien zu dienen.
Im Januar 1961 begann ich damit, denselben Kurs für Versammlungsaufseher in Italien zu leiten, an dem ich in South Lansing teilgenommen hatte. Im Januar 1963 wurde die Schule unterbrochen, damit ich in Mailand als Kongreßaufseher für den Kongreß „Ewige gute Botschaft“ dienen konnte, der im Jahre 1963 stattfand. Als ich ungefähr siebzehn Jahre zuvor in Italien angekommen war, hätte ich mir nicht träumen lassen, daß ich einem Kongreß von dieser Größe in Italien beiwohnen und sogar das Vorrecht haben würde, ihn zu organisieren. Welch eine Freude war es, die 20 000 Menschen zu sehen, die im Vigorelli-Volodrome zum öffentlichen Vortrag zusammenkamen! Mit noch größerer Begeisterung wohnte ich im Jahre 1973 dem internationalen Kongreß „Göttlicher Sieg“ im Flaminio-Stadion in Rom bei, wo über 57 000 Personen versammelt waren.
Ende der 1960er Jahre begannen mir meine Füße viel Mühe zu machen, und das Problem wurde im Laufe der Jahre immer ernster. Da ich erkannte, daß ich meiner Aufgabe als Bezirksaufseher nicht mehr gerecht werden konnte, ersuchte ich den Präsidenten der Gesellschaft darum, im Zweigbüro in Rom dienen zu dürfen. Dank sei Jehova und seiner Organisation, daß meine Bitte gewährt wurde und meine Frau und ich im April 1970 Glieder der Bethelfamilie wurden.
Ich bin Jehova sehr dankbar für diese Zuteilung in Italien, die mir die Möglichkeit bot, mit zur Ausdehnung der wahren Anbetung in diesem Land beizutragen. In dem neuen, hübschen Bethelheim in Rom zu wohnen, das erst vergangenes Jahr fertiggestellt wurde, ist eine weitere große Güte, die mir Jehova erwiesen hat. Es mangelt nicht an Arbeit, da die Ausdehnung in Italien weitergeht. Ich bin Jehova von ganzem Herzen dankbar dafür, daß er mir in den vergangenen Jahren die Kraft gegeben hat, in Italien auszuharren. Da Jehova mir die „große Tür, die zur Tätigkeit führt“, aufgetan hat, vertraue ich weiterhin darauf, daß er mir das nötige Ausharren schenkt, um jede Tätigkeit auszuführen, die er mir künftig zuteilen mag.