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Gewalttätigkeit greift um sichErwachet! 1982 | 22. Oktober
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Gewalttätigkeit greift um sich
Die Wurzeln der Gewalttätigkeit
● Vier Jungen zogen zu einer sechzehntägigen Schlägerei aus. Sie schlugen mehrere ältere Männer, von denen einer starb, peitschten zwei junge Mädchen aus, wickelten benzingetränkte Watte um die Beine eines Mannes und zündeten sie an, schleppten einen anderen Mann sieben Häuserblocks weit und warfen ihn in einen Fluß, wo er ertrank. „Das war ein köstliches Abenteuer“, sagte einer der Jungen. „Ich tat es aus reinem Spaß“, fügte ein anderer hinzu. Alle stammten aus gutem Hause, hatten gute Schulnoten und gaben jüngeren Kindern Nachhilfeunterricht.
● Der 63jährige Joseph, Vater von acht Kindern, konnte nicht schlafen. Er stand auf, ging in seine Garage, nahm zwei Gewehre mit, marschierte in die ruhige Nachbarschaft auf der anderen Straßenseite und eröffnete das Feuer auf eine Party am Swimmingpool eines Nachbarn. Zwei Personen kamen ums Leben, und zwei andere wurden schwer verletzt. Dann jagte er sich selbst eine tödliche Kugel in die Schläfe. Die Polizei konnte kein Motiv für das Blutbad erkennen.
● Marjorie wurde ärgerlich, als aus der Geschirrspülmaschine in ihrer Luxuswohnung Wasser über den Küchenboden floß. Sie rannte, um einen Wischlappen zu holen. Gerade in diesem Moment kam ihr sechsjähriger Sohn weinend ins Zimmer, und weil er nicht beachtet wurde, leerte er den Abfalleimer in die immer größer werdende Wasserpfütze aus. Marjorie schlug ihm so fest ins Gesicht, wie sie nur konnte. Er schrie vor Schreck und Schmerz. Dann ergriff sie einen Ledergürtel und schlug ihn damit immer wieder aufs Gesäß. Sie konnte einfach nicht aufhören.
● Der 25jährige Lee hegte seit einiger Zeit Groll gegen seine Mutter und seine Schwester. Die Mutter beschuldigte ihn, sie bestohlen zu haben, und wies ihn aus dem Haus. Kurze Zeit später kam die lauernde Aggression zutage, und Lee forderte Geld von seiner Mutter — mit vorgehaltener Schußwaffe. „Du wirst doch nicht deine eigene Mutter erschießen“, schrie sie. Er feuerte, und sie fiel sterbend zu Boden. Dann schoß er zweimal auf seine Schwester, so daß sie schwer verletzt wurde, und floh.
Solche Berichte sind zahllos. Gewalttätigkeit, das Produkt ungezügelter Aggressionen, herrscht auf der Straße und in der Familie. Die obenerwähnten Personen hätten deine Nachbarn, Verwandten oder Freunde sein können. Willkürliche Aggression kennt keine altersbedingten, rassischen, wirtschaftlichen, sozialen oder ethnischen Grenzen.
Gewalttaten können auch dein Leben oder das einer dir nahestehenden Person beeinträchtigen, denn die Zahl der Gewaltverbrechen nimmt weltweit enorm zu. In Großbritannien ist zwischen 1970 und 1980 die Zahl der Morde um 50 Prozent gestiegen. Die Bundesrepublik Deutschland, Südafrika, Italien und Kanada berichten von einem alarmierenden Anstieg der Gewaltverbrechen. „Es besteht absolut kein Zweifel, daß sich immer mehr junge Leute der Gewalttätigkeit zuwenden“, sagte der stellvertretende Staatsanwalt von Toronto.
Die Gewalttaten, die in die Polizeiakten eingehen, sind lediglich die Spitze des Eisbergs. Zahllose Aggressionshandlungen werden im eigenen Heim begangen. Wie Nachforschungen zeigen, geht die größte Gefahr, daß du umgebracht wirst, nicht von einem Straßenräuber aus, sondern von einem Freund, einem Bekannten oder einem Familienangehörigen. Eine Arbeitsgemeinschaft amerikanischer Soziologen stellte fest, daß „Gewalttätigkeit zwischen Brüdern und Schwestern, Ehemännern und Ehefrauen, Eltern und Kindern ,häufiger vorkommt als zwischen anderen Personen oder in anderen Situationen, es sei denn in Kriegen und bei Aufständen‘“.
Sicher ist die heutige Situation eine Erfüllung der prophetischen Schilderung, die vor zweitausend Jahren in der Bibel niedergeschrieben wurde: „Dieses aber erkenne, daß in den letzten Tagen kritische Zeiten dasein werden, mit denen man schwer fertig wird. Denn die Menschen werden eigenliebig sein, ... ohne natürliche Zuneigung, ... ohne Selbstbeherrschung, brutal“ (2. Timotheus 3:1-4).
Aber was macht Menschen so brutal oder aggressiv, daß sie ihren Jähzorn oft sogar an unschuldigen Opfern auslassen? Zum Beispiel geriet ein junger Mann mit dem Vater seiner Freundin in eine kleine Auseinandersetzung. In einem unbändigen Wutanfall prügelte er den Mann zu Tode, vergewaltigte die jüngere Schwester seiner Freundin und verletzte sie mit einem Messer, erstach ihren jüngeren Bruder und ein zweijähriges Kind, das in der Wiege schlief. Später, im Gefängnis, konnte sich der junge Mann nicht an die einzelnen Morde erinnern. „Ich glaube, daß vieles, was sich in mir aufgestaut hatte“, sagte er, „mit einem Mal aus mir herausbrach.“ Dann schüttelte er ungläubig den Kopf und fügte hinzu: „Ich saß da und fragte mich: ,Bin das wirklich ich hier? Habe ich all das getan?‘“
Wäre es diesem jungen Mann möglich gewesen, die Aggressionen, die sich in ihm aufgestaut hatten, zu beherrschen? Was waren die Wurzeln solcher Aggressionen? Waren frühere Lebensumstände einschließlich des Verhaltens seiner Eltern dafür verantwortlich? War es seine Umwelt? War mit seinem Körper etwas nicht in Ordnung? War es das Produkt seiner eigenen verkehrten Denkweise? Doch darüber hinaus erhebt sich die Frage: Was kannst du tun, um in deinem Heim keine Gewalttätigkeit aufkommen zu lassen? Diese Fragen werden in den folgenden Artikeln untersucht.
Gegenwärtig gibt es eine stattliche Zahl von Theorien darüber, worin Aggressionen wurzeln. Damit du verstehst, an welche Ursachen und Lösungen manche Experten dabei denken, hat ein Awake!-Redaktionsmitglied vier Forscher über dieses Problem befragt. Auf den folgenden vier Seiten findest du die Ergebnisse dieser Interviews, die ihre Meinungen über die Wurzeln der Gewalttätigkeit wiedergeben.
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Liegt es am Körper?Erwachet! 1982 | 22. Oktober
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Liegt es am Körper?
Die Wurzeln der Gewalttätigkeit
● Professor Kenneth E. Moyer von der Carnegie-Mellon University (Pennsylvanien, USA) sagte, daß durch bestimmte Zustände in unserem Körper Systeme in unserem Gehirn stimuliert werden können, die einen starken Aggressionstrieb auslösen können.
Glauben Sie, daß eine Person ohne offensichtlichen Grund gewalttätig werden kann?
Darüber wird viel debattiert. Doch es hat schon zahlreiche Fälle gegeben wie den eines Mannes, dessen Haltung seiner Familie gegenüber immer feindseliger wurde. Er versuchte, seine Frau und seine Tochter zu erstechen, und wurde während eines Wutanfalls ins Krankenhaus gebracht. Man entdeckte einen Gehirntumor, und nachdem dieser entfernt worden war, hörten seine Aggressionen auf. Nicht alle Gehirntumoren rufen ein solches Verhalten hervor. Aber Experimente haben gezeigt, daß eine direkte elektrische Stimulierung gewisser Teile des Gehirns bei manchen Patienten Zorngefühle und gewalttätiges Verhalten bewirkt hat.
Welche gewaltfördernden Faktoren haben Sie bei Ihrer Forschung entdeckt?
Es gibt Anzeichen dafür, daß manche Personen durch einen Überschuß an männlichen Sexualhormonen, durch niedrigen Blutzucker und durch Allergien mehr zu Feindseligkeiten neigen.
Sind das automatische Auslösefaktoren?
Nein, denn unser Verhalten beruht nicht nur auf unseren inneren Empfindungen. Es gibt Personen, die dank ihrer Erfahrungen oder ihrer Umwelt auch bei starken feindseligen Gefühlen nicht gewalttätig werden.
Meinen Sie, daß es manchen schwerer fällt als anderen, nicht gewalttätig zu werden?
Ja. Zum Beispiel ging ein Mann wegen seiner gewalttätigen Neigungen zu einem meiner Kollegen. Durch Untersuchungen wurde eine Störung im Gehirn festgestellt, und man versuchte sie zu lokalisieren, indem man in sein Gehirn Elektroden einführte. Als man an einer bestimmten Stelle angelangt war, stand er auf und sagte: „Jetzt bringe ich meine Frau um!“ Auf die Bitten des Arztes hin willigte der Mann ein, daß sein Gehirn noch einmal elektrisch stimuliert wurde. Diesmal stimulierte der Arzt einen Bereich des Gehirns, der als gewalthemmend bekannt ist. Der Mann wurde sofort freundlich und sagte: „Ich schätze wirklich, was Sie getan haben. Sonst hätte ich bestimmt meine Frau umgebracht.“
Besteht die Lösung darin, die Gehirnfunktion oder die chemischen Abläufe im Körper zu steuern?
Auf bestimmte Personen trifft das wahrscheinlich zu. Ich glaube jedoch nicht, daß es die Lösung ist. Um alles gut unter Kontrolle zu halten, müssen die Umweltfaktoren beachtet werden, die Frustrationen hervorrufen, und muß man sich vergewissern, daß im Körper nichts gestört ist.
Können aggressionshemmende Medikamente helfen?
Medikamente, die das Gleichgewicht bestimmter Hormone regulieren, haben schon oft geholfen. Einige Medikamente können für manche Leute ganz nützlich sein, wenn es darum geht, ihnen über eine gewisse Lebensphase hinwegzuhelfen. Wenn die Anwendung dieser Medikamente gewissenhaft von einem Arzt überwacht wird, machen sie den Patienten nicht zu einem willenlosen Opfer, sondern es wird ein spezielles Problem im Gehirn behandelt.
Warum sagen Sie, daß wir, auf lange Sicht gesehen, lernen müssen, Aggressionen zu stoppen?
Die Anwendung von Gehirnstimulierung oder Medikamenten ist sehr begrenzt. Sie erweist sich als nutzlos, wenn jemand zwar gewalttätig ist, aber keine persönliche Feindseligkeit gegenüber dem Opfer hegt, wie zum Beispiel ein bezahlter Mörder oder der Pilot eines Bombenflugzeugs. Es ist auch Schulung erforderlich, um positive Beispiele von Personen zu schaffen, die nicht gewalttätig sind.
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Liegt es an der Ernährung?Erwachet! 1982 | 22. Oktober
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Liegt es an der Ernährung?
Die Wurzeln der Gewalttätigkeit
● Bei einem Interview mit Barbara Reed, der verantwortlichen Bewährungshelferin von Cuyahoga Falls (Ohio, USA), kam zutage, daß sie schon seit mehr als zehn Jahren Straftäter, die geringfügigere Verbrechen einschließlich Gewalttaten in der Familie verübt haben, durch eine Umstellung der Ernährung behandelt.
Wie erfolgreich ist Ihre Arbeit?
Wir haben innerhalb von fünf Jahren etwa 1 000 Fälle, die von unserer Abteilung behandelt wurden, statistisch aufgearbeitet. Nachdem wir mit unserem eigenen und vier anderen Gerichten Rücksprache genommen hatten, stellten wir fest, daß 89 Prozent nicht rückfällig geworden waren.
Was ist das Besondere an Ihrem Vorgehen?
Wir beraten nicht nur in der üblichen Weise, sondern erkundigen uns auch nach der Ernährung und der körperlichen Betätigung des Straftäters und geben ihm Empfehlungen.
Welche Fehler stellen Sie gewöhnlich fest?
Die meisten frühstücken nicht. Gewöhnlich nehmen sie täglich 30 bis 150 Teelöffel Zucker in Form von Gebäck, Süßigkeiten, Eiscreme und Limonade zu sich. Im Durchschnitt trinken sie am Tag 3 bis 16 0,5-Liter-Flaschen Limonade. Gemüse essen sie nur selten. Manche sind allergisch gegen Milch oder gewisse Nahrungsmittel.
Welche Verbindung besteht zwischen Ernährung und Verbrechen?
Kriminelle Handlungen werden nicht nur durch e i n e n Faktor verursacht. Ständig Nahrung zu sich zu nehmen, die Koffein, Alkohol oder weißen Zucker enthält, ruft im Körper eine Streßsituation hervor. Die Nebennieren, die darauf mit Adrenalinstößen reagieren, sind nach einiger Zeit nahezu erschöpft. Aber wenn jemand streitet oder ein Verbrechen begeht, fließt das Adrenalin wieder. Ich glaube, daß sich manche einer kriminellen oder feindseligen Betätigung zuwenden, um diesen Energiestoß zu erhalten. Zudem kann schlechte Ernährung einen reizbar und eher gewalttätig machen.
Kann ein Gewalttätiger seiner Ernährung die Schuld geben?
Jeder hat die Verantwortung, einen klaren Verstand zu behalten. Wenn jemand weiß, daß bestimmte Nahrungsmittel Probleme hervorrufen, und sie dennoch ißt, ist er ebenso verantwortlich wie ein Alkoholiker, der Alkohol trinkt. Ihm ist bewußt, was passieren wird. Natürlich wissen die meisten Menschen nichts von diesem Problem.
Warum werden einige, die sich in derselben Weise ernähren, nicht kriminell?
Jeder ist anders. Mancher trinkt jahrelang Alkohol und wird kein Alkoholiker. Der eine reagiert auf Zucker oder Koffein empfindlicher als der andere. Die Neigung zur Sucht könnte erblich bedingt sein. Wir haben in 50 von 150 unserer Fälle festgestellt, daß die Eltern oder Großeltern Diabetes oder Hypoglykämie hatten.
Wird durch eine bessere Ernährung die Gewalttätigkeit in der Familie zurückgehen?
Gewiß. Wir hatten noch nie einen Fall von Gewalttätigkeit innerhalb einer Familie, in der nicht die Ernährung ein wesentliches Problem war. Natürlich schließt das den Alkoholmißbrauch ein, aber es gibt viele Familien, die enorme Mengen „Schundnahrung“ verzehren. Ein Ehepaar, das sich regelmäßig stritt, lebte fast nur von Kaffee, Limonade und Eiscreme. Ich verordnete beiden eine gesunde Ernährung mit frischem Gemüse, frischen Früchten, Vollkornbrot und Getreide sowie täglich sechs Gläser Wasser und ermunterte sie, zusammen spazierenzugehen. Die Lage besserte sich binnen zwei Wochen. Gute Ernährung und körperliche Betätigung sind ausgezeichnete Mittel, mit Streß fertig zu werden.
Bis zu welchem Ausmaß wird Ihre Methode auf dem Gebiet der Resozialisierung angewendet?
Die große Mehrheit weiß nichts davon. Diejenigen jedoch, die es damit versuchen, erkennen, daß es funktioniert. Gegenwärtig gibt es in mindestens sieben anderen Bundesstaaten ähnliche Programme.
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Liegt es am Fernsehen?Erwachet! 1982 | 22. Oktober
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Liegt es am Fernsehen?
Die Wurzeln der Gewalttätigkeit
● Dr. Leonard Eron hat beobachtet, welche Langzeitwirkung Gewalttätigkeit im Fernsehen auf Kinder hat. Dieser Forscher, der Professor der Sozialwissenschaften an der Universität von Illinois am Chicago Circle ist, sagte im Interview, daß gewalttätiges Verhalten erlernt ist und das Fernsehen dabei eine große Rolle spielt.
Warum war Ihre Studie einzigartig?
Wir beobachteten über einen Zeitraum von einundzwanzig Jahren eine Gruppe junger Leute, um festzustellen, was dazu beitrug, daß einige äußerst aggressiv wurden. Im Jahre 1960 begannen wir mit 875 Achtjährigen. Zehn Jahre später interviewten wir 475 aus dieser Gruppe und andere Gleichaltrige. Soeben haben wir eine zwanzigjährige Studie über mehr als 400 dieser Personen abgeschlossen.
Zu welchen Ergebnissen sind Sie gelangt?
Je größer die Vorliebe eines achtjährigen Kindes für Gewalttätigkeit im Fernsehen ist, um so größer ist seine Feindseligkeit in diesem Alter und auch noch zehn Jahre später. Unsere Studie ist in fünf Ländern nachgeahmt worden. Uns liegen die Ergebnisse von Finnland und Polen vor. Sie bestätigen unsere Befunde.
Meinen Sie, daß Gewalttätigkeit im Fernsehen bei Kindern Aggressionen hervorruft oder daß eben gewalttätige Kinder gern Gewalttaten sehen?
Zu unserer Überraschung stellten wir fest, daß Achtjährige, die nicht aggressiv waren, sich aber viel Gewalttätigkeit im Fernsehen ansahen, im Alter von 19 Jahren bedeutend gewalttätiger waren als junge Leute, die im Alter von acht Jahren äußerst aggressiv waren, sich aber wenig Gewalttätigkeit im Fernsehen ansahen.
Inwiefern bewirkt Gewalttätigkeit im Fernsehen Aggressionen?
Sie lehrt eine bestimmte Art, Probleme zu lösen. Diese Lösungen werden ständig wiederholt. Kinder sehen, wie der Hauptdarsteller eines Spielfilms oder eines Zeichentrickfilms erfolgreich gewalttätige Methoden anwendet, und versuchen das gleiche.
Ist Gewalttätigkeit im Fernsehen die einzige Ursache?
Nein. Eine große Rolle spielt die Erziehung des Kindes. Gemäß unserer Feststellung wurden Kinder aggressiver, wenn die Eltern miteinander stritten, das Kind ablehnten oder grobe Strafen anwendeten. Unsere Studie zeigte jedoch, daß ein Kind, das das Empfinden hatte, seine Eltern bestraften es aus Liebe, weniger aggressiv wurde und daß die Strafe half. Liebevolle Eltern wenden gewöhnlich keine harten Strafen an.
Was übt einen größeren Einfluß aus — Gewalttätigkeit im Fernsehen oder gewalttätige Eltern?
Das ist schwer zu sagen. Aber wir haben festgestellt, daß bei dem Versuch, vorauszusehen, wie gewalttätig ein Achtjähriger im Alter von 19 Jahren sein würde, seine Fernsehgewohnheiten ein genauerer Hinweis waren als alles andere, sei es Streit zwischen den Eltern oder der soziale Status. In unserer neuen dreijährigen Studie von Chicago korrigierten wir die Einstellung einiger Kinder, die sich viel Gewalttätigkeit im Fernsehen ansahen. Sie wurden weniger aggressiv, obwohl andere Bereiche ihres Lebens unverändert blieben.
Was können Ihrer Meinung nach Eltern gegen dieses Problem unternehmen?
Sie sollten überwachen, was sich ihre Kinder ansehen. Außerdem können sie den Kindern erklären, daß das, was sie im Fernsehen beobachten, nicht die Wirklichkeit ist und daß man Probleme nicht lösen kann, indem man jemanden verprügelt. Unsere geringen Bemühungen, zu erklären, wie unrealistisch das Fernsehen ist, hatten bedeutende Erfolge. Wieviel größer doch die Wirkung wäre, wenn Eltern das tun würden!
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Liegt es an der Denkweise?Erwachet! 1982 | 22. Oktober
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Liegt es an der Denkweise?
Die Wurzeln der Gewalttätigkeit
● „Kriminalität ist das Produkt der Denkweise eines Kriminellen“, sagte Dr. Stanton Samenow, klinischer Psychologe und Berater in Alexandria (Virginia, USA), in unserem Interview. Er gehörte zu einem Team, das 17 Jahre lang die Denkweise von Kriminellen durch zahllose Interviews erforschte und bemüht war, Kriminelle zu resozialisieren, die verhärtet und häufig gewalttätig waren.
Warum glauben Sie, daß die Umwelt und die Erziehung nicht entscheidend sind?
Die meisten armen Leute sind nicht kriminell, aber viele wohlhabende sind es. Die meisten, die zu Minderheiten gehören, sind nicht kriminell, aber viele, die zu Mehrheiten gehören, sind es. Mehr als die Hälfte der Straftäter, mit denen wir zu tun hatten, kamen aus geordneten Verhältnissen. Gewöhnlich hatten sie Geschwister oder Nachbarn, die unter denselben Bedingungen lebten und nicht den Weg der Kriminalität beschritten.
Vertreten Sie den Standpunkt, daß es nicht genügt, die Umwelt zu verändern?
Ja. Die Kriminalität verschwindet nicht, wenn man die Slums beseitigt. Kriminalität wohnt im Sinn der Menschen, nicht in den Slums. Eine Veränderung der Umwelt verändert nicht das Innere der Person. Selbst die Bibel sagt: „Wie er in seinem Herzen denkt, so ist er“ (Sprüche 23:7, Authorized Version). Die Denkweise des Kriminellen muß geändert werden.
Welche Denkfehler sind die häufigsten?
Natürlich erkennt der Kriminelle sie nicht als solche. Aber in dem Werk The Criminal Personality haben wir zweiundfünfzig fehlerhafte Denkweisen aufgelistet. Folgende gehören zu den häufigsten: 1. Die Ansicht, daß die Welt ihnen gehört und daß sie sich nehmen können, was immer sie wollen und wann immer sie es wollen. 2. Die Fähigkeit, Angst auszuschalten. Sie sind überoptimistisch. Die Angst, verletzt oder erwischt zu werden, und selbst ein quälendes Gewissen werden für den Augenblick einfach ausgeschaltet. 3. Kein Sinn für Teamarbeit. In einem Baseballteam, das aus neun Kriminellen bestand, dachte jeder, er sei der Kapitän. 4. Sie denken in Extremen — entweder sind sie die Nummer eins oder eine Null.
Wie verändern Sie die Denkweise?
Der einzelne muß eine Änderung herbeiwünschen. Man muß versuchen, ihn anzusprechen, während er ein Tief hat. Vielleicht ist er inhaftiert worden, oder seine Familie will ihn verlassen. Statt ihn über seine Kindheit zu befragen und ihm dadurch das Gefühl zu vermitteln, er sei ein hilfloses Opfer der Umstände, weisen wir ihn höflich darauf hin, wie miserabel sein Leben ist. Wir versuchen, seine Selbstverachtung zu fördern.
Welche positiven Ideale lehren Sie?
Die völlige Eigenverantwortlichkeit. Man sollte nicht andere beschuldigen. Ein Krimineller, der einige Fortschritte machte, sagte: „Ich dachte immer, wenn meine Eltern mir mehr Liebe geschenkt hätten, wäre ich nicht kriminell geworden, aber jetzt frage ich mich, ob sie nicht deshalb so geworden sind, weil ich ein so schlechter Sohn war.“ Das „Ich kann nicht“ wurde durch ein „Ich muß“ ersetzt. Wir lehrten Mitgefühl für andere.
Was verhindert eine Rückkehr zur Kriminalität?
Wir lehrten sie, ihr eigener Kritiker zu werden — stets zu überprüfen, ob ihre Denkweise moralisch richtig ist. Diese ständige moralische Bestandsaufnahme ist das wichtigste Abschreckungsmittel.
Wie erfolgreich sind Ihre Bemühungen gewesen?
Nachdem wir unsere Verfahrensweise entwickelt und verfeinert hatten, arbeiteten wir zwischen 1970 und 1976 sehr intensiv mit dreißig hartgesottenen Kriminellen. Dreizehn von ihnen haben sich völlig geändert und sind nun gesetzestreue Bürger.
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Kann Gewalttätigkeit ausgemerzt werden?Erwachet! 1982 | 22. Oktober
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Kann Gewalttätigkeit ausgemerzt werden?
Die Wurzeln der Gewalttätigkeit
DIE Ursprünge der Gewalttätigkeit sind vielfältig. In Ergänzung zu den in den vorangegangenen Interviews erwähnten Faktoren würden viele noch Alkoholismus, Frustration, Geisteskrankheit, Vererbung und sogar chemisches Ungleichgewicht im Gehirn anführen. Allerdings besteht die eigentliche Herausforderung nicht im Erkennen der Wurzeln, sondern in der Beseitigung der Gewalttätigkeit.
Zum Beispiel sagte ein Zeitungsredakteur, dessen Heimatstaat die höchste Anzahl von Toten aufgrund von Gewaltverbrechen in jenem nordamerikanischen Land zu verzeichnen hat: „Es liegt uns im Blut. Ich zum Beispiel habe eine höhere Schulbildung und sollte es eigentlich besser wissen.“ Doch er gab zu, daß auch er, wenn er gereizt würde, töten würde.
Es ist also mehr als weltliche Bildung erforderlich, um Gewalttätigkeit auszumerzen. Aber warum? Weil, wie Jesus Christus sagte, „aus dem Herzen böse Überlegungen, Mordtaten“ kommen (Matthäus 15:19). Damit Gewalttätigkeit ausgerottet werden kann, muß das Herz geändert werden. Doch was ist machtvoll genug, um das zu erreichen?
Die Macht des Wortes Gottes
Der Apostel Paulus schrieb: „Das Wort Gottes ist lebendig und übt Macht aus und ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert ... und ist imstande, die Gedanken und Absichten des Herzens zu beurteilen“ (Hebräer 4:12). Die Botschaft Gottes, die die Heilige Schrift vermittelt, ist durchdringend. Ihre Macht, das Herz zu erreichen, war besonders im ersten Jahrhundert offenkundig. Diejenigen, die Christen wurden, änderten trotz ihrer brutalen Umwelt ihre Persönlichkeit, indem sie Zornausbrüche mieden und statt dessen zärtliche Zuneigung bekundeten (Kolosser 3:7-11; Römer 1:29).
„Wir allein sind ohne Verbrechen“, sagte stolz Tertullian, ein Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts, der sich zum Christentum bekannte. Herausfordernd fragte er die Nichtchristen, ob sie auf ihrer langen Liste von Gewaltverbrechern den Namen eines einzigen Christen finden könnten.
Allerdings gelang ihnen die Persönlichkeitsänderung nicht nur durch das Kennenlernen der Botschaft Gottes; andere, die diese Dinge ebenfalls kannten, zogen keinen Nutzen daraus, weil sie der Botschaft nicht gehorchten. Die Änderungen wurden also durch Gehorsam aus ganzem Herzen, verbunden mit der Hilfe des heiligen Geistes Gottes, bewirkt. In dem Kästchen sind einige der praktischen Ratschläge Gottes aufgeführt (Hebräer 4:6-11; 1. Korinther 6:9-11).
Gibt es das auch heute?
Sie stehen in dem „Ruf, weltweit eine der Gruppen mit dem besten Betragen zu sein“, äußerte sich die New Catholic Encyclopedia lobend über Jehovas Zeugen. Ebenso loben Staatsbeamte, daß es bei den Zeugen im allgemeinen keine Verbrechen und Gewalttaten gibt. Gegenwärtig helfen sie nahezu eineinhalb Millionen Familien, die Bibel kennenzulernen und anzuwenden. Die folgenden Erfahrungen zeigen die Ergebnisse.
Seit dem Alter von dreizehn Jahren kam Al immer wieder in Strafanstalten. Während er im Gefängnis eine Strafe von dreißig Jahren wegen versuchten Mordes, wegen Raubes, Entführung und Brandstiftung verbüßte, begann er mit Zeugen Jehovas, die einmal in der Woche ins Gefängnis kamen, die Bibel zu studieren. Im Laufe der Zeit änderte er nicht nur seine Persönlichkeit, sondern half auch anderen im Gefängnis, das gleiche zu tun, bis er 1981 entlassen wurde. Sein ausführlicher Bericht „‚Aus einem reißenden Löwen wird ein Lamm‘“ ist auf Seite 25 zu finden.
Ein anderes Beispiel ist Bill, ein großer, kräftig gebauter Mann, der sich immer beim geringsten Anlaß mit anderen prügelte. Wegen seiner Unbeherrschtheit hatte er schon mehr als einen Arbeitsplatz verloren. Schließlich erhielt er eine Stelle als Straßenbahnschaffner. Doch nach zwei gewalttätigen Auseinandersetzungen während des Dienstes — er griff einen Mann mit einem Stück Eisen an, und einem anderen, der ihn beleidigt hatte, spuckte er ins Gesicht — wurde er wieder entlassen. Einige Zeit später begann er, die Zusammenkünfte der Zeugen zu besuchen. „Ich lernte, Jehovas Maßstäbe völlig zu respektieren, und wollte sie nie mehr verletzen. Hätte ich diese Maßstäbe nicht kennengelernt, wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Die Wahrheit der Bibel hilft mir, innezuhalten und nachzudenken, bevor ich etwas tue“, sagte Bill, der jetzt ein sanftmütiger Versammlungsaufseher ist.
Stellas ordinäre Sprache konnte man einen ganzen Häuserblock weit hören. Sie beschimpfte Passanten, Briefträger, ihre Kinder, ihren Mann und einmal sogar einen bewaffneten Sheriff. Sie tötete beinahe ihren Mann mit einem Beil. Es verfehlte ihn nur knapp. Schon beim kleinsten Anlaß geriet sie in Zorn. Eines Tages, als sie ein Hähnchen briet, wurde sie von einem Fettspritzer getroffen. In ihrem Zorn schleuderte sie die ganze Pfanne aus der Tür, um dann festzustellen, daß das alles war, was sie zum Abendessen hatte. Sie mußte die Stücke abspülen und fertigbraten.
„Der Zeugin, die bei mir vorsprach, erzählte ich, daß ich wegen meiner Unbeherrschtheit nie eine Christin werden könnte“, bekannte Stella. „Doch ich war tief beeindruckt von der Ruhe der Frau, die mir anbot, mit mir die Bibel zu studieren. Ich wollte gern so sein wie sie.“ Nachdem Stella gelernt hatte, daß „Wutausbrüche“ schwerwiegende Sünden gegen Gott sind, bemühte sie sich, ihre Launen zu zügeln (Galater 5:19-21).
Selbst nachdem sie eine Zeugin Jehovas geworden war, mußte sie ständig daran arbeiten, ihren Geist zu behüten. Ihr ehebrecherischer Mann hatte andere Frauen. Sie erklärte: „Oh, manchmal hätte ich ihn am liebsten umgebracht! Aber ich betete zu Gott und bat ihn, mir die Kraft zu geben, nicht gewalttätig zu werden. Er erhörte immer meine Gebete. Später kam Erleichterung, als uns mein Mann für immer verließ.“ Mit Gottes Hilfe gelang es ihr, ihre gewalttätige Wesensart zu zügeln und sogar einer ihrer Töchter zu helfen, ihre Unbeherrschtheit zu überwinden und ein Jünger Christi zu werden.
Doch was kannst du tun, wenn du persönlich herausgefordert wirst? Wie kannst du Gewalttätigkeit von deiner eigenen Familie fernhalten?
Gewalttätigkeit von deiner Familie fernhalten
● Frage dich: Warum bin ich wütend? Versuche, herauszufinden, was dich erzürnt hat.
● Arbeite an der Wurzel des Problems. Statt Dampf abzulassen, solltest du das Feuer drosseln. Bewirkt zum Beispiel dein Stolz oder deine Selbstsucht, daß du dich schnell beleidigt fühlst? Arbeite daran, nicht zu hoch von dir zu denken. Überlege auch, was das Wichtigste in deinem Leben ist. Ist der Erwerb materieller Besitztümer wichtiger als Frieden?
● Kannst du einem Streit entfliehen? „Ehe ... der Zank ausgebrochen ist, zieh dich zurück“ (Sprüche 17:14). Wenn du dich zumindest zeitweise zurückziehst, kannst du über biblische Grundsätze nachdenken und dich beruhigen.
● Lehre deine Kinder, daß Gewalttätigkeit Gott mißfällt (Psalm 11:5). Überwache gewissenhaft, welche Fernsehsendungen oder Kinofilme sie sich ansehen. Rede dir nicht ein, das Fernsehen beeinflusse das Verhalten deines Kindes nicht. Werbeagenturen geben Milliarden aus in der gutbegründeten Auffassung, daß das Fernsehen einen der stärksten Einflüsse auf das menschliche Verhalten ausübt. Züchtige deine Kinder in Liebe, und reize sie nicht durch sinnlose Brutalität. Laß sie wissen, wie sehr du dich um sie sorgst. Hilf ihnen, an deinem Beispiel zu erkennen, wie man Probleme auf milde, freundliche Weise lösen kann (Epheser 6:4).
Trotz allem werden einige jeglichem Versuch widerstehen, sich zu einer Änderung bewegen zu lassen. Wie soll dann die heutige Gewalttätigkeit vollständig ausgemerzt werden?
Die vollständige Lösung
„Wenn die Bösen sprossen wie die Pflanzenwelt und alle, die Schädliches treiben, blühen, ist es, daß sie für immer vertilgt werden“ (Psalm 92:7). Die Bibel verheißt, daß Gott bald diejenigen vernichten wird, die auf gewalttätige Weise andere verletzen. Er wird sich seiner himmlischen Regierung, seines Königreiches, bedienen, um unsere Erde von Gewalttätigkeit zu befreien. Die Bibel sagt über seinen König Jesus Christus: „Er wird den Armen befreien, der um Hilfe ruft ... Von Bedrückung und von Gewalttat wird er ihre Seele erlösen, und ihr Blut wird kostbar sein in seinen Augen“ (Psalm 72:12, 14).
Und mit welchem Ergebnis? „In seinen Tagen wird der Gerechte sprossen und Fülle von Frieden, bis der Mond nicht mehr ist. Und er wird Untertanen haben von Meer zu Meer und von dem ,Strome‘ bis zu den Enden der Erde“ (Psalm 72:7, 8).
Welch ein einladendes Bild! Friedliebende Untertanen, die die Erde füllen. Möchtest du nicht gern unter solchen Verhältnissen leben? Das Überhandnehmen der Gewalttätigkeit ist ein Beweis dafür, daß wir in den „letzten Tagen“ sehr weit fortgeschritten sind und daß Jehova Gott die besagte Änderung zu unseren Lebzeiten herbeiführen wird. Ja, eine Welt ohne Gewalttätigkeit steht nahe bevor (2. Timotheus 3:1-4; Matthäus 24:3, 10-14, 34).
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