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  • „Weisheit ... weit über ihr Alter hinaus“
  • Erwachet! 1987
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Erwachet! 1987
g87 22. 10. S. 17-20

„Weisheit ... weit über ihr Alter hinaus“

ES WAR Mitternacht. Die 12jährige Lisa, schwer krank und geschwächt, war bestürzt, als eine Nachtschwester in ihr Krankenzimmer trat, um ihr eine Bluttransfusion zu geben.

Lisa erhob verzweifelt Einspruch dagegen: „Wie können Sie mir das aufzwingen? Mein Papa und meine Mama sind doch gar nicht hier!“ Aber die Schwester tat es trotzdem.

Die Frage der Behandlung

Lisa, ein intelligentes, lebhaftes, begabtes Mädchen und eine erstklassige Schülerin, lebte mit ihren Eltern und ihrem fünfjährigen Bruder in Winnipeg (Kanada). Im Frühjahr 1985 erhielt sie wegen einer Mandelentzündung ein Antibiotikum und hatte eine heftige Reaktion. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich, und bald darauf wurde eine akute myeloische Leukämie festgestellt, ein Zustand, der gewöhnlich zum Tode führt.

Die Ärzte in Winnipeg verordneten massive Chemotherapie und mehrfache Bluttransfusionen. Die Chemotherapie ist eine Behandlung mit giftigen chemischen Substanzen. Man geht davon aus, daß diese Gifte die Krankheitserreger abtöten. Lisa und ihre Eltern wünschten jedoch eine alternative Behandlung. Sie machten aus biblischen Gründen Einwendungen gegen Bluttransfusionen (Apostelgeschichte 15:28, 29). Auch sträubten sie sich gegen die Qualen und die entkräftenden Nebenwirkungen, die eine massive Chemotherapie mit sich bringt.

Schließlich ließen Lisas Eltern ihre Tochter in die Torontoer Kinderklinik einliefern in der Hoffnung, dort kooperative Ärzte vorzufinden. Doch statt zur Mitarbeit bereit zu sein, gab man ihr mitten in der Nacht eine Bluttransfusion. Am nächsten Morgen — es war der 25. Oktober — versuchte man, eine gerichtliche Anordnung zu erwirken, die es dem Krankenhaus gestatten würde, die Behandlung zwangsweise durchzuführen. Richter David R. Main äußerte Bedenken dagegen. Er bestimmte Sarah Mott-Trille zu Lisas Anwältin. Der Fall wurde auf Montag, den 28. Oktober 1985, vertagt.

Die Verhandlung

Die Verhandlung dauerte fünf Tage und fand in einem Krankenhaussaal statt. Lisa wurde auf eigenen Wunsch an allen Tagen in ihrem Krankenbett in den Saal gefahren. Obgleich es ihr sehr schlecht ging, war sie entschlossen, bei Entscheidungen, die ihren Glauben betrafen, persönlich beteiligt zu sein.

Zu Beginn der Vernehmung wurde die vom Arzt empfohlene Behandlung erläutert. In seinem schriftlichen Urteil erklärte Richter Main: „Die von den Ärzten in ihrer Aussage vor Gericht beschriebene Behandlung ist sowohl intensiv als auch aggressiv und könnte sich über einen beträchtlichen Zeitraum erstrecken. Es ist anzunehmen, daß wiederholte Bluttransfusionen erforderlich sein werden, um die Patientin zu versorgen.“ Es wurde auch erwähnt, daß die Chemotherapie viele, heftige Nebenwirkungen hat.

Das Drama spitzte sich am vierten Tag zu. Das Kopfende von Lisas Krankenbett wurde höher gestellt, so daß sie den Richter direkt ansprechen konnte. Alle im Gerichtssaal, auch Lisa, wußten, daß sie sterben müßte, ganz gleich, ob man ihr Blut übertragen würde oder nicht. Für die Art Leukämie, an der sie litt, gibt es keine Heilung.

Die Anwältin befragte Lisa mit Vorsicht und Einfühlungsvermögen. Den meisten standen Tränen in den Augen, als Lisa mutig über ihren bevorstehenden Tod sprach, über ihren Glauben an Jehova und ihren Entschluß, seinem Gesetz über die Heiligkeit des Blutes zu gehorchen. Sie sagte, sie werde sich künftig gegen jeden Versuch, ihr eine Bluttransfusion zu geben, energisch und mit all ihren Kräften zur Wehr setzen. Ihre einfache, mutige Aussage ging allen zu Herzen.

„Du hast uns mitgeteilt, daß du an Gott glaubst“, sagte ihre Anwältin. „Kannst du uns erklären, ob er für dich eine wirkliche Person ist?“

„Ja, er ist für mich wie ein Freund“, antwortete Lisa. „Manchmal, wenn ich allein bin, rede ich mit ihm ... wie mit einem Freund; wenn ich zu Hause bin und Angst habe, bitte ich ihn um Hilfe und rede einfach mit ihm, so als ob er im Zimmer neben mir wäre.“

„Lisa, wenn jemand dich fragen würde, was in deinem Leben das Wichtigste ist, was würdest du dann sagen?“

„Mein Gehorsam gegenüber Jehova Gott und meine Angehörigen“, erwiderte Lisa.

Ihre Anwältin fragte: „Lisa, würde es etwas an deiner Einstellung ändern, wenn du wüßtest, daß ein Gericht dich anweisen würde, Bluttransfusionen zu nehmen?“

„Nein, ich würde dann trotzdem meinem Gott treu bleiben und auf seine Gebote hören, denn Gott ist viel höher als jedes Gericht und jeder Mensch.“

Lisa schilderte die Gefühle, die sie bei der ihr aufgezwungenen Bluttransfusion hatte, wie folgt: „Ich kam mir vor wie ein Hund, der für ein Experiment gebraucht wird, weil ich machtlos war. Nur weil ich minderjährig bin, meinen die Leute, sie könnten mit mir machen, was sie wollen. Aber ich finde, daß ich ein Recht habe, zu wissen, was mit mir geschieht und warum man diese Behandlungen durchführt und warum man sie ohne die Zustimmung meiner Eltern durchführt.“

„Hast du in jener Nacht geschlafen?“ fragte die Anwältin.

„Nein.“

„Worüber hast du dir Sorgen gemacht?“

„Ich habe mir Sorgen gemacht, was Jehova Gott von mir denkt, weil ich weiß, daß ich, wenn ich gegen seinen Willen handle, nicht seine Zusicherung auf ewiges Leben habe. Und mir wurde übel bei dem Gedanken, daß ich das Blut von jemand anders erhielt, weil immer die Gefahr besteht, Aids oder Hepatitis oder eine andere Infektion zu bekommen, und alles, was ich in jener Nacht tat, war, immer und immer wieder auf dieses Blut zu starren.“

„Lisa, fällt dir irgendein Vergleich ein, mit dem du dem Richter erklären könntest, was es für dich bedeutet, gegen deinen Willen eine Bluttransfusion zu bekommen?“

„Ja, ich denke an eine Vergewaltigung, weil ... bei einer Vergewaltigung etwas mit einem geschieht, was man nicht will, und mit dem Blut ist es genauso.“

Das Urteil

Der fünfte Tag war der Höhepunkt. Richter Main war von Anfang an fair und ausgeglichen. Würde sich seine Güte in seinem Urteil widerspiegeln? Er entschied: „Das Kind Lisa Dorothy K. soll der Obhut, der Sorge und der Aufsicht der Eltern unterstellt werden.“

Richter Main erklärte die Gründe für sein Urteil sehr ausführlich. Unter anderem sagte er: „Lisas Haltung besteht seit dem Tag, an dem sie einen Dokumentarfilm über diese Krankheit gesehen hat, darin, daß sie weder irgendwelche Chemotherapie noch Bluttransfusionen wünscht. Sie nimmt diesen Standpunkt nicht nur ein, weil sie sonst gegen ihre religiösen Glaubensansichten verstoßen würde — und ich weiß, daß dies der Fall wäre —, sondern auch, weil sie nicht die mit der Behandlung verbundenen Schmerzen und Qualen erleiden möchte ... Ich lehne es ab, irgendeine Anordnung zu treffen, zufolge deren das Kind diese Qualen durchmachen müßte. Ich halte den Antrag, daß sie sich dieser Behandlung unterziehen soll, für völlig unannehmbar.“

Über die heimlich in der Nacht verabreichte Transfusion, die Lisa aufgezwungen worden war, sagte Richter Main: „Ich muß feststellen, daß ... [Lisa] aufgrund ihrer Religion und ihres Alters gemäß Unterabsatz 15 Ziffer 1 [der kanadischen Charta der Bürgerrechte] diskriminierend behandelt worden ist. Unter diesen Umständen ist dadurch, daß man ihr eine Bluttransfusion gab, ihr Recht auf Unversehrtheit der eigenen Person gemäß Paragraph 7 verletzt worden. Selbst wenn gesagt werden könnte, daß sie ein Kind sei, das des Schutzes bedürfe, ist gemäß Unterabsatz 24 Ziffer 1 der Charta der Antrag abzulehnen.“

Schließlich bestätigte Richter Main seine persönliche Bewunderung für Lisa und sagte: „Lisa ist ein reizendes, äußerst intelligentes, redegewandtes, höfliches, empfindsames und vor allem mutiges Mädchen. Sie besitzt Weisheit und Reife weit über ihr Alter hinaus, und ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, daß sie all die positiven Eigenschaften hat, die sich Eltern von ihrem Kind wünschen würden. Sie hat einen gut durchdachten und festen Glauben. Nach meiner Ansicht würde jeglicher Rat, von welcher Seite er auch immer käme, oder Druck von seiten ihrer Eltern oder sonst irgend jemandes, einschließlich einer Anordnung dieses Gerichts, ihre Glaubensansichten nicht im geringsten erschüttern oder ändern.

Meiner Meinung nach sollte Lisa K. die Gelegenheit erhalten, gegen diese Krankheit mit Würde und innerem Frieden anzukämpfen. Dies kann nur geschehen, wenn der von ihr und ihren Eltern aufgestellte Plan angenommen wird.“

Lauterkeit bis zum Ende

Lisa und ihre Eltern verließen am selben Tag das Krankenhaus. Lisa hat in der Tat mit Würde und innerem Frieden gegen ihre Krankheit angekämpft. Am 17. November 1985 starb sie friedlich zu Hause in den Armen ihrer liebevollen Eltern.

Während der Verhandlung schilderte Lisa eine Unterhaltung, die sie mit ihrer Mutter geführt hatte, als die Leukämie gerade diagnostiziert worden war. Sie erzählte: „Ich besprach mit meiner Mama all die Möglichkeiten, die ich habe, und wir lasen gemeinsam in der Bibel und in anderen Büchern unserer Religion, und ich sagte ihr: ‚Wenn ich wirklich sterbe, werde ich dich in der neuen Ordnung wiedersehen. Ich habe die sichere Hoffnung, dich zu sehen und für immer im Paradies auf der Erde zu leben.‘“

Eine Lehre für Krankenhauspersonal und Ärzte

Die kanadischen Autoren für medizinisch-rechtliche Fragen L. E. und F. A. Rozovsky schrieben in der Publikation Canadian Health Facilities Law Guide: „Sowohl Krankenhauspersonal als auch Ärzte können aus diesem Urteil eine Lehre ziehen. Insbesondere sollten sie bei der Behandlung vorsichtig sein, wenn bekannt ist, daß der minderjährige Patient oder seine Eltern Einwendungen dagegen haben. Vorsicht ist geboten, damit zwangsweise Behandlungen vermieden werden, wenn es um Faktoren geht, die in Paragraph 15 Ziffer 1 der Charta als solche aufgeführt sind, die zu ‚diskriminierender Behandlung‘ Anlaß geben, wozu Alter, Geschlecht, Religion oder ethnische Herkunft gehören.“

Doch wie können Ärzte „vorsichtig sein“ und eine religiöse Diskriminierung vermeiden? Die genannten Autoren wiesen auf folgende ausgeglichene Lösung hin: „Es ist jedoch zu bedenken, daß die grundlegende Pflicht der Gesundheitseinrichtungen nicht darin besteht, sich zum Gegner des Patienten zu machen. Die wirkliche Aufgabe besteht darin, das zu tun, was im Interesse des Patienten ist. In diesem Fall stellte das Gericht fest, daß eine alternative Art der Behandlung im Interesse der Patientin war.“

Wenn es sich bei dem Patienten um einen Zeugen Jehovas handelt, ist es offensichtlich in seinem Interesse, wenn Angehörige und Ärzte zusammenarbeiten, um eine Alternative für Bluttransfusionen zu bieten. Ärzte, die so gehandelt haben, haben dies nicht auf Kosten einer guten medizinischen Versorgung getan. Die Spezialisten für Kinderheilkunde in der Dr.-Anderson-Klinik in Texas berichteten:

„Die Transfusionsbehandlung ist nicht so oft nötig, wie sie eingesetzt wird. Bei dieser Reihe von Patienten, die Krebs oder ähnliche Krankheiten hatten, hat die medizinische Versorgung nicht darunter gelitten, daß keine Bluttransfusionen gegeben wurden.“

Die Auswirkungen von Lisas Fall sind weitreichend. Dem Beispiel des kanadischen Gerichts folgend, lehnte es bereits ein kalifornischer Richter ab, im Fall eines 14jährigen Mädchens eine zwangsweise Behandlung anzuordnen. Außerdem gab die Vereinigung für Gesundheit in Britisch-Kolumbien am 11. Februar 1986, direkt auf Lisas Fall gestützt, eine Direktive an alle Krankenhausverwaltungen aus, in der es hieß: „Dieser Fall stellt einen neuen Präzedenzfall dar.“

Angesichts medizinisch-rechtlicher Verwirrung auf diesem Gebiet ist dieses Urteil richtungweisend geworden. Es ist gerecht und richtig. Die Zukunft wird zeigen, wie viele Ärzte, Krankenhäuser und Richter dem Beispiel folgen werden, das uns durch den menschlichen und feinfühligen Richter David R. Main und Lisa gegeben wurde.

[Herausgestellter Text auf Seite 19]

Den meisten standen Tränen in den Augen, als Lisa mutig über ihren bevorstehenden Tod sprach

[Herausgestellter Text auf Seite 20]

„Dieser Fall stellt einen neuen Präzedenzfall dar“ (Vereinigung für Gesundheit in Britisch-Kolumbien)

[Bild auf Seite 18]

Lisa (12 Jahre) bewahrte ihre Lauterkeit unter äußerst widrigen Umständen und trotz großer Gegnerschaft

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