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Erwachet! 1996
g96 22. 4. S. 12-18

In einem kommunistischen Land durch den Glauben an Gott geleitet

VON ONDREJ KADLEC ERZÄHLT

IM Sommer des Jahres 1966 leitete ich eine Besichtigungsfahrt durch meine Heimatstadt Prag. Während ich der Reisegruppe die eindrucksvollen Gotteshäuser der Stadt zeigte, sprach ich begeistert über meinen neugefundenen Glauben.

„Sind Sie ein Zeuge Jehovas?“ fragte mich ein amerikanischer Professor für Wirtschaftswissenschaft.

„Nein“, antwortete ich. „Ich habe noch nie etwas von Jehovas Zeugen gehört. Ich bin katholisch.“

Ich werde gläubig

Ich wurde von Eltern aufgezogen, die in der Politik, in medizinischen Fachkreisen und im Erziehungswesen bekannte Persönlichkeiten waren. Nicht lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und damit auch nicht lange nach meiner Geburt im Jahre 1944 wurde mein Vater Kommunist. Er war sogar der Mitbegründer der kommunistischen Reformbewegung, und 1966 wurde er Kanzler der Universität für Wirtschaftswissenschaft in Prag. Einige Jahre später ernannte man ihn zum Erziehungsminister der Tschechoslowakei, eines damals kommunistischen und atheistischen Landes.

Mutter war eine begabte, grundehrliche Frau. Sie arbeitete als Augenchirurgin, und sie soll im ganzen Land die Beste ihres Fachs gewesen sein. Trotzdem behandelte sie Patienten, die bedürftig waren, kostenlos. Sie pflegte immer zu sagen: „Welche Gaben auch immer man erhalten hat, man muß sie zum Nutzen der Gemeinschaft und des Landes einsetzen.“ Nach meiner Geburt nahm sie nicht einmal ihren Mutterschaftsurlaub, damit sie in der Klinik verfügbar war.

Von mir wurden herausragende schulische Leistungen erwartet. Vater fragte immer: „Ist irgend jemand besser als du?“ Da ich in der Schule öfter Preise für hervorragende Leistungen gewann, fing ich an, den Konkurrenzkampf zu genießen. Ich lernte Russisch, Englisch und Deutsch und kam nicht nur in der kommunistischen Welt weit herum. Es reizte mich, religiöse Vorstellungen zu widerlegen und als lächerlichen Aberglauben hinzustellen. Obwohl ich vom Atheismus hundertprozentig überzeugt war, verabscheute ich mit der Zeit seine politischen Ausdrucksformen.

Im Jahre 1965 — ich war gerade 21 Jahre alt — reiste ich nach England; die Reise hinterließ einen tiefen Eindruck bei mir. Ich lernte Menschen kennen, die ihren Glauben an ein höheres Wesen mit Überzeugung und Logik verteidigten. Als ich wieder in Prag war, empfahl mir ein katholischer Bekannter: „Lies nicht etwas über das Christentum. Lies lieber die Bibel.“ Das tat ich. Es dauerte drei Monate, bis ich die Bibel durchgelesen hatte.

Mich beeindruckte, wie die Bibelschreiber ihre Botschaft darlegten. Sie waren offen und selbstkritisch. Ich kam zu dem Schluß, daß nur ein persönlicher Gott die herrliche Zukunft, von der sie schrieben, planen und realisieren kann.

Nachdem ich monatelang die Bibel heimlich gelesen und über den Inhalt nachgedacht hatte, fühlte ich mich imstande, meinem Vater und meinen Freunden gegenüberzutreten. Ich wußte, sie würden meinen neugefundenen Glauben anzweifeln. Als das überstanden war, missionierte ich eifrig. Wer auch immer in meiner Nähe war — wie der zu Beginn erwähnte amerikanische Professor —, den wollte ich bekehren. Ich hängte sogar ein Kreuz über mein Bett, um jeden auf meinen Glauben aufmerksam zu machen.

Meine Mutter wandte hingegen ein, daß ich wohl kaum ein Christ sein könne, weil ich meinem Vater, einem Vollblutkommunisten, so sehr glich. Doch ich blieb hart. Ich las die Bibel ein zweites und ein drittes Mal durch. Dann wurde mir jedoch klar, daß ich Anleitung brauchte, wenn ich weitere Fortschritte machen wollte.

Meine Suche wird belohnt

Ich wandte mich an die katholische Kirche. Ein junger Priester war vor allem darauf bedacht, mich in den Kirchenlehren zu unterweisen, die ich auch voll und ganz akzeptierte. 1966 wurde ich getauft, was für meinen Vater eine Schande war. Der Priester besprengte mich mit Wasser und empfahl mir, die Bibel zu lesen. Er sagte aber auch: „Der Papst hat die Evolutionstheorie bereits gebilligt, also keine Sorge. Wir müssen den Weizen vom Unkraut unterscheiden.“ Ich war schockiert, daß das Buch, durch das ich Glauben entwickelt hatte, angezweifelt werden sollte.

Im Herbst desselben Jahres unterhielt ich mich mit einem Freund aus einer katholischen Familie über meine Glaubensansichten. Er kannte sich ebenfalls gut in der Bibel aus und erwähnte Harmagedon (Offenbarung 16:16). Er sagte, er habe Kontakt mit Jehovas Zeugen. Von ihnen hatte ich einige Monate zuvor zum erstenmal etwas gehört, und zwar bei der zu Anfang erwähnten Stadtrundfahrt. Ich hielt diese Gruppe jedoch für unbedeutend im Vergleich zur mächtigen, reichen und großen katholischen Kirche.

Weitere Unterhaltungen mit meinem Freund drehten sich um drei brennende Fragen. Erstens: Ist die katholische Kirche die Nachfolgerin des Christentums des 1. Jahrhunderts? Zweitens: Wer sollte als höchste Autorität betrachtet werden — die katholische Kirche oder die Bibel? Und drittens: Stimmt der biblische Schöpfungsbericht oder die Evolutionstheorie?

Da die Bibel unser beider Glaubensgrundlage war, konnte mein Freund mich mit Leichtigkeit davon überzeugen, daß die Lehren der katholischen Kirche stark von denen des Christentums im 1. Jahrhundert abweichen. Wie ich beispielsweise erfuhr, geben selbst katholische Quellen zu, daß sich die herausragende Kirchenlehre der Dreieinigkeit nicht auf die Lehren Jesu Christi und seiner Apostel stützt.

Das brachte uns zu der damit verbundenen Frage, wer als höchste Autorität gelten sollte. Ich führte den Ausspruch von Augustinus an, der sagte: „Roma locuta est; causa finita est“, was bedeutet: „Rom hat gesprochen. Die Sache ist erledigt.“ Mein Freund war jedoch der Ansicht, Gottes Wort, die Bibel, solle die höchste Autorität sein. Ich mußte den Worten des Apostels Paulus zustimmen, der sagte: „Gott werde als wahrhaftig befunden, wenn auch jeder Mensch als Lügner erfunden werde“ (Römer 3:4).

Schließlich gab mir mein Freund ein abgegriffenes, maschinegeschriebenes Manuskript mit der Überschrift Evolution gegen die neue Welt. Da Jehovas Zeugen Ende der 40er Jahre in der Tschechoslowakei verboten worden waren, stellten sie Kopien ihrer Veröffentlichungen her und achteten sorgfältig darauf, wer sie erhielt. Nachdem ich die Broschüre gelesen hatte, wußte ich, daß sie die Wahrheit enthielt. Mein Freund begann, mit mir die Bibel zu studieren. Er lieh mir jeweils mehrere Seiten des Bibelstudienhilfsmittels „Gott bleibt wahrhaftig“, und wir besprachen dann den Stoff gemeinsam.

Kurz nachdem wir mit diesen Gesprächen begonnen hatten — es war in der Weihnachtszeit des Jahres 1966 —, besuchten mich Freunde aus Westdeutschland in Prag. Bei einer Diskussion verspotteten sie die Heuchelei von Christen, die sich als Kriegstreiber betätigen. „Als Soldaten der NATO-Länder könnten wir gegen dich, der du in einem Land des Warschauer Paktes lebst und vorgibst, ein Christ zu sein, kämpfen“, sagten sie. Sie kamen zu dem Schluß: „Besser, man ist zynisch als heuchlerisch.“ Ich dachte, damit könnten sie recht haben. Beim nächsten Bibelstudium fragte ich daher meinen Freund, wie wahre Christen zum Krieg und zu einer militärischen Ausbildung eingestellt sind.

Entscheidungen müssen getroffen werden

Ich war verblüfft über die eindeutige Erklärung meines Freundes. Wenn ich mich nach der biblischen Lehre, die „Schwerter zu Pflugscharen [zu] schmieden“, ausrichten wollte, würde sich allerdings mein Leben drastisch verändern, und meine geplante Karriere wäre gefährdet (Jesaja 2:4). In fünf Monaten würde ich mein Studium an der medizinischen Fakultät abschließen, und danach müßte ich meinen Wehrdienst ableisten. Was sollte ich tun? Ich war völlig durcheinander. Also betete ich zu Gott.

Ich dachte einige Tage lang gründlich über alles nach und fand, daß es keine Entschuldigung dafür gab, der Anforderung an wahre Christen, friedliebende Menschen zu sein, nicht nachzukommen. Nach Abschluß meines Studiums entschloß ich mich, eine Stelle in einem Krankenhaus anzunehmen und abzuwarten, bis ich als Kriegsdienstverweigerer verurteilt werden würde. Dann aber lernte ich kennen, was die Bibel über das Sichenthalten von Blut sagt. Mir wurde bewußt, daß meine Arbeit die Verabreichung von Bluttransfusionen mit sich bringen könnte, daher kündigte ich meine Stellung (Apostelgeschichte 15:19, 20, 28, 29). Diese Entscheidung brachte mich in meinem ganzen Bekanntenkreis in Verruf, und ich litt darunter.

Nachdem mein Vater sich vergewissert hatte, daß ich kein willentlicher Unruhestifter war, der seine Karriere zerstören wollte, sorgte er dafür, daß mein Wehrdienst um ein Jahr aufgeschoben wurde. Der Sommer 1967 war eine schwere Zeit für mich. Man versetze sich in meine Lage: Ich studierte noch nicht lange die Bibel, und mein Lehrer, der einzige Zeuge Jehovas, mit dem ich bis dahin Kontakt hatte, war den Sommer über fort. Er hatte mir nur einige Kapitel des Buches „Gott bleibt wahrhaftig“ für mein persönliches Studium zurückgelassen. Diese Kapitel und die Bibel waren meine einzigen Quellen geistiger Anleitung.

Später lernte ich andere Zeugen Jehovas kennen, und am 8. März 1968 symbolisierte ich meine Hingabe an Jehova Gott durch die Wassertaufe. Im darauffolgenden Jahr wurde mir ein zweijähriges Aufbaustudium an der Universität Oxford (England) angeboten. Einige rieten mir, das Angebot anzunehmen und nach England zu gehen, einem Land, in dem Jehovas Zeugen frei waren und in dem ich in geistiger Hinsicht hätte Fortschritte machen können. Gleichzeitig hätte ich auf eine erfolgreiche berufliche Laufbahn hinarbeiten können. Ein christlicher Ältester sagte jedoch, meine Dienste würden in der Tschechoslowakei viel dringender benötigt als in England. Deswegen lehnte ich das Angebot ab, meine weltliche Bildung zu vertiefen, und blieb in der Tschechoslowakei, um beim Predigen im Untergrund mitzuhelfen.

Im Jahre 1969 wurde ich zu einem Kurs der Königreichsdienstschule eingeladen, einer speziellen Unterweisung für christliche Aufseher. Im selben Jahr gewann ich ein Stipendium als bester junger Pharmakologe der Tschechoslowakei. Dadurch konnte ich in der Schweiz einen Kongreß der Internationalen Union für Pharmakologie besuchen.

Ein Wissenschaftler ändert seine Meinung

Bei einer Vorlesung — es war im Jahre 1970 — sprach ein Wissenschaftler namens Frantis̆ek Vyskočil über das komplizierte Thema der Übermittlung von Nervenreizen. Er sagte, wann immer ein Bedürfnis in einem Organismus entstünde, würde es auf herausragende Weise abgedeckt. Er kam zu dem Schluß: „Die Natur, diese Zauberin, weiß, was zu tun ist.“

Nach der Vorlesung ging ich zu ihm. „Meinen Sie nicht, daß die Ehre für die einmalige Konstruktion von Lebewesen Gott gegeben werden sollte?“ fragte ich ihn. Als Atheist überraschte ihn meine Frage. Er antwortete darauf mit Fragen anderer Art. „Woher stammt das Böse?“ und „Wer ist schuld daran, daß so viele Kinder Waisen sind?“ lauteten seine Fragen.

Die vernünftigen, auf die Bibel gestützten Antworten weckten sein Interesse. Er fragte allerdings, warum die Bibel keine präzisen wissenschaftlichen Auskünfte gibt, zum Beispiel die Beschreibung der Zellstruktur, um es den Menschen leichtzumachen, den Schöpfer als Autor der Bibel anzuerkennen. „Was ist schwieriger, etwas zu beschreiben oder etwas zu erschaffen?“ erwiderte ich. Ich lieh ihm das Buch Hat sich der Mensch entwickelt, oder ist er erschaffen worden?

Nachdem Frantis̆ek das Buch oberflächlich gelesen hatte, kritisierte er es; er bezeichnete es als ungenau und flach. Außerdem gefiel ihm nicht, was die Bibel über Polygamie sagt, über Davids Ehebruch sowie über Davids Mord an einem Unschuldigen (1. Mose 29:23-29; 2. Samuel 11:1-25). Ich widerlegte seine Einwände, indem ich ihn darauf aufmerksam machte, daß die Bibel offen über die Unzulänglichkeiten von Dienern Gottes berichtet sowie über ihre Vergehen.

Bei einem unserer Gespräche sagte ich schließlich zu Frantis̆ek, wenn jemand keinen guten Beweggrund habe und es ihm an Wahrheitsliebe fehle, dann könne ihn kein Argument von der Existenz Gottes überzeugen. Als ich gerade gehen wollte, hielt Frantis̆ek mich zurück und bat um ein Bibelstudium. Er sagte, er wolle das Buch Hat sich der Mensch entwickelt, oder ist er erschaffen worden? noch einmal lesen, dieses Mal jedoch ganz unvoreingenommen. Durch das Buch änderte er seine Meinung völlig, was folgendes Bibelzitat in einem seiner Briefe bewies: „Der Hochmut des Erdenmenschen soll sich beugen, und die Überheblichkeit der Männer soll erniedrigt werden; und Jehova allein soll hoch erhoben werden an jenem Tag“ (Jesaja 2:17).

Im Sommer des Jahres 1973 ließen sich Frantis̆ek und seine Frau taufen und wurden somit Zeugen Jehovas. Gegenwärtig dient Frantis̆ek in einer Prager Versammlung als Ältester.

Unter Verbot predigen

In der Verbotszeit wurden wir angewiesen, mit großer Vorsicht zu predigen. Einmal wollte ein junger Zeuge Jehovas unbedingt mit mir in den Predigtdienst gehen. Er bezweifelte, daß diejenigen, die in der Organisation der Zeugen Jehovas die Führung übernehmen, auch wirklich selbst predigen. Beim informellen Zeugnisgeben führten wir viele nette Gespräche. Aber dann trafen wir einen Mann, der mein Gesicht von einem Foto in einem Album der Geheimpolizei kannte; ich bemerkte es allerdings nicht. Zwar verhaftete man mich nicht, doch von jener Zeit an wurde ich offiziell streng überwacht, was mich in der Predigttätigkeit im Untergrund einschränkte.

Wie auch schon in den Jahren zuvor organisierte ich im Sommer 1983, daß eine Gruppe junger Zeugen einige Tage in einem entlegenen Landesteil informell Zeugnis gab. Ich schlug weisen Rat in den Wind und fuhr mit meinem Auto, weil das bequemer war, als öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Als wir einen kurzen Halt einlegten, um in einem Kaufhaus einiges einzukaufen, parkte ich mein Auto davor. Beim Zahlen zeigte ich auf die jungen Verkäufer und sagte zu einer älteren Angestellten: „In der Zukunft können wir alle jung sein.“ Die Frau lächelte. „Das liegt aber nicht in unserer Macht“, fuhr ich fort. „Es müßte schon Hilfe von oben erfolgen.“

Da keine Reaktion kam, ging ich. Die Angestellte, die mich verdächtigte, religiöse Ansichten zu verbreiten, beobachtete mich heimlich durch das Fenster, als ich die Einkäufe in den Wagen lud. Dann benachrichtigte sie die Polizei. Stunden später, nachdem mein Partner und ich in anderen Teilen der Stadt informell Zeugnis gegeben hatten, kehrten wir zum Auto zurück. Plötzlich tauchten zwei Polizisten auf und verhafteten uns.

Auf der Polizeiwache verhörte man uns erst stundenlang, bevor man uns gehen ließ. Mein erster Gedanke galt den Adressen von interessierten Personen, die wir an jenem Tag erhalten hatten. Deshalb ging ich auf die Toilette und wollte sie fortspülen. Doch bevor ich dazu kam, packte mich die starke Hand eines Polizisten. Der Polizist fischte die Zettel aus der Toilettenschüssel heraus und trocknete sie. Die Tatsache, daß die Leute, die mir ihre Adresse gegeben hatten, jetzt in Gefahr waren, vergrößerte meine Anspannung noch.

Nach dem Verhör brachte man uns in unser Hotel, wo Polizisten bereits unser Zimmer durchsucht hatten. Sie hatten jedoch keine weiteren Adressen interessierter Personen gefunden, obwohl diese nicht sorgsam versteckt waren. Einige Zeit später wurde mir an meinem Arbeitsplatz — ich arbeitete als Neuropharmakologe — für meine Verwicklung in illegale Aktivitäten ein öffentlicher Verweis erteilt. Außerdem redete mir der für das Predigtwerk in der Tschechoslowakei verantwortliche Aufseher ins Gewissen; er hatte mir davon abgeraten, mit dem Auto in den Predigtdienst zu fahren.

Maßregelung akzeptiert

Im Jahre 1976 war ich dem Komitee zugeteilt worden, das die Aufsicht über das Predigtwerk von Jehovas Zeugen in der Tschechoslowakei hatte. Da mich die Geheimpolizei jedoch mittlerweile streng überwachte, was auf mein schlechtes Urteilsvermögen in Angelegenheiten wie der eben geschilderten zurückzuführen war, wurde ich von meiner Aufgabe im Landeskomitee sowie von verschiedenen anderen Vorrechten entbunden. Ein Vorrecht, das ich besonders geschätzt hatte, war die Tätigkeit als Unterweiser in der Schule für reisende Aufseher und Pioniere, auch Vollzeitdiener genannt.

Ich akzeptierte die Maßregelung, aber die Zeit von Mitte bis Ende der 80er Jahre war für mich eine schwierige Zeit der Selbstprüfung. Würde ich lernen, besonnener vorzugehen und weitere Unbedachtsamkeiten zu unterlassen? In Psalm 30, Vers 5 heißt es: „Am Abend mag Weinen einkehren, aber am Morgen ist Jubelruf da.“ Dieser Morgen brach mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei im November 1989 an.

Wunderbare Segnungen

Was für ein Gefühl es doch war, in Freiheit predigen und mit dem Hauptbüro der Zeugen Jehovas in Brooklyn (New York) ungehindert in Verbindung treten zu können! Bald erhielt ich eine Zuteilung für den Reisedienst, die ich im Januar 1990 antrat.

Im Jahre 1991 durfte ich die Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung in Manchester (England) besuchen. Es war ein ganz besonderer Segen, zwei Monate lang mit reifen christlichen Männern zusammenzusein und von ihnen unterwiesen zu werden. Jeder Schüler verrichtete täglich für eine gewisse Zeit eine bestimmte Arbeit, was uns eine Verschnaufpause von der intensiven Schulung verschaffte. Ich putzte Fenster.

Nach meiner Rückkehr aus England half ich sofort mit bei den Vorbereitungen für den bedeutungsvollen Kongreß von Jehovas Zeugen, der vom 9. bis 11. August in dem riesigen Strahov-Stadion in Prag stattfand. Bei diesem Anlaß kamen 74 587 Menschen aus vielen Ländern zusammen, um Jehova, unseren Gott, in Freiheit anzubeten.

Im darauffolgenden Jahr gab ich meine weltliche Arbeit als Neuropharmakologe auf. Ich diene jetzt seit fast vier Jahren im Zweigbüro in Prag, wo ich wieder zu dem Komitee gehöre, das das Werk der Zeugen Jehovas in der Tschechischen Republik leitet. Vor nicht allzu langer Zeit wurde ein Gebäude mit zehn Geschossen, das Jehovas Zeugen als Spende erhielten, renoviert und als Zweigbüro eingerichtet. Am 28. Mai 1994 wurde das schöne Gebäude in den Dienst Jehovas gestellt.

Für mich besteht eine der größten Segnungen darin, daß ich anderen von der biblischen Wahrheit erzählen kann, auch meinen Angehörigen. Bis heute sind meine Eltern noch keine Zeugen Jehovas, aber sie sind meiner Tätigkeit gegenüber jetzt günstig eingestellt. In den letzten Jahren besuchten sie ab und zu unsere Zusammenkünfte. Meine größte Hoffnung ist, daß sich meine Eltern und noch Millionen andere aufrichtige Menschen demütig der Herrschaft des Königreiches Gottes unterstellen und Nutzen aus den ewigwährenden Segnungen ziehen, die Gott für diejenigen bereithält, die ihm dienen.

(Die in diesem Artikel erwähnten Veröffentlichungen sind von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegeben worden.)

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In meiner Studienzeit

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Mein Vater war Erziehungsminister der Tschechoslowakei und meine Mutter eine bekannte Augenchirurgin

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Der Wissenschaftler Frantis̆ek Vyskočil, ein ehemaliger Atheist, wurde ein Zeuge Jehovas

[Bild auf Seite 16, 17]

Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus haben Jehovas Zeugen in Osteuropa viele große Kongresse abgehalten; bei diesem Kongreß in Prag 1991 waren über 74 000 Personen zugegen

[Bild auf Seite 18]

Meine Arbeitszuteilung beim Besuch der Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung in England

[Bild auf Seite 18]

Das Zweigbüro in Prag, das am 28. Mai 1994 der Bestimmung übergeben wurde

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