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  • Wie können wir unsere Kinder schützen?
    Erwachet! 1993 | 8. Oktober
    • Wie können wir unsere Kinder schützen?

      „Du darfst mit niemandem darüber reden. Das bleibt unser Geheimnis.“

      „Niemand würde dir glauben.“

      „Wenn du das verrätst, werden dich deine Eltern hassen. Sie wissen, daß es deine Schuld war.“

      „Willst du nicht mehr mein besonderer Freund sein?“

      „Du willst doch nicht, daß ich ins Gefängnis komme, oder?“

      „Wenn du was verrätst, bringe ich deine Eltern um.“

      NACHDEM die Täter ihre perverse Lust an den Kindern befriedigt haben, nachdem sie ihnen das Gefühl der Sicherheit und Unschuld geraubt haben, verlangen sie von ihren Opfern noch mehr, nämlich ZU SCHWEIGEN. Um das Schweigen sicherzustellen, benutzen sie Scham, Heimlichtuerei, aber auch brutalen Terror. Kindern wird so ihre beste Waffe gegen den Mißbrauch geraubt, nämlich der Wille, zu erzählen, sich jemandem anzuvertrauen und einen Erwachsenen um Schutz zu bitten.

      Tragischerweise arbeitet oftmals die Erwachsenengesellschaft den Mißbrauchenden in die Hände. Inwiefern? Indem sie sich weigert, die Gefahr wahrzunehmen, indem sie das Thema unter dem Mantel der Geheimhaltung hält und oft wiederholten Legenden glaubt. Ignoranz, Fehlinformationen und das Schweigen bilden eine schützende Hecke um den Täter, nicht um das Opfer.

      Zum Beispiel kam die Kanadische Konferenz der katholischen Bischöfe kürzlich zu dem Schluß, daß es eine „allgemeine Verschwörung des Schweigens“ gewesen sei, die jahrzehntelang den ungeheuerlichen Kindesmißbrauch durch katholische Geistliche in großem Umfang ermöglicht habe. Auch die Zeitschrift Time sprach in einem Bericht über die weitverbreitete Geißel des Inzests von der „Verschwörung des Schweigens“ und nannte dies einen Faktor, der nur zur Fortdauer der Tragödien in den Familien beitrage.

      Doch gemäß der Time fängt diese Mauer des Schweigens endlich an zu bröckeln. Warum? Mit einem Wort: Aufklärung. In der Zeitschrift Asiaweek hieß es: „Alle Experten sind übereinstimmend der Meinung, daß die beste Verteidigung gegen Kindesmißbrauch das öffentliche Bewußtsein ist.“ Um ihre Kinder zu schützen, müssen Eltern begreifen, wie real die Bedrohung ist. Man darf sich nicht durch Irrtümer, die den Mißbrauchenden und nicht das Kind schützen, im dunkeln halten lassen. (Siehe Kasten.)

      Sein Kind aufklären

      Der weise König Salomo sagte seinem Sohn, Erkenntnis, Weisheit und Denkvermögen könnten ihn „von dem schlechten Weg ... befreien, von dem Mann, der verkehrte Dinge redet“ (Sprüche 2:10-12). Ist das nicht genau das, was Kinder brauchen? In einer Broschüre des FBI (Child Molesters: A Behavioral Analysis) heißt es unter der Überschrift „Das ideale Opfer“: „Für die meisten Kinder ist Sex ein Tabuthema, über das sie wenig genaue Informationen erhalten und schon gar nicht von ihren Eltern.“ Lassen wir unsere Kinder nicht zu „idealen Opfern“ werden. Dazu ist es notwendig, die Kinder aufzuklären.a Zum Beispiel sollte kein Kind die Pubertät erreichen, ohne zu wissen, wie sich sein Körper in dieser Zeit verändern wird. Durch Unwissenheit werden Kinder verwirrt, beschämt — und zu einer leichten Beute.

      Eine Frau, die wir Janet nennen wollen, war als Kind sexuell mißbraucht worden, und Jahre später geschah das gleiche mit ihren eigenen beiden Kindern. Sie erinnert sich: „So wie wir erzogen wurden, haben wir nie über sexuelle Dinge geredet. Das Thema machte mich immer sehr verlegen. Es war beschämend. Und als ich Kinder hatte, war es das gleiche. Ich konnte mit anderer Leute Kindern reden, aber nicht mit meinen eigenen. Ich glaube, das ist schlecht, denn Kinder sind ungeschützt, wenn man mit ihnen nicht über diese Dinge spricht.“

      Die Vorbeugung durch Aufklärung kann schon früh beginnen. Wenn man seinem Kind beibringt, wie bestimmte Körperteile heißen, wie zum Beispiel die Scheide, die Brüste, der After und der Penis, sollte man ihm sagen, daß diese Körperteile gut sind, sie sind etwas Besonderes — aber sie sind etwas ganz Persönliches. „Andere dürfen sie nicht anfassen — nicht einmal Mutti oder Vati — und nicht einmal ein Arzt, außer Mutti oder Vati ist dabei und stimmt zu.“b Idealerweise sollten solche Äußerungen von beiden Eltern oder jedem Erziehungsberechtigten kommen.

      In dem Buch The Safe Child Book schreibt Sherryll Kraizer, daß Kinder keine Hemmungen haben sollten, jemanden, der sie belästigt, zu ignorieren, ihn anzuschreien oder von ihm wegzulaufen; allerdings würden viele mißbrauchte Kinder hinterher sagen, sie hätten nicht ungehörig erscheinen wollen. Kinder müssen daher wissen, daß einige Erwachsene schlechte Dinge tun und daß auch ein Kind niemandem gehorchen muß, der es auffordert, etwas Verkehrtes zu tun. In solchen Fällen hat das Kind das absolute Recht, nein zu sagen, genau wie Daniel und seine Gefährten es taten, als die babylonischen Erwachsenen von ihnen verlangten, unreine Dinge zu essen (Daniel 1:4, 8; 3:16-18).

      Als Hilfsmittel zur Schulung der Kinder wird häufig das „Was-machst-du-wenn-Spiel“ empfohlen. Zum Beispiel könnte man fragen: „Was machst du, wenn der Lehrer dir sagt, du sollst ein anderes Kind hauen?“ Oder: „Was machst du, wenn Mutti [Vati, der Lehrer, ein Polizist] dich auffordert, von einem Hochhaus zu springen?“ Die Antwort des Kindes ist vielleicht unzureichend oder einfach falsch, doch sollte man es nicht schroff verbessern. Bei diesem Spiel ist es nicht nötig, zu schockieren oder zu verängstigen. Ja, es wird empfohlen, es auf eine sanfte, liebevolle und sogar spielerische Weise zu spielen.

      Kinder müssen auch lernen, Zuneigungsäußerungen, die unpassend sind oder bei denen sie sich unwohl fühlen, zurückzuweisen. Man könnte zum Beispiel fragen: „Was machst du, wenn jemand, der mit Mutti oder Vati befreundet ist, dich auf eine Weise küssen möchte, die dir komisch vorkommt?“c Oft ist es das beste, wenn man das Kind ermuntert, vorzumachen, was es in einer solchen Situation tun würde, und sozusagen ein „Nehmen-wir-mal-an-Spiel“ daraus macht.

      Auf ähnliche Weise können Kinder lernen, auch anderen Taktiken von Mißbrauchern zu begegnen. Beispielsweise könnte man sie fragen: „Was machst du, wenn jemand sagt: ‚Du weißt, daß ich dich besonders mag. Willst du nicht mein Freund [meine Freundin] werden?‘“ Hat das Kind gelernt, solchen Fallen zu entgehen, können andere besprochen werden, wie zum Beispiel: „Jemand sagt: ‚Du willst mir doch nicht weh tun und mich traurig machen, oder?‘ Was dann?“ Dem Kind sollte gezeigt werden, wie es durch Worte und eine klare, nachdrückliche Körpersprache sein Nein zum Ausdruck bringen kann. Mißbraucher testen ja oftmals aus, wie ein Kind auf ihre vorsichtigen Annäherungsversuche reagiert. Daher muß einem Kind beigebracht werden, sich standhaft zu widersetzen und klarzumachen, daß es jemandem davon erzählen wird.

      Gründliche Schulung

      Solche Schulung ist nicht mit einem einzigen Gespräch abgetan. Kinder brauchen viel Wiederholung. Das eigene Urteilsvermögen ist gefordert, wenn es darum geht, wie sehr die Aufklärung ins Detail gehen sollte. Auf jeden Fall sollte sie gründlich sein.

      Beispielsweise muß man unbedingt jedem Versuch eines Mißbrauchers zuvorkommen, mit dem Kind einen Geheimnispakt zu schließen. Kinder sollten wissen, daß es nie in Ordnung ist, wenn ein Erwachsener von ihnen verlangt, etwas vor irgendeinem Elternteil zu verheimlichen. Ihnen muß versichert werden, daß es immer richtig ist, zu erzählen — auch wenn sie zuvor versprochen haben, niemandem etwas zu sagen. (Vergleiche 4. Mose 30:12, 16.) Manchmal weiß der Täter von einem Verstoß des Kindes gegen die Familienregeln und erpreßt dann das Kind damit. Die Botschaft lautet: „Ich verrate dich nicht, wenn du mich nicht verrätst.“ Daher sollten Kinder wissen, daß sie nie Schwierigkeiten bekommen, wenn sie etwas erzählen, auch nicht unter diesen Umständen: es ist ungefährlich, sich auszusprechen.

      Die Schulung sollte auch „drohungsresistent“ sein. Einige Mißbraucher haben vor den Augen eines Kindes ein kleines Tier getötet und dann gedroht, sie würden das gleiche mit den Eltern des Kindes machen. Andere haben ihrem Opfer gedroht, sie würden jüngere Geschwister mißbrauchen. Einem Kind muß daher der Gedanke vermittelt werden, daß es über eine sexuelle Belästigung in jedem Fall sprechen soll, gleichgültig, wie beängstigend die Drohungen sein mögen.

      Hierbei kann die Bibel sehr hilfreich sein. Die nachdrückliche Betonung der Allmacht Jehovas kann der Drohung eines Mißbrauchers viel von ihrem Schrecken nehmen. Kinder müssen wissen, daß, ganz gleich, was für Drohungen geäußert werden, Jehova in der Lage ist, seinem Volk zu helfen (Daniel 3:8-30). Selbst wenn schlechte Menschen denen Schaden zufügen, die Jehova liebt, kann er in jedem Fall den Schaden wiedergutmachen und alles zum Guten wenden (Hiob, Kapitel 1 und 2; 42:10-17; Jesaja 65:17). Kindern sollte versichert werden, daß Jehova alles sieht, auch Menschen, die schlecht handeln, und gute Menschen, die ihr Bestes tun, den schlechten Menschen zu widerstehen. (Vergleiche Hebräer 4:13.)

      Vorsichtig wie Schlangen

      Der Pädophile, der ein Kind unter Anwendung körperlicher Gewalt mißbraucht, ist die Ausnahme. Üblicherweise ziehen die Täter es vor, sich erst mit dem Kind anzufreunden. Jesu Rat, „vorsichtig wie Schlangen“ zu sein, ist daher sehr passend (Matthäus 10:16). Eine der besten Vorsichtsmaßnahmen gegen Kindesmißbrauch ist es, wenn liebevolle Eltern ihre Kinder gut beaufsichtigen. Einige Mißbraucher halten in öffentlichen Anlagen nach Kindern Ausschau, die allein sind und mit denen sie ein Gespräch beginnen können, um ihre Neugier zu wecken. („Magst du Motorräder?“ „Willst du dir die Hundebabys in meinem Auto angucken?“) Natürlich kann man sein Kind nicht auf Schritt und Tritt begleiten. Fachleuten für Kinderbetreuung zufolge brauchen Kinder eine gewisse Bewegungsfreiheit. Vorsichtige Eltern achten jedoch darauf, ihren Kindern nicht zu früh zuviel Freiheit einzuräumen.

      Eltern sollten auch sorgfältig darüber wachen, daß sie alle Erwachsenen und älteren Jugendlichen, mit denen ihre Kinder näheren Kontakt haben, gut kennen, und sie sollten besonders vorsichtig sein, wenn es darum geht, wer sich während ihrer Abwesenheit um die Kinder kümmert. Man sollte sich vor Babysittern, bei denen sich die Kinder merkwürdig oder unwohl fühlen, ebenso in acht nehmen wie vor Jugendlichen, die anscheinend ein übersteigertes Interesse an jüngeren Kindern haben und keine Freunde in ihrem eigenen Alter. Es wäre ratsam, sich in Kindertagesstätten, Schulen oder bei Tagesmüttern genau umzuschauen. Man sollte einen Rundgang durch die gesamten Räumlichkeiten machen, mit den Betreuenden sprechen und dabei darauf achten, wie sie mit den Kindern umgehen. Haben sie etwas dagegen, wenn man überraschend auftaucht, um nach seinem Kind zu sehen? Wenn ja, dann sollte man sich nach einer anderen Möglichkeit umschauen. (Siehe Erwachet! vom 8. Dezember 1987, Seite 3—11.)

      So traurig es ist: Aber selbst die allerbesten Eltern können nicht alles kontrollieren, was mit ihren Kindern geschieht (Prediger 9:11).

      Wenn beide Eltern zusammenarbeiten, dann gibt es allerdings etwas, das sie kontrollieren können, nämlich das familiäre Umfeld. Und da das Zuhause der Ort ist, wo die meisten Kinder mißbraucht werden, wird sich der nächste Artikel darauf konzentrieren.

      a Siehe Erwachet! vom 22. Februar 1992, Seite 3—11 und vom 8. Juli 1992, Seite 30.

      b Natürlich müssen Eltern kleine Kinder baden und ihnen die Windeln wechseln und dabei auch deren Intimbereich waschen. Aber man sollte seinen Kindern frühzeitig beibringen, sich selbst von Kopf bis Fuß zu waschen; einige Fachleute auf dem Gebiet der Kinderpflege empfehlen, daß Kinder schon wenn möglich im Alter von drei Jahren lernen, sich den Intimbereich selbst zu waschen.

      c Einige Fachleute warnen davor, sein Kind zu drängen, jeden zu küssen oder zu umarmen, der das gern möchte, denn das könnte die Schulung zunichte machen. Daher bringen manche Eltern ihren Kindern bei, höflich auszuweichen oder sich herauszureden, wenn jemand möchte, daß sie etwas tun, was sie nicht wollen.

      Er schrie um Hilfe

      „ANGRIFF eines Sexualtäters auf Jugendlichen durch Anrufung Jehovas gestoppt“, hieß es in einer Schlagzeile der amerikanischen Zeitung The Arizona Republic vom 5. Mai 1993. Ein 13jähriger Junge wurde von dem mutmaßlichen Sexualtäter mit vorgehaltener Schußwaffe in dessen Wohnung entführt. Als der Jugendliche „Jehova, hilf mir!“ schrie, wurde der Täter ganz verunsichert und ließ den Jungen frei. Später nahm die Polizei den Mann fest.

      In solchen Situationen Jehovas Namen anzurufen ist sicherlich genau das Richtige, doch heißt das nicht, daß Gottes Diener in diesen kritischen „letzten Tagen“ allen Übergriffen entgehen werden (2. Timotheus 3:1-5, 13). Christliche Eltern müssen daher ihre Kinder zur Vorsicht gegenüber allen Fremden erziehen, ungeachtet welche Autorität diese anscheinend darstellen.

  • Zu Hause sexuellem Mißbrauch vorbeugen
    Erwachet! 1993 | 8. Oktober
    • Zu Hause sexuellem Mißbrauch vorbeugen

      Monique war neun Jahre alt, als er begann, sie sexuell zu belästigen. Anfangs schaute er heimlich zu, wenn sie sich auszog, dann fing er an, nachts in ihr Zimmer zu kommen und sie an den Genitalien zu berühren. Wenn sie sich dagegen wehrte, wurde er wütend. Einmal griff er sie sogar mit einem Hammer an und warf sie die Treppe hinunter. „Niemand glaubte mir“, erinnert sich Monique — nicht einmal ihre Mutter. Der Täter war Moniques Stiefvater.

      ES IST nicht der Fremde im Regenmantel, nicht der im Busch lauernde Einzelgänger, der für Kinder die größte Gefahr darstellt. Es sind die eigenen Angehörigen. Sexuelle Belästigungen finden meistens zu Hause statt. Wie kann daher das Zuhause gegen sexuellen Mißbrauch sozusagen resistenter gemacht werden?

      Der Historiker Dr. Sander J. Breiner ist in seinem Buch Slaughter of the Innocents den Beweisen für Kindesmißbrauch in fünf alten Kulturen — Ägypten, China, Griechenland, Rom und Israel — nachgegangen. In Israel, so sein Fazit, gab es das zwar auch, war aber relativ selten. Wie kam das? Im Gegensatz zu den Nachbarvölkern wurden die Israeliten gelehrt, Frauen und Kinder mit Respekt zu behandeln — eine aufgeklärte Ansicht, die sie der Heiligen Schrift verdankten. Wandten die Israeliten das göttliche Gesetz auf das Familienleben an, so beugten sie auch dem Kindesmißbrauch vor. Heutzutage brauchen die Familien diese reinen und praktischen Maßstäbe dringender denn je.

      Moralgesetze

      Hat das biblische Gesetz Auswirkungen auf unsere Familie? Zum Beispiel heißt es in 3. Mose 18:6: „Ihr sollt euch nicht, kein Mensch von euch, irgendeinem nähern, der sein naher Verwandter nach dem Fleische ist, um die Blöße aufzudecken. Ich bin Jehova.“ In ähnlicher Weise wird auch in der Christenversammlung heute auf die Einhaltung strikter Gesetze gegen jegliche Form des sexuellen Mißbrauchs geachtet. Jeder, der ein Kind sexuell mißbraucht, riskiert es, ausgeschlossen, das heißt aus der Versammlung entfernt zu werden (1. Korinther 6:9, 10).a

      Alle Familien sollten solche Gebote kennen und als Familie zusammen betrachten. In 5. Mose 6:6, 7 lesen wir die Aufforderung: „Und es soll sich erweisen, daß diese Worte, die ich dir heute gebiete, auf deinem Herzen sind; und du sollst sie deinem Sohn einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst.“ Diese Gebote den Kindern einzuschärfen bedeutet mehr, als nur ihnen gelegentlich einen Vortrag zu halten. Es erfordert regelmäßigen offenen Gedankenaustausch. Von Zeit zu Zeit sollten sowohl die Mutter als auch der Vater ihre Anerkennung der göttlichen Gesetze gegen Inzest bekräftigen und die auf Liebe beruhenden Gründe dafür wiederholen.

      Man kann außerdem Geschichten wie die von Tamar und Amnon (den Kindern Davids) verwenden, um seinen Kindern zu zeigen, daß es auf sexuellem Gebiet Grenzen gibt, die niemand — auch kein naher Familienangehöriger — jemals überschreiten darf (1. Mose 9:20-29; 2. Samuel 13:10-16).

      Respekt vor diesen Grundsätzen kann sogar in der Aufteilung des Wohnraums zum Ausdruck kommen. Wie Untersuchungen in einem asiatischen Land gezeigt haben, kommt Inzest häufig in Familien vor, in denen die Kinder bei den Eltern schlafen, selbst wenn das von der finanziellen Situation her nicht notwendig ist. Ebenso ist es im allgemeinen unklug, wenn heranwachsende Kinder unterschiedlichen Geschlechts sich ein Bett oder einen Raum teilen, sofern es nur irgendwie anders möglich ist. Selbst unter beengten Wohnverhältnissen sollten Eltern ein gutes Unterscheidungsvermögen bekunden, wenn es darum geht, wo jedes Familienmitglied schlafen soll.

      Die Bibel verbietet Trunkenheit und läßt anklingen, daß diese zu Perversionen führen kann (Sprüche 23:29-33). Einer Studie zufolge geben 60 bis 70 Prozent aller Inzestopfer an, der mißbrauchende Elternteil hätte getrunken, als der Mißbrauch begonnen habe.

      Ein liebevolles Familienhaupt

      Wie Forscher herausgefunden haben, kommt es in Familien mit einem herrschsüchtigen Ehemann öfter zum Mißbrauch als in anderen Familien. Die weitverbreitete Ansicht, Frauen seien in erster Linie zur Befriedigung der männlichen Bedürfnisse da, ist unbiblisch. Mit dieser unchristlichen Einstellung rechtfertigen es einige Männer, wenn sie sich bei ihrer Tochter das holen wollen, was sie bei ihrer Frau nicht bekommen. Diese Art der Unterdrückung kann bei Frauen unter den gegebenen Umständen den Verlust des seelischen Gleichgewichts bewirken. Viele Mütter verlieren dadurch sogar den natürlichen Drang, ihr eigenes Kind zu beschützen. (Vergleiche Prediger 7:7.) Andererseits stellte man im Rahmen einer Untersuchung fest, daß es in Familien mit arbeitssüchtigen Vätern, die selten zu Hause sind, manchmal zum Mutter-Sohn-Mißbrauch kommt.

      Wie sieht es in der eigenen Familie aus? Der Vater sollte sich fragen: Nehme ich meine Rolle als Haupt ernst, oder schiebe ich sie auf meine Frau ab? (1. Korinther 11:3). Behandle ich meine Frau mit Liebe, Achtung und Respekt? (Epheser 5:25; 1. Petrus 3:7). Zählen auch ihre Ansichten? (1. Mose 21:12; Sprüche 31:26, 28). Und wie sieht es mit den Kindern aus? Betrachte ich sie als kostbar? (Psalm 127:3). Oder betrachte ich sie nur als Bürde und als leicht auszubeuten? (Vergleiche 2. Korinther 12:14.) Wenn man verzerrte, unbiblische Ansichten über die Rollen innerhalb der Familie ausmerzt, wird das Zuhause auch vor sexuellem Mißbrauch besser geschützt sein.

      Ein Ort der Geborgenheit

      Eine junge Frau, die wir Sandi nennen wollen, berichtet: „Unsere ganze Familie war für den Mißbrauch geradezu prädestiniert. Sie war in der Gesellschaft isoliert, ebenso wie die Familienmitglieder untereinander.“ Isolation, Strenge und Geheimnistuerei — all diese ungesunden, unbiblischen Merkmale sind Kennzeichen von Inzestfamilien. (Vergleiche 2. Samuel 12:12; Sprüche 18:1; Philipper 4:5.) Daher muß man in der Familie für eine Atmosphäre sorgen, in der sich die Kinder geborgen fühlen. Das Zuhause sollte ein Ort sein, wo sie gestärkt und ermutigt werden und wo sie sich frei fühlen, ihr Herz auszuschütten.

      Kinder haben auch ein großes Bedürfnis nach körperlichen Ausdrucksformen der Liebe wie Umarmen, Streicheln, An-der-Hand-Halten, Herumtollen. Deshalb sollte man auf die Gefahr eines sexuellen Mißbrauchs nicht überreagieren und seinem Kind diese Zeichen der Liebe nicht vorenthalten. Kindern muß durch offene, herzliche Zuneigung und Lob zugesichert werden, daß man sie wirklich schätzt. Sandi erinnert sich: „Meine Mutter hielt es für falsch, irgend jemand für irgend etwas zu loben; das würde einem nur zu Kopf steigen.“ Schweigend erduldete Sandi mindestens zehn Jahre lang sexuellen Mißbrauch. Kinder, die sich nicht sicher sein können, daß sie geliebt und geschätzt werden, sind möglicherweise anfälliger für das Lob, die „Zuneigung“ oder die Androhung von Liebesentzug seitens eines Mißbrauchers.

      Nach Aussage eines Pädophilen, der über einen Zeitraum von 40 Jahren Hunderte von Jungen sexuell mißbraucht hatte, waren die Jungen, die ein emotionelles Bedürfnis nach einem Freund wie ihm hatten, die „besten“ Opfer. Eltern dürfen nicht zulassen, daß sich bei ihren Kindern ein solches Bedürfnis entwickelt.

      Den Kreislauf des Mißbrauchs durchbrechen

      Unter schweren Prüfungen sagte Hiob: „Meine Seele empfindet bestimmt Ekel vor meinem Leben. Ich will meiner Besorgnis um mich freien Lauf lassen. Ich will in der Bitterkeit meiner Seele reden!“ (Hiob 10:1). In ähnlicher Weise haben Eltern festgestellt, daß sie ihren Kindern helfen können, indem sie sich selbst helfen. In der Publikation The Harvard Mental Health Letter hieß es unlängst: „Daß es in der Gesellschaft auf starke Mißbilligung stößt, wenn Männer Schmerz zeigen, scheint den Kreislauf des Mißbrauchs aufrechtzuerhalten.“ Anscheinend ist bei Männern, die sexuell mißbraucht wurden, aber nie über den Schmerz sprechen konnten, die Wahrscheinlichkeit, selbst zu Tätern zu werden, überdurchschnittlich hoch. Gemäß dem Buch The Safe Child Book sind die meisten Täter selbst als Kind sexuell mißbraucht worden, ohne je die Gelegenheit zur Heilung gehabt zu haben. Sie bringen ihren Schmerz und ihre Wut dadurch zum Ausdruck, daß sie selbst Kinder mißbrauchen.b (Siehe auch Hiob 7:11; 32:20.)

      Das Risiko für die Kinder ist auch größer, falls ihre Mutter früher mißbraucht wurde und dies nicht bewältigen kann. Wie Forscher beispielsweise festgestellt haben, heiraten Frauen, die als Kind mißbraucht wurden, oft Mißbraucher. Wenn außerdem eine Frau den an ihr begangenen Mißbrauch nicht bewältigen kann, wird es ihr verständlicherweise schwerfallen, mit ihren Kindern über Mißbrauch zu reden. Wenn es dann dazu kommt, ist sie vielleicht schlechter in der Lage, den Mißbrauch zu erkennen und daraufhin positive Schritte zu unternehmen. Als Folge muß das Kind einen furchtbaren Preis für die Tatenlosigkeit der Mutter zahlen.

      So kann der Mißbrauch von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Natürlich kommt anscheinend eine ganze Reihe von Opfern, die sich entschieden haben, nicht über ihre schmerzhafte Vergangenheit zu sprechen, ziemlich gut im Leben zurecht, und das ist auch gut so. Doch bei vielen sitzt der Schmerz tiefer, und sie müssen — wenn nötig mit qualifizierter professioneller Hilfe — Anstrengungen unternehmen, die schweren Kindheitswunden zu heilen. Ihr Ziel besteht nicht darin, in Selbstmitleid zu zerfließen. Sie wollen den krankhaften, schmerzlichen Kreislauf des Kindesmißbrauchs durchbrechen, unter dem ihre Familie leidet. (Siehe Erwachet! vom 8. Oktober 1991, Seite 3 bis 11.)

      Das Ende des Mißbrauchs

      Werden in einer Familie die bisher erwähnten Anregungen richtig in die Tat umgesetzt, kann dies die Wahrscheinlichkeit des Kindesmißbrauchs stark herabsetzen. Allerdings gehen die Täter im geheimen vor, sie mißbrauchen das in sie gesetzte Vertrauen, und sie benutzen Strategien der Erwachsenenwelt gegenüber unschuldigen Kindern. Zwangsläufig scheinen einige trotz ihres abscheulichen Verbrechens ungeschoren davonzukommen.

      Doch seien wir versichert, daß Gott sieht, was sie tun (Hiob 34:22). Wenn sie nicht bereuen und sich ändern, wird er ihre abscheulichen Handlungen nicht vergessen. Zu seiner Zeit wird er es ans Licht bringen. (Vergleiche Matthäus 10:26.) Und er wird Gerechtigkeit üben. Jehova Gott hat eine Zeit verheißen, in der all solche hinterhältigen Personen ‘von der Erde weggerissen sein werden’ und nur milde und sanftmütige Menschen, die Gott und ihre Mitmenschen lieben, am Leben bleiben (Sprüche 2:22; Psalm 37:10, 11, 29; 2. Petrus 2:9-11). Dank des Loskaufsopfers Jesu Christi haben wir die wunderbare Hoffnung auf eine neue Welt (1. Timotheus 2:6). Dann — und erst dann — wird jeglicher Mißbrauch für immer der Vergangenheit angehören.

      Bis dahin müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, um unsere Kinder zu schützen. Sie sind so kostbar! Die meisten Eltern wären sofort bereit, zum Schutz ihrer Kinder ihre eigene Sicherheit aufs Spiel zu setzen. (Vergleiche Johannes 15:13.) Wenn wir unsere Kinder nicht beschützen, können die Folgen katastrophal sein. Wenn wir sie schützen, schenken wir ihnen etwas Wunderbares: eine ungetrübte Kindheit ohne Schuldgefühle. Sie können dann dem Psalmisten nachempfinden, der die Worte schrieb: „Ich will zu Jehova sagen: ‚Du bist meine Zuflucht und meine Feste, mein Gott, auf den ich vertrauen will‘“ (Psalm 91:2).

      a Sexueller Kindesmißbrauch liegt vor, wenn sich jemand eines Kindes bedient, um sein eigenes sexuelles Verlangen zu befriedigen. Oftmals handelt es sich bei dem Mißbrauch um das, was die Bibel als Hurerei oder pornéia bezeichnet, wie beispielsweise das Streicheln der Geschlechtsorgane sowie genitaler, oraler oder analer Geschlechtsverkehr. Einige sexuelle Übergriffe, wie das Streicheln der Brüste, eindeutig unsittliche Angebote, das Betrachten pornographischen Materials zusammen mit einem Kind, Voyeurismus und Exhibitionismus, könnten unter Umständen mit dem in der Bibel verurteilten „zügellosen Wandel“ gleichbedeutend sein (Galater 5:19-21; siehe Wachtturm, 15. Juni 1983, Fußnote auf Seite 30).

      b Zwar sind die meisten Täter als Kind selbst mißbraucht worden, doch das bedeutet nicht, daß Mißbrauch aus Kindern Mißbraucher machen muß. Weniger als ein Drittel aller mißbrauchten Kinder werden später selbst zu Mißbrauchern.

      Ein Opfer, das über Jahre hinweg Inzest erdulden mußte, sagte: „Der Mißbrauch tötet Kinder, er tötet ihr Vertrauen und ihr Recht darauf, sich unschuldig zu fühlen. Darum müssen Kinder beschützt werden. Denn ich muß jetzt mein ganzes Leben neu aufbauen. Warum sollten noch mehr Kinder dazu gezwungen werden?“

      Ja, warum?

      Kindern zuhören

      IN Britisch-Kolumbien (Kanada) wurde kürzlich der Werdegang von 30 Sexualtätern untersucht, die Kinder mißbraucht hatten. Die Ergebnisse waren erschütternd. Die 30 Täter hatten insgesamt 2 099 Kinder mißbraucht. Die Hälfte von ihnen hatte eine Vertrauensstellung als Lehrer, Geistlicher, Verwalter oder Kinderbetreuer inne. Einer der Täter, ein 50jähriger Zahnarzt, hatte über einen Zeitraum von 26 Jahren fast 500 Kinder mißbraucht.

      Die in Toronto erscheinende Zeitung The Globe and Mail schreibt allerdings: „In 80 Prozent aller Fälle wird der Mißbrauch von einer oder mehreren gesellschaftlichen Gruppen (dazu gehören Freunde und Kollegen des Täters, Angehörige des Opfers, andere Kinder sowie einige Opfer) verleugnet oder heruntergespielt.“ Es überrascht daher nicht, daß, „wie der Bericht erkennen läßt, Verleugnung und Unglauben dem weiteren Mißbrauch Vorschub leisten“.

      Einige der Opfer hatten über den Mißbrauch berichtet. Doch „die Eltern sehr junger Opfer waren nicht bereit, ihren Kindern zu glauben“, heißt es in dem Bericht gemäß der Globe and Mail. Wie die deutsche Ministerin für Frauen und Jugend unlängst erklärte, hatte sie in einer Beratungsstelle gehört, daß „mißbrauchte Kinder bis zu sieben Mal Erwachsene ansprechen müssen, bis ihnen geglaubt wird“.

      „Suchen Sie jetzt Hilfe“

      „WENN Sie ein Mann sind und sexuellen Kontakt zu Kindern haben, sagen Sie vielleicht zu sich selbst: ‚Sie mag das‘ oder: ‚Er wollte das‘ oder: ‚Ich kläre sie über Sexualität auf.‘ Sie belügen sich selbst. Echte Männer haben keinen Sexualkontakt mit Kindern. Wenn Sie in irgendeinem Winkel des Herzens wirklich am Wohl des Kindes interessiert sind, hören Sie auf! Suchen Sie jetzt Hilfe.“ (Vorschlag für eine Anzeige staatlicher Institutionen, entnommen dem Buch By Silence Betrayed).

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