Wir beobachten die Welt
Katholiken reichen beim Papst Kirchenvolksbegehren ein
Gegen Ende des Jahres 1995 setzten deutsche Katholiken gemäß einem Bericht der Süddeutschen Zeitung eine Unterschriftensammlung zur Reform der Kirche in Gang. Das Kirchenvolksbegehren wurde von ungefähr 1,6 Millionen Menschen unterzeichnet und forderte die Kirche auf, Priestern zu erlauben zu heiraten, Frauen den Zugang zum Priesteramt zu eröffnen und ihre Haltung zu Fragen der Sexualität und der Empfängnisverhütung zu ändern. „Unser eigentlicher Adressat ist der Papst“, erklärte Christian Weisner, der Initiator des Volksbegehrens. Die Zeitung schrieb, Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, habe schwere Vorbehalte gegen das Volksbegehren und behaupte, es führe zu einer Polarisierung zwischen konservativen und reformorientierten Katholiken. Dennoch reiste Lehmann zum Vatikan und überbrachte dem Papst die Ergebnisse des Kirchenvolksbegehrens.
Zur Jahreswende 1995/96 Schaltsekunde eingeschoben
Die Erdrotation ist anscheinend nicht der zuverlässigste Zeitmesser. Gemäß der New York Times verfügen Wissenschaftler über eine genauere Methode der Zeitmessung — das Cäsiumatom. Das Cäsiumatom, das als Herz der Atomuhr dient, schwingt in der Sekunde genau 9 192 631 770mal. Mit dieser Frequenz weist die Atomuhr lediglich „eine Fehlerrate von ungefähr einer Sekunde in 370 000 Jahren“ auf. Im Vergleich dazu ist die Erdrotation etwa eine-Million-mal ungenauer, weshalb in bestimmten Abständen eine Schaltsekunde eingeschoben werden muß. Eine internationale Gruppe von Zeitmessungsexperten beschloß, zum Jahresende 1995 eine solche Schaltsekunde einzufügen. Auf diese Weise konnten „die Rotation unseres Planeten und der Verlauf der Zeit“ in Übereinstimmung bleiben. Wissenschaftler können den Ruhm für diese Entdeckung jedoch kaum für sich in Anspruch nehmen. Schließlich „ahmen die Bewegungen der subatomaren Teilchen der Uhr in Miniatur die grandiose Ordnung der Planetensysteme nach“, schrieb die Times.
Kleine Kinder und Technik
„Immer mehr Kinder können Computer bedienen, bevor sie lesen und schreiben können“, meldete die kanadische Zeitung The Globe and Mail. Manche kleine Kinder, die noch nicht laufen und sprechen können, benutzen bereits Computer. Selbst Babys, die sich noch nicht allein aufrichten können, werden auf dem Schoß ihrer Eltern technische Fertigkeiten beigebracht. Die Eltern haben es oftmals eilig damit, ihre Kinder mit einem Computer vertraut zu machen, weil sie möchten, daß ihre Kinder später in der Schule gute Leistungen erbringen. Außerdem preisen viele Softwarehersteller ihre Ware als Lernmittel für Kinder an. Manche Eltern bezweifeln jedoch, daß es gut ist, in einem solch zarten Alter mehr Wert auf den Umgang mit Maschinen als auf den Umgang mit Menschen zu legen. Eine Mutter sagte: „Wir bauen kein Verhältnis zu Computern auf, oder zumindest denke ich, wir sollten es nicht tun.“
Billige Lösung
In Japan ist die Zahl der Leichen, die für medizinische Forschungen zur Verfügung gestellt werden, in den vergangenen Jahren gestiegen. Gemäß der Zeitung The Daily Yomiuri erklärte das Erziehungsministerium, daß „jeder zweite Medizinstudent und jeder vierte Student der Zahnheilkunde zu Forschungszwecken eine Leiche braucht, so daß im Land jährlich insgesamt 4 500 Leichen benötigt werden“. Aber warum stehen weitaus mehr Leichen als nötig zur Verfügung? Einer der Gründe ist, daß es nicht genügend Grabstätten gibt und die Familienbande schwächer werden.
Mehr als 500 000 Aidspatienten in den Vereinigten Staaten
Am 31. Oktober 1995 gab es in den Vereinigten Staaten zum ersten Mal mehr als 500 000 gemeldete Aidsfälle, so berichtete die Zeitschrift The Journal of the American Medical Association. Davon sind bereits 311 381 Menschen — 62 Prozent — ihrer Krankheit erlegen. Eine weitere düstere Entwicklung war die steigende Zahl der Aidserkrankungen durch heterosexuelle Kontakte. In der Zeitschrift wurde gezeigt, daß der Anteil der an Aids erkrankten Frauen zwischen 1981 und 1987 nur 8 Prozent betrug, von 1993 bis 1995 ist er hingegen auf 18 Prozent angestiegen.
Onlinesüchtig
Die Vernetzung von Computern über einen Telefonanschluß hat zu einer neuen Sucht geführt, der sogenannten Internet-Sucht. Gemäß der Zeitschrift New Scientist „wenden sich immer mehr Menschen, die am Pendant zum Alkoholismus, der Onlinesucht, leiden, an Selbsthilfe- und Therapiegruppen, um ihre Sucht behandeln zu lassen“. Dr. Ivan Goldberg, ein New Yorker Psychiater, gründete eine Internet-Suchthilfegruppe zur Unterstützung derer, die „darum kämpfen“, vom Information Superhighway „loszukommen“. Zu den Symptomen der Erkrankung gehören „der Drang, immer mehr Zeit mit dem Internet zu verbringen, um Befriedigung zu finden, sowie Tagträume oder Träume, die sich um das Netz drehen“. In der Zeitschrift hieß es, bei Ivan Goldberg hätten sich „über 20 Personen [gemeldet], die erklärten, daß das Netz ihr Leben ruiniert hat“.
Sonnenlicht hebt Arbeitsmoral
Mehr Tageslicht in Gebäuden führt zu einer „höheren Produktivität“ und zu „weniger Ausfällen durch Krankheit“, schrieb die Zeitung The Wall Street Journal. Die architektonische Bauart, durch die der Arbeitsplatz Sonnenlicht erhält, wurde ursprünglich aus Energiespargründen eingeführt und zahlt sich jetzt aus, weil sie die Arbeitsmoral der Beschäftigten hebt. Als der Luft- und Raumfahrtgigant Lockheed Aircraft Corporation in Sunnyvale (Kalifornien) ein neues Büro eröffnete, konnten durch das energiesparende Design „die Gesamtenergiekosten um die Hälfte gesenkt werden“. Lockheed rechnete allerdings nicht damit, daß den Beschäftigten die neue Umgebung so sehr gefallen würde, daß die Zahl der „Ausfälle durch Krankheit“ um 15 Prozent zurückging. Auch Einzelhändler sind sich der Vorteile bewußt, die es mit sich bringt, wenn man mehr Sonnenlicht in ein Gebäude läßt. Ein Händler stellte fest, daß die Umsätze in den Läden, die Tageslicht statt künstliches Licht nutzen, „bedeutend höher“ sind.
Eine Welt, die über ihre Wasserreserven wachen muß
„Die Kriege im nächsten Jahrhundert werden um Wasser geführt werden“, sagte Ismail Serageldin, Umweltvizepräsident der Weltbank, warnend. Laut Serageldin leiden bereits 80 Länder unter einer für Gesundheit und Wirtschaft bedrohlichen Wasserknappheit. Das Problem ist jedoch nicht, daß auf der Erde nicht genügend Wasser vorhanden wäre. „Die vorhandene Menge an Trinkwasser auf der Erde übersteigt den denkbaren Gesamtbedarf der Weltbevölkerung“, sagte der Hydrologe Robert Ambroggi. Die meisten Probleme entstehen infolge einer schlechten Wasserwirtschaft. Die Hälfte des Wassers, das zur Bewässerung benutzt wird, versickert im Boden oder verdunstet. In den Leitungssystemen der städtischen Wasserversorgung gehen zwischen 30 und 50 Prozent des Wassers verloren, mitunter sogar mehr. „Die Zeit kommt“, hieß es in der Zeitschrift The Economist, „wo man Wasser, ähnlich wie Öl, als wertvollen Rohstoff behandeln muß und nicht mehr so frei darüber verfügen kann wie über die Luft.“
Ohne Schmerzen schlafen
Manche Schmerzmittel, die man rezeptfrei kaufen kann, können zur Schlaflosigkeit beitragen, berichtete das Rundschreiben Tufts University Diet & Nutrition Letter. „Dem ist so, weil einige der gängigsten Schmerzmittel mindestens soviel Koffein enthalten wie eine Tasse Kaffee.“ Um die Wirkung zu verstärken, wird Aspirin oder anderen Analgetika oftmals Koffein beigefügt — ein Stoff mit leicht anregender Wirkung. Einige bekannte Schmerzmittel enthalten in einer Dosis von 2 Tabletten sogar bis zu 130 Milligramm Koffein. Das ist „bedeutend mehr als die 85 Milligramm, die man im Durchschnitt in einer Tasse“ Kaffee findet. In dem Rundschreiben wird deshalb empfohlen, die Packungsaufschrift eines Schmerzmittels auf „Stimulanzien“ hin durchzulesen und zu sehen, ob es Koffein enthält.
Die Tuberkulose — eine Zeitbombe
Jede Woche sterben in Indien 10 000 Menschen an neuen Formen der Tuberkulose, gegen die eine Vielzahl von Medikamenten wirkungslos ist, meldete die Zeitung Indian Express. Nach Angaben von Kraig Klaudt von der Weltgesundheitsorganisation „sitzt [Indien], was die Tuberkulose angeht, auf einer Zeitbombe“. Weltweit sind 1,75 Milliarden Menschen mit Tuberkelbakterien infiziert. Mehrere Experten aus 40 Ländern, die sich auf einer von der britischen Medizinfachzeitschrift The Lancet gesponserten Tagung trafen, sagten, die Pharmaunternehmen seien nicht bereit, Geld zu investieren, um neue Medikamente auf den Markt zu bringen, weil die meisten Krankheitsfälle in den ärmeren Entwicklungsländern auftreten würden.
Straffrei ausgehende Diebe
Laut Statistiken von 1994 haben in Italien Personen, „die einen Einbruch verüben, eine 94prozentige Chance, ungeschoren davonzukommen“, und „diejenigen, die einen Raubüberfall begehen, haben eine 80prozentige Chance, der gerechten Strafe zu entgehen“, konnte man in der italienischen Zeitung La Repubblica lesen. Die Zahlen stammten aus Berichten, die die Justizbehörden von den Strafverfolgungsbehörden erhielten. Würden die vielen nicht gemeldeten Diebstähle noch dazugezählt, wäre der Prozentsatz an ungeahndeten Verbrechen sogar noch höher.
Familienstruktur in Italien verändert sich
Gemäß einer Umfrage, die italienische Familie betreffend, leben immer mehr Pärchen unverheiratet zusammen; außerdem würden sich immer mehr Ehepaare scheiden lassen oder getrennt leben, meldete La Repubblica. Jedes Jahr werden rund 18 000 Ehen geschlossen, bei denen zumindest einer der Ehepartner zuvor bereits verheiratet war. Diese neuen Verbindungen führen oft zu größeren Familien, zu denen auch Kinder aus einer vorherigen Ehe gehören. Durch diesen Trend sowie durch die Zunahme an Einelternfamilien verändert sich die Struktur der traditionellen italienischen Familie drastisch.