Galileis Teleskop — Nur ein Anfang
ALS Galileo Galilei sein neuerfundenes Teleskop zum Himmel richtete, tat sich ihm eine völlig neue Welt auf. Er konnte jetzt zehnmal mehr Sterne sehen als je einer zuvor. Die Milchstraße erschien ihm nicht mehr wie ein Nebelstreifen, sondern wie ein Kaleidoskop von zahllosen Sternen unterschiedlichster Größe. Die Mondoberfläche verwandelte sich vor seinen Augen von einer glänzenden Porzellanscheibe in ein Mosaik aus Bergen, Kratern und wasserlosen Meeren.
Ein paar Monate später entdeckte Galilei vier der Jupitermonde. Dann sah er die faszinierenden Ringe des Saturns. Als er sein Teleskop auf die Venus richtete, bemerkte er verschiedene Phasen — leichte Licht- und Formveränderungen. Diese Phasen waren nur zu erklären, sofern der Planet sich um die Sonne bewegte. Wenn aber e i n Planet um die Sonne kreiste, dann, so schlußfolgerte er, müßten das auch die anderen — die Erde eingeschlossen. Und er hatte recht. So stürzte 1609 die Erde von ihrem Sockel, auf den man sie als angeblichen Mittelpunkt des Universums gestellt hatte.
Doch langgehegte Vorstellungen wirft man nicht so leicht über Bord. Die katholische Kirche erklärte: „Die Ansicht, die Erde sei nicht das Zentrum des Alls und drehe sich sogar einmal im Tag um sich selbst, ist ... zum mindesten ein Irrglaube.“ Galilei wurde vor die Inquisition zitiert und verbrachte seine letzten Jahre unter Hausarrest. Religiöser Dogmatismus konnte jedoch nicht die Neugierde unterdrücken, die mit der Erfindung des Teleskops geweckt worden war. Die Geheimnisse des Universums zogen immer mehr Wissenschaftler in ihren Bann.
Fast vierhundert Jahre intensiver Forschung haben seitdem unser Wissen über das Universum drastisch vermehrt. Verschiedene Arten von Sternen wie Rote Riesen, Weiße Zwerge und Pulsare wurden identifiziert. In jüngster Zeit hat man Quasare — rätselhafte Objekte, die ungeheure Mengen von Energie abstrahlen — in den Tiefen des Weltraums aufgespürt. Und man ist der Ansicht, daß in vielen Galaxien geheimnisvolle Schwarze Löcher gleich kosmischen Strudeln von unvorstellbarer Gewalt unsichtbar lauern.
Starke optische Teleskope ermöglichen es, tief in den Weltraum zu spähen und dabei gewissermaßen Milliarden Jahre zurückzureisen bis an die Grenzen des sichtbaren Universums. Unmengen von Sternen und Galaxien sind entdeckt worden, einige so weit von uns entfernt, daß ihr Licht den Berechnungen zufolge mehr als 15 Milliarden Jahre bis zu uns gebraucht hat.a
Sterne sind zwar im allgemeinen nur schwache Radioquellen, aber andere Objekte im All wie Pulsare und Quasare wurden in erster Linie mit Radioteleskopen entdeckt. Wie der Name andeutet, spüren diese Teleskope Radio- statt Lichtwellen auf. Seit 1961 wurden Hunderte von Quasaren gefunden, viele davon in den weiten Tiefen des bekannten Universums.
Die Kartierung des Universums hat sich als größere Aufgabe erwiesen, als sich das Galilei wohl vorgestellt haben könnte. Erst in unserem Jahrhundert hat man langsam eine Vorstellung gewonnen von der ungeheuren Größe des Weltalls mit seinen Milliarden Galaxien und den überwältigenden Entfernungen zwischen ihnen.
Zur besseren Vorstellung der kosmischen Entfernungen zog der Physiker Robert Jastrow folgenden Vergleich: Stellen wir uns die Sonne auf die Größe einer Apfelsine verkleinert vor. Dann wäre die Erde nicht mehr als ein Sandkorn, das in 9 Meter Entfernung um diese Sonne kreiste. Der Jupiter würde in Kirschkerngröße einen Häuserblock entfernt seine Runden um die Apfelsine drehen, und Pluto wäre ein weiteres Sandkorn, zehn Häuserblocks von unserer „Apfelsinensonne“ entfernt. Bei gleichem Maßstab befände sich der nächste Nachbarstern der Sonne, der Alpha Centauri, 2 100 Kilometer weit weg, und die gesamte Milchstraße wäre ein loser Verbund von Apfelsinen, jede etwa 3 000 Kilometer von ihren Nachbarn entfernt, mit einem Gesamtdurchmesser von 30 Millionen Kilometern. Selbst bei stark verkleinertem Maßstab wachsen einem die Zahlen bald über den Kopf.
Nicht nur die Entfernungen sind erstaunlich. Beim Entschlüsseln der Geheimnisse des Universums sind die Wissenschaftler auf seltsame Phänomene gestoßen. Da hat man Neutronensterne entdeckt, die aus so dichter Materie bestehen, daß ein Teelöffel voll soviel wie 200 Millionen Elefanten wiegt. Es gibt winzige Sterne, Pulsare genannt, von denen einer etwa 600mal in der Sekunde blinkt. Und dann sind da natürlich noch die geheimnisvollen Schwarzen Löcher, über die die Wissenschaftler spekulieren. Die Löcher selbst können nicht gesehen werden, aber ihr unersättlicher Appetit auf Licht und Materie verrät vielleicht ihre geheimnisumwitterte Existenz.
Vieles bleibt allerdings immer noch ein Geheimnis, abgeschirmt durch unvorstellbare Entfernungen und Zeiträume. Was hat man jedoch bisher über das Universum herausgefunden? Wirft das, was man heute weiß, neues Licht darauf, wie und warum das Universum existiert?
[Fußnote]
a Um mit den riesigen Entfernungen zurechtzukommen, mußten neue Entfernungseinheiten wie das Lichtjahr geschaffen werden. Ein Lichtjahr ist die Entfernung, die das Licht in einem Jahr zurücklegt — über 9 Billionen Kilometer. Ein Auto, das konstant mit 100 km/h fährt, würde dafür fast 11 Millionen Jahre benötigen.
[Bild auf Seite 4]
Das Radioteleskop in Jodrell Bank, gebaut 1957 in England, war die erste voll steuerbare Einheit
[Bildnachweis]
Mit frdl. Gen.: Jodrell Bank Radio Telescope