Außereheliche Beziehungen — Warum nicht?
„DEIN ist mein ganzes Herz.“ Diese Worte einer bekannten Operettenmelodie bringen treffend die Gefühle zum Ausdruck, die Mann und Frau meist füreinander empfinden, wenn sie heiraten. Aber wie lange währt die Treue?
Außereheliche Beziehungen sind in der heutigen modernen Gesellschaft so alltäglich, daß es fast als unnormal betrachtet wird, keine zu haben. Einige entschuldigen Untreue, andere verteidigen sie, und wieder andere empfehlen sie sogar. Mancher behauptet, sie sei der Ehe förderlich. Der Psychologe Tony Lake und die Journalistin Ann Hills schreiben in ihrem Buch Affairs: The Anatomy of Extra-Marital Relationships (Analyse außerehelicher Beziehungen): „Es besteht kein Zweifel darüber, daß das Leben sehr vieler verheirateter Männer und Frauen durch heimliche sexuelle Beziehungen bereichert wird und an Bedeutung gewinnt.“
In populären Frauenzeitschriften wird offen gefragt: „Kann ein Liebesverhältnis Ihre Ehe retten?“ Als Antwort wird oft argumentiert, ein Verhältnis trage dazu bei, daß man den Ehepartner mehr schätze, oder man werde dadurch für ein unbefriedigendes Geschlechtsleben entschädigt. Einige behaupten, man werde dadurch erfahrener, man könne dann besser mit dem Ehepartner und den Kindern umgehen und sei daher glücklicher. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, es würde einem etwas entgehen, wenn man kein Verhältnis hätte. Stimmt das aber?
Ist ein Verhältnis der Ehe förderlich?
Kann es sein, daß diese Popularisierung außerehelicher Beziehungen mit der wachsenden Zahl der Ehescheidungen in unserer Zeit im Zusammenhang steht? In Schweden enden fast drei von fünf Ehen mit Scheidung. Und die Zahlen anderer Länder stehen dem kaum nach. (Siehe das Kästchen „Eheschließungs- und Scheidungsstatistiken von 1983“.)
In welchem Ausmaß gilt Ehebruch als Scheidungsgrund? Über die Zahlen von Großbritannien und Nordirland sagen T. Lake und A. Hills: „Über die Hälfte der geschiedenen Männer unter vierzig Jahren führten in ihrer Scheidungsklage Ehebruch als Grund an. Man kann mit Recht annehmen, daß es zwar in viel mehr Ehen zu Untreue gekommen ist, diese aber nicht als Hauptscheidungsgrund angegeben wurde. Gleichzeitig wäre es überraschend, wenn es jährlich nicht weit mehr Liebschaften unter Verheirateten gäbe als Ehescheidungen.“
Eine Studie in China, die unlängst an der Akademie der Sozialwissenschaften in Schanghai durchgeführt wurde, ergab, daß in diesem Land Untreue der Hauptscheidungsgrund ist. Die Zahl der Scheidungen aufgrund von Untreue hat sich, wie aus dem Bericht der Akademie hervorgeht, „in den vergangenen zwei Jahren verdreifacht“.
Zweifellos sind außereheliche Beziehungen einer der Hauptgründe für zerrüttete Ehen. Könnte ein Verhältnis folglich als Rettungsanker für eine gefährdete Ehe überhaupt in Frage kommen? Würde man ein Arzneimittel, das bei 30 bis 40 Prozent derer, die es einnehmen, zum Tode führt, je als Medikament empfehlen? Wohl kaum!
Einige meinen, es sei am besten, das Verhältnis vor dem Ehepartner geheimzuhalten. Aber wie? T. Lake und A. Hills erklären: „Liebesaffären sind meist von einem schützenden Lügengewebe umsponnen. Ob das Verhältnis geheim ist oder nicht, ob es beendet ist oder noch andauert, die Lügen sind gewöhnlich darauf angelegt, die Ehe oder zumindest gewisse Aspekte der ehelichen Beziehung zu ‚schützen‘. Viele dieser Lügen sind Halbwahrheiten, denn es wäre für den anderen zu schmerzlich, die ganze Wahrheit hinzunehmen, und sie könnte sich verheerend auf die Beziehung der Ehepartner auswirken.“
Wenn ein Mann und eine Frau heiraten, gehen sie eine Bindung ein. Eine Bindung zu lösen ist Betrug oder Treuebruch. Haben Lügen, Betrügereien und Halbwahrheiten einer Ehe je dauerhaftes Glück gebracht? Bevor man also erwägt, ein heimliches Verhältnis anzufangen, würde man gut daran tun, sich zu fragen: Werden alle Betroffenen dadurch glücklicher? Wie steht es mit Schuldgefühlen und der ständigen Angst, einmal ertappt zu werden?
Wieder andere argumentieren, die Ehe sei hauptsächlich da, um Kinder in die Welt zu setzen, und es sei nicht mehr so wichtig, fest zum Ehepartner zu halten, wenn die Kinder erwachsen und aus dem Haus seien. Sie meinen, man könne dann seinen zweiten Frühling erleben. Was ist in einem solchen Fall gegen ein Verhältnis einzuwenden?
Der „zweite Frühling“
Es gibt Psychologen und Familienberater, die Verheirateten mittleren Alters empfehlen, ein Verhältnis zu haben, um schlummernde Kraftreserven zu wecken. T. Lake und A. Hills behaupten: „Es ist gut möglich, daß ein Verhältnis in diesem Lebensabschnitt einer bereits stabilen Ehe noch mehr Festigkeit verleiht, weil einer der Partner dem Leben dadurch neue Seiten abgewinnen kann, ohne die Beziehung zum anderen im geringsten zu gefährden.“
Tatsächlich kann ein Verhältnis das sexuelle Verlangen anregen oder eine selbstsüchtige Laune vorübergehend befriedigen. „Die Vorstellung, einen Geliebten zu haben, erschien mir bezaubernd“, sagte eine Frau mittleren Alters. Aber was ist der Preis dafür?
Man beachte, wie es einem Mann mittleren Alters erging, als er ein Verhältnis mit seiner Sekretärin anfing, die seit 18 Jahren für ihn arbeitete. Seine Ehe, die 30 Jahre lang bestanden hatte, zerbrach; er begann zu trinken und verlor schließlich seinen Arbeitsplatz. Er klagt: „Ich tat es einfach nur, weil ich so stolz auf mich war. Das muß man sich vorstellen — ich in meinem Alter eroberte eine attraktive junge Frau! Ich glaube, hinter der Dummheit, zu der man sich hinreißen läßt, wenn einem die Chance geboten wird, steckt größtenteils das Bedürfnis zu prahlen, zu beweisen, was für ein toller Typ man ist. Das ist verhängnisvoll, weil dieser Stolz unbegründet ist.“
„Unbegründet“ — wahrhaftig! In der Bibel heißt es: „Stolz geht einem Sturz voraus und ein hochmütiger Geist dem Straucheln“ (Sprüche 16:18).
Ist Sex alles?
Einige suchen Sex außerhalb der Ehe, weil sie meinen, in der Ehe kämen sie zu kurz. Sie denken wahrscheinlich, ihr Glück hänge von einem sehr aktiven Geschlechtsleben ab. Ihrer Meinung nach ist die traditionelle lebenslange Bindung an einen Partner veraltet. Rita Liljeström, Lehrbeauftragte für Soziologie in Schweden, sagt: „In Schweden ist die Untreue sehr weit verbreitet. Der ehelichen Treue haftet etwas Lächerliches an. ‚Wir wollen modern sein.‘“
Interessanterweise sagt die Bibel viel über das Thema Sexualität, und sie vertritt eine ausgeglichene Ansicht auf diesem Gebiet. Man beachte zum Beispiel, was der weise König Salomo schrieb:
„Trinke Wasser aus deiner eigenen Zisterne und Rieselndes aus der Mitte deines eigenen Brunnens. Sollten deine Quellen nach draußen zerstreut werden, deine Wasserbäche auf die öffentlichen Plätze selbst? Möge es sich erweisen, daß sie für dich allein sind und nicht für Fremde mit dir. Möge sich dein Wasserquell als gesegnet erweisen, und freue dich mit der Ehefrau deiner Jugend, einer liebenswerten Hindin und einer anmutigen Gemse. Mögen ihre eigenen Brüste dich zu allen Zeiten berauschen. Durch ihre Liebe mögest du fortwährend im Taumel sein. Warum also solltest du, mein Sohn, mit einer Fremden im Taumel sein oder den Busen einer Ausländerin umarmen?“ (Sprüche 5:15-20).
In der Bibel werden somit der „Taumel“ und die Befriedigung, die geschlechtliche Beziehungen für Mann und Frau mit sich bringen, nicht geringgeschätzt. Aber es ist zu beachten, daß sie nur innerhalb der Ehe erlaubt sind, ‘mit dem Ehepartner der Jugend’.
Natürlich mag das geschlechtliche Verlangen von Mann und Frau verschieden sein. In vielen Bereichen des Lebens ist für eine glückliche Beziehung Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft zu teilen erforderlich. So ist es auch mit dem Geschlechtsverkehr. Kommunikation ist ein Muß. Beide müssen die Wünsche und Grenzen des Partners kennen. Der Apostel Paulus rät: „Der Mann leiste seiner Frau das, was ihr zusteht, doch gleicherweise auch die Frau ihrem Mann.“ Und dabei tun sie gut daran, den folgenden damit in Verbindung stehenden Grundsatz zu beachten: „Jeder suche fortwährend nicht seinen eigenen Vorteil, sondern den des anderen“ (1. Korinther 7:3; 10:24).
Wenn auch der Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe seine Berechtigung hat, so heißt das doch nicht, daß Sex alles ist oder daß dem geschlechtlichen Verlangen keine Grenzen gesetzt sind. Ein Beispiel: Alkohol in Maßen kann ‘das Herz des sterblichen Menschen erfreuen’, sagt die Bibel (Psalm 104:15). Aber das bedeutet mit Sicherheit nicht, daß man ein unmäßiges Verlangen nach Alkohol entwickeln sollte oder nicht aufpassen muß, wann, wo und wie man trinkt (Sprüche 20:1; 23:29-35).
Die Richtschnur für Selbstlosigkeit
Nein, Sex ist weder die einzige noch die beste Grundlage für eine glückliche Ehe. Die Art Liebe, die die Basis für bleibende Zufriedenheit ist, setzt sich aus Freundschaft, Zärtlichkeit, Rücksicht, Verständnis, Treue und Verantwortungsbewußtsein zusammen. Das ist echte Liebe in der Ehe. Sie bleibt bestehen und hilft dem Ehepaar auszuharren, wenn die Ehe schweren Belastungen ausgesetzt ist, wenn eine physische oder psychische Krankheit den Geschlechtsverkehr unmöglich macht oder wenn aufgrund des Alters Kraft und Schönheit schwinden.
Letzten Endes ist der beste Rat im Buch der Bücher, in der Bibel, zu finden, wo es heißt: „Sei deiner eigenen Frau treu, und schenke deine Liebe ihr allein“ (Sprüche 5:15, Today’s English Version). Der christliche Apostel Paulus schrieb: „Die Ehe sei ehrbar unter allen, und das Ehebett sei unbefleckt“ (Hebräer 13:4). Damit in Übereinstimmung sagte Jesus Christus zu einigen Fragestellern seiner Tage: „Habt ihr nicht gelesen, daß der, welcher sie schuf, sie von Anfang an männlich und weiblich gemacht hat und sprach: ‚Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird fest zu seiner Frau halten, und die zwei werden e i n Fleisch sein‘ ...?“ (Matthäus 19:4, 5; 1. Mose 2:24).
Eine stabile Ehe, die auf selbstlose Liebe und auf Treue gegründet ist, verbunden mit unerschütterlicher Liebe zu Gott und zu seinem Wort, ist die Basis für bleibendes Glück, und zwar für die Eheleute, ihre Kinder und alle anderen Betroffenen.
[Herausgestellter Text auf Seite 8]
Außereheliche Beziehungen sind in der heutigen modernen Gesellschaft so alltäglich, daß es fast als unnormal betrachtet wird, keine zu haben
[Kasten auf Seite 10]
Eheschließungs- und Scheidungsstatistiken von 1983
Eheschließungen Scheidungen Verhältnis
USA 2 444 000 1 179 000 Über die Hälfte
UdSSR 2 834 000 946 000 Ein Drittel
Australien 113 905 41 412a Über ein Drittel
Bundesrepublik
Deutschland 369 963 121 317 Ein Drittel
Kuba 76 365 29 249 Etwa 2 von 5
Niederlande 78 415 32 596 Etwa 2 von 5
Großbritannien 387 000 145 802b Etwa 2 von 5
Ungarn 75 978 29 000 Etwa 2 von 5
Dänemark 27 096 14 763 Über die Hälfte
Schweden 36 210 20 618 Fast 3 von 5
Die Zahlen stützen sich auf das Demographic Yearbook 1983. Die Zahlen von Schweden und Dänemark sind dem Yearbook of Nordic Statistics 1984 entnommen, die von der Bundesrepublik Deutschland dem Statistischen Jahrbuch 1985.
[Fußnoten]
a Die Zahl der Scheidungen von Australien bezieht sich auf 1981.
b Die Zahl der Scheidungen von Großbritannien bezieht sich auf 1982.
[Bild auf Seite 9]
Eine glückliche Beziehung zwischen Mann und Frau erfordert gute Kommunikation und die Bereitschaft, sich anzupassen