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Die Ureinwohner Amerikas — Das Ende einer ÄraErwachet! 1996 | 8. September
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Die Ureinwohner Amerikas — Das Ende einer Ära
WER hat nicht schon einen der klassischen Cowboy-und-Indianer-Filme gesehen? In der ganzen Welt hat man von Wyatt Earp, Buffalo Bill, Lone Ranger und von den Indianern Geronimo, Sitting Bull, Crazy Horse, Häuptling Joseph und zahlreichen anderen gehört. Doch wie wirklichkeitsgetreu waren die Darstellungen Hollywoods? Und wie unvoreingenommen war man in der Schilderung der Indianer tatsächlich?
Die Geschichte der Unterwerfung der nordamerikanischen Ureinwohner (Indianer) durch die Europäer wirft diverse Fragen auf.a Zeichnen die Geschichtsbücher ein faires Bild von den Indianern? Können wir aus ihrer Geschichte, die von Habgier, Unterdrückung, Rassismus und Grausamkeit geprägt ist, eine Lehre ziehen? Wie sieht der wahre Sachverhalt aus, was die sogenannten Cowboys und Indianer angeht?
Custers letzte Stellung und das Massaker am Wounded Knee
Im Jahr 1876 führte der Medizinmann Sitting Bull von den Lakota (einer der drei Hauptgruppen der Sioux) seine Krieger in die berühmte Schlacht am Little Bighorn River in Montana. Oberstleutnant „Langhaar“ Custer dachte, er könne die 1 000 Krieger der Sioux und der Cheyenne mit seinen 650 Soldaten mühelos besiegen. Aber er hatte sich gewaltig verrechnet. Er stand der wahrscheinlich größten Truppe indianischer Krieger aller Zeiten gegenüber — ungefähr 3 000 Mann.
Custer teilte sein 7. Kavallerieregiment in drei Gruppen auf. Ohne auf die Unterstützung der anderen beiden Gruppen zu warten, griff er mit seiner Gruppe an dem seiner Meinung nach wunden Punkt des indianischen Lagers an. Unter der Führung von Crazy Horse, Gall und Sitting Bull löschten die Indianer Custer und seine Einheit von rund 225 Soldaten aus. Es war ein vorübergehender Sieg für die indianischen Völker und eine bittere Niederlage für die US-Armee. 14 Jahre später kam es jedoch zu einer schrecklichen Revanche.
Nachdem man Sitting Bull eine Amnestie versprochen hatte, ergab er sich. Doch statt dessen wurde er eine Zeitlang in Fort Randall (Territorium Dakota) gefangengehalten. In vorgerücktem Alter trat er öffentlich in der Wildwestshow von Buffalo Bill auf. Der einst berühmte Häuptling und einflußreiche Medizinmann war nur noch ein Schatten seiner selbst.
Im Jahr 1890 wurde Sitting Bull (oder Tatanka Yotanka, wie sein Name in der Sprache der Lakota lautet) von indianischen Polizisten, die ihn festnehmen sollten, erschossen. Seine Mörder waren Leutnant Bull Head und Polizeisergeant Red Tomahawk; sie gehörten zu den Sioux und wurden wegen der Polizeiabzeichen, die sie trugen, „Metal Breasts“ (metallene Brust) genannt.
Noch im gleichen Jahr wurde der Widerstand der Indianer gegen die Herrschaft der Weißen schließlich durch das Massaker am Wounded Knee Creek in den Great Plains gebrochen. Dort wurden ungefähr 320 fliehende Sioux — Männer, Frauen und Kinder — von den Armeetruppen und ihren Hotchkiss-Maschinengewehren getötet. Die Soldaten verkündeten großspurig, dies sei ihre Rache für das Niedermetzeln ihrer Kameraden — Custer und seine Männer — am Kamm oberhalb des Little Bighorn River. Damit endete eine über 200 Jahre dauernde Ära, in der immer wieder Kriege und Gefechte zwischen den eindringenden amerikanischen Siedlern und den bedrängten ortsansässigen Stämmen aufgeflammt waren.
Doch wie sind die Ureinwohner Amerikas überhaupt nach Nordamerika gelangt? Welche Lebensgewohnheiten hatten sie, bevor der weiße Mann seinen Fuß auf ihr Land setzte?b Was führte letztendlich zu ihrer Niederlage und Unterwerfung? Und wie sieht die Lage der Indianer in einem Land, das nun von den Nachkommen der frühen europäischen Einwanderer regiert wird, heute aus? Diese und andere Fragen werden in den folgenden Artikeln behandelt.
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Woher kamen sie?Erwachet! 1996 | 8. September
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Woher kamen sie?
„WIE nannten wir uns, bevor Kolumbus kam? ... Übersetzt man den jeweiligen Begriff, mit dem sich jeder einzelne Stamm ohne Wissen der anderen Stämme bezeichnete und heute noch bezeichnet, sieht man, daß alle Begriffe im Grunde stets das gleiche bedeuten. In unserer Sprache [Narraganset] war es der Begriff Ninuog, das heißt die Leute [in Navajo als Diné bezeichnet] oder die menschlichen Wesen. So nannten wir uns. Als die [europäischen] Pilgerväter hier eintrafen, wußten wir zwar, wer wir waren, aber wir wußten nicht, wer sie waren. Deshalb nannten wir sie Awaunageesuck oder die Fremden, denn sie waren Fremdlinge, die wir nicht kannten, doch wir kannten uns. Und wir waren die menschlichen Wesen“ (Tall Oak, Narraganset).
Über den Ursprung der Ureinwohner Amerikasa gibt es zahlreiche Theorien. Joseph Smith, der Gründer der Mormonenkirche, war einer von etlichen Personen — wie auch der Quäker William Penn —, die glaubten, die Indianer seien Hebräer, Nachkommen der sogenannten zehn verlorenen Stämme Israels. Gemäß der heutzutage von den meisten Anthropologen akzeptierten Erklärung sind asiatische Stämme entweder über eine Landbrücke oder mit dem Schiff in die Gebiete gelangt, die heute Alaska, Kanada und die Vereinigten Staaten bilden. Das scheinen sogar Untersuchungen der DNS zu bestätigen.
Die Ureinwohner Amerikas — ihr Ursprung und ihre Glaubensansichten
Die beiden indianischen Autoren Tom Hill (Seneca) und Richard Hill senior (Tuscarora) schreiben in ihrem Buch Creation’s Journey—Native American Identity and Belief: „Die meisten indianischen Völker hegen den traditionellen Glauben, daß sie aus der Erde, dem Wasser oder den Sternen erschaffen wurden. Archäologen vertreten hingegen die Theorie, daß es eine große Landbrücke im Bereich der Beringstraße gab, über die Asiaten nach Amerika einwanderten; diese Asiaten, so lautet die Theorie, waren die Vorfahren der Urvölker der westlichen Hemisphäre.“ Manche Indianer stehen dieser Beringstraßentheorie des weißen Mannes jedoch eher skeptisch gegenüber. Sie glauben lieber an ihre Legenden und Erzählungen. In ihren Augen sind sie die Ureinwohner des Landes und nicht Einwanderer aus Asien, die auf Entdeckungsreise gingen.
Russell Freedman erklärt in seinem Buch An Indian Winter: „Gemäß dem Glauben der Mandan [ein Stamm am oberen Lauf des Missouri] war der erste Mensch ein mächtiger Geist, ein göttliches Wesen. Er war in grauer Vorzeit von dem Herrn des Lebens, dem Schöpfer aller Dinge, erschaffen worden, um als Mittler zwischen gewöhnlichen Menschen und den zahlreichen Göttern oder Geistwesen, die das Universum bewohnen, zu dienen.“ Die Mandan glaubten sogar an eine Flutsage. „Als einmal eine große Flut die Welt überschwemmte, rettete der erste Mensch die Menschen, indem er sie lehrte, einen schützenden Turm oder eine ‚Arche‘ zu bauen, die die Wasser der Flut weit überragen würde. Ihm zu Ehren gab es in jedem Dorf der Mandan eine Miniaturausgabe dieses mythischen Turms — ein ungefähr eineinhalb Meter hoher, mit Holzstäben umzäunter Zedernpfosten.“
Ein religiöses Symbol der Mandan war auch „ein hoher Stab, der mit Federn und Fell bedeckt war und auf dem oben ein scheußlicher hölzerner, schwarz bemalter Kopf angebracht war“. Wer wurde dadurch dargestellt? „Dieses Bildnis stellte Ochkih-Haddä dar, einen bösen Geist, der großen Einfluß auf die Menschen ausübte, aber nicht so mächtig war wie der Herr des Lebens oder der erste Mensch.“ Für die Prärie- und Plains-Indianer „war der Glaube an eine Geisterwelt ein unangefochtener Bestandteil des täglichen Lebens. ... Keine größere Entscheidung konnte getroffen, kein Projekt in Angriff genommen werden, ohne zuerst die Hilfe und die Zustimmung der heiligen Wesen zu erbitten, die menschliche Angelegenheiten regelten.“
In seinem Buch Die Mythologie der Indianer Nord-Amerikas erklärt John Bierhorst: „Ehe es die Clane gab, so wird berichtet, wanderten die Osage von Ort zu Ort, und es herrschte ein Zustand, der ‚Ganítha‘ genannt wird (ohne Gesetz und Ordnung). Eine Überlieferung besagt, daß in jenen frühen Tagen gewisse Denker, die die ‚Kleinen Alten Männer‘ hießen, ... die Theorie [entwickelten], daß eine schweigende schöpferische Kraft Himmel und Erde erfüllt, die Sterne erhält und Sonne und Mond auf die rechte Art ihren Weg gehen heißt. Sie nannten diese Kraft ‚Wakónda‘ (geheimnisvolle Kraft) oder ‚Eáwawonaka‘ (Verursacher unseres Seins).“ Eine ähnliche Vorstellung findet man bei den Zuni, den Sioux und den Lakota im Westen. Auch bei den Winnebago gibt es einen Schöpfungsmythos, der von dem „Erdenschöpfer“ spricht. Der Bericht sagt: „Er [wünschte] sich Licht, und es wurde Licht. ... Dann dachte er abermals nach und wünschte sich eine Erde, und die Erde ward geschaffen.“
Für einen Erforscher der Bibel ist es höchst interessant, zwischen den Glaubensansichten der Indianer und den Lehren der Bibel mancherlei Parallelen zu sehen; insbesondere die Bezeichnung „Verursacher unseres Seins“ für den „Großen Geist“ läßt einen unwillkürlich an die Bedeutung des göttlichen Namens Jehova denken: „Er veranlaßt zu werden“. Andere Parallelen findet man in Verbindung mit der Sintflut und dem bösen Geist, der in der Bibel Satan genannt wird (1. Mose 1:1-5; 6:17; Offenbarung 12:9).
Die Weltanschauung der Indianer verstehen
Nach Ansicht der beiden Indianer Tom und Richard Hill erhielten die Ureinwohner Amerikas von ihren Vorfahren fünf Gaben. „Die erste Gabe ... ist unsere tiefe Verbundenheit mit dem Land.“ Und wer wollte das leugnen angesichts ihrer Geschichte vor und nach der Ankunft der Europäer? Das von den Indianern oftmals als heilig betrachtete Land ist ihnen mit Gewalt, durch Betrug oder durch Vertragsbruch systematisch entrissen worden.
„Die zweite Gabe ist die Macht und der Geist, der den Tieren und unserem Volk gemein ist.“ Die Achtung der Indianer vor Tieren hat sich in vielerlei Hinsicht gezeigt. Sie jagten nur, wenn sie Nahrung, Kleidung und Obdach benötigten. Nicht die einheimischen Völker, sondern die Weißen haben den Büffel (Bison) aus Mordgier und kurzsichtiger Habgier praktisch ausgerottet.
„Die dritte Gabe sind die Geistermächte, unsere lebenden Verwandten, die mit uns durch die Bilder, die wir von ihnen machen, kommunizieren.“ Das ist eine allgemeine Lehre, die man in sehr vielen Religionen weltweit wiederfindet — die Lehre von einer Art Geist oder Seele, die nach dem Tod weiterlebt.b
„Die vierte Gabe ist unser Selbstverständnis, das sich in unseren Stammestraditionen ausdrückt und durch sie bewahrt wird.“ Das kann man heute ohne weiteres an den Stammeszeremonien der Indianer erkennen, wenn sie zusammenkommen, um Stammesangelegenheiten zu besprechen, oder sich zu ihren Powwows mit Zeremonialtänzen und Musik treffen. Die indianische Kleidung, das rhythmische Schlagen der Trommeln, die Tänze, das Wiedersehen mit der Sippe und dem Klan — all das zeugt von Stammestraditionen.
„Die letzte Gabe ist das schöpferische Wirken, die Sichtbarmachung unseres Glaubens durch die Umwandlung von natürlichen Materialien in Gegenstände, die unseren Glauben und unseren Stolz ausdrücken.“ Jede handwerkliche Tätigkeit, ob die Korbflechterei, Webarbeiten, die Töpferei, das Bemalen von Töpferwaren oder die Herstellung von Schmuck und Ziergegenständen, hängt mit ihrer uralten Tradition und Kultur zusammen.
Es gibt so viele Stämme, daß man zahlreiche Bücher schreiben müßte, wollte man all ihre traditionellen Glaubensansichten und Gewohnheiten schildern. Uns interessiert jetzt die Frage: Welche Auswirkung hatte der Zustrom von Millionen von Europäern, unter ihnen zahlreiche angebliche Christen, auf die Ureinwohner Amerikas?
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Wie ihre Welt verlorengingErwachet! 1996 | 8. September
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Wie ihre Welt verlorenging
VIELE Jahre lang wurde die Geschichte der Vereinigten Staaten mit den Worten zusammengefaßt: „Wie der Westen erobert wurde“. Die Filme Hollywoods zeigten weiße Siedler, die über die Prärien und Berge Amerikas zogen, Soldaten vom Typ John Wayne, Cowboys sowie Siedler, die gegen wilde, primitive, Tomahawks schwingende Indianer kämpften. Während der weiße Mann im allgemeinen nach Land und nach Gold suchte, gaben einige Prediger und Geistliche der Christenheit vor, verlorene Seelen retten zu wollen.
Wie stellt sich die Geschichte vom Standpunkt der Ureinwohner Amerikas dar? Nach Eintreffen der Europäer sahen sich die Indianer „mit der Einführung der räuberischsten Lebewesen konfrontiert, denen sie in ihrer Welt je begegnet waren — weiße europäische Eindringlinge“, heißt es in dem Buch The Native Americans—An Illustrated History.
Eintracht, die zu Zwietracht führte
Anfangs wurden viele der Europäer, die im Nordosten Amerikas eintrafen, von den Einheimischen freundlich aufgenommen und entgegenkommend behandelt. In einem Bericht kann man lesen: „Ohne die Hilfe der Powhatan hätte die britische Siedlung in Jamestown (Virginia), die erste britische Dauersiedlung in der Neuen Welt, ihren ersten schrecklichen Winter 1607/1608 nicht überstanden. Und genauso wäre wahrscheinlich die Kolonie der Pilgerväter in Plymouth (Massachusetts) ohne die Hilfe der Wampanoag untergegangen.“ Einige Indianer zeigten den Einwanderern, wie man den Boden urbar macht und Getreide anbaut. Und wie erfolgreich wäre die Expedition unter Lewis und Clark von 1804 bis 1806 gewesen, die das Ziel hatte, zwischen dem Territorium Louisiana und dem damaligen Oregon einen Verkehrsweg zu erschließen, wenn Sacajawea, eine Frau vom Stamm der Shoshone, nicht geholfen und eingegriffen hätte? Sie fungierte als „Friedensstifterin“, als die Expeditionsteilnehmer den Indianern Auge in Auge gegenüberstanden.
Bedingt durch die Art und Weise, wie die Europäer mit dem Land umgingen, und auf Grund der begrenzten Lebensmittelreserven führte die Masseneinwanderung nach Nordamerika zu Spannungen zwischen den Eindringlingen und den Ureinwohnern. Wie der kanadische Historiker Ian K. Steele erklärt, gab es im 17. Jahrhundert in Massachusetts über 30 000 Narraganset. Miantonomo, ihr Häuptling, „der Gefahr im Verzug sah, ... war bestrebt, sein Bündnis mit den Mohawk auszubauen, um eine gemeinsame indianische Widerstandsbewegung ins Dasein zu rufen“. Er soll 1642 zu den Montauk gesagt haben: „Wir [müssen] eine Einheit bilden, so wie sie [die Engländer] eine Einheit bilden, sonst werden wir alle in kurzem untergehen, denn ihr wißt, daß unsere Väter viele Hirsche und viele Felle hatten, in unseren Prärien und auch in unseren Wäldern wimmelte es nur so von Hirschen und ... [Truthähnen], und unsere Buchten waren voll von Fischen und Vögeln. Aber diese Engländer, die sich unser Land genommen haben, schnitten mit ihren Sicheln das Gras ab, fällten mit ihren Äxten die Bäume; ihre Kühe und Pferde fressen das Gras, und ihre Schweine ruinieren unsere Muschelbänke; wir werden alle verhungern“ (Warpaths—Invasions of North America).
Miantonomos Bemühungen, eine vereinte indianische Front zu bilden, scheiterten. 1643 wurde er im Verlauf eines Stammeskrieges von Uncas, dem Häuptling der Mohikaner, gefangengenommen und den Engländern als Aufständischer ausgeliefert. Die Engländer konnten Miantonomo nicht rechtmäßig verurteilen und hinrichten. So dachten sie sich eine praktische Lösung aus. Steele schreibt in seinem Buch weiter: „Da sie ... [Miantonomo], der sich außerhalb der Gerichtsbarkeit aller Kolonien befand, nicht hinrichten konnten, ließen die Beauftragten ihn durch Uncas hinrichten, und zwar in Gegenwart englischer Zeugen, die dann bestätigen konnten, daß die Hinrichtung auch wirklich vollstreckt worden war.“
Das veranschaulicht nicht nur die ständigen Konflikte zwischen den eindringenden Siedlern und den Ureinwohnern, sondern auch die zwischen den Stämmen herrschende Rivalität und die Bereitschaft zum Verrat — interne Probleme, die schon existierten, bevor der weiße Mann Nordamerika betrat. Manche Stämme schlugen sich auf die Seite der Briten, die im Kampf um die Kolonialherrschaft in Nordamerika gegen die Franzosen Krieg führten, andere Stämme unterstützten die Franzosen. Gleichgültig, welche Seite verlor, die beteiligten Stämme standen immer auf der Verliererseite und mußten dafür einen hohen Preis zahlen.
Eine „Kluft der Mißverständnisse“
Eine Stellungnahme zur europäischen Invasion lautet: „Was die Führer der indianischen Völker nicht verstanden oder oftmals erst, wenn es zu spät war, war die Ansicht der Europäer über die Indianer. Sie waren weder Weiße noch Christen. In den Augen vieler waren sie Wilde — unzivilisiert und primitiv —, eine gefährliche und gefühllose Ware für den Sklavenmarkt.“ Diese überhebliche Haltung hatte für die Stämme katastrophale Auswirkungen.
Die europäische Denkweise war den Indianern unverständlich. Philmer Bluehouse, ein Berater, der zum Stamm der Navajo gehört, sprach kürzlich in einem von Erwachet! geführten Interview von einer „Kluft der Mißverständnisse“. Die Ureinwohner waren nicht der Ansicht, ihre Zivilisation sei minderwertig, sondern einfach nur anders, mit völlig unterschiedlichen Werten. Zum Beispiel war den Indianern der Gedanke, Land zu verkaufen, ganz und gar fremd. Konnte man etwa die Luft, den Wind, das Wasser besitzen und verkaufen? Wieso dann das Land? Es war für alle da. Aus diesem Grund zäunten die Indianer ihr Land bekannterweise nicht ein.
Mit Eintreffen der Briten, der Spanier und der Franzosen kam es zu einem „katastrophalen Aufeinandertreffen zweier entgegengesetzter Kulturen“, wie man in einem Werk lesen kann. Die Indianer hatten im Lauf von Hunderten von Jahren gelernt, mit dem Land und der Natur in Einklang zu leben, und sie wußten, wie sie überleben konnten, ohne das ökologische Gleichgewicht durcheinanderzubringen. Doch die Weißen betrachteten die Ureinwohner bald als niedere Wesen und als Wilde — wobei sie bequemerweise ihre eigene Unzivilisiertheit bei der Unterwerfung der Indianer vergaßen. 1831 faßte der französische Historiker Alexis de Tocqueville die vorherrschende Ansicht der Weißen über die Indianer mit den Worten zusammen: „Der Himmel hat sie nicht dazu gemacht, zivilisiert zu werden; daher ist es erforderlich, daß sie sterben.“
Der schlimmste Mörder
Je mehr neue Siedler westwärts durch Nordamerika zogen, desto häufiger kam es zu Gewaltreaktionen. Ganz gleich, welche Seite zuerst angriff — ob die Indianer oder die europäischen Eindringlinge —, beide Seiten verübten schreckliche Grausamkeiten. Die Indianer waren dafür berüchtigt, andere zu skalpieren, eine Praktik, die sie gemäß dem Dafürhalten einiger von Europäern gelernt hatten, die für Skalpe Prämien aussetzten. Die Indianer hatten jedoch keine Chance gegen den sowohl zahlenmäßig als auch waffenmäßig überlegenen Gegner. Zumeist mußten die Stämme ihr angestammtes Land aufgeben, oder sie wurden umgebracht. Oftmals geschah beides zugleich — sie verließen ihr Land und wurden dann getötet oder starben an Krankheit und Hunger.
Die meisten Opfer hatten die indianischen Stämme jedoch nicht auf den Schlachtfeldern zu beklagen. Ian K. Steele schreibt: „Die mächtigste Waffe der Eindringlinge in Nordamerika war nicht die Schußwaffe, das Pferd, die Bibel oder die europäische ‚Zivilisation‘, sondern die Seuche.“ Über die Folgen der aus der Alten Welt nach Amerika eingeschleppten Krankheiten schreibt Patrica Nelson Limerick, Professorin für Geschichte: „Als ebendiese Krankheiten [gegen die die Europäer im Lauf der Jahrhunderte Abwehrstoffe aufbauen konnten] — Windpocken, Masern, Grippe, Malaria, Gelbfieber, Typhus, Tuberkulose und vor allem Pocken — in die Neue Welt getragen wurden, konnten sie sich nahezu ungehindert ausbreiten. In einem Dorf nach dem anderen schnellte die Sterblichkeitsrate auf 80 oder 90 Prozent hoch.“
Russell Freedman beschreibt eine Pockenepidemie im Jahr 1837 wie folgt: „Die Mandan traf es als erste, dann griff die Epidemie in schneller Folge bei den Hidatsa, den Assiniboin, den Arikara, den Sioux und den Blackfoot um sich.“ Die Mandan wurden fast vollständig ausgerottet. Von 1 600 Stammesmitgliedern im Jahr 1834 schrumpfte die Zahl auf 130 im Jahr 1837.
Was wurde aus den Verträgen?
Noch heute können Stammesälteste die Daten der Verträge nennen, die ihre Vorväter und die US-Regierung im 19. Jahrhundert unterzeichneten. Doch was wurde durch diese Verträge erreicht? Gewöhnlich kam es zu einem unvorteilhaften Tausch: gutes Land gegen ein unfruchtbares Reservat und staatliche Unterstützung.
Ein Beispiel für die Verachtung, die man den Indianerstämmen entgegenbrachte, ist die Behandlung der Irokesen (von Ost nach West: Mohawk, Oneida, Onondaga, Cayuga und Seneca) in der Zeit nach der Niederlage der Briten durch die amerikanischen Kolonisten im Unabhängigkeitskrieg, der 1783 endete. Die Irokesen hatten sich auf die Seite der Briten gestellt; vergolten wurde es ihnen gemäß Alvin Josephy junior jedoch nur mit Beleidigungen und damit, daß man sie fallenließ. Die Briten „scherten sich nicht ... [um die Irokesen] und traten die Hoheitsgewalt über ihre Gebiete an die Vereinigten Staaten ab“. Weiter sagt Josephy, daß sogar die Irokesen, die die Kolonisten gegen die Briten unterstützt hatten, „von habgierigen Grundstücksfirmen und Spekulanten und von der amerikanischen Regierung selbst betrogen wurden“.
Im Rahmen einer Vertragsverhandlung im Jahr 1784 rief James Duane, früherer Abgeordneter des zum Kontinentalkongreß gehörenden Komitees für Indianerangelegenheiten, Regierungsbehörden dazu auf, „den letzten Rest an Selbstvertrauen, der den Irokesen noch geblieben ist, zu untergraben, indem man sie bewußt als Unterlegene behandelt“.
Seine überheblichen Empfehlungen wurden befolgt. Einige Irokesen wurden als Geiseln genommen, und die „Verhandlungen“ wurden mit Waffengewalt geführt. Obgleich sich die Irokesen nicht als Verlierer des Krieges sahen, mußten sie ihr gesamtes Land westlich von New York und Pennsylvanien aufgeben und sich mit einer weit kleineren Reservation im Staat New York begnügen.
Ähnliche Taktiken wandte man bei den meisten Indianerstämmen an. Wie Josephy außerdem bemerkt, versuchten amerikanische Vertreter, „sich durch Bestechung, Drohungen, Alkohol und durch die Manipulation unbefugter Personen von den Delaware, Wyandot, Ottawa, Chippewa [oder Ojibwa], Shawnee und anderen Indianervölkern in Ohio Land anzueignen“. Daher ist es nicht verwunderlich, daß die Indianer den Weißen und ihren leeren Versprechungen bald mißtrauten.
Der „lange Marsch“ und der Weg der Tränen
Mit Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861—1865) wurden Soldaten aus dem Land der Navajo im Südwesten abgezogen. Die Navajo nutzten diese Atempause und griffen amerikanische und mexikanische Siedlungen im Tal des Rio Grande im Territorium New Mexico an. Die Regierung entsandte Colonel Kit Carson und dessen Soldaten — die New Mexico Volunteers —, um die Navajo zurückzudrängen und sie nach Bosque Redondo, einer Reservation in einer öden Gegend, zu deportieren. Carson verfolgte eine Politik der verbrannten Erde, durch die er die Navajo aushungern und aus dem gewaltigen und eindrucksvollen Canyon de Chelly im Nordosten Arizonas vertreiben wollte. Er vernichtete sogar über 5 000 Pfirsichbäume.
Carson versammelte rund 8 000 Navajo und zwang sie zu dem „langen Marsch“, einem Marsch von etwa 480 Kilometern in das Deportationslager Bosque Redondo (Fort Sumner, New Mexico). Ein Bericht sagt: „Es war bitterkalt, und viele der dürftig bekleideten, unterernährten Gefangenen starben unterwegs.“ Die Bedingungen in der Reservation waren furchtbar. Die Navajo mußten sich Erdlöcher graben, um einen Unterschlupf zu haben. Im Jahr 1868 sah die Regierung ihren groben Fehler ein und gestand den Navajo 14 000 Quadratkilometer ihres angestammten Heimatlandes in Arizona und New Mexico zu. Sie kehrten heim, doch was für einen Preis sie bezahlen mußten!
Von 1820 bis 1845 wurden Zehntausende, die zu den Stämmen der Choctaw, der Cherokee, der Chickasaw, der Creek und der Seminolen gehörten, aus ihren Gebieten im Südosten vertrieben und gezwungen, Hunderte von Kilometern in Richtung Westen zu marschieren, über den Mississippi hinweg in das heutige Oklahoma. Wegen des rauhen Winters starben viele. Die Zwangsverschleppung Richtung Westen wurde als der Weg der Tränen bekannt.
Die Ungerechtigkeiten, die gegen die amerikanischen Ureinwohner begangen wurden, werden von den Worten des amerikanischen Generals George Crook unterstrichen, der die Sioux und die Cheyenne im Norden gejagt hatte. Er sagte: „Die Indianer [finden] nur selten Gehör ... Wenn es dann zu [indianischen] Übergriffen kommt, richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Indianer, und allein ihre Verbrechen und Grausamkeiten werden verurteilt, während die Personen, deren Ungerechtigkeit sie zu diesem Verhalten getrieben hat, ungestraft davonkommen ... Niemand weiß dies besser als der Indianer; deshalb ist es begreiflich, wenn er eine Regierung für ungerecht hält, die nur ihn bestraft und zugleich ... [dem] Weißen erlaubt, ihn zu berauben, wie es ihm beliebt“ (Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses).
Wie ergeht es den Indianern heute, nachdem sie über 100 Jahre von Europäern beherrscht worden sind? Stehen sie in der Gefahr, infolge von Assimilation zu verschwinden? Welche Zukunftsperspektiven haben sie? Diese und andere Fragen werden im nächsten Artikel behandelt.
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Was wird ihnen die Zukunft bringen?Erwachet! 1996 | 8. September
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Was wird ihnen die Zukunft bringen?
IN EINEM Interview mit Erwachet! sprach Lawrence Hart, Friedenshäuptling der Cheyenne, von einer Schwierigkeit, der sich die Indianer gegenübersehen: „Wir sind mit den Kräften der Akkulturation und Assimilation konfrontiert. Zum Beispiel geht uns unsere Sprache verloren. Früher steuerte die Regierung das bewußt so. Man unternahm große Anstrengungen, um uns durch Schulbildung zu ‚zivilisieren‘. Wir wurden in Internate geschickt, und uns wurde verboten, unsere Muttersprache zu sprechen.“ Sandra Kinlacheeny erinnert sich: „Wenn ich im Internat Navajo sprach, wusch mir der Lehrer den Mund mit Seife aus!“
Häuptling Hart erklärte weiter: „Ermutigend ist allerdings in letzter Zeit, daß sich verschiedene Stämme wieder zurückbesinnen. Ihnen wird bewußt, daß ihre Sprachen aussterben, wenn sie sich nicht bemühen, sie zu erhalten.“
Nur noch zehn Menschen sprechen Karok, die Sprache eines Stammes der Kalifornischen Indianer. Im Januar 1996 starb Red Thunder Cloud (Carlos Westez) im Alter von 76 Jahren; er war der letzte Indianer, der die Sprache der Catawba sprach. Viele Jahre lang hatte er niemand, mit dem er sich in seiner Sprache unterhalten konnte.
In den Königreichssälen der Zeugen Jehovas in den Navajo- und Hopi-Reservationen in Arizona spricht nahezu jeder Navajo oder Hopi und Englisch. Selbst Zeugen, die keine Indianer sind, lernen Navajo. Die Zeugen müssen Navajo sprechen, damit sie ihr biblisches Bildungswerk durchführen können, denn viele Navajo beherrschen lediglich ihre Muttersprache. Hopi und Navajo sind nach wie vor lebende Sprachen, und die jungen Leute werden dazu angehalten, diese Sprachen in der Schule zu gebrauchen.
Schulbildung für Indianer
In den Vereinigten Staaten gibt es 29 indianische Colleges mit 16 000 Studenten. Das erste College wurde 1968 in Arizona eröffnet. „Das ist eine der herrlichsten Umwälzungen für die indianische Bevölkerung: das Recht auf Bildung nach unseren Vorstellungen“, sagte Dr. David Gipp vom Indianischen Komitee für höhere Bildung. An der Sinte-Gleska-Universität ist die Sprache der Lakota Pflichtfach.
Gemäß Ron McNeil (Hunkpapa-Lakota), Präsident des Indianischen College-Fonds, bewegen sich die Arbeitslosenzahlen bei den Indianern zwischen 50 und 85 Prozent, außerdem haben sie im Vergleich zu jeder anderen Gruppe in den Vereinigten Staaten die niedrigste Lebenserwartung und die höchste Rate an Diabetikern, Tuberkulosekranken und Alkoholikern. Eine bessere Schulbildung ist nur eine der Maßnahmen, die sich unter Umständen als hilfreich erweisen.
Das Land ist heilig
Für viele Indianer ist das ihnen angestammte Land heilig. So sagte White Thunder zu einem Senator: „Dieses unser Land ist uns das Teuerste auf Erden.“ Wenn Verträge abgeschlossen und Vereinbarungen getroffen wurden, gingen die Indianer oft davon aus, daß es den Weißen dabei um die Nutzung des Landes ging, aber nicht gleich darum, es zu besitzen oder ihr eigen zu nennen. Die Siouxstämme verloren in den 1870er Jahren in den Black Hills von Dakota wertvolles Land, als Goldsucher herbeiströmten. 1980 wies der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die US-Regierung an, acht Siouxstämmen eine Entschädigung von ungefähr 105 Millionen Dollar zu zahlen. Bis heute haben sich die Stämme geweigert, das Geld anzunehmen — sie wollen, daß man ihnen ihr heiliges Land, die Black Hills von Süddakota, wieder zurückgibt.
Viele Siouxindianer sind nicht gerade erfreut darüber, daß in den Mount Rushmore, der zu den Black Hills gehört, die Köpfe von weißen Präsidenten gehauen wurden. Gegenwärtig meißeln Bildhauer in einen nahe gelegenen Berg eine noch größere Skulptur ein — die Skulptur von Crazy Horse, dem führenden Kriegsmann der Oglala-Sioux. Das Gesicht wird voraussichtlich im Juni 1998 fertiggestellt sein.
Heutige Herausforderungen
Um in der modernen Welt überleben zu können, mußten sich die Indianer in vielerlei Hinsicht anpassen. Heute verfügen viele über eine gute Ausbildung und sind im College gewesen, so daß sie sich Fertigkeiten angeeignet haben, die sie in ihrem kulturellen Umfeld gut einsetzen können. Ein Beispiel hierfür ist Burton McKerchie, ein freundlicher Chippewa aus Michigan. Er hat Dokumentarfilme für den öffentlichen Rundfunkdienst gedreht und arbeitet jetzt an einer Sekundarschule in der Hopi-Reservation in Arizona, wo er den Videounterricht der Colleges im gesamten Bundesstaat koordiniert. Ein weiteres Beispiel ist Ray Halbritter, ein Stammesältester der Oneida, der die Harvarduniversität besucht hat.
Arlene Young Hatfield schrieb in einem Artikel der Navajo Times, daß die jungen Navajo heute nicht die Erfahrungen machen oder die Opfer bringen müssen wie ihre Eltern oder Großeltern damals, als sie jung waren. Sie erklärte: „Auf Grund des [modernen] Komforts haben sie noch nie Holz gesammelt oder gehackt, noch nie Wasser geschöpft oder wie ihre Vorfahren Schafe gehütet. Sie tragen nicht zum Lebensunterhalt der Familie bei wie die Kinder vor langer Zeit.“ Abschließend bemerkte sie: „Es ist unmöglich, den vielen sozialen Problemen, die unsere Kinder unweigerlich beeinflussen werden, zu entfliehen. Wir können unsere Familien oder die Reservation nicht von der übrigen Welt abschotten, noch können wir zu dem Leben zurückkehren, das unsere Vorväter geführt haben.“
Genau darin liegt die Herausforderung für die Indianer — einen Weg zu finden, wie sie an ihren einzigartigen Stammestraditionen und Werten festhalten und sich gleichzeitig an die sich rasant verändernde Welt um sie herum anpassen können.
Kampf gegen Drogen und Alkohol
Bis heute prägt der Alkoholismus die indianische Gesellschaft. Dr. Lorraine Lorch, die bei den Hopi und den Navajo 12 Jahre lang als Kinderärztin und allgemeine Ärztin arbeitete, sagte in einem Interview gegenüber Erwachet!: „Alkoholismus ist sowohl für Männer als auch für Frauen ein schwerwiegendes Problem. Ein an sich gesunder Körper wird das Opfer von Zirrhosen, Unfällen, Selbstmord oder Totschlag. Es ist traurig, mitanzusehen, wie der Alkohol vor den Kindern, vor dem Ehepartner und sogar vor Gott den Vorzug erhält. Lachen verwandelt sich in Tränen, Liebenswürdigkeit in Gewalt.“ Sie erklärte weiter: „Selbst einige Zeremonien, die bei den Navajo und den Hopi einst als heilig galten, werden jetzt mitunter durch Trunkenheit und Ausschweifung entweiht. Der Alkohol beraubt diese schönen Menschen ihrer Gesundheit, ihrer Intelligenz, ihrer Kreativität und ihrer wahren Persönlichkeit.“
Philmer Bluehouse, Friedensunterhändler des Justizministeriums der Navajo in Window Rock (Arizona), verwendet für den Drogen- und Alkoholmißbrauch den beschönigenden Ausdruck „Selbstmedikation“. Drogen und Alkohol sollen dabei helfen, die Sorgen zu vertreiben und der rauhen Wirklichkeit des Lebens zu entfliehen, eines Lebens ohne Arbeit und oftmals ohne Sinn.
Viele Indianer haben jedoch den „Dämon“ Alkohol, der von den Weißen eingeführt wurde, erfolgreich bekämpft und alles darangesetzt, ihre Drogenabhängigkeit zu überwinden. Clyde und Henrietta Abrahamson von der Indianerreservation in Spokane (Washington) sind ein Beispiel dafür. Clyde ist ein kräftig gebauter Mann mit dunklem Haar und dunklen Augen. Er erklärte gegenüber Erwachet!:
„Die meiste Zeit unserer Kindheit verbrachten wir in der Reservation, und dann zogen wir in die Stadt Spokane, um dort auf das College zu gehen. Wir mochten unseren Lebensstil, zu dem Alkohol und Drogen gehörten, nicht besonders. Aber wir kannten nichts anderes. Allmählich entwickelten wir einen Haß auf den Alkohol und die Drogen, denn wir sahen, welche Probleme sie in der Familie verursachten.
Dann kamen wir mit Jehovas Zeugen in Berührung. Vor unserem Umzug in die Stadt hatten wir nie von ihnen gehört. Wir machten nur langsam Fortschritte. Vielleicht deshalb, weil wir Menschen, die wir nicht kannten, insbesondere Weißen, nicht unbedingt trauten. Ungefähr drei Jahre lang waren wir mit unserem Bibelstudium recht nachlässig. Am schwersten war es für mich, nicht mehr Marihuana zu rauchen. Seit ich 14 war, hatte ich Marihuana geraucht, und als ich damit aufhören wollte, war ich 25. Als junger Erwachsener war ich somit die meiste Zeit high gewesen. 1986 las ich in der Erwachet!-Ausgabe vom 22. Januar den Artikel ‚Alle rauchen Pot — Warum ich nicht?‘ Er führte mir vor Augen, wie dumm es ist, Pot zu rauchen; besonders klar wurde mir das, als ich Sprüche 1:22 las, wo es heißt: ‚Wie lange, ihr Unerfahrenen, werdet ihr weiterhin Unerfahrenheit lieben, und wie lange wollt ihr Spötter offenen Spott für euch begehren, und wie lange werdet ihr Unvernünftigen weiterhin Erkenntnis hassen?‘
Ich hörte auf, Marihuana zu rauchen, und im Frühjahr 1986 heirateten Henrietta und ich. Wir ließen uns im November 1986 taufen. 1993 wurde ich in der Versammlung zum Ältesten ernannt. Unsere beiden Töchter ließen sich 1994 taufen.“
Sind Spielkasinos und Glücksspiel die Lösung?
Im Jahr 1984 gab es in den Vereinigten Staaten keine einzige Einrichtung für Glücksspiele, die von Indianern geführt wurde. Gemäß der Washington Post betreiben gegenwärtig jedoch 200 Stämme in 24 Staaten 220 Glücksspieleinrichtungen. Die große Ausnahme bilden die Navajo und die Hopi, die der Versuchung bislang widerstanden. Sind Spielkasinos und Bingohallen aber der Weg zum Wohlstand und zu größeren Arbeitsmöglichkeiten für die Indianer in den Reservationen? Philmer Bluehouse sagte gegenüber Erwachet!: „Glücksspiel ist ein zweischneidiges Schwert. Die Frage ist: ‚Wird es mehr Menschen nützen oder mehr Menschen schaden?‘“ In einem Bericht hieß es, daß die Indianer durch ihre Spielkasinos landesweit 140 000 Arbeitsplätze geschaffen haben, doch nur 15 Prozent dieser Arbeitsplätze sind von Indianern besetzt.
Häuptling Hart von den Cheyenne erklärte gegenüber Erwachet!, wie er über die Auswirkungen von Spielkasinos und Glücksspiel auf die Indianerreservationen denkt. Er sagte: „Ich habe zwiespältige Gefühle. Das einzig Gute daran ist, daß es den Stämmen Arbeitsplätze und Einkünfte bringt. Andererseits habe ich beobachtet, daß viele Kunden unsere eigenen Leute sind. Einige meiner Bekannten sind bingosüchtig und gehen schon zum Bingospiel, bevor ihre Kinder von der Schule nach Hause kommen. In der Zeit, bis die Eltern vom Bingospiel zurückkehren, sind die Kinder Schlüsselkinder.
Das größte Problem ist, daß die Familien denken, sie würden gewinnen und dadurch ihr Einkommen aufbessern. Im allgemeinen ist das nicht der Fall; sie verlieren. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie manche das Geld verbraucht haben, das sie eigentlich für Lebensmittel oder für die Kleidung ihrer Kinder beiseite gelegt hatten.“
Wie sind die Zukunftsaussichten?
Laut Tom Bahti gibt es zwei populäre Auffassungen, wenn es um die Zukunft der Südwest-Indianer geht. „Die einen sagen geradewegs voraus, daß die indianische Kultur in kurzem in der Hauptströmung der amerikanischen Kultur aufgehen wird. Die anderen äußern sich etwas vager ... Sie deuten einen Akkulturationsprozeß an und empfehlen eine wohlüberlegte Verschmelzung ‚des Besten der alten Kultur mit dem Besten der neuen Kultur‘, eine Art goldenen kulturellen Sonnenuntergang, in dem die Indianer ihr eigenwilliges Kunsthandwerk, ihre vielfältigen Ausdrucksformen des Glaubens und ihre weisen Philosophien weiter pflegen dürfen — aber in ihrem Verhältnis zu uns (der überlegenen Kultur [des weißen Mannes]) dennoch so vernünftig sind, unsere Sichtweise zu übernehmen.“
Dann wirft Bahti eine Frage auf. „Eine Veränderung ist unabdingbar, aber wer wird sich verändern, und zu welchem Zweck? ... Wir [die Weißen] haben die beunruhigende Angewohnheit, alle anderen Völker als unterentwickelte Amerikaner zu betrachten. Wir gehen davon aus, daß sie mit ihrer Lebensweise einfach unzufrieden sein müssen und darauf erpicht sind, so zu leben und zu denken wie wir.“
Weiter meint er: „Eins ist sicher: Die Geschichte der Indianer ist noch nicht zu Ende geschrieben, doch wie oder ob sie enden wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, unsere restlichen indianischen Kulturen allmählich als wertvolle kulturelle Bereicherung zu sehen anstatt einfach als ein verworrenes Problem der Gesellschaft.“
Das Leben in einer harmonischen und gerechten neuen Welt
Vom biblischen Standpunkt aus gesehen, wissen Jehovas Zeugen, wie die Zukunft sowohl für Indianer als auch für Menschen aller anderen Nationen, Stämme und Sprachen aussehen kann. Jehova Gott hat verheißen, „neue Himmel und eine neue Erde“ zu schaffen (Jesaja 65:17; 2. Petrus 3:13; Offenbarung 21:1, 3, 4).
Mit dieser Verheißung ist nicht die Erschaffung eines neuen Planeten gemeint. Die Indianer wissen nur zu gut, daß die Erde, wenn man sie achtet und richtig behandelt, ein Juwel ist. Vielmehr spricht die biblische Prophezeiung von einer neuen, himmlischen Herrschaft, die die ausbeuterischen Regierungen der Menschen ersetzen wird. Die Erde wird in ein Paradies umgewandelt werden, in dem die Wälder, die Prärien, die Flüsse und die Tier- und Pflanzenwelt wiederhergestellt sein werden. Das Land wird von jedermann in selbstloser Weise verwaltet werden. Ausbeutung und Habgier werden der Vergangenheit angehören. Gute Nahrung wird in Hülle und Fülle vorhanden sein, auch wird es viele lohnende Aufgaben geben.
Und durch die Auferstehung der Toten werden alle Ungerechtigkeiten der Vergangenheit wiedergutgemacht. Ja, sogar die Anasazi (Navajo für „die Alten“), die Vorfahren vieler in Arizona und in New Mexico wohnenden Puebloindianer, werden wiederkommen und die Gelegenheit erhalten, auf der wiederhergestellten Erde ewig zu leben. Auch die berühmten indianischen Anführer — Geronimo, Sitting Bull, Crazy Horse, Tecumseh, Manuelito, Häuptling Joseph und Häuptling Seattle — sowie viele andere werden in dieser verheißenen Auferstehung wahrscheinlich wieder zum Leben kommen (Johannes 5:28, 29; Apostelgeschichte 24:15). Was für herrliche Aussichten Gottes Verheißungen ihnen und allen, die ihm jetzt dienen, doch bieten!
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