Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • g98 22. 9. S. 21-24
  • Ostafrikas „Wahnsinnsexpress“

Kein Video für diese Auswahl verfügbar.

Beim Laden des Videos ist ein Fehler aufgetreten.

  • Ostafrikas „Wahnsinnsexpress“
  • Erwachet! 1998
  • Zwischentitel
  • Ähnliches Material
  • Erste Probleme
  • Über die Taru-Ebene
  • Schrecken durch Löwen
  • Andere Schwierigkeiten
  • Die letzte Runde
  • Die Eisenbahn heute
  • Ein „Band aus Stahl“: Von Meer zu Meer
    Erwachet! 2010
  • Die indische Eisenbahn — Ein Riese erstreckt sich über ein ganzes Land
    Erwachet! 2002
  • „Tansam“ — Eine Wohltat für die Wirtschaft Afrikas
    Erwachet! 1977
  • Ein Zug mit „Zähnen“
    Erwachet! 1994
Hier mehr
Erwachet! 1998
g98 22. 9. S. 21-24

Ostafrikas „Wahnsinnsexpress“

VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN KENIA

VOR etwa hundert Jahren stießen die Pläne Großbritanniens, eine Eisenbahnstrecke durch Ostafrika zu bauen, im Londoner Parlament nicht nur auf Zustimmung. Ein Gegner schrieb höhnend:

„Was sie einst kostet, wagt niemand zu fragen.

Welches ihr Sinn ist, kann kein Mensch verstehen.

Wo sie beginnen wird, kann niemand sagen.

Und wohin sie führen wird, da wird kein Mensch je gehen.

Wofür man sie einsetzt, das ist unbekannt.

Was sie verfrachtet, das bleibt ungenannt. ...

Was diese Linie ist — ein Wahnwitz, sonst nix.“

In Wirklichkeit war das Projekt nicht so schlecht durchdacht, wie dargestellt. Die Eisenbahnlinie sollte etwa 1 000 Kilometer lang werden und von Mombasa, Kenias Seehafen am Indischen Ozean, bis zum Victoriasee verlaufen. Nach der Fertigstellung, so versicherten die Befürworter, werde sie den Handel und die Entwicklung fördern und dem Sklavenhandel in jener Gegend ein Ende setzen. Die Kosten für den Eisenbahnbau wurden mit 5 Millionen Dollar veranschlagt, zu zahlen vom britischen Steuerzahler. Man rechnete mit einer Bauzeit von 4 bis 5 Jahren.

Die Details blieben allerdings etwas nebulös. Als George Whitehouse, der Chefingenieur, im Dezember 1895 in Mombasa eintraf, hatte er nur eine Skizze mit dem voraussichtlichen Verlauf der Strecke bei sich. Was Whitehouse dann erfuhr, war äußerst einschüchternd. Direkt westlich von Mombasa befand sich eine ausgedörrte, wasserlose Gegend, um die Karawanen meist einen Bogen machten. Anschließend würde die Strecke 500 Kilometer durch Savanne und Buschland verlaufen, eine Gegend, wo es von Löwen wimmelte und die von Schwärmen von Tsetsefliegen und Moskitos heimgesucht wurde. Im weiteren Verlauf würde es durch vulkanisches Hochland gehen, das vom etwa 80 Kilometer breiten Ostafrikanischen Graben mit seinen 600 Meter hohen Steilhängen geteilt wird. Die letzten 150 Kilometer bis zum See, so hieß es, seien morastiger Sumpf. Wen wundert es da noch, daß der Bau dieser Eisenbahnstrecke den Stoff für eine der interessantesten afrikanischen Heldengeschichten liefern sollte.

Erste Probleme

Für solch ein großes Projekt wurde natürlich ein Heer von Arbeitern benötigt. Da Mombasa nur eine kleine Gemeinde war, holte man Arbeiter aus Indien. Allein 1896 kamen über 2 000 mit dem Schiff an — Steinmetze, Schmiede, Zimmerleute, Landvermesser, Bauzeichner, Angestellte und Arbeiter.

Außerdem ging es darum, Mombasa in einen brauchbaren Umschlagplatz für die Unmenge an Ausrüstung zu verwandeln, die eingeführt werden mußte, um 1 000 Kilometer Eisenbahnlinie zu bauen. Allein für die Gleise würde man 200 000 Schienen benötigen, jede 9 Meter lang und etwa 200 Kilogramm schwer. Auch wären 1,2 Millionen Schwellen erforderlich, zum Großteil aus Stahl. Zur sicheren Befestigung der Schienen und Schwellen wäre der Import von 200 000 Schienenlaschen, 400 000 Laschenbolzen und 4,8 Millionen Stahlfederringen nötig. Außerdem müßten Lokomotiven, Tender, Bremswagen, Güterwagen und Eisenbahnwagen eingeführt werden. Doch bevor überhaupt die erste Schiene verlegt werden konnte, mußten Kaianlagen, Lagerhäuser, Unterkünfte für die Arbeiter, Reparaturwerkstätten und andere Arbeitsräume errichtet werden. Aus dem verschlafenen Küstenort wurde schnell ein moderner Hafen.

Whitehouse hatte sofort erkannt, daß es Probleme mit der Wasserversorgung geben würde. Die wenigen Brunnen in Mombasa reichten kaum für die einheimische Bevölkerung. Doch man würde ein wahres Meer zum Trinken und Waschen sowie für Bauzwecke benötigen. „Das, was ich bislang gesehen habe und was ich von dem Land weiß“, schrieb Whitehouse, „läßt mich nur dazu raten, für die ersten 150 Kilometer Wasserzüge einzusetzen.“ Solche Wasserzüge müßten jeden Tag mindestens 40 000 Liter(!) Wasser heranschaffen.

Zunächst lösten die Eisenbahningenieure das Wasserproblem, indem sie einen Bach stauten und ein Reservoir zum Auffangen von Regenwasser bauten. Später wurden Maschinen zum Destillieren des Meerwassers beschafft.

Man machte sich an die Arbeit, und Ende 1896 — ein Jahr nachdem Whitehouse in Mombasa angekommen war — waren 40 Kilometer Gleise verlegt. Trotz dieser Leistung waren die Kritiker schnell mit der Bemerkung dabei, wenn der Bau nicht zügiger voranginge, dann würde der erste Zug die Fahrt von der Küste zum Victoriasee nicht vor Beginn der 1920er Jahre antreten.

Über die Taru-Ebene

Inzwischen wurden die Bauarbeiter von Krankheiten heimgesucht. Im Dezember 1896 waren über 500 Arbeiter in Sanitätszelten untergebracht; sie litten an Malaria, Ruhr, Ulcus tropicum und Lungenentzündung. Einige Wochen später war die Hälfte der Arbeitskräfte krankheitsbedingt arbeitsunfähig.

Trotz allem ging die Arbeit voran, und bis Mai hatte man die Gleise über 80 Kilometer weiter in die trockene Taru-Ebene verlegt. Zwar schien die Ebene auf den ersten Blick ideal zu sein, um dort in normalem Tempo arbeiten zu können, aber sie entpuppte sich als ein Wald von mannshohen, rasiermesserscharfen Dornbüschen. Dicke, rote Staubwolken schnürten den Arbeitern die Kehle zu. Die sengende Sonne heizte die Erde auf — es war der reinste Backofen, der auch noch voller Dornen war. Selbst nachts fiel die Temperatur selten unter 40 Grad. Der Autor M. F. Hill schrieb in einem offiziellen Geschichtsrückblick der Eisenbahn: „Es schien, als hätte sich das ganze Wesen Afrikas gegen das Eindringen der Eisenbahn des weißen Mannes verschworen.“

Schrecken durch Löwen

Ende 1898 erreichten die Gleise nach 195 Kilometern Tsavo. Zusätzlich zu den Schwierigkeiten mit dem unwirtlichen Gebiet tauchte ein weiteres Problem auf — zwei Löwen griffen die Arbeiter an. Die meisten Löwen sind keine Menschenfresser. In der Regel greifen höchstens Tiere, die zu alt oder zu schwach zum Jagen sind, einen Menschen an. Die beiden Löwen von Tsavo, ein Männchen und ein Weibchen, bildeten die große Ausnahme. Sie waren weder alt noch schwächlich. Nachts schlichen sie sich still und heimlich an und holten sich ihre Opfer.

Die verängstigten Arbeiter bauten Barrikaden aus Dorngestrüpp um ihre Camps, hielten Feuer in Gang und stellten Wachen auf, die auf leere Ölfässer trommelten, und hofften, die Tiere dadurch fernzuhalten. Bis Dezember hatten die Löwen die Arbeiter derart in Angst und Schrecken versetzt, daß einige von ihnen sich auf die Schienen legten und so einen Zug stoppten, der nach Mombasa zurückfuhr. Dann stiegen um die 500 Arbeiter in den Zug ein. Nur etwa 4 Dutzend Arbeiter blieben zurück. Der Bau wurde für 3 Wochen eingestellt, denn man widmete sich ganz dem Ausbau der Schutzmaßnahmen.

Schließlich wurden die Löwen erlegt, und man nahm die Arbeit wieder auf.

Andere Schwierigkeiten

Mitte des Jahres 1899 erreichten die Schienen Nairobi. Von dort verlief die Strecke westwärts. Erst mußte ein Gefälle von über 400 Metern in den Ostafrikanischen Graben bewältigt werden, und dann ging es auf der anderen Seite durch dichte Wälder und über tiefe Schluchten wieder hinauf bis zum 2 600 Meter hohen Gipfel des Mau.

Eine Eisenbahnstrecke über derart unebenes Gelände zu bauen war an sich schon schwierig genug, aber es kamen noch weitere Probleme hinzu. Beispielsweise zogen einheimische Krieger durch das Camp und bedienten sich mit Baumaterial — aus Telegrafendraht machten sie Schmuck und aus Bolzen, Nieten und Schienen Waffen. Sir Charles Eliot, ehemaliger Kommissar und Oberstkommandierender in Britisch-Ostafrika, schrieb dazu: „Man kann sich vorstellen, zu welchen Diebstählen es bei einer europäischen Eisenbahn kommen würde, wären die Telegrafendrähte Perlenketten und die Schienen erstklassige Sportgewehre ... Es überrascht nicht, daß die ... [Eingeborenen] der Versuchung erlagen.“

Die letzte Runde

Als die Bahnarbeiter noch 10 Kilometer bis zum Victoriasee vor sich hatten, wüteten Ruhr und Malaria im Camp. Die Hälfte wurde krank. Gleichzeitig setzten Regenfälle ein, und das Gebiet, das schon sumpfig genug gewesen war, wurde ein einziger Morast. Die Bahndämme weichten derart auf, daß die Transportzüge beim Abladen nicht anhalten durften, sonst wären sie umgekippt und im Schlamm versunken. Ein Arbeiter beschreibt, wie solch ein Zug „langsam und bedächtig heranschnaufte, von einer Seite zur anderen schaukelnd, und dabei sanft auf und nieder schwankte wie ein Schiff auf unruhiger See, und der Matsch spritzte auf jeder Seite 3 Meter weit“.

Schließlich wurde am 21. Dezember 1901 in Port Florence (heute Kisumu) am Ufer des Victoriasees die letzte Schraube in der letzten Schwelle festgezogen. Alles in allem hatte der Bau der 937 Kilometer langen Eisenbahnstrecke 5 Jahre und 4 Monate gedauert und 9 200 000 Dollar gekostet. Von den 31 983 Arbeitern, die man aus Indien geholt hatte, starben über 2 000, und viele der Überlebenden kehrten nach Indien zurück. Die Tausende, die im Land blieben, bildeten den Grundstock für die große asiatische Bevölkerung des heutigen Ostafrikas. 43 Bahnstationen wurden gebaut sowie 35 Viadukte und mehr als 1 000 Brücken und Durchlässe.

Die Schriftstellerin Elspeth Huxley nannte sie „die mutigste Eisenbahn der Welt“. Die Frage blieb allerdings offen, ob letztlich die Ergebnisse die Anstrengungen wert gewesen waren oder ob die Eisenbahnlinie in Wirklichkeit ein „Wahnwitz“ war, eine kolossale Verschwendung von Zeit, Geld und Menschenleben.

Die Eisenbahn heute

Die Frage wird beantwortet, wenn man betrachtet, was in den fast 100 Jahren seit der Fertigstellung der ursprünglichen Linie geschehen ist. Die Dampflokomotiven machten den über 200 zugkräftigen, modernen Dieselloks Platz. Die Strecke wurde erweitert, so daß zig Städte und Ortschaften in Kenia und Uganda erreichbar geworden sind. Die Eisenbahnlinie war mit ausschlaggebend für die Entwicklung der Hauptstädte Nairobi und Kampala.

Heute spielt die Eisenbahn in zweierlei Hinsicht eine Rolle. Erstens werden Passagiere zuverlässig und sicher an ihren Bestimmungsort gebracht. Zweitens ermöglicht sie den Transport von Gütern wie Zement, Kaffee, Maschinen, Holz und Lebensmitteln. Für die Kenya Railways ist es außerdem ein gutes Geschäft, die unzähligen Container weiterzubefördern, die im Hafen gelöscht werden.

Die Eisenbahn hat sich für Ostafrika eindeutig als immens wertvoll erwiesen. Vielleicht haben wir ja einmal die Gelegenheit, eine Fahrt mit jener berühmten Eisenbahn zu genießen, die einst als „Wahnsinnsexpreß“ angeprangert wurde.

[Kasten/Bild auf Seite 24]

EINE REISE MIT DEM ZUG

SOWOHL Touristen als auch Einheimische reisen gern mit dem Zug, besonders auf der Strecke zwischen Mombasa und Nairobi. Von beiden Städten fahren jeden Abend Punkt 19 Uhr Personenzüge ab. Wer erster oder zweiter Klasse fährt, sollte sich vor dem Einsteigen an Hand der angebrachten Informationen vergewissern, in welchem Wagen und Abteil er fährt. Ein Steward, der ganz in der Nähe steht, fragt, ob man das Dinner um 19.15 Uhr oder um 20.30 Uhr einnehmen möchte. Wenn man sich entschieden hat, gibt er einem den entsprechenden Coupon.

Nun steigt man ein. Die Lok pfeift, und Musik erklingt, während der Zug langsam aus dem Bahnhof rollt.

Zur Dinnerzeit geht jemand den schmalen Flur entlang und schlägt auf ein Xylophon, das er in der Hand hält, als Zeichen dafür, daß serviert werden kann. Während man im Speisewagen à la carte ißt, wird im Schlafwagenabteil von einem Bediensteten das Bett hergerichtet.

Während des ersten Reiseabschnitts herrscht Dunkelheit. Bevor man zu Bett geht, möchte man aber vielleicht das Licht in seinem Abteil löschen, aus dem Fenster spähen und rätseln, ob die Schatten und Silhouetten im Mondlicht womöglich Elefanten oder Löwen sind oder doch nur Büsche und Bäume. Wie war es wohl vor fast hundert Jahren, dort draußen zu schlafen, als die Eisenbahnstrecke gebaut wurde? Hätte man sich damals vor dem Einschlafen gefürchtet? Und heute?

Die Reise dauert knapp 14 Stunden. Es gibt also viel zu sehen, wenn die Morgendämmerung die afrikanische Landschaft in ihr Licht taucht. Fährt man in Richtung Mombasa, erlebt man einen Sonnenaufgang in den schönsten Rottönen über einem Wald von Dornsträuchern. Die Dornsträucher weichen langsam den Palmen; später fallen einem die gemähten Rasenflächen, die getrimmten Hecken und die modernen Gebäude Mombasas ins Auge. Bauern bestellen ihre Felder von Hand, während barfüßige Kinder begeistert winken und den Fahrgästen einen Gruß zurufen.

Fährt man in Richtung Nairobi, erscheint das erste Morgenlicht, während der Zug gerade über eine weite, freie Ebene rumpelt. Dort ist es ein Kinderspiel, Tiere auszumachen, vor allem, wenn es am Nairobi-Nationalpark vorbeigeht.

Die Reise ist ein wirklich unvergleichliches Erlebnis. In welchem anderen Zug kann man sich schon ein herzhaftes Frühstück zu Gemüte führen und dabei vom Fenster aus Zebraherden oder Antilopenherden beobachten?

[Bildnachweis]

Kenya Railways

[Karte/Bilder auf Seite 23]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

KENIA

Victoriasee

Kisumu

NAIROBI

Tsavo

Mombasa

INDISCHER OZEAN

[Bildnachweis]

Globe: Mountain High Maps® Copyright © 1997 Digital Wisdom, Inc.

Map of Africa on globe: The Complete Encyclopedia of Illustration/J. G. Heck

Trains: Kenya Railways

Male and female kudu. Lydekker

Lioness. Century Magazine

    Deutsche Publikationen (1950-2025)
    Abmelden
    Anmelden
    • Deutsch
    • Teilen
    • Einstellungen
    • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
    • Nutzungsbedingungen
    • Datenschutzerklärung
    • Datenschutzeinstellungen
    • JW.ORG
    • Anmelden
    Teilen